Pressestatement von Bundeskanzlerin Angela Merkel beim OSZE-Gipfel

BK'in Merkel: 35 Jahre nach Helsinki und 20 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges findet ein wichtiges OSZE-Treffen auf Ebene der Staats- und Regierungschefs statt. Es findet in Kasachstan statt. Viele fragen sich, warum es gerade hier stattfindet.

Wir haben uns in Deutschland die Entscheidung nicht leicht gemacht, ob Kasachstan den Vorsitz der OSZE bekommen soll. Wir haben unter zwei Aspekten Ja gesagt:

Erstens. Die sicherlich noch bestehenden Defizite in Kasachstan, was zum Beispiel die Rechtssetzung anbelangt, können durch ein solches Treffen und durch eine solche Präsidentschaft der OSZE überwunden werden, jedenfalls können Verbesserungen eintreten. Wir sprechen darüber sehr offen mit der kasachischen Regierung und mit dem Präsidenten.

Zweitens. Zentralasien ist ein Ort von noch vielen bestehenden regionalen Konflikten. Kasachstan ist ein Land, das sehr viel zur Stabilisierung und zur Lösung dieser Konflikte beiträgt. Ich glaube, es ist wichtig, dass sich die Augen der Weltöffentlichkeit einmal auf diese Region konzentrieren, die auf der einen Seite strategisch wichtig ist, was die Rohstoffe anbelangt, und die auf der anderen Seite entscheidend für das Zusammenleben verschiedener Religionen ist. Zum Beispiel an den Konflikten in Kirgistan sieht man, wie schnell wieder Instabilität entstehen kann.

Insgesamt dient dieser Gipfel einer kritischen Bestandsaufnahme. Wir haben seit dem Ende des Kalten Krieges sehr viel erreicht. Aber es gibt eben auch regionale Konflikte, die nach wie vor nicht gelöst sind. Deshalb finde ich es sehr wichtig, dass es einen Aktionsplan gibt und dass wir ganz konkrete Schritte gehen, was in nächster Zeit gemacht werden soll.

Für uns ist sehr wichtig, dass es einen formellen Prozess der Fünf-plus-zwei-Gespräche bei der Lösung des Transnistrien-Konflikts geben soll, dass natürlich weiter an der Lösung des Nagorny-Karabach Konflikts gearbeitet werden muss und dass sich auch die Sicherheitslage in Georgien verbessern muss. Natürlich ist im Augenblick die territoriale Integrität, auf der wir immer bestanden haben, nicht gesichert.

Wir hoffen, dass von diesem Treffen ein Impuls ausgeht, dass an diesen Konflikten weiter gearbeitet wird. Insgesamt ist die OSZE aus meiner Sicht eine wichtige Organisation, weil sie in vielen Ländern auf Meinungsfreiheit, auf demokratische Grundrechte und auf Demokratisierungsprozesse pocht und weil sie Wahlbeobachter entsendet, die ein Auge darauf haben, dass Wahlen fair und ehrlich ablaufen. Insofern bedeutet dieses Treffen hier auf Ebene der Staats- und Regierungschefs natürlich auch, dass wir denen Anerkennung zollen, die in den OSZE-Missionen arbeiten und jeden Tag ein Stück dazu beitragen, dass Sicherheit, Demokratie und Menschenrechte besser verwirklicht werden können. 

Frage: Zeigt der Gipfel nicht, dass es völlig unterschiedliche Meinungen gibt, was man mit der OSZE eigentlich will? Die Russen wollen es als ein sicherheitspolitisches Instrument. Sie haben eben die Menschenrechte erwähnt. Kasachstan möchte ganz gerne neue Dimensionen und möchte möglichst über alles reden.

BK’in Merkel: Natürlich gibt es verschiedene Schwerpunkte. Das ist aber auch bei einer Institution nicht neu, die von Wladiwostock bis Vancouver reicht und die sich inzwischen auch um Konflikte außerhalb des OSZE-Gebiets bemüht, wie zum Beispiel die Anwesenheit des afghanischen Präsidenten zeigt.

Ich glaube, dass der Prozess von Beginn der Schlussakte von Helsinki auf verschiedene Dimensionen ausgerichtet war. Dass natürlich einige den Schwerpunkt auf die eine und andere auf die andere Dimension legen, liegt in der Natur der Sache. Das macht aber auch die Möglichkeit aus, hier insgesamt ins Gespräch zu kommen. Insofern glaube ich schon, dass diese Organisation auch noch einige Zeit von großer Bedeutung sein wird, weil eben bis jetzt nicht alle Hausaufgaben nach dem Ende des Kalten Krieges zur Zufriedenheit gelöst sind.

Frage: Sie haben sich angeregt mit Hillary Clinton unterhalten. Hat Wikileaks eine Rolle gespielt?

BK’in Merkel: Wir haben uns vorrangig über die Frage der Konflikte unterhalten, die hier zu lösen sind, und auch über die offenen Fragen im Kommuniqué, wo noch einige Arbeit zu leisten ist. Am Rande spielte das Thema natürlich auch eine Rolle, aber sehr freundschaftlich.