Pressestatements von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Staatspräsidenten der Demokratischen Volksrepublik Algerien, Abdelaziz Bouteflika

(Hinweis: Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung.)

BK´in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass der algerische Präsident, Herr Abdelaziz Bouteflika, heute bei uns in Deutschland ist. Wir haben ein intensives Gespräch geführt. Ich freue mich über die Begegnung und dass wir, nachdem ich im Jahr 2008 einen sehr interessanten und sehr beeindruckenden Besuch in Algerien durchgeführt habe, heute die Möglichkeit haben, in Deutschland dieses Gespräch weiter fortzusetzen.

Wir haben uns sehr intensiv über die deutsch-algerischen Beziehungen im politischen Bereich, über die wirtschaftlichen Beziehungen sowie über die Lage in der Region und auf dem afrikanischen Kontinent unterhalten.

Zum ersten Punkt darf ich mitteilen, dass wir freundschaftliche Beziehungen unterhalten, dass wir eng zusammenarbeiten und dass wir in vielen internationalen Fragen die gleiche Einschätzung teilen. Wir bedanken uns bei Algerien, das uns immer sowohl auf dem Weg zu einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat als auch jetzt bei der Frage des zweijährigen nichtständigen Sitzes im Sicherheitsrat unterstützt. Ich glaube, das gibt Deutschland die Möglichkeit, bei den Konflikten in der Region, die anstehen, die Position der Vereinten Nationen zu stärken. Das gilt zum Beispiel für den Westsahara-Konflikt, wo die Vereinten Nationen eine Lösung finden müssen. Das ist unser beider Überzeugung.

Zweitens. Was die wirtschaftlichen Beziehungen anbelangt, so haben wir heute fest vereinbart, dass eine gemischte Wirtschaftskommission gebildet wird. Das wird schon seit einer Weile vorbereitet, und wir wollen das jetzt unbedingt vollenden. Wir werden eine ganze Zahl von Wirtschaftskooperationen haben. Wir werden gleich beim Mittagessen noch einmal im Detail über die einzelnen Wirtschaftspositionen sprechen, die hier in Rede stehen. Es geht für uns darum, der algerischen Wirtschaft zu helfen, über die Rohstoffvorhaben und die Rohstofferschließung hinaus zukunftsweisende Wirtschaftsunternehmen aufzubauen.

Wir sind bereit, auch im Infrastrukturbereich zu helfen. Wir sind ebenfalls bereit, bei der Grenzsicherung zu helfen, die in der dortigen Region von allergrößter Bedeutung ist.

Es geht weiterhin um die Zusammenarbeit im Energiebereich. Hier sind wir daran interessiert, bei der Erschließung von Öl- und Gasvorkommen mitzuwirken, aber vor allen Dingen auch bei der Solarenergie und den erneuerbaren Energien mit Algerien besser zusammenzuarbeiten. Über das Projekt Desertec haben wir sehr intensiv gesprochen. Vertreter dieses Projekts werden beim anschließenden Mittagessen anwesend sein. Ich habe noch einmal versichert, dass wir ein hohes Interesse daran haben, dass Desertec Realität wird. Es ist heute noch eine Vision, aber es kann ein verbindendes Projekt zwischen dem europäischen und dem afrikanischen Kontinent sein. Algerien spielt hierbei natürlich eine zentrale Rolle.

Drittens. Was die Lösung der regionalen Konflikte anbelangt, haben wir vor allen Dingen über den Sudan und die Notwendigkeit gesprochen, dass sowohl in der Afrikanischen Union als auch in der Europäischen Union Verantwortung übernommen wird. Wir teilen die Sorgen, dass viele Probleme noch zu lösen sind, gerade wenn es um den Südsudan geht. Wir wollen erst einmal, dass die Referenden durchgeführt werden. Aber danach müssen wir aufpassen, dass die entsprechenden Gebilde nicht auseinanderfallen, sondern sich zu stabilen Staaten entwickeln.

Noch einmal herzlichen Dank, Herr Präsident, dass Sie da sind. Wir sind freundschaftlich verbunden, was unsere Zusammenarbeit anbelangt. Wir wünschen Algerien viel Erfolg. Wir haben darüber gesprochen, dass dort eine wissbegierige Jugend aufwächst, die natürlich möglichst viele demokratische Freiheiten haben soll, um sich gut entwickeln zu können. Deutschland ist bereit, Algerien auf diesem Weg zu helfen.

P Bouteflika: Meine Damen und Herren, herzlichen Dank für Ihr Interesse an den Beziehungen zwischen Algerien und Deutschland.

Ich habe die große Freude, mich erneut mit Frau Bundeskanzlerin Merkel unterhalten zu können, die ich bereits seit dem Jahr 2005 kenne. Dieser Austausch war für die bilateralen Fragen, aber auch für die regionalen und internationalen Fragen ganz besonders wichtig, die uns beide interessieren.

Mein letzter Besuch fand 2001 statt. Damals hatte ich die Möglichkeit, die Grundlagen für die Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern zu legen bzw. sie aufzubauen. Seit 1990 waren die Beziehungen etwas vage, aber 2001 haben wir sie auf eine bessere Grundlage gestellt.

Die Frau Bundeskanzlerin hatte im Jahr 2008 die Gelegenheit, zu mir nach Algier zu kommen. Wir konnten ebenfalls viel konsolidieren.

Es gibt zwischen uns eine vielfältige globale Partnerschaft, die ausgewogen ist und in unser beider Interesse und Nutzen liegt. Wir haben ebenfalls festgestellt, dass die politischen Beziehungen ausgezeichnet sind. Auch die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen werden dem nachfolgen. Es ist klar, dass wir in einer Reihe von Bereichen große Fortschritte verzeichnen konnten. Ich habe mich auch sehr gefreut, dass wir die Unterstützung der Bundeskanzlerin und der Unternehmen haben, die sich bereits bei uns gemeldet und ihr Interesse erklärt haben.

Wir werden im Energiebereich sowohl bei den fossilen Energien als auch bei den erneuerbaren Energien im Rahmen eines enormen Projekts zusammenarbeiten, das Desertec heißt. Dabei werden wir unsere Kooperation noch weiter ausbauen.

Seit dem letzten Jahr wird bereits der gemeinsame Wirtschaftsausschuss in Algier (aufgebaut). Wir haben beschlossen, diesen sofort ins Leben zu rufen, damit wir so schnell wie möglich all die Dossiers im Rahmen dieser gemeinsamen Wirtschaftskommission annehmen können. Anlässlich des Mittagessens wird Frau Merkel sicherlich den Unternehmensvertretern grünes Licht geben, verschiedene Projekte zu konkretisieren, die im Interesse Algeriens sind.

Was erwarten wir genau von Deutschland? Wir erwarten vor allem (Unterstützung bei der) Ausbildung unserer Jugend. Deutschland ist bereit, das zu leisten. Wir interessieren uns für einen Technologietransfer. Deutschland ist auch bereit, dieses zu leisten. Wir erwarten ebenfalls einen Beitrag Deutschlands bei dem Aufbau einer algerischen Wirtschaft, die immer weniger von fossilen Brennstoffen abhängig ist.

Hinsichtlich der regionalen und internationalen Thematik haben wir über den Sudan, die Westsahara, die Nahost-Frage und andere Themen gesprochen, die uns beide interessieren. Natürlich arbeitet jeder in seinem eigenen Rahmen, und die Europäische Union und Afrikanische Union vertreten ihre Standpunkte. Aber es gibt keinen großen Unterschied zwischen der Europäischen und Afrikanischen Union hinsichtlich der Fragen, die die internationale Sicherheit und den internationalen Frieden betreffen.

Wir stehen jetzt zur Verfügung, um auf Ihre Fragen zu antworten. Vielen Dank für den herzlichen Empfang, Frau Bundeskanzlerin!

Frage: Herr Präsident, es ist der bemerkenswert, dass Sie Deutschland nach wie vor bei dem Wunsch unterstützen, einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat zu erreichen. Aber wer sollte ihn in Afrika erreichen, Ihr Land, Nigeria oder Südafrika? Wann könnte sich der Kontinent mit seinen 53 Ländern auf eine Nation einigen?

Frau Bundeskanzlerin, ist auch über eine Mithilfe gesprochen worden, wie sie Libyen in Sachen „Abwehr von Flüchtlingen aus Afrika“ zugesagt hat, oder spielt Algerien dabei keine Rolle?

P Bouteflika: Das Problem der Vereinten Nationen stellt sich eher auf der Ebene der Afrikanischen Union. Die Afrikanische Union ist ja für die Vertretung der afrikanischen Länder im Sicherheitsrat bekannt. Die Afrikanische Union hat eine Analyse der Situation erstellt, und es ist ganz klar, dass einige Situationen, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind, überwunden werden müssen. Deswegen unterstützen wir die Bundesrepublik Deutschland, und Deutschland muss seine Position als ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat finden.

BK´in Merkel: Ich möchte zu der Frage der Flüchtlinge sagen, dass wir bei einem Grenzsicherungsprojekt mit Algerien zusammenarbeiten möchten, dies auch mit deutschen Firmen, die dafür die entsprechende Technologie haben. Solche Grenzsicherungsprojekte tragen natürlich auch dazu bei, die Flüchtlingsströme zu unterbinden.

Das Zweite, was der Präsident gesagt hat, ist unsere Politik gegenüber ganz Afrika, nämlich möglichst viele Bildungschancen für die jungen Leute zu eröffnen, bei der Ausbildung zu helfen und einen Technologietransfer zu machen, damit die Gründe für die Migration nicht mehr gegeben sind. Wir wollen Afrika zu einer guten Zukunft verhelfen, weil das nicht nur Afrika nutzt, sondern auch Europa nutzt.

Frage: Herr Präsident, Sie sind einer der Präsidenten in Afrika, die am längsten im Amt sind. Wie betrachten Sie die Situation in Westafrika, an der Elfenbeinküste? Wie werden die Staaten der ECOWAS die Situation in Bezug auf Herrn Gbagbo einschätzen? Frau Merkel, an Sie richtet sich diese Frage auch.

P Bouteflika: Ich möchte Sie beruhigen: Ich unterhalte freundschaftliche Bande mit Präsident Gbagbo. Aber wir sind hier in einer Situation, in der die Demokratie infrage steht. Wir suchen schon seit zehn Jahren eine Lösung für das Problem an der Elfenbeinküste. Das ivorische Volk hat sich ausgesprochen. Algerien hat hierzu jetzt keine persönliche Position; es kann nur eine Position im Rahmen der Afrikanischen Union haben. In Abuja ist eine Position angenommen worden, und diese Position wird dann auch als Inspiration für die Afrikanische Union dienen. Algerien wird sich jedenfalls nicht vor der Afrikanischen Union äußern.

BK´in Merkel: Wir werden seitens der Europäischen Union sehr eng mit der Afrikanischen Union zusammenarbeiten. Wir stehen auch zur Verfügung. Die Hohe Beauftragte der Europäischen Union, Lady Ashton, wird auch versuchen, dass Europa seinen Beitrag dazu leisten kann. Aber wir werden das Hand in Hand mit der Afrikanischen Union machen. Das haben wir heute hier auch genau so besprochen.