Pressestatements von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Kommissionspräsidenten der Afrikanischen Union, Jean Ping

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)

 

BK’IN DR. MERKEL: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass der Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union, Jean Ping, heute in Berlin bei uns zu Gast ist. Wir haben uns schon häufiger gesprochen, aber heute ist es die erste offizielle Visite.

 

Ich erinnere mich gerne an meinen Besuch beim Sitz der Afrikanischen Union 2007 in Addis Abeba. Wir haben als Bundesrepublik Deutschland immer wieder gerade auch die Kooperation zwischen der Afrikanischen Union und der Europäischen Union sehr vorangebracht und sind auch der Meinung, dass die Afrikanische Union die berechtigte Stimme Afrikas ist, um bestimmte Prinzipien der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und des Kampfes gegen die Korruption durchzusetzen. Genau darüber haben wir auch gesprochen.

 

Wir haben heute natürlich auch die Dinge besprochen, die wichtig sind. Das ist erstens die Situation in Libyen. Hierzu gibt es die gemeinsame Position, dass eine Lösung gefunden werden muss und dass Gaddafi nicht mehr die libyschen Geschicke leitet. Die Afrikanische Union hat sich immer für eine politische Lösung eingesetzt, und auf diesem Weg wird die Afrikanische Union auch weiterhin arbeiten. In diesem Sinne haben wir auch viele Gemeinsamkeiten.

 

Zweitens haben wir uns über die Situation im Sudan unterhalten. Hier gibt es verschiedene gute Nachrichten, unter anderem, dass der unabhängige Staat Südsudan entstehen wird. Aber wir waren uns auch einig, dass es jetzt darauf ankommt, dieses Land mit Leben zu erfüllen und die vielen Probleme, die drängen, zu behandeln.

 

Wir haben uns darüber unterhalten, dass ich in der nächsten Woche drei afrikanische Länder - Kenia, Angola und Nigeria - besuchen werde, und sind auf diese Länder noch einmal spezifisch eingegangen, natürlich auch auf die Situation in der Côte d’Ivoire und auf vieles andere mehr.

 

Ich möchte für die Bundesrepublik Deutschland sagen, dass wir das Wirken der Afrikanischen Union unterstützen. Wir wissen, dass die Afrikanische Union unglaublich viele Probleme zu lösen hat, gerade auch im Zusammenhang mit Frieden und Sicherheit. Aber wir erkennen auch an, dass es hierbei in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gegeben hat. Deshalb wünsche ich Jean Ping auch viel Erfolg bei seiner Arbeit.

 

Die Europäische Union hat 27 Mitgliedstaaten, die Afrikanische Union fast doppelt so viele. Das heißt, man kann sich ungefähr vorstellen, wie es ist, wenn es dort eine Ratstagung mit allen Mitgliedstaaten gibt. Insofern habe ich große Hochachtung vor der integrativen Aufgabe, die der Chef der Kommission der Afrikanischen Union zu übernehmen hat. Deshalb war es auch spannend und interessant, sich mit Ihnen zu unterhalten. Noch einmal herzlich willkommen in Deutschland!

 

P PING: Ich glaube sagen zu können, dass die Frau Bundeskanzlerin alles gesagt hat.

 

Wir möchten uns hier zunächst noch einmal für den sehr freundlichen Empfang bedanken, den Sie uns bereitet haben. Wir sind mit allen Ehren empfangen worden. Ich möchte Bundeskanzlerin Dr. Merkel ganz besonders für diese Aufmerksamkeit danken, die sie Afrika gegenüber immer wieder zeigt.

 

Wir haben auch festgestellt, dass Deutschland, die Bundeskanzlerin selbst und wir in vielen Bereichen viele gemeinsame Punkte haben, die uns einigen. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, auch zu sagen, dass uns Deutschland sehr stark unterstützt. Wir haben nicht in allen Details darüber gesprochen, aber ich möchte die Gelegenheit trotzdem ergreifen, hier öffentlich dafür zu danken. Dies geschieht nicht nur über die Kommission der Afrikanischen Union, sondern auch auf direktem Weg, zum Beispiel beim Bau des Gebäudes, in dem alle Teile der Afrikanischen Union untergebracht sein werden, die sich mit Frieden und Sicherheit befassen. Die Arbeiten an diesem Gebäude haben begonnen. Das zeigt doch, welche Hilfe wir von Deutschland erhalten, eine sehr bedeutende Hilfe.

 

Wie die Bundeskanzlerin gesagt hat, haben wir wirklich brennende Themen wie Libyen angesprochen. Dabei habe ich der Bundeskanzlerin einmal dargelegt, wie die Afrikanische Union das Problem sieht. Wir haben aber auch über andere Länder gesprochen, in denen es Schwierigkeiten gibt, zum Beispiel den Sudan, wobei man annehmen kann, dass der Sudan langsam aus der Gewalt herauskommen und einen friedlichen Weg gehen kann.

 

Die Bundeskanzlerin wird selbst in drei Länder reisen, nach Nigeria, Angola und Kenia. Diese Länder sind wichtig und gewichtig auf dem afrikanischen Kontinent.

 

Frage: Ich habe eine Frage an den Präsidenten der AU. Die Bundeskanzlerin und Sie selbst haben Libyen eben erwähnt. Können Sie uns bitte sagen, ob die AU bereit wäre, in einer Nach-Gaddafi-Ära dann auch selbst mit militärischer Präsenz für eine Stabilisierung in Libyen zu sorgen?

 

Frau Bundeskanzlerin, erlauben Sie eine Frage zur Stabilität Europas? Standard & Poor’s hat jetzt Zweifel an dem Rettungsmodell für Griechenland geäußert. Ist es aus Ihrer Sicht ärgerlich, dass eine Ratingagentur die wochenlangen Vereinbarungen zwischen Regierungen und Banken nun zu unterminieren droht?

 

P PING: Was Libyen anbelangt, möchte ich sagen, dass wir von Anfang an immer der Ansicht waren, dass die Lösung in Libyen eine politische Lösung sein muss. Andere Lösungen können sicherlich vorgesehen werden, sie können aber nur provisorischer Natur sein. Es kann nur eine politische Lösung geben. In diesem Zusammenhang - in dem Bemühen, eine politische Lösung dieser Krise in Libyen zu finden -, sind wir bereit, in allen Bereichen mit dem Rest der Welt zusammenzuarbeiten.

 

BK’IN DR. MERKEL: Was das Thema der Ratingagenturen anbelangt, so, glaube ich, ist es wichtig, dass wir uns - da nenne ich vor allem die Troika, den IWF, die Europäische Zentralbank und die Europäische Kommission - unsere eigene Urteilsfähigkeit sozusagen nicht wegnehmen lassen. Deshalb vertraue ich vor allem auch auf die Bewertungen dieser drei Institutionen, wenn es um bestimmte Verfahren geht. Schauen wir einmal.

 

Frage: Herr Präsident, sieht die Roadmap, die die Afrikanische Union nach dem Gipfel von Malabo vorgesehen hat, vor, dass Gaddafi abtritt? Gleichzeitig fordern Sie ja nicht direkt den Abgang von Gaddafi. Wie wollen Sie dieses Problem lösen, wenn Oberst Gaddafi aus den Gesprächen ausgeschlossen wird, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sein Sohn gestern in einem Interview gesagt hat, dass ohne seinen Vater in Libyen nichts einer Lösung zugeführt werden werde?

 

P PING: Zunächst einmal glaube ich, dass unsere Roadmap, die am 10. März verabschiedet wurde - immer noch vor der Verabschiedung dieser Resolution des Sicherheitsrates -, klar ist. Sie hat sich auch nicht verändert. Wir haben erstens gesagt: Wir brauchen einen Waffenstillstand. Ohne einen Waffenstillstand ist nichts möglich.

 

Wir haben zweitens gesagt: Wir streben humanitäre Programme an, insbesondere, was die ausländischen Arbeiter aus Afrika anbelangt, die ja evakuiert werden mussten. Andere hatten die Mittel, dies zu tun. Wir hatten sie nicht. Diese Gastarbeiter sind auf Schwierigkeiten gestoßen. Wir haben um humanitäre Hilfe für alle gebeten, aber insbesondere für diese Gastarbeiter.

 

Wichtig ist, dass nach dem Waffenstillstand die Übergangszeit beginnt. Was diese Transition anbelangt, haben wir immer gesagt, dass sie alle umfassen und auf einem Konsens beruhen muss. Das heißt, dass sich die Libyer einigen müssen, Leute aus allen Bereichen zu akzeptieren, die akzeptabel für sie sind; das ist klar. Wenn eine Partei eine andere nicht akzeptiert, dann muss ein Konsens angestrebt werden. Die wissen ja genau, wer akzeptabel ist oder nicht. Nicht wir sind diejenigen, die sagen dürfen „Der ist akzeptabel, und der ist es nicht“, sondern die Libyer selbst müssen das feststellen, sei es, was den Nationalen Übergangsrat anbelangt, oder sei es, was alle anderen Beteiligten anbelangt. Die müssen entscheiden und sagen: „Mit dem können wir zusammenarbeiten, und mit dem können wir nicht zusammenarbeiten.“ Aber wir sind nicht diejenigen, die entscheiden, wer das sein muss. Diese Übergangszeit muss auf einem Konsens beruhen.

 

Wir sagen in der Roadmap auch: Die notwendigen Reformen müssen unternommen werden. Das ist das Endziel. Das heißt, die notwendigen Reformen müssen unternommen werden, um dem Streben des libyschen Volkes entgegenzukommen, nämlich dem Streben nach Demokratie, nach guter Regierungsführung, nach einem Rechtsstaat, nach der Achtung der Menschenrechte, nach Gerechtigkeit und nach Entwicklung. Das ist das, was erreicht werden muss, und daran müssen die Libyer selbst arbeiten. Unsere letzte Roadmap sagt in ihren Erläuterungen einfach nur aus: Oberst Gaddafi war nicht bereit, an den Diskussionen teilzunehmen. Das ist klar.