Pressestatements von Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Premierministerin der Volksrepublik Bangladesch, Sheikh Hasina

(Hinweis: Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung.)

BK‘in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich sehr, dass ich heute die Premierministerin von Bangladesch, Sheikh Hasina, in Berlin begrüßen darf. Dies ist ihr zweiter Besuch als Ministerpräsidentin in Deutschland. Ich glaube, das zeigt, dass Deutschland und Bangladesch sehr enge Partner sind.

Unsere Beziehungen sind auf einem guten Stand. Die wirtschaftlichen Beziehungen können ausgebaut werden. Die Premierministerin hat Vertreter der Wirtschaft hier in Deutschland getroffen. Unsere Entwicklungszusammenarbeit ist sehr gut. Wir sind der zweitgrößte Geber in Bereich der Entwicklungshilfe.

Wir haben eine ganze Reihe von Bereichen identifiziert, in denen Bangladesch in besonderer Weise an der Kooperation mit Deutschland interessiert ist. Das ist einmal das Thema erneuerbare Energien im Blick auf den Klimawandel. Bangladesch ist eines der Länder, das durch seine Geografie extrem gefährdet ist, vom Klimawandel sehr stark betroffen zu sein. Zum Zweiten ist einer der Schwerpunkte der Premierministerin ‑ das unterstütze ich natürlich ausgesprochen ‑ das Thema Bildung für die Kinder sowohl in der Grundschule als auch in den weiterführenden Schulen, um in der Zukunft Kinderarbeit unmöglich zu machen.

Wir haben natürlich auch deutlich gemacht, dass die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards wichtig ist. Für die Wirtschaft sind vor allen Dingen rechtlich klare Rahmenbedingungen von Bedeutung. Ich glaube, Bangladesch ist auf einem guten Weg, wenn man sich die Wachstumsraten in Bezug auf das Wirtschaftswachstum anschaut. Die Premierministerin geht hier einen sehr mutigen Weg, die Armut in dem Land zu bekämpfen.

Wir haben uns auch über die Nachbarschaft ausgetauscht, nämlich über Indien, Pakistan und über die Situation in Myanmar.

Ich glaube, Frau Premierministerin, dass Ihr Besuch hier bei uns in Deutschland ein wichtiger Schritt ist, unsere Beziehungen zu intensivieren. Bangladesch hat noch eine sehr gute Entwicklung vor sich. Es hat durch die Militärdiktaturen viele Jahre verloren. Umso erfreulicher und bewundernswerter ist es, dass Sie mit großem Enthusiasmus die Armut bekämpfen, die demokratischen Strukturen stärken und die Vielfalt der Zivilgesellschaft hervortreten lassen wollen. Ein Bereich, der bei Ihrem Besuch in diesem Jahr eine große Rolle spielt, ist das Thema Gesundheit. Auch hier wollen wir Kooperationsmöglichkeiten suchen. ‑ Noch einmal herzlichen Dank und herzlich willkommen!

PM HASINA: Vielen Dank, Frau Bundeskanzlerin. Es ist mir eine große Freude, heute mit Ihnen zusammentreffen zu können, mit Ihnen vor die Presse zu treten und über den Besuch in Ihrem wunderbaren Land zu berichten.

Meine Damen und Herren, die Frau Bundeskanzlerin und ich hatten einen offenen, ergebnisorientierten und tiefgreifenden Meinungsaustausch. Wir haben offen, sehr herzlich und sehr konstruktiv miteinander gesprochen. Meine Delegation und ich haben uns sehr über die Gastfreundschaft gefreut, die uns heute bei einem sehr großzügigen Mittagessen erwiesen wurde.

Deutschland ist ein bewährter Freund für mein Land. Unsere Beziehungen reichen weit in die Vergangenheit zurück. Deutschland hat unseren Befreiungskrieg unterstützt. Es hat immer schon hochrangige Besuche gegeben. Es ging immer darum, die Kontakte zu den Menschen auszubauen. Deutschland hat uns beständig unterstützt, wenn es um die sozioökonomische Entwicklung des Landes ebenso wie um den Handel und die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit geht. Deutschland ist die drittgrößte Exportdestination für uns und unser zweitgrößter Entwicklungspartner in Europa. Deutschland kommt ein wichtiger Platz zu.

Für mich persönlich ist es auch eine Herzensfrage geworden. Ich habe eine besondere Beziehung zu Deutschland und dem deutschen Volk, denn meine Schwester und ich haben während unseres ersten Besuchs in Deutschland erfahren müssen, dass mein Vater und Mitglieder meiner Familie ermordet wurden. Er war damals der Vater der Nation. Das war 1975. Er und weitere Mitglieder meiner Familie wurden damals ermordet.

Ich bin sehr dankbar für den heutigen Besuchstermin bei der Bundeskanzlerin. Ich danke ihr für die Zeit, die sie sich genommen hat, und für die beständige Bereitschaft zur Zusammenarbeit, für die Freundschaft und die Unterstützung, die wir seitens Deutschland und der Deutschen erhalten haben. Ich stimme der Bundeskanzlerin voll und ganz hinsichtlich dessen zu, was sie bisher gesagt hat. Ich füge nur noch hinzu, dass heute die gesamte Bandbreite unserer Beziehungen diskutiert wurde und dass wir uns darauf geeinigt haben, bei einer Reihe von Fragen ‑ Themen von regionaler und wirtschaftlicher Bedeutung ‑ weiter zusammenzuarbeiten. Wir haben uns darauf geeinigt, unsere ohnehin guten Beziehungen auf eine höhere Ebene zu heben.

Ich habe der Bundeskanzlerin mitgeteilt, welche positiven Veränderungen in einer Reihe von Bereichen vollzogen wurden beziehungsweise noch vollzogen werden, seit ich das Amt der Ministerpräsidentin übernommen habe. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Deutschland ist uns wichtig. Wir würden sie gerne weiter ausweiten und sind sehr dankbar für weitere Unterstützung auch bei den Herausforderungen des Klimawandels, denn dieser hat Auswirkungen auf die Lage in meinem Land. Wir möchten aber auch das soziale Sicherungsnetz ebenso wie den Bildungs- und den Gesundheitssektor weiterentwickeln.

Ich danke der deutschen Bundeskanzlerin dafür, dass sie es uns ermöglicht hat, heute zwei gemeinsame Absichtserklärungen zu unterzeichnen. Die zuständigen Minister haben ein Abkommen zum Thema Klimawandel beziehungsweise Anpassung an den Klimawandel und Folgenmilderung des Klimawandels und eine weitere Absichtserklärung zur Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich unterschrieben. Auch beim Aufbau der Infrastruktur in Bangladesch können wir Unterstützung gebrauchen.

Heute haben wir auch darüber gesprochen, dass der bilaterale Handel bereits auf einem guten Niveau angekommen ist, aber dass hier noch Raum für eine weitere Verbesserung ist.

Die Bundeskanzlerin hat mir ihre Sichtweise hinsichtlich einer Reihe von globalen Problemen dargelegt. Mich hat sehr beeindruckt, wie deutlich sie dadurch ihre politische Führungsrolle unterstreichen konnte. Wir sind ihr für die kreative Rolle dankbar, die sie dabei gespielt hat und weiterhin spielt, die Probleme dieses Landes, aber auch die internationalen und europäischen Herausforderungen anzugehen. Ich kehre nach Bangladesch mit dem guten Gefühl zurück, dass ich hier eine wichtige politische Führungspersönlichkeit getroffen habe, der es darum geht, die Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern und unseren Völkern im beiderseitigen Interesse voranzutreiben.

Für mich ist dieser Besuch ein Meilenstein in den bereits ausgezeichneten Beziehungen zwischen unseren Ländern. Gleichzeitig möchte ich der Bundeskanzlerin gegenüber eine Einladung aussprechen. Bitte besuchen Sie doch Bangladesch recht bald. Kommen Sie? Werden Sie sehr bald kommen, Frau Bundeskanzlerin?

BK‘in Merkel: Ich weiß nicht, was „sehr bald“ heißt, aber ich werde kommen.

PM HASINA: Herzlichen Dank! Sie war so freundlich, meine Einladung anzunehmen. Ich freue mich sehr, Frau Bundeskanzlerin, und ich werde auf Ihren Besuch warten. Als eine Regierungsführerin, als eine Politikerin sollten Sie unbedingt kommen, denn wir in Südostasien setzen uns auch für Frauen ein.

BK‘in Merkel: So nett kann ich aber auch nur von einer weiblichen Politikerin eingeladen werden.

PM HASINA: Sie stehen für Europa, und ich stehe für Südostasien. Wir sollten im Interesse der Menschen eng zusammenarbeiten. Wir freuen uns auf Ihren baldigen Besuch, Frau Bundeskanzlerin. Im nächsten Monat wird Bundespräsident Wulff Bangladesch besuchen. Ein solcher Besuch und weitere Besuche werden sicherlich dazu beitragen, die Beziehungen noch weiter zu konsolidieren.

Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren der Presse. Ich danke Ihnen, Frau Bundeskanzlerin. Sie werden ganz sicher kommen? ‑ Vielen Dank!

Frage: Worüber haben Sie eigentlich hinsichtlich der wirtschaftlichen Beziehungen gesprochen? Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Bangladesch und Deutschland bestehen seit 40 Jahren. Wie schätzen Sie diese Beziehungen ein?

BK‘in Merkel: Ich glaube, dass unsere Beziehungen gut sind, dass wir aber noch sehr viel mehr gemeinsam unternehmen können. Ich glaube, dass die Premierministerin in einem nicht ganz einfachen Umfeld versucht, gegen die Armut zu kämpfen, eine vernünftige Einkommensverteilung in Bangladesch zu erreichen und ‑ darüber haben wir gesprochen ‑ vor allen Dingen in den ländlichen Regionen den Menschen Hoffnung für ein gutes Leben zu geben. Eine der großen Gefahren eines so dicht bevölkerten Landes wie Bangladesch ist, dass alle in die Hauptstadt und in die großen Zentren wollen. Wir haben sehr intensiv darüber gesprochen, wie man Schulbildung und Landwirtschaft in den ländlichen Gebieten so ausgestalten kann, dass daraus Lebensperspektiven gerade auch für die jungen Menschen werden.

Außerdem haben wir darüber gesprochen, dass Bangladesch beginnt, sich zu öffnen, so zum Beispiel im Bereich der Softwareindustrie. Ich glaube, dass auch industrielle Arbeitsplätze dazu gehören. Deshalb ist es auch gut, dass wir nicht nur eine Entwicklungszusammenarbeit haben, sondern zukünftig mehr im wirtschaftlichen Bereich zusammenarbeiten. Unser Warenaustausch ist noch nicht so hoch, aber er kann mit Sicherheit höher werden.

Ich habe die Premierministerin ermutigt, gerade im Gesundheitsbereich möglichst viel zu tun, weil dies ein elementarer Bereich für die Menschen ist, gerade auch für die jungen Menschen. (Dies gilt auch insbesondere für die) Schulpflicht und die Frage, wie viele Kinder in die Schule ‑ insbesondere in die Sekundarschule ‑ gehen, weil die armen Familien einen großen Druck haben, die Kinder arbeiten zu schicken. Wie können wir möglichst lange den Kindern Bildung zukommen lassen? Wir stimmen absolut überein: Bildung ist der Schlüssel für die Zukunft.

Frage: Frau Premierministerin, ich hätte gerne gewusst, ob Sie besorgt sind, dass die Industrieländer des Westens vielleicht ihre Unterstützung im Bereich des Klimawandels und der Klimafolgenbekämpfung wegen der finanziellen und wirtschaftlichen Probleme zurückfahren?

Frau Bundeskanzlerin, eine Frage zum EU-Gipfel. Es gibt einen Entwurf für den Gipfel, in dem steht, dass die EZB in außergewöhnlichen Situationen doch am Sekundärmarkt Anleihen aufkaufen soll. Ist das eine Position, die die Bundesregierung unterstützt?

PM HASINA: Sie wissen wahrscheinlich, dass wir besonders vom Klimawandel und seinen Folgen betroffen sind. Darüber habe ich heute mit der Bundeskanzlerin, aber auch schon mit anderen europäischen Politikern gesprochen und habe um Unterstützung für mein Land gebeten. Die europäischen Länder sind sehr hilfreich und auch sehr großzügig hinsichtlich ihrer Unterstützung. Wir versuchen, die Klimafolgen abzumildern und haben dazu einen Aktionsplan verabschiedet.

Die Wirtschaftslage ist so, wie sie ist. Ich habe aber trotzdem den Eindruck, dass die europäischen Länder bedenken sollten, dass mein Land, dass mein Volk leiden wird. Deshalb sollten sie weiterhin gegenüber Bangladesch großzügig bleiben, das ja schon unter den Folgen des Klimawandels leidet.

BK‘in Merkel: Zu Ihrer Frage: Der Satz ist von Deutschland so nicht akzeptiert, wie er jetzt in dem Kommuniqué steht. Wir sind noch an der Arbeit. Der Satz enthält auch nicht die Aussage, dass Sekundärmarktkäufe möglich sind, sondern er sagt nur, dass die Nicht-Standardmethoden der Europäischen Zentralbank weitergeführt werden sollen. Das bedeutet im großem Umfang Liquiditätsbereitstellung und andere Dinge, die die Europäische Zentralbank im Augenblick macht.

Wir verhandeln in die Richtung, dass wir ein Statement der EZB haben, was sie tun möchte. Wir werden dann dazu Stellung nehmen. Aber wir möchten in den Formulierungen sehr viel deutlicher haben, was die EZB machen will und das dann kommentieren. Aber wir wollen nicht das Missverständnis aufkommen lassen, dass die Politik von der EZB etwas erwartet.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, hat es eine Diskussion über ein Großprojekt in Bangladesch gegeben? Deutschland ist einer der größten Unterstützer im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Gibt es eine Diskussion über dieses Großprojekt?

BK‘in Merkel Wir haben über dieses Projekt nicht gesprochen. Insofern kann ich Ihnen dazu nichts sagen. Es ist ein Infrastrukturprojekt. Im Grundsatz sind wir zu (Unterstützungsleistungen im Bereich) Infrastruktur bereit. Aber zu diesem speziellen Projekt kann ich nichts sagen, weil wir nicht darüber gesprochen haben.

PM HASINA: Wir haben über Infrastrukturentwicklung gesprochen. Dazu gehört ja letztendlich alles, so zum Beispiel Brücken und andere Dinge. Die Bundesrepublik Deutschland ist immer sehr kooperativ gewesen. Darüber haben wir heute gesprochen. Die Frau Bundeskanzlerin hat versprochen, dass Deutschland auch weiterhin die Entwicklung meines Landes unterstützen wird. Deutschland hat uns bereits in der Hinsicht unterstützt. Wir haben nicht gezielt über einzelne Projekte gesprochen. Aber generell erhalten wir die Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland für die Entwicklung der Infrastruktur in unserem Land.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie werden in diesen Tagen vom Deutschen Bundestag sehr intensiv auf dem Weg zum Gipfel betreut ‑ viel intensiver als jeder andere Regierungschef. Ist es für Sie eher Lust oder Last, dass das Parlament sich so sehr ‑ in Anführungszeichen ‑ einmischt? Oder schwächt das Ihre Verhandlungsposition in Brüssel?

BK‘in Merkel: Ich glaube, dass inklusive der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts deutlich geworden ist, dass wir in Demokratien leben, in denen natürlich der Deutsche Bundestag die Entscheidungen nicht nur mit akzeptieren muss, sondern letztlich die Haushaltshoheit hat und natürlich ein großes Mitspracherecht hat, weil es hier um haushaltsrelevante Fragen geht.

Dennoch gibt es immer wieder getrennte Aufgabenbereiche einer Regierung, die internationale Verhandlungen führt und natürlich dem Wunsch nach möglichst breiter parlamentarischer Zustimmung (nachkommen will). Wir bewegen uns hier auf einem Gebiet, bei dem wir alle miteinander Neuland beschreiten. Deshalb bin ich natürlich gemäß meinem Amtseid verpflichtet, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden und Gutes für das deutsche Volk zu tun. Das muss die Leitlinie meiner Verhandlungen sein. Dabei möchte ich natürlich ‑ und darum bemühe ich mich ‑ eine möglichst breite Unterstützung haben.

Aber ich muss immer im Auge behalten: Wir leben im Augenblick in einer weltwirtschaftlich außerordentlich komplizierten Situation. Deshalb muss die internationale Verhandlungsposition davon geprägt sein, für Deutschland und für Europa das Beste herauszuholen. Bis jetzt haben wir das im guten Einklang immer wieder geschafft.

Zuruf (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

BK‘in Merkel: Aufgabe, und zwar eine sehr fordernde und animierende Aufgabe, weil es etwas völlig Neues ist.