Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel, Bundesminister Westerwelle, BDA-Chef Hundt und DGB-Chef Sommer vor dem Konjunkturgespräch

BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, wir treffen uns heute zum Konjunkturgipfel mit der neuen Bundesregierung und vielen, die schon an den vergangenen Gipfeln teilgenommen haben. Es geht darum, die wirtschaftliche Lage zu analysieren und gemeinsame Schlussfolgerungen für Politik, Arbeitgeber und Arbeitnehmerseite zu ziehen, und zwar natürlich unter Ratschlag von Wissenschaft und betroffen Unternehmen, die heute auch bei diesem Gespräch dabei sein werden.

Ein wesentliches Thema wird die Situation in der Bankenwelt und in diesem Zusammenhang auch die Frage der Kreditversorgung der Wirtschaft sein. Wir alle wissen: Die Konjunktur kann überhaupt nur wieder anspringen, wenn die Kreditversorgung ausreichend ist - natürlich auf einer soliden Basis. Diesbezüglich werden wir verschiedene Vorschläge diskutieren, aber vor allen Dingen auch die Einschätzung der Wirtschaft zur Kenntnis nehmen und versuchen, Vorschläge zu unterbreiten und an diesem Thema weiterzuarbeiten.

 

Ein zweites Thema ist die Kurzarbeit, die sich als Brücke bewährt hat. Hierbei werden wir über die Fragen sprechen: Wie sehr wird dieses Instrument genutzt, was sind eventuelle Schwachstellen, wo muss man weiterarbeiten und wie wird dies seitens der Wirtschaft und der Arbeitnehmerseite eingeschätzt?

 

Das dritte Thema betrifft einen Punkt, den wir immer wieder angemahnt haben: Wir wollen stärker aus der Krise herauskommen, als wir hineingegangen sind. Dabei geht es um die Frage: Wie können wir das schaffen, welche flankierenden Maßnahmen sind notwendig? Es wird natürlich auch über eine solide Finanzpolitik und über die Haushaltssituation zu sprechen sein.

 

Insofern freue ich mich auf das Gespräch. Ich will Dank sagen - das werde ich heute auch in dem großen Kreis tun - für große Verantwortungsbereitschaft vonseiten der Unternehmen und vonseiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den vergangenen schwierigen Monaten. Ich werde dafür werben, dass wir diesen Kurs fortsetzen; denn die Krise ist nicht vorbei, sondern sie wird uns noch eine lange Zeit - das sage jedenfalls ich voraus - beschäftigen. Deshalb wird es darauf ankommen, in schwieriger Zeit auch weiter zusammenzustehen.

 

Hundt: Ich greife Ihren letzten Punkt auf, Frau Bundeskanzlerin: Die Krise ist in der Tat nicht zu Ende. Es gibt vermehrt gesamtwirtschaftliche Anzeichen dafür, dass wir uns in einer Aufschwungphase befinden und dass wir den Tiefpunkt hinter uns gelassen haben. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass wir uns unverändert auf einem unzulänglich niedrigen Niveau befinden. Zum Zweiten ist die Situation von Branche zu Branche und von Unternehmen zu Unternehmen auch noch außerordentlich unterschiedlich. Viele Unternehmen laufen erst in die kritische, in die krisenhafte Situation hinein. Deshalb wird im kommenden Jahr ein Anstieg der Arbeitslosigkeit nicht zu verhindern sein.

 

Der Arbeitsmarkt hat sich bisher erfreulicherweise außerordentlich robust gezeigt. Wer hätte zu Beginn dieses Jahres gedacht, dass wir Ende November mit 3,2 Millionen nur etwas über 200.000 Arbeitslose mehr als zu Beginn des Jahres haben? Hier haben die Unternehmen außerordentlich verantwortungsbewusst gehandelt. Sie haben in größtmöglichem Umfang Beschäftigung in ihren Unternehmen gehalten. Vor allen Dingen hat sich die Zusammenarbeit der Sozialpartner mit der Politik hervorragend bewährt; die Regelungen zur Erleichterung der Durchführung von Kurzarbeit in den Unternehmen haben sich hervorragend bewährt. Deshalb haben wir tatsächlich eine bessere Situation als andere Länder.

 

Die ganz entscheidende Frage für die weitere Entwicklung wird jetzt sein, ob und wie sichergestellt wird, dass der Kreditbedarf der Unternehmen in ausreichendem Umfang und zu verkraftbaren Konditionen sichergestellt wird. Ich denke, die aktuelle Situation hinsichtlich der Kreditversorgung wird in der öffentlichen Diskussion verharmlost. Die Unternehmen klagen zunehmend über Erschwernisse, Kredite zu erhalten, und zwar sowohl hinsichtlich des dafür erforderlichen bürokratischen Aufwands als auch hinsichtlich ständig steigender Kosten für die Kredite. Ich denke, wir werden heute sehr intensiv über zusätzliche Maßnahmen diskutieren müssen - und hoffentlich auch Lösungen finden -, die es den Banken erleichtern, die Realwirtschaft mit Krediten zu versorgen. Es geht hier nicht um Bankhilfen, sondern es geht um Kredite an die Realwirtschaft für Investitionen und Betriebsmittel. Damit geht es im Endeffekt auch um den Erhalt von Arbeitsplätzen und um die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen.

 

Ich werde heute vorschlagen, dass wir unter anderem auch den Verbriefungsmarkt wieder in Gang setzen sollten - nicht den, der zu der Krise geführt hat, sondern den, den wir vor der Krise hatten und der sich bewährt hat. Es kann darüber nachgedacht werden, ob dies möglicherweise zeitlich befristet und unter Nutzung der Möglichkeiten des Wirtschaftsfonds erfolgt. Hier müssen aber schnell Maßnahmen getroffen werden, die sicherstellen, dass gerade bei einem Anstieg der wirtschaftlichen Entwicklung und damit einem erhöhten Kreditbedarf die entsprechenden Forderungen der Unternehmen erfüllt werden.

 

Wir haben in der Vergangenheit gezeigt, dass wir - Unternehmen, Politik und Gewerkschaften - gemeinsam eine Menge erreichen können. Ich denke, das gilt auch für die Zukunft. Ich hoffe, dass das heutige Gespräch einen wesentlichen Schritt in diese Richtung zum Ergebnis hat und wir damit auch für die kommenden Monate mit einigem Optimismus in die Zukunft schauen können.

 

Sommer: Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrter Herr Vizekanzler, ich bedanke mich seitens der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Gewerkschaften erst einmal für die Einladung.

 

Dies ist, wenn man so will, der dritte Krisengipfel, den wir abhalten. Der erste fand am 3. Advent des vergangenen Jahres statt. Wir können fast den Jahrestag feiern, obwohl das nicht ein Tag ist, um zu feiern. Dieser Gipfel hatte zum Ergebnis, dass wir gemeinsame Anstrengungen verabredet haben, um die deutsche Wirtschaft einigermaßen am Laufen zu halten. Dazu gehörten Konjunkturmaßnahmen, die Abwrackprämie und erste arbeitsmarktpolitische Maßnahmen wie insbesondere die Kurzarbeiterregelung.

 

Beim zweiten Konjunkturgipfel kurz nach Ostern im April haben wir verabredet, das Instrument der Kurzarbeiterregelung besonders zu schärfen und ein besonderes Augenmerk auf die Situation junger Menschen zu legen, was die Ausbildungsfrage und ihre Anknüpfung betrifft.

 

Ich will genauso wie Sie, Frau Bundeskanzlerin, und wie Herr Hundt sagen: Ich glaube, dass wir im vergangenen Jahr insgesamt einen guten Job gemacht haben. Wir haben etwas erreicht, wofür wir in der Welt teilweise beneidet werden. Wir haben wahrscheinlich eine der schlechtesten Wirtschaftsentwicklungen der OECD-Staaten und gleichzeitig eine der besten Arbeitsmarktentwicklungen. Das war nur dadurch möglich, dass wir diese gemeinsamen Anstrengungen unternommen haben.

 

Wir sind heute hierhergekommen, um diese gemeinsamen Anstrengungen fortzusetzen, allerdings mit einer kritischen Sondierung. Ich will zuerst sagen: Wenn die Bundeskanzlerin völlig zu Recht sagt, dass wir am Schluss gestärkt aus der Krise hervorgehen wollen, müssen wir natürlich auch für die Zukunft vorsorgen. Ich persönlich wage zu bezweifeln - aber ich führe hier keine Koalitionsverhandlungen -, dass dieses sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz das richtige Mittel ist, um das zu tun. Meines Erachtens wäre es sehr viel sinnvoller, Zukunftsinvestitionen zu planen, dort zu investieren und insbesondere im Bereich der Bildung deutliche Verbesserungen vorzunehmen.

 

Zweitens. Frau Bundeskanzlerin, ich glaube, wir sollten dankenswerterweise die Initiative des ausgeschiedenen Arbeitsministers zur Verlängerung des Kurzarbeitergeldes aufgreifen und sie ergänzen. Zum einen sind wir immer noch der Meinung, 24 Monate wären besser als 18, um den Unternehmen Planungssicherheit zu geben. Zweitens fehlt uns eine klare und eindeutige Regelung für die Betriebe, die durch die Kurzarbeit besonders belastet sind, die also die lange (Strecke) fahren, die eine saubere Nachfolgeregelung zu den Fragen der Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge schaffen, um die Unternehmen weiter herauszuhalten.

 

Drittens. Wir wollen heute die Frage ansprechen, ob Zusatzkosten durch Kurzarbeit entstehen, und zwar immer unter dem Aspekt von Beschäftigungssicherung. Das betrifft übrigens auch Fragen der Überführung von Beschäftigten in Transfergesellschaften, wenn es notwendig ist.

 

Das alles sind Maßnahmen, die sich auf den ersten Blick ein bisschen kurz (gegriffen) anhören, die aber alle dazu führen, dass wir das fortsetzen müssen, was uns der Sachverständigenrat sagt, nämlich dass wir mit den Maßnahmen, die ich eben geschildert habe, im vergangenen Jahr zirka 840.000 Menschen vor der Vollzeitarbeitslosigkeit bewahrt haben. Man muss sich immer die Zahl auf der Zunge zergehen lassen.

 

Drittens. Wir werden heute kritisch nachfragen, wie es mit den Zukunftschancen der Jugend weiter geht. Es geht nicht nur um die Kolleginnen und Kollegen, die in die berufliche Ausbildung kommen, sondern auch um die vielen Chancen von jungen Menschen, die ich jetzt einmal im weitesten Sinne als akademischen Nachwuchs bezeichne, die auch darauf warten, ihre Zukunftschance zu bekommen.

 

Der vierte und letzte Punkt ist die Frage der Kreditversorgung. Wir sehen genauso kritisch, dass es Schwierigkeiten in der Kreditversorgung gibt und dass diese wachsen. Ich muss allerdings daran erinnern, dass wir, beginnend mit dem ersten Konjunkturgipfel, gefragt haben: Was planen Sie eigentlich in Ergänzung zum Bankenrettungspaket? (Dieses umfasst) 480 Milliarden Euro, einschließlich der Bürgschaften.

 

Dann haben wir den SoFFin gegründet. Dann haben wir den Deutschlandfonds aufgelegt. Dann haben wir eine absolute Politik des Niedrigzinses mit wesentlich verbesserten Voraussetzungen betrieben, um bei den Banken Kredite zu bekommen. Ein Prozent beträgt der Leitzins der EZB. Zum Schluss wurde im Sommer - das wurde als große Tat gefeiert - das sogenannte Gesetz zur Bad Bank aufgelegt. Und wir sind immer noch in der Kreditklemme, oder wir geraten vielleicht erst in die richtige Kreditklemme. Wir werden heute auch an der einen oder anderen Stelle die Damen und Herren der Finanzwirtschaft fragen, was eigentlich das Verhältnis von Treu und Glauben auf der einen Seite und Leistung auf der anderen Seite ist. Das wollte ich jetzt schon ankündigen, allerdings ohne die Gespräche vorwegzunehmen.

 

BM Westerwelle: Wir haben eine neue Bundesregierung. Die neue Bundesregierung will vor allen Dingen Wachstumskräfte stärken, indem wir die Familien entlasten und insbesondere den Mittelstand entlasten. Deswegen haben wir das Wachstumsbeschleunigungsgesetz aufgelegt. Wer gesunde Staatsfinanzen will, muss dafür sorgen, dass sich Aufschwung und Konjunktur positiv entwickeln. Deswegen gehen wir auch diesen Weg.

 

Wir werden zweitens insbesondere auf die Zukunftsinvestitionen setzen. Wir geben der Bildung und den Bildungsinvestitionen Vorfahrt. Das ist gut für die Gegenwart. Es ist aber auch aber gut für die Zukunft.

 

Letzter Punkt: Den Banken ist geholfen worden. Jetzt müssen die Banken ihre Verantwortung kennen, wenn es gerade darum geht, eine Kreditklemme zu verhindern, dass investiert werden kann und dass Arbeitsplätze entstehen und bewahrt werden können. - Danke schön!