Pressestatements von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)

P Sarkozy: Meine Damen und Herren, herzlichen Dank für Ihre Anwesenheit. Ich möchte Bundeskanzlerin Merkel sagen, wie sehr wir uns freuen, sie hier ein weiteres Mal in Paris empfangen zu dürfen.

 

Wir haben praktisch jeden Tag zusammengearbeitet. Wir haben miteinander telefoniert. Unsere Mitarbeiter arbeiten sehr eng zusammen. Ich glaube sagen zu können, dass die Einigung zwischen Deutschland und Frankreich absolut komplett ist. Das, worauf wir uns geeinigt haben, wird Gegenstand eines Schreibens sein, das wir gemeinsam ‑ Frau Merkel und ich ‑ am kommenden Mittwoch an Präsident Van Rompuy senden werden. In dem Schreiben wird detailliert aufgeführt, welche Maßnahmen wir in der Eurozone ergreifen möchten.

 

Was möchten wir? Wir möchten hauptsächlich, dass sich all das, was zu der Situation der Eurozone am heutigen Tag geführt hat, in keinem Fall wiederholt. Der Wille Deutschlands und Frankreichs sieht so aus: Was geschehen ist, darf nie mehr geschehen. Deshalb wollen wir einen neuen Vertrag, damit sich alle Völker in Europa bewusst werden, was Europa ist, was die Eurozone ist und dass die Dinge nicht mehr so verlaufen können, wie es bisher der Fall war.

 

Wir ziehen natürlich einen Vertrag der 27 vor, damit sich niemand von dem ausgeschlossen fühlt, was wir zwischen Deutschland und Frankreich erreichen möchten. Aber wir sind natürlich auch voll und ganz bereit, einen Vertrag der 17 zu beschließen, der für all diejenigen offen ist, die zu uns stoßen möchten.

 

Der Inhalt dieses Vertrags wird die folgenden Elemente enthalten ‑ ich werde die Überschriften einfach nur zitieren ‑, die auch Gegenstand einer detaillierten Abhandlung des Schreibens an Herrn Van Rompuy sein werden, das wir im Anschluss veröffentlichen werden:

 

Wir möchten zunächst einmal automatische Sanktionen bei Nicht-Einhaltung der Defizitobergrenze, die unter 3 Prozent liegt. Wir möchten ebenfalls, dass sich nur eine qualifizierte Mehrheit dem entgegenstellen kann. Das heißt, das ist die umgekehrte Situation, die wir heute haben. Wir nennen das eine umgekehrte qualifizierte Mehrheit.

 

Zweitens. Was wir am 16. August vorgeschlagen haben, ist Folgendes: Wir möchten eine verstärkte Schuldenbremse, die auf europäischer Ebene abgestimmt ist, damit alle nationalen Haushalte der 17 Länder eine verfassungsmäßige Bestimmung enthalten, die es den nationalen Verfassungsgerichten ermöglicht, zu überprüfen, dass das nationale Budget auf Gleichgewicht ausgerichtet ist.

 

Drittens. Wir haben uns auf die Beteiligung des Privatsektors geeinigt, um zu sagen: Was in Griechenland passiert ist, wird nicht noch einmal geschehen. Das heißt, wir werden uns jetzt und hier an die Vorgehensweise des IWF halten, was die rechtlichen Aspekte angeht.

 

Viertens. Unser Wunsch ist, dass der europäische Stabilitätsmechanismus von 2013 auf 2012 vorgezogen wird. Wir möchten, dass die Entscheidungen nicht mehr einstimmig, sondern mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden. Diese qualifizierte Mehrheit sehen wir bei 85 Prozent.

 

Fünftens. Unser Wunsch ist es, dass sich die Staats- und Regierungschefs, die die Wirtschaftsregierung der Eurozone bilden, jeden Monat einmal treffen, und zwar so lange die Krise anhält. Jedes dieser Treffen soll eine bestimmte Tagesordnung beinhalten, bei der man sich auf die Notwendigkeit konzentriert, das Wachstum in der Eurozone anzukurbeln.

 

Was die EZB anbelangt, möchte ich noch einmal das, was wir mit Mario Monti in Straßburg besprochen haben, bekräftigen: Vertrauen in die EZB, Unabhängigkeit der EZB.

 

Ich möchte abschließend sagen, dass in dieser sehr, sehr schwierigen Zeit, in dieser Krise, die sehr, sehr ernst ist, Frankreich mehr als je zuvor der Ansicht ist, dass das Zusammengehen mit Deutschland und mit der Bundeskanzlerin strategisch wichtig und unabdingbar ist. Deutschland und Frankreich sind die beiden großen Volkswirtschaften in Europa. Das Risiko einzugehen, dass wir uns nicht einig sind, heißt, das Risiko einzugehen, dass Europa auseinanderfällt und dass es den Euro nicht mehr gibt. Die Krise führt uns zu einer weiteren Pflicht, nämlich einheitlich vorzugehen und uns zu einigen. Wir möchten das gleiche Europa erreichen, ein Europa der Regierungen und ein Europa, das nicht wieder die Fehler der Vergangenheit begeht, wo man zu nachlässig war und wo zu viele Entscheidungen getroffen wurden, ohne die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Jetzt gilt es, diese Verzögerungen mitten in der Krise einzuholen, die wir angehäuft haben.

 

Letzter Punkt: Deutschland und Frankreich sind sich voll und ganz einig, dass wir sagen, dass Euro-Bonds in keinem Fall eine Lösung für die Krise darstellen. In keinem Fall stellen sie eine Lösung für die Krise dar. Ich sage auch den Franzosen, dass es eine seltsame Vorstellung ist, die Schulden zusammenzulegen. Deutschland und Frankreich zahlen für die Schulden der anderen, ohne die Ausgabe der Staatsanleihen der anderen kontrollieren zu können. Wie kann man die anderen davon überzeugen, die notwendigen Anstrengungen zu machen, die wir selbst machen, wenn wir die Schulden schon jetzt alle zusammenlegen? Dies hat überhaupt keinen Sinn und bringt nichts. ‑ Vielen Dank!

 

BK’in Merkel: Danke schön! Ich bedanke mich auch für die Gastfreundschaft. ‑ Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass wir engstens zusammenarbeiten. Dass wir das tun, zeigt sich nicht nur in häufigen Treffen, sondern vor allen Dingen auch im ständigen Gespräch entweder zwischen uns beiden oder aber zwischen unseren Mitarbeitern.

 

Wir sind in einer schwierigen Situation. Es gilt nun vor allen Dingen, Vertrauen zurückzugewinnen; denn die Akzeptanz ‑ ob wir in der Eurozone verlässlich sind und ob wir uns auch wirklich an unsere Verpflichtungen halten ‑ hat gelitten. Viele haben Sorge, ob man sich auf uns verlassen kann. Deshalb gilt es vor allen Dingen, mit dem Rat am Donnerstag und Freitag ein Stück dieser Verlässlichkeit wieder zurückzugewinnen und die Verbindlichkeit unserer Absprachen zu stärken. Deshalb brauchen wir, wie der französische Präsident es gesagt hat, strukturelle Veränderungen, die über Verabredungen hinausgehen. Das heißt auch, dass wir vertragliche Änderungen brauchen, und zwar dahingehend, dass wir in Europa bindende Schuldenbremsen haben, die einheitlich definiert sind und deren Ausgestaltung vom Europäischen Gerichtshof überprüft werden kann, damit sichergestellt ist, dass sich jedes Land verpflichtend an die Defizitkriterien und den Stabilitäts- und Wachstumspakt als Ganzes hält.

 

Es ist nicht möglich ‑ wir haben das genau überprüft ‑, dies im Rahmen der bisherigen Verträge zu machen. Ein Beispiel dafür ist, dass im jetzigen Lissabonner Vertrag zum Beispiel festgelegt ist, dass ein Defizitverfahren überhaupt erst beginnen kann, wenn eine qualifizierte Mehrheit des Rates dafür ist. Wir wollen genau das umkehren. Allein dazu brauchen wir eine Vertragsänderung, und für die weiteren Verbindlichkeiten auch. Wir sind offen ‑ so wie der französische Präsident es gesagt hat ‑, entweder die Verträge für die 27 zu ändern; das wäre der, ich sage einmal, logischste Weg. Wenn es dabei Schwierigkeiten gibt, wenn jemand nicht mitmachen will oder nicht kann, sind wir aber auch absolut entschlossen, zu sagen: Der Euro ist uns so wichtig, dass wir dann auch den Weg der 17 Euro-Mitgliedstaaten gehen und offen sind für andere, die dabei mitmachen wollen. Wir können nicht ein Kontinent sein, der sich eine gemeinsame Währung gibt, der aber anschließend ‑ wenn wir merken, dass wir die rechtlichen Grundlagen verändern müssen ‑ nicht mehr in der Lage ist, seine rechtlichen Grundlagen so zu verändern, wie es die Realität erfordert.

 

Deshalb sind wir zutiefst entschlossen, dies am Donnerstag und Freitag mit unseren Kollegen zu beraten, dies aber auch sehr entschieden zu vertreten. Wir werden die Details natürlich dem Ratsvorsitzenden Herman Van Rompuy zuleiten und uns auch mit unseren Kollegen konsultieren. Selbstverständlich sind Deutschland und Frankreich nur zwei, aber wir sind die beiden großen Volkswirtschaften und tragen deshalb für den Euro eine ganz besondere Verantwortung.

 

Zweitens. Wir wollen die Verabschiedung des ESM, also des dauerhaften Stabilitätspaktes, beschleunigen, sodass wir ihn schon Ende 2012 haben könnten. Wir wollen hier noch einmal deutlich machen, dass bezüglich Griechenland das gilt, was wir am 21. Juli gesagt haben: Griechenland ist eine Ausnahme. Deshalb werden wir im ESM deutlich machen, dass wir der Praxis des IWF folgen, wenn es um Solvenzprobleme geht, (damit) eine Staatsanleihe im Euroraum nicht unsicherer ist als irgendeine andere Staatsanleihe auf der Welt, sondern Staatsanleihen im Rahmen unserer Stabilitätsverpflichtungen im Euroraum eine sichere Investition sind.

 

Drittens. Wir wollen nicht, dass Einzelne die gesamte Entwicklung im Rahmen des ESM aufhalten können. Deshalb schlagen wir vor, dass eine Mehrheit von 85 Prozent ausreichen sollte, damit nicht einzelne Länder den gesamten Zug aufhalten können. Was zur EZB gesagt wurde ist das, was schon in Straßburg gesagt wurde; diesbezüglich hat sich an unserer Haltung nichts verändert. Euro-Bonds lehnen wir ab. Wir werden monatlich eine Sitzung der Eurogruppe plus derer, die daran interessiert sind, durchführen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu verstärken und das Wachstum anzukurbeln. Wir können uns jedes Mal ein Thema nehmen ‑ Arbeitsrecht, Innovationen, Infrastrukturbeschleunigung ‑, damit wir wieder deutlich machen, dass Europa wirklich ein Wachstumskontinent ist; denn die Jugendarbeitslosigkeit ist zu hoch, die Jobbarrieren sind zu hoch, die Innovation ist zum Teil zu gering. Wir sollten dies alles im Sinne einer Konvergenz und einer besseren Wettbewerbsfähigkeit nach vorne bringen.

 

Ich glaube, dieses Paket zeigt, dass wir absolut entschlossen sind, alles zu tun, um den Euro weiter als stabile Währung zu erhalten und ihn als einen wichtigen Beitrag zur europäischen Einigung auch weiterzuentwickeln. ‑ Herzlichen Dank!

 

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Herr Staatspräsident, seit Ihrem gemeinsamen Strandspaziergang in Deauville haben Sie einen weiten Weg zurückgelegt; die automatischen Sanktionen sollen kommen. Soll der Europäische Gerichtshof im Zweifelsfalle auch über Defizitsünder entscheiden können, und wenn ja, in welcher Art und Weise?

 

Eine weitere Frage: Sie haben die Wichtigkeit der Schuldenbremsen angesprochen. Herr Sarkozy hat in seinem Land ein ganz besonderes Problem, denn der Senat hat eine linke Mehrheit, die Schuldenbremsen ablehnt, und diese Mehrheit wird auch nach den kommenden Wahlen links bleiben. Wie kann da eine Lösung aussehen?

 

BK’in Merkel: Ich fange vielleicht einmal an. ‑ Es geht nicht darum, dass der Europäische Gerichtshof ein einzelnes Budget sofort für ungültig erklären kann ‑ das ist ja an manchen Stellen die Sorge ‑, sondern es geht darum, dass der Europäische Gerichtshof sagen kann: Ist die Verpflichtung im Sinne der Schuldenbremse im nationalen Recht so ausgestaltet, dass (bei einer Nichteinhaltung der Schuldenbremse) dann auch automatisch eine Verurteilung aufgrund der Nichterfüllung der nationalen Normen erfolgt? Das heißt, der Europäische Gerichtshof überprüft nicht jedes einzelne Budget, aber er überprüft, ob die Schuldenbremse im nationalen Recht so umgesetzt ist, dass (sie) eine verpflichtende Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes (bedingt).

 

Zweitens. Wir alle haben einen langen Weg zurückgelegt. Es ist ja das Kennzeichen der deutsch-französischen Zusammenarbeit, dass wir auf die Realitäten reagieren und dass wir nach dem besten Weg suchen. Genau das ‑ also dass wir immer gemeinsame Wege gefunden haben ‑ macht die Lebendigkeit, aber auch die Qualität unserer Zusammenarbeit aus. Deshalb glaube ich, dass wir hier auf einem sehr guten Weg sind.

 

P Sarkozy: Wenn wir, wie wir es gemeinsam mit der Bundeskanzlerin getan haben, uns entschließen, Konvergenz zu erzielen und die Einheit zwischen Deutschland und Frankreich noch weiter zu stärken, dann ist das eine strategische Entscheidung, eine historische Entscheidung. Wir sind beide der Ansicht, dass das, was unsere Vorgänger uns hinterlassen haben, das Wichtigste ist, nämlich die deutsch-französische Freundschaft. Zwischen unseren beiden Ländern hat es 70 Jahre tödliche Konfrontation gegeben. Seit 70 Jahren haben wir Frieden.

 

Wie wollen wir, dass die Zukunft aussieht? Wir wollen, dass diese Zukunft weiterhin durch Frieden gesichert ist. Deshalb muss jeder versuchen, den anderen zu verstehen, seine Unterschiede zu akzeptieren und die Bedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, sich zu einigen, und zwar immer unter Hinzuziehung von Kompromissen, wo jeder zu seinem Recht kommt.

 

Was ist unser Ziel? Unser Ziel ist nicht, dass Deutschland Frankreich überlegen ist oder umgekehrt. Wir wollen, dass der Euro und Europa gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, dass wir auf einen Wachstumspfad kommen, dass es weniger Arbeitslose gibt. Deshalb haben wir beschlossen, einen langen Weg gemeinsam zu gehen, und zwar nicht erst seit Deauville, gnädige Frau.

 

Was den Europäischen Gerichtshof anbelangt, sind die Dinge klar. Wie die Bundeskanzlerin zu Recht gesagt hat, ist es so, dass der Europäische Gerichtshof nicht die nationalen Haushalte annullieren kann. Das geht nicht. Im Gegenzug ist unser Wunsch, dass jede Verfassung in jedem der 17 Länder eine Schuldenbremse enthält, die streng gehalten ist und die auf Gleichgewicht ausgerichtet ist. Kann man von einem Haushalt etwas anderes erwarten, als das Defizit zu reduzieren? Nein, das kann man nicht. Der Europäische Gerichtshof kann dann gegebenenfalls überprüfen, ob die Schuldenbremse eines jeden Landes in Übereinstimmung mit dem von den 17 zu unterzeichnenden Vertrag steht. Das ist das, worauf wir uns geeinigt haben. Ich glaube, das entspricht voll und ganz den europäischen Institutionen, der Einhaltung der Souveränität, der Achtung der Vorrechte der Parlamente und der Effizienz des Ganzen.

 

Gnädige Frau, Sie haben auf den Senat abgestellt, der eine linke Mehrheit hat. Das ist die Realität. Aber Sie wissen auch, dass demnächst Präsidentschaftswahlen anstehen, denen dann Parlamentswahlen folgen. Das Ziel, das wir uns gemeinsam mit der Bundeskanzlerin gesetzt haben, ist, dass ungefähr im März der gesamte Vertrag ausgehandelt ist und von den 17 Mitgliedstaaten der Eurozone unterzeichnet worden ist. Wir haben es eilig. Ausgehend davon soll nach diesen beiden wichtigen politischen Daten ‑ Parlaments- und Präsidentschaftswahlen ‑ die Ratifizierung stattfinden. Dann werden wir sehen, wie die Probleme gelöst werden.

 

Frage: Herr Präsident, ich möchte noch einmal auf die Risiken der Ratifizierung zurückkommen. Frankreich hatte schon 2007 einen Vertrag nicht ratifiziert. Haben Sie die Absicht, sich mit François Hollande und der Opposition zusammenzusetzen, damit alles geschieht, damit Europa nicht wieder vor einem solchen Zwischenfall steht?

 

Frau Merkel, ein französischer Sozialist hat über Sie als jemanden gesprochen, der eine Politik à la Bismarck betreibe. Ein anderer sozialistischer Verantwortlicher hat über Herrn Sarkozy gesagt, dass er nach München gegangen sei, als er sich mit Ihnen in Straßburg getroffen habe. Glauben Sie, dass die Anti-Deutschen-Gefühle in Frankreich gestärkt werden, wenn die Lösung der Krise nicht sehr schnell herbeigeführt werden kann?

 

BK’in Merkel: Ich muss sagen, dass ich auch sehr viel lese, was bei uns in Deutschland gesagt wird und was in Frankreich gesagt wird. Ich glaube, wer uns in der täglichen Zusammenarbeit erlebt, weiß, dass man, wenn man so etwas sagt, weder Ahnung von Geschichte noch von Gegenwart hat.

 

Wir arbeiten in einer nie gekannten Art und Weise zusammen, auch was das Finden von Lösungen anbelangt. Wir haben ein Maß an Gemeinsamkeit über eine gemeinsame Währung gefunden. Das genau sind die Grundlagen dafür, dass es nie wieder irgendwelche Auseinandersetzungen der Art geben kann, über die hier gesprochen wurde. Es ist ja genau die Lehre aus der Geschichte, dass wir unsere Konflikte mit Worten und nicht mit Waffen lösen. Das ist die Antriebskraft für uns, die richtigen Lösungen zu finden.

 

Auf der anderen Seite dürfen wir Europa nicht auf faulen Kompromissen aufbauen. Es ist zu oft geschehen, dass auch unter dem Zeichen der deutsch-französischen Freundschaft Stabilitätspakte aufgeweicht wurden, dass einfach gesagt wurde, wollen wir doch die Freude und den Frieden ‑ im übertragenen Sinne ‑, die Gemeinsamkeit heute erhalten, und man hat nicht genug an morgen gedacht.

 

Unsere Aufgabe ist es heute, genau diese Fehler zu überwinden und auch an morgen zu denken, damit Europa stark ist und damit das Europa der gemeinsamen Werte, bei denen die deutsch-französische Freundschaft eine ganz besondere Rolle spielt, nicht nur zusammen ist, solidarisch ist, sondern auch noch stark in der Welt ist und seine Vorstellungen ein Stück weit durchsetzen kann.

 

Deshalb kann ich nur sagen: Die Leute, die so reden, sind meistens in der Opposition, und es ist gut, dass wir an der Regierung sind und handeln können.

 

P Sarkozy: Der Weg der deutsch-französischen Freundschaft ist ein Weg, bei dem politische Formationen auf dem linken wie auf dem rechten Spektrum eingegangen wurden: General de Gaulle, Georges Pompidou, Valéry Giscard d’Estaing, natürlich Jacques Chirac, aber auch François Mitterrand.

 

Wir erinnern uns alle an dieses wunderschöne Bild, als François Mitterrand die Hand von Helmut Kohl ergreift. Bis zum heutigen Tage war diese deutsch-französische Freundschaft Gegenstand eines Konsenses in der politischen Klasse Frankreichs. Das, was jetzt dazu gesagt wird, rückt in den Augen unserer deutschen Freunde alles in ein schlechtes Licht. Es missachtet das, was die deutsche-französische Freundschaft bedeutet. Frau Merkel und unsere deutschen Freunde wissen, dass diese Worte nicht von Menschen gebraucht werden, die Verantwortungsbewusstsein haben. Diese Worte sind einfach nur verletzend.

 

Die Linke hat immer an die deutsch-französische Freundschaft geglaubt und die Bürgerlichen auch. Wie immer die Wahlen ausgehen: Ich glaube, dass sich jeder seiner Verantwortung bewusst ist und nicht mit der Geschichte unserer beiden Länder spielt. Diese Geschichte war einfach zu dramatisch, als dass wir es uns erlauben könnten, mit uns so umzugehen und diese Worte zu wählen.

 

Sie haben den sozialistischen Präsidentschaftskandidaten angesprochen. Da er augenscheinlich auch eine gewisse Zeit mit deutschen Sozialdemokraten verbracht hat, muss ich ihn nicht überzeugen, denn deutsche Sozialisten, Herr Steinmeier an erster Stelle, haben der Schuldenbremse in Deutschland zugestimmt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine solche Inkohärenz auftreten würde, das heißt, sich zu den deutschen Sozialdemokraten zu begeben, die schon die Schuldenbremse verabschiedet haben, und nach Frankreich zurückzukehren und zu sagen, aber die gleiche Schuldenbremse können wir in Frankreich nicht verabschieden. Das wäre die Wahrheit auf der einen Seite des Rheins und die Wahrheit auf der anderen Seite des Rheins.

 

Frage: Frau Bundeskanzlerin, es ist gerade betont worden, dass es, wie im Fall Griechenland geschehen, eine Beteiligung des privaten Bankensektors bei der Ausgestaltung des ESM künftig nicht mehr geben soll. Es ist aber gerade in Deutschland als ein Element der Gerechtigkeit wahrgenommen worden, dass die Banken auch ein solches Risiko übernehmen müssen. Wie wollen Sie denn jetzt vermitteln, dass es dieses Element der Gerechtigkeit in Zukunft nicht mehr geben muss?

 

BK’in Merkel: Ich glaube, das ist ein kleines bisschen ein Missverständnis. Erstens. Wir haben bereits am 21. Juli gesagt ‑ das ist in Deutschland auch so akzeptiert worden ‑, dass Griechenland ein besonderer Fall ist und dass dieser Schuldenschnitt, den wir auf freiwilliger Basis gemacht haben, in diesem Zusammenhang einmalig ist.

 

Zweitens haben wir jetzt gesagt: Wir wollen, dass die Fragen von Solvenzproblemen nach den Regeln des IWF behandelt werden. Sie wissen, dass der IWF in einem sehr breiten Spektrum verfährt. Dort gibt es die verschiedensten historischen Erfahrungen. Wir sagen nur: Europa darf sich nicht benachteiligen, sondern wir richten uns nach den Regeln des IWF. Ich glaube, das kann ich in Deutschland sehr gut erklären.

 

P Sarkozy: Wir haben immer gemeinsam mit der Bundeskanzlerin gesagt, dass Griechenland ein Sonderfall war. Wir wollen hier niemandem irgendetwas antun, wenn wir sagen, es geht um große Volkswirtschaften wie Italien und Spanien, verglichen mit dem, was in Griechenland passiert ist.

 

Was wir gemeinsam mit der Bundeskanzlerin möchten, ist: Wir wollen den Sparern in der ganzen Welt sagen, dass in Europa die Regel darin besteht, dass wir die Schulden zurückzahlen, dass wir das Defizit reduzieren, dass wir wieder auf den Wachstumspfad gelangen und dass wir unsere Schulden zurückzahlen. Dies ist Teil der Rückkehr zu dem Vertrauen, an das Frau Bundeskanzlerin Merkel auch appelliert hat.

 

BK’in Merkel: Es ist doch ganz offensichtlich gewesen, dass insbesondere durch die Äußerung des früheren griechischen Premierministers Papandreou, man könnte ein Referendum machen, und unsere Frage, was das dann bedeuten würde, eine große Verunsicherung der Märkte eingetreten ist. Diese Verunsicherung müssen wir überwinden, weil es die Absicht ‑ sonst sind alle unsere Beschlüsse hier vollkommen sinnlos ‑ Europas ist, aus seinen Fehlern zu lernen, in der Zukunft Vertrauen aufzubauen und sich an die Schuldenregeln zu halten. Das ist die Botschaft.

 

Deshalb sagen wir: Wir verfahren in schwierigen Fällen in Zukunft genauso wie der IWF, aber wir haben keine Lex Europa, die sozusagen die Anleger mehr verunsichert, als das woanders auf der Welt sein müsste.

 

Frage: Was Sie uns eben angekündigt haben, auf was sich in Deutschland und Frankreich geeinigt haben, ist mittel- und langfristig ein Vertrag. Aber was sehen Sie denn jetzt kurzfristig vor, ganz kurzfristig? Müssen wir demnächst mit einer Erklärung von Herrn Draghi rechnen?

 

Es gibt in Deutschland auch das Thema, was die Atomkraft anbelangt. Heute Morgen haben Anhänger von Greenpeace ein französisches Kernkraftwerk besetzt. Was denken Sie, wenn Sie so etwas hören?

 

P Sarkozy: Zu dem, was Herr Draghi zu tun hat, möchte ich genau das sagen, was wir auch schon in Straßburg erwähnt haben: Ich möchte das nicht kommentieren.

 

Und was die Initiativen der Anhänger von Greenpeace anbelangt: Es ist unverantwortlich, sein Leben so aufs Spiel zu setzen und auch das Leben der anderen aufs Spiel zu setzen.

 

Was die Nuklearsicherheit anbelangt, werden wir alles, was dort gesagt wird, veröffentlichen. Wir schulden jedem Transparenz.

 

BK’in Merkel: Ich wollte noch etwas sagen, was die kurzfristigen Dinge anbelangt. Erstens. Wir haben Ihnen das Datum genannt: Im März soll der Vertrag ausgehandelt sein. Dann ist klar, welchen Rahmen sich die Europäische Union beziehungsweise zumindest die Eurogruppe und die, die dazustoßen wollen, gibt.

 

Zweitens glaube ich, dass wir mit der EFSF vielleicht nicht so viel Geld haben, wie manche wollen, aber immerhin haben wir dort 250 Milliarden Euro. Wir haben viel mehr Flexibilität. Ich bin jedenfalls jemand, der darüber reden wird, dass dieses Geld in vernünftiger Kombination mit dem IWF auch eingesetzt wird, wenn es gebraucht wird. Wir stehen also nicht ohne jede Lösung da. Dann arbeiten wir daran, dass das Vertrauen der Anleger wieder zurückkehrt.

 

Frage: Eine Frage, was den Zeitplan anbelangt: Haben Sie die Hoffnung, dass Sie schon beim Europäischen Rat in dieser Woche eine grundsätzliche Einigung mit Ihren Partnern erzielen?

 

Sie haben die Einrichtung eines neuen Vertrages im März angesprochen. Wie viel Zeit geben Sie sich, um gegebenenfalls zu beurteilen, ob das zu 27 geht oder ob das dann ein 17er-Vertrag wird?

 

P Sarkozy: Donnerstag ist die Antwort. Der Zeitplan ist ganz einfach: Am Mittwoch werden wir das Schreiben an Präsident Van Rompuy schicken, am Donnerstag und Freitag haben wir die Absicht, die gesamten Vorschläge durchzubringen, die wir machen, dass wir eine Einigung darüber erzielen, und dann werden wir bei einer Tischumfrage sehen, ob ein Vertrag zu 27 eine Chance hat oder ob es nur zu 17 geht.

 

Unser Wille ist, dass wir wirklich zum gestreckten Galopp ansetzen, um das Vertrauen in den Euro und die Eurozone wiederherzustellen. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wir sind uns des Ernstes der Lage bewusst und der Verantwortung, die auf unseren Schultern ruht.

 

Es ist also klar: so schnell wie möglich, auf der Basis dieser Einigung, die zwischen Deutschland und Frankreich erzielt worden ist, offen für alle anderen.

 

BK’in Merkel: Genau so ist es. Wir werden natürlich auch mit dem Europäischen Parlament sprechen und ihm sagen, wie wir uns das vorstellen, damit jetzt kein Missverständnis auftritt. Aber wir sind fest entschlossen, die Entscheidung genau bei diesem Rat herbeizuführen.