Pressestatements von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem König des Haschemitischen Königreichs Jordanien, S. M. König Abdullah II. Ibn Al-Hussein

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)

BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich sehr, dass Seine Majestät König Abdullah heute wieder einmal in Berlin ist. Wir haben uns zuletzt bei der Libyen-Konferenz in Paris gesehen, aber wir treffen uns auch regelmäßig. Wir haben uns heute sowohl über die Lage in Jordanien als auch über die Situation im gesamten arabischen Raum unterhalten.

Wir alle verfolgen natürlich mit großem Interesse die Parlamentswahlen in Ägypten. Wir waren uns einig, dass diese Wahlen fair, frei und demokratisch durchgeführt werden müssen.

Wir haben über den Prozess der Regierungsbildung in Jordanien und über die großen Aufgaben, die vor der neuen Regierung und dem Parlament liegen, gesprochen. Es sind die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass auch dort Wahlen stattfinden können.

Wir haben natürlich auch über den Nahost-Friedensprozess gesprochen. Ich habe von meiner Seite deutlich gemacht, dass wir sehr darüber bedrückt sind, dass die Friedensverhandlungen überhaupt nicht vorankommen und dass wir in dem gesamten Umfeld ein großes Problem sehen. Deutschland wird ‑ das darf ich, glaube ich, auch für Jordanien sagen ‑ alles tun, damit hier möglichst Fortschritte erzielt werden und die Situation sich nicht noch weiter zuspitzt und schwieriger gestaltet.

Wir haben natürlich über die Entscheidung der Arabischen Liga gesprochen, mit Blick auf die Situation in Syrien mit Sanktionen zu reagieren. Ich habe von meiner Seite aus deutlich gemacht, dass wir diesen Weg der Arabischen Liga ausdrücklich unterstützen, dass die Europäische Union einen analogen Weg einschlägt und dass wir uns auch von deutscher Seite sehr intensiv für eine Resolution des UN-Sicherheitsrates bezüglich der Vorgänge in Syrien und der massiven Menschenrechtsverletzungen einsetzen. Es freut mich, dass wir hier zwischen der Arabischen Liga und der Europäischen Union doch sehr stark in eine Richtung vorangehen.

Die Situation in der gesamten Region, in der Jordanien liegt, ist eine komplizierte. Umso mehr freuen wir uns, dass Jordanien alles tut, um Schritt für Schritt den Weg zu mehr Offenheit und zu mehr Demokratie zu gehen.

Wir haben natürlich auch über unsere bilaterale Zusammenarbeit gesprochen. Unsere bilaterale Zusammenarbeit zeichnet sich durch viele sehr spezifische Projekte aus. Ich will ausdrücklich das Projekt der Deutsch-Jordanischen Universität erwähnen. Wir haben eine sehr intensive Entwicklungszusammenarbeit im Bereich des Wassers, und wir haben darüber gesprochen, dass wir diese Entwicklungszusammenarbeit auch im Bereich der erneuerbaren Energien vertiefen können. Wir haben im Zusammenhang mit dem Schuldentausch in sehr konkrete Projekte investiert. Deutschland möchte auch weiterhin ein Freund Jordaniens bei der schrittweisen Entwicklung des Landes sein. Sie sind nicht gesegnet mit so vielen Bodenschätzen, wie das andere Ihrer Nachbarn sind. Umso mehr wollen wir Sie unterstützten, damit auch die Menschen in Jordanien Wohlstand und eine Verbesserung ihrer Lebenssituation erleben können.

König Abdullah: Herzlichen Dank, Frau Bundeskanzlerin. Es freut mich sehr, dass ich wieder hier in Berlin bei Ihnen sein kann. Ich danke Ihnen herzlich für das sehr freundliche Willkommen und die Gastfreundschaft, die Sie mir und meiner Delegation erwiesen haben.

Wir haben ein sehr fruchtbares Gespräch über bilaterale Themen wie auch über die Entwicklungen im Nahen Osten geführt. Wir wissen Deutschlands Rolle sehr zu schätzen, natürlich auch ganz besonders im europäischen Rahmen. Wir freuen uns sehr, dass wir eine so gute Zusammenarbeit mit Ihrem Land haben. Ich denke, wir sind in all diesen Themen auch einer Meinung.

Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir sehr eng weiter zusammenarbeiten, was die zukünftigen Herausforderungen im Nahen Osten angeht. Auf bilateraler Ebene, Frau Bundeskanzlerin, kann ich nur sagen, dass ich mit unserer Zusammenarbeit sehr zufrieden bin, vor allen Dingen auch mit solchen erfolgreichen Projekten wie der Deutsch-Jordanischen Universität. Das ist sicherlich eines der erfolgreichsten Projekte, die ich in meinem Land in den letzten zehn Jahren erlebt habe. Wir hoffen, dass wir auf dieser Grundlage auch weiter voranschreiten können.

Wir haben über den Arabischen Frühling und über die Entwicklung der politischen Reformen in Jordanien gesprochen. Wir hoffen, dass das deutsche Parlament und die deutsche Regierung uns auch weiterhin bei der Umsetzung dieser parlamentarischen Reformen und vor allen Dingen auch bei der Schaffung neuer Parteien ‑das wird für uns in der Zukunft eine große Herausforderung sein ‑ helfen.

Wir haben auch erörtert, wie deutsch-jordanische Zusammenarbeit im Bereich der Industrie befördert werden kann. Es gibt eine ganze Reihe von deutschen Firmen, die in Jordanien aufgrund unserer Stabilität und unserer menschlichen Ressourcen große Chancen haben, gerade im Bereich der erneuerbaren Energien und der Infrastruktur. Wir sehen uns darüber hinaus in gewisser Weise aber auch als ein Sprungbrett zu den anderen Ländern bei uns in der Region.

Wie die Bundeskanzlerin schon gesagt hat, haben wir über den Friedensprozess gesprochen ‑ oder eher darüber, dass er nicht stattfindet, und wie destabilisierend das für den Fortschritt in der gesamten Region sein wird. Wir kennen natürlich die Bedeutung der weiteren finanziellen Unterstützung der Palästinensischen Autonomiebehörde. Es ist absolut wichtig, dass die Palästinenser für ihre Infrastruktur und für den Aufbau der Wirtschaft weiterhin finanzielle Ressourcen zur Verfügung haben. Wir hoffen, dass die israelische Regierung die Freigabe dieser Gelder erwägt. Das hat ja eine direkte Auswirkung auf Schulen, auf Krankenhäuser, auf die Aufrechterhaltung dessen, was die palästinensische Bevölkerung dringend braucht. Wir haben unterstrichen, dass die israelische Regierung mit ihren Siedlungsaktivitäten aufhören muss; denn das ist etwas, was den Prozess, in dem Israelis und Palästinenser aufeinander zugehen sollen, in ganz besonderer Weise behindert. Wir machen uns daher große Sorgen über die Siedlungsaktivitäten im Osten Jerusalems. Es ist in unserem Interesse ‑ sowohl im jordanischen als auch im deutschen Interesse ‑, dafür zu sorgen, dass die Israelis und die Palästinenser wieder zu den Friedensverhandlungen zurückkommen. Wir überlegen, wie wir das gemeinsam koordinieren können, damit das auch geschieht.

Wir haben über Syrien gesprochen. Wir haben unterstrichen, dass die Entscheidung, die die Arabische Liga jüngst getroffen hat, eine sehr wichtige ist. Das ist Teil des arabischen Konsenses, auch für uns in Jordanien. Wir in Jordanien sind keineswegs der Ansicht, dass militärische Interventionen in Syrien angebracht sind. Aber natürlich machen wir uns große Sorgen über die humanitäre Katastrophe, die sich dort abzeichnet. Wir werden Teil des technischen Ausschusses sein, der innerhalb der Arabischen Liga geschaffen worden ist und in dem wir uns darüber unterhalten werden, welche Sanktionen wirksam sein können und welche Auswirkungen das auf Jordanien hat. - Noch einmal vielen Dank für ihre Gastfreundschaft!

Frage: Frau Bundeskanzlerin, da Sie beide auch einen Blick für die weitere Region haben, würde mich interessieren, ob bei Ihren Gesprächen auch die Absage Pakistans hinsichtlich der bevorstehenden Afghanistan-Konferenz ein Thema war und ob es Sie mit Sorge für die Stabilität in der größeren Region erfüllt, wenn die Pakistaner nun nicht kommen werden.

BK'in Merkel: Ehrlich gesagt haben wir die Region heute nicht so weit ausgedehnt. Aber natürlich sind wir beide ‑ Jordanien und Deutschland ‑ an einer vernünftigen Entwicklung Afghanistans interessiert. Man weiß, wie nah am Iran ‑ dies mit vielen Implikationen ‑ Afghanistan liegt. Insofern messe ich der Konferenz des Bundesaußenministers eine große Bedeutung bei.

Wir haben immer gesagt, dass die Konflikte nur in der Region gelöst werden können, und Pakistan ist Teil dieser Region. Deshalb sind wir natürlich sehr betrübt darüber, dass heute diese Absage kam. Wir werden sicherlich auch noch einmal schauen, ob das noch revidiert werden kann.

Ich verstehe die Sorge Pakistans über die Tötung von Menschen durch NATO-Truppen. Aber das sollte doch nicht den Blick dafür verstellen, dass diese Afghanistan-Konferenz zehn Jahre nach der Konferenz in Bonn eine sehr wichtige Konferenz ist. Es gab jetzt eine große Loja Dschirga in Afghanistan. Das ist eine sehr gute Möglichkeit, im politischen Prozess ‑ dem dient ja diese Konferenz ‑ Fortschritte zu machen. Deshalb besteht einerseits Verständnis, und auf der anderen Seite müssen wir einmal schauen, ob wir noch etwas machen können.

König Abdullah: Ich kann die Bundeskanzlerin dabei nur unterstützen: Ebenso wie die Bundesrepublik hat Jordanien ja seine Verpflichtungen in Afghanistan zu erfüllen. Der politische Prozess muss jetzt aber sozusagen die Oberhand gewinnen. Wir haben eine sehr starke, sehr enge Beziehung zu Pakistan, und wir hoffen, dass man sich dort vielleicht noch einmal besinnen wird.

Frage: Ich habe eine Frage zu den Euro-Rettungsmaßnahmen im Hinblick auf den Gipfel in Brüssel in der nächsten Woche: Inwieweit gibt es parallel zu den geplanten Vertragsänderungen derzeit Überlegungen, in einem kleineren Kreis von Ländern mit bestimmten Instrumenten schon schneller voranzugehen?

BK'in Merkel: Unsere Priorität liegt darin, die gesamte Eurozone ‑ das auch im Einvernehmen mit allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ‑ auf eine stärkere vertragliche Grundlage zu stellen. Daran arbeiten wir. Dem widmen wir jetzt erst einmal unsere Anstrengungen. Deshalb kann ich darüber hinaus nichts berichten, sondern das steht im Fokus all meiner Gespräche, die ich mit den verschiedenen Teilnehmern führe.

Es ist so, dass nicht alle von Vertragsänderungen begeistert sind, weil das zum Teil auch schwieriger Abstimmungsprozesse innerhalb der einzelnen Regierungen und Parlamente sowie mit der Bevölkerung bedarf. Trotzdem glaube ich, dass diejenigen, die uns Geld leihen oder Geld für Staatsanleihen in Europa ausgeben, die Erwartung haben, dass wir strenger, als wir es in der Vergangenheit gemacht haben, sicherstellen, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt eingehalten wird. Da er unter den früheren Instrumentarien mehr als 60 Male verletzt wurde, braucht man jetzt, glaube ich, bindende und verpflichtende Regelungen, und die werden wir ohne Vertragsänderungen nicht bekommen. Deshalb werde ich dafür werben. Aber wir sind ja voll in diesem Prozess.

Ich will vielleicht die Gelegenheit nutzen, um noch einmal zu sagen: Auch wenn ich Freitag eine Regierungserklärung abgeben werde, wird dabei noch kein abschließendes Ergebnis erkennbar sein. Ich werde den Beschlüssen des Rates, die er eine Woche später fällen wird, mit Sicherheit am Freitag nicht vorgreifen können.

Frage: Ich habe in diesem Zusammenhang auch eine Frage an die Bundeskanzlerin. Der polnische Außenminister hat gestern sehr weit reichende Reformvorstellungen vorgestellt. Er hat davon gesprochen, dass die EU-Mitgliedstaaten am Ende eines solchen Reformprozesses quasi die Rechte von Bundesstaaten in Amerika haben könnten. Halten Sie eine solche Debatte für hilfreich, oder lenkt sie davon ab, die anstehenden Probleme zunächst einmal in einem engeren Rahmen zu lösen?

BK'in Merkel: Polen ist ja ein Land, das zu einem bestimmten Zeitpunkt, den es selbst bestimmen wird, natürlich auch dem Euroraum beitreten möchte. Ich glaube, dass Polen ‑ Polen hat im Augenblick immerhin die Präsidentschaft innerhalb der Europäischen Union inne ‑ sehr klare Vorstellungen davon hat, dass die wirtschaftliche und finanzielle Zusammenarbeit sehr viel enger, sehr viel verbindlicher werden muss. Das geht nur in einem schrittweisen Prozess. Aber es ist gut, wenn nicht nur Deutschland sagt „Wir brauchen eine Fiskalunion, eine Stabilitätsunion“, sondern wenn das auch andere sagen und wenn sie sagen „Wir brauchen dazu sehr viel mehr innere Koordinierung“.

Ich entschuldige mich, dass ich jetzt so viel über den Euro spreche, aber ich glaube, angesichts der Situation ist es ja in unser aller Interesse, dass der Euroraum stabil ist. Insofern sei mir das bei dieser Pressekonferenz verziehen.