Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel und dem schwedischen Ministerpräsidenten Fredrik Reinfeldt

(Hinweis: Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung.)

BK’IN DR. MERKEL: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass mein Kollege Fredrik Reinfeldt, Premierminister aus Schweden, heute bei uns zu Besuch ist. Wir haben uns verabredet, um den Europäischen Rat in der nächsten Woche vorzubereiten und um natürlich auch über alle allgemeinen politischen Probleme zu sprechen.

 

Ich möchte zuerst Fredrik Reinfeldt ganz herzlich zu seiner Wiederwahl gratulieren. Die Regierung hat in der vergangenen Legislaturperiode gezeigt, dass Schweden sehr, sehr erfolgreich gewirtschaftet hat. Das wird jetzt an den Zahlen deutlich. Die wirtschaftliche Situation, auch die Arbeitsmarktsituation, ist der in Deutschland sehr ähnlich. Das ist ein Erfolg der Regierungsarbeit des Ministerpräsidenten. Ich denke, wir werden auch in den nächsten Jahren weiter sehr erfolgreich zusammenarbeiten.

 

Wir können sagen, dass unsere bilateralen Beziehungen in einem exzellenten Zustand sind und dass wir deshalb auch genügend Zeit hatten, uns mit Fragen hinsichtlich der Vorbereitung des Europäischen Rates zu befassen. Beide Länder sind daran interessiert, dass wir mit dem Parlament zu einer Einigung in Sachen Haushalt 2011 kommen. Wir haben beim letzten Rat in einem gemeinsamen Brief unsere Überzeugung deutlich gemacht. Ich glaube, die Verhandlungen sind jetzt auf einem recht guten Weg.

 

Zweitens. Wir wollen auf dem Dezember-Rat sicherstellen, dass wir einen permanenten Krisenbewältigungsmechanismus im Euroraum installieren. Das ist aus meiner Sicht deshalb wichtig, weil wir damit zeigen, dass es auch über 2013 hinaus eine Solidarität innerhalb der Euro-Gemeinschaft geben wird. Ich möchte mich sehr herzlich bedanken, dass Schweden sowohl die Arbeiten an diesem Krisenmechanismus unterstützt, obwohl es nicht Mitglied der Eurogruppe ist, als auch zu einer begrenzten Vertragsänderung bereit ist, die wir für notwendig halten. An dieser Vertragsänderung schmaler Natur wird jetzt gearbeitet, damit das bis zum Rat einvernehmlich gewährleistet ist.

 

Ich glaube, dass wir bei den kommenden Diskussionen über den mehrjährigen Finanzrahmen, also die finanzielle Vorausschau, sehr eng zusammenarbeiten werden, weil wir überzeugt sind, dass Europa einen Weg hin zu mehr Innovation und zu mehr Wettbewerbsfähigkeit gehen muss, damit wir auch im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts angesichts des wachsenden globalen Wettbewerbs wettbewerbsfähig bleiben und den Wohlstand für die Menschen in unseren Ländern erhalten können.

 

Alles in allem ist es also eine sehr enge und freundschaftliche Zusammenarbeit, für die ich mich herzlich bedanken möchte.

 

MP REINFELDT: Frau Bundeskanzlerin, herzlichen Dank! Es ist sehr schön, dass ich wieder hier in Berlin sein kann. Ich danke Ihnen auch sehr herzlich für Ihre freundlichen Worte, die Gastfreundschaft und die guten Gespräche, die wir heute hatten.

 

Wie Sie sehr richtig gesagt haben, gibt es sowohl in der deutschen als auch in der schwedischen Wirtschaft eine sehr nachdrückliche Erholung. Das ist natürlich vor allen Dingen deswegen der Fall, weil wir uns etwas von den anderen europäischen Ländern abheben. Da gibt es sehr tief verwurzelte Probleme. Während des nächsten Rates möchten wir darüber sprechen. Wir möchten über den permanenten Krisenmechanismus und auch über die kleine Vertragsänderung sprechen, die wir brauchen, um diesen Mechanismus zu bewältigen.

 

Wir unterstützen Deutschland, wir unterstützen auch die anderen Länder, wenn es darum geht, dass man eine nachdrücklichere Fiskalpolitik für Europa auflegt. So haben wir das auch immer in unseren Gesprächen gesagt. Wenn es um Rahmenbedingungen für den Haushalt und um einen guten Stabilitäts- und Wachstumspakt geht, ist es sehr, sehr wichtig, dass sich alle europäischen Staaten des Wettbewerbs und der zahlreichen Themen annehmen, die damit verbunden sind. Das sind die Herausforderungen, die wir in der Welt von heute zu bewältigen haben. Wenn wir uns Asien ansehen, wenn wir uns die aufstrebenden neuen Märkte ansehen, ist es sehr wichtig, dass man das nicht vergisst. Es gibt eine Tendenz, dass man nicht nur darüber spricht, wie man die Probleme lösen sollte, sondern dass man auch entsprechende Grundlagen für die Wettbewerbsfähigkeit von morgen legt.

 

Darüber haben wir sehr gute Gespräche geführt. Ich habe gesagt, dass Schweden, das sich außerhalb der Eurogruppe befindet, trotzdem immer versucht hat, zum Beispiel Lettland, Island und Litauen zu unterstützen, dass wir auch unsere Unterstützung leisten wollen, was Irland angeht und dass wir das immer von Fall zu Fall betrachten. Aber das ist natürlich auch mit nationalen Programmen verbunden, in denen sich die einzelnen Länder ihrer Defizitprobleme energisch annehmen, wenn diese Probleme in ihren Ländern auftreten.

 

Herzlichen Dank für die Gespräche und für die Möglichkeit, mit Ihnen zu sprechen.

 

Frage: Frau Bundeskanzlerin, haben Sie über die Beteiligung von privaten Gläubigern bei der Verantwortung von Staatsschulden diskutiert? Warum ist es für Sie so wichtig, dass es eine Beteiligung der Gläubiger gibt? Sind Sie bereit, weiter über europäische Staatsanleihen zu diskutieren? Wenn nein, warum nicht?

 

BK’IN DR. MERKEL: Zur ersten Frage: Es ist ja so, dass sich unsere Finanzminister auf einen permanenten Krisenmechanismus geeinigt haben, der im Falle der Insolvenz eines Landes - dazu heißt es in dem Krisenmechanismus noch einmal ausdrücklich „der unerwarteten Insolvenz eines Landes“ - die Beteiligung privater Gläubiger über diese so genannten CACs, also Collective Action Clauses, vorsieht. Ich glaube, dass das richtig ist, weil wir heute in der Eurogruppe mit dem Fall einer Insolvenz eines Staates nicht umgehen können. Anders, als wenn es sich um reine Nationalstaaten handelt, können wir das in der Eurogruppe nicht tun, weil wir so eng verbunden sind. Das heißt, wenn ein solcher Fall einträte - hier steht extra „unerwartet“; man sieht also heute keinen solchen Falle -, bräuchte man eine Prozedur. Deshalb, glaube ich, ist das richtig, und ich unterstütze das. Aber alle Finanzminister haben dem ja auch zugestimmt.

 

Zur zweiten Frage nach den Eurobonds: Es ist so, dass das kein neuer Vorschlag ist. Dieser Vorschlag ist in den vergangenen Jahren oft diskutiert worden. Aus meiner Sicht setzt er ökonomisch nicht die richtigen Anreize, auch wenn er nur teilweise realisiert wird. Zweitens ist er nach unserer Auffassung mit den bestehenden Verträgen überhaupt nicht kompatibel.

 

Insofern glaube ich, dass uns diese Diskussion jetzt nicht weiterhilft. Wir brauchen eine konstruktive Diskussion bis zum nächsten Freitag. Wir wissen, dass wir alle zu einem starken Euro stehen - egal, ob wir Mitglied des Euroraums sind; auch die, die nicht Mitglied sind, wollen das. Jetzt heißt es, alle Kraft zu bündeln, um am nächsten Freitag an den beiden Beispielen beschränkte Vertragsänderung und Krisenmechanismus ein gutes Ergebnis bezüglich der Zukunft des Euro zu liefern.

 

MP REINFELDT: Ich kann dem nur zustimmen.

 

Frage: Frau Bundeskanzlerin, noch einmal zum Thema Eurobonds: Herr Juncker wirft Deutschland und damit Ihnen simples Denken vor. Ist das jetzt der normale Ton in dieser Sache? Was sagen Sie dazu?

 

BK’IN DR. MERKEL: Ich sage dazu, dass wir wirklich ruhig und zielorientiert auf das hinarbeiten sollten, was uns nächsten Freitag erwartet. Deshalb ist diese ruhige Art mein Beitrag dazu, dass wir Freitag erfolgreich sind.

 

Frage: Frau Bundeskanzlerin, haben Sie mit Ministerpräsident Reinfeldt über das Thema Wikileaks diskutiert? Was halten Sie generell von dem, was in den letzten zehn Tagen passiert ist?

 

BK’IN DR. MERKEL: Wir haben nicht direkt darüber gesprochen; es gab so viele andere Themen. Ich würde sagen, ein großer Teil dessen, was jedenfalls wir in Deutschland über uns erfahren haben, ist Bestandteil jeder besseren Party. Insofern hat uns das nicht so aufgeregt.

 

Frage: Eine Frage an den schwedischen Ministerpräsidenten, auch zum Fall Wikileaks: Können Sie sagen, ob die schwedische Regierung Einwände dagegen hätte, dass Herr Assange an die USA ausgeliefert würde, oder fordert Schweden möglicherweise eine Auslieferung nach Schweden?

 

MP REINFELDT: Ich glaube, es ist sehr wichtig, sich daran zu erinnern, dass es nicht Teil des (politischen Systems) ist, dass man diesen Haftbefehlt weiter verfolgt; es ist ja Sache des Justizsystems, sich dieser Dinge anzunehmen, und nicht des politischen Systems. Das ist also eine Zuständigkeit unseres Justizsystems.