Pressestatements von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz

Präs Schulz: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf Sie herzlich willkommen heißen zu unserem kurzen „Press Point“, wie das hier bei uns heißt.

Frau Bundeskanzlerin, noch einmal herzlich willkommen und vielen Dank für Ihre Rede in der offenen Konferenz der Präsidenten, die wir als Ersatz für die geplante Plenarsitzung abhalten mussten. Ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen!

Ich möchte feststellen, dass wir mit einem hohen Maß an Zustimmung zur Kenntnis genommen haben, dass die Bundeskanzlerin unterstrichen hat, dass für alle Bereiche der europäischen Politik, für alle Politiken, die auf der europäischen Ebene zu entscheiden sind, der demokratische Legitimationsgeber das Europäische Parlament ist. Das ist für uns aus Ihrem Mund, Frau Bundeskanzlerin, eine Botschaft, die unseren Kampf um unsere Rolle als demokratischer Legitimationsgeber auf der europäischen Ebene nachdrücklich unterstreicht. Dafür sind wir Ihnen dankbar.

Sie haben zur Zukunft der Europäischen Union, zur Vertiefung der europäischen Integration, wie ich finde, richtungsweisende Bemerkungen gemacht. Wir haben, was die aktuelle Beurteilung der notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise angeht, im Nachgang zu Ihrer Rede eine Debatte gehabt, in der die kontroversen Linien zwischen der europäischen Rechten und der europäischen Linken – teilweise auch national sehr unterschiedlich bewertet – sichtbar wurden. Ich glaube, das ist im parlamentarischen Debattenrahmen normal. Wir haben aber auch ein hohes Maß an Übereinstimmung in der Debatte gehört, dass der interinstitutionelle Zusammenhalt, die Kooperation zwischen den drei institutionellen Ebenen der EU – dem Rat, dem Parlament und der Kommission , wichtig ist, um die Probleme zu lösen. Ich glaube, dass Sie darauf hingewiesen haben, dass das der Rahmen sein muss, in dem wir arbeiten und zwar mit dem Versuch, alle zusammenzuhalten und eine Spaltung der EU zu vermeiden. Dass in diesem Rahmen gearbeitet werden muss, stößt auf vollständige Unterstützung des Europäischen Parlaments.

Ich will Ihnen deshalb noch einmal danken, auch für Ihre Anwesenheit. Ich glaube, dass ich hier durchaus zitieren darf, was wir im bilateralen Gespräch gesagt haben: Die Tatsache, dass die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland ihre Vorstellungen zur Europapolitik und zur Rolle ihres Landes in der Europapolitik vor dem Europäischen Parlament begründet und verteidigt, zeigt, dass wir längst ein Stück europäischer Innenpolitik erreicht haben und dass wir in dieser doch immer stärker werdenden Föderation der souveränen Staaten, in der wir leben, als Europäisches Parlament die Plattform der kontroversen Auseinandersetzung um die Richtung in Europa sind. Ich bin Ihnen deshalb für diesen Besuch auch vom Grundsatz her sehr dankbar.

BK'in Merkel: Danke schön, Herr Präsident! Ich bin sehr gerne hierhergekommen ich war seit der deutschen Ratspräsidentschaft nicht mehr im Europäischen Parlament. Ich glaube, es war auch für mich eine wichtige Erfahrung, dass ich einmal die Vorstellungen über die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion, zum anderen aber auch das Verhältnis der europäischen Institutionen zueinander aus meiner Sicht darstellen konnte.

Ich habe sehr ausdrücklich betont, dass das Europäische Parlament für all die Fragen, die auf europäischer Ebene entschieden werden, der Ort der demokratischen Legitimation ist. Wir brauchen die demokratische Legitimierung unserer weitreichenden europäischen Entscheidungen. Deshalb sind wir Partner auf dem Weg zu einem zukunftsfähigen Europa.

Ich glaube, dass die Maßnahmen, die wir in der Währungsunion aber immer offen für alle, die sich daran beteiligen wollen treffen müssen, notwendig sind, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu verbessern, um Menschen wieder Arbeit zu geben und in einer Welt, die sich sehr stark verändert, auch für unsere Kinder und Enkel Wohlstand garantieren zu können.

Ich habe deutlich gemacht, dass wir unsere gemeinsamen Werte wie Freiheit, Demokratie, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Freiheit der Meinungsäußerung, aber auch Klimaschutz, Menschenrechte oder Entwicklungszusammenarbeit nur dann behaupten können, wenn wir als die 500 Millionen Europäer in einer Welt von 7 Milliarden Euro Menschen zusammen auftreten. Da liegt unsere Zukunft, und dafür werden wir eintreten.

Die parlamentarische Debatte verlief etwa so wie in einem nationalen Parlament. Das zeigt: Europapolitik ist Innenpolitik geworden. Ich finde, wenn wir unter demokratischen Parteienfamilien um den richtigen Weg streiten, dann ist das der Weg, auf dem wir unser Europa fortentwickeln müssen.

Wir werden eng zusammenarbeiten auch im Blick auf den Haushalt und den mittelfristigen Finanzrahmen, zu dem ich mir gerne eine Lösung wünschen würde. Denn ich glaube, dass es gerade in der Zeit der wirtschaftlichen Schwäche sehr, sehr wichtig wäre, wenn wir Berechenbarkeit für die nächsten Jahre hätten und wüssten, wo wir investieren können und wie wir uns weiterentwickeln können. Deshalb wird sich die Bundesrepublik Deutschland für einen Erfolg des Rates im November, in wenigen Tagen, einsetzen.

Herzlichen Dank, dass ich hier sein durfte!

Präs Schulz: Frau Bundeskanzlerin, wenn Sie einen kurzen Zusatz gestatten: Sie haben mit dem Hinweis auf die Debatte, die hier kontrovers geführt wird, und die europäische Innenpolitik einen wichtigen Hinweis gegeben. Ich teile da absolut Ihre Meinung und will das noch einmal unterstreichen. Wir haben mit wenigen Ausnahmen in der Debatte nach Ihrer Rede, als es um die Frage ging, ob es überhaupt eine Europäische Union geben soll hier sitzen ja auch Kollegen, die das vom Grundsatz her infrage stellen , doch eine Debatte erlebt, in der es nicht um die Frage des „Ob“ von Europa, sondern um die Frage des „Wie“ von Europa ging, also darum, in welche Richtung es in Europa gehen soll. Das ist der demokratische Wettbewerb, um den es hier geht und den wir übrigens auch brauchen, um die Europawahlen spannend zu machen. Vielen Dank!