Pressestatement von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Auftaktveranstaltung zum bundesweiten Girls’ Day

BK’in Merkel: Sehr geehrter Herr Schwaderer, meine Damen und Herren, liebe Schülerinnen, auch von meiner Seite ein herzliches Willkommen hier im Bundeskanzleramt. Ihr seid ja schon seit 10 Uhr hier, habe ich gelesen.

Wir hatten heute früh bereits Kabinett. Bei dieser Kabinettssitzung ging es im Grunde schon um euch; denn wir haben über die Demografiestrategie gesprochen. Ich weiß nicht, ob ihr wisst, was die Demografiestrategie ist. Sie hat etwas damit zu tun, dass sich der Altersaufbau unserer Gesellschaft verändert, das heißt in Zukunft wird es mehr ältere und immer weniger jüngere Menschen geben. Damit wird sich unser Land verändern. Das bedeutet, dass sich natürlich auch viele Dinge, zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt, ändern. Heute ist es zum Teil schon so, dass sich die Handwerksmeister und die Unternehmer den Kopf darüber zerbrechen, wie sie genügend eigene Mitarbeiter und vor allen Dingen auch Mitarbeiterinnen finden. Ich darf sagen, es wird in Zukunft noch stärker auf die Frauen ankommen. Die meisten sind gut gebildet, gut ausgebildet; aber zum Teil wird das Wissen noch zu wenig genutzt. Deshalb brauchen wir auch einen Wandel des Bewusstseins.

Die Talente der Mädchen sind völlig unbestritten. Der Wissensdurst, die Neugier sind vorhanden; aber wenn man entscheidet: Was werde ich, wo lerne ich, was mache ich? gibt es Verhaltensmuster, viele Gewohnheiten, wenn man die eigenen Eltern oder ältere Bekannte fragt. Deswegen werben wir auch gerade für die sogenannten MINT-Fächer. Das sind die mathematischen, ingenieurwissenschaftlichen, naturwissenschaftlichen und technischen Fächer, die als Fachrichtungen in der Wirtschaft ganz besonders gebraucht werden. Deshalb mein Appell an euch alle: Schaut euch noch einmal genau an, was man alles lernen und werden kann. Der Girls’ Day ist dazu ein Anlass.

Wir sind heute die Avantgarde, die Vorhut. Morgen wird der Girls’ Day dann in ganz Deutschland Mädchen einladen, Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Universitäten einen Besuch abzustatten, eine Stippvisite zu machen und vielleicht Kontakte zu knüpfen. Schülerinnen ab der 5. Klasse können teilnehmen. Dabei lernt man, was eine Elektrotechnikerin macht, was eine Materialwissenschaftlerin ist, was man mit einem Mathematikstudium machen kann. Aber der Girls’ Day bietet auch recht viele Einblicke in das praktische Berufsleben. Wir haben hier ja auch versucht, ein paar praktische Einblicke in das zu geben, was man wo können muss.

Es ist sehr schön, dass ihr euch beteiligt und dass morgen sehr viele Mädchen an solchen Veranstaltungen teilnehmen werden. Es ist auch gut für die Unternehmen; denn die Unternehmen sehen dabei, welche Menschen sie für ihre Arbeit gewinnen können. Es ist gut für die Motivation, wenn immer wieder junge Leute dazukommen. Ich darf heute verkünden, dass es immerhin schon mehr als 1 Million Mädchen waren, die seit dem ersten Girls’ Day vor über 10 Jahren an solchen Veranstaltungen teilgenommen haben. Viele haben neue Berufe entdeckt, und rund 10 Prozent der Unternehmen, die am Girls’ Day teilgenommen haben, stellen nun auch mehr junge Frauen ein und stellen vor allem junge Frauen ein, die am Girls’ Day dabei waren. Das heißt, er bringt erkennbar etwas.

Man kann auch sagen: Der Girls’ Day ist eine wahre Erfolgsgeschichte. Deshalb möchte ich auch allen, die daran teilnehmen ‑ Verbänden, Unternehmen ‑, dafür danken, dass sie sich Jahr für Jahr engagieren. Stellvertretend sage ich das den Unternehmen, die wie das von Herrn Schwaderer der Initiative D21 angehören, ihr vorstehen. Ich weiß, dass viel Mühe dahintersteckt, aber ich glaube, unter dem Strich lohnt es sich, es führt Schritt für Schritt bei jetzt schon über 1 Million Teilnehmerinnen auch zu einem gesellschaftlichen Bewusstseinswandel.

Nach wie vor, trotz der Girls’ Days, die wir hatten, bevorzugen die Mädchen und jungen Frauen immer noch Ausbildungsberufe ohne mathematisch-naturwissenschaftlichen Bezug, eher eine Zukunft als Verkäuferin, Friseurin, medizinische Fachangestellte. Deshalb gibt es auch immer noch das, was wir dann typische Frauenberufe beziehungsweise typische Männerberufe nennen, obwohl es das eigentlich nicht geben sollte. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Mädchen genauso begabt sind wie die Jungen. Ich habe selber Physik studiert. Da war ich auch in der Minderheit, aber ich habe es nie bereut, und es war eine schöne Tätigkeit.

Nun gibt es jedes Jahr eine Preisfrage, die auch etwas damit zu tun hat, welche Berufe von jungen Mädchen und Frauen gewählt werden. Die Preisfrage lautet (dieses Mal), wie viele der im Jahr 2010 geschlossenen 22.108 Ausbildungsverträge in technischen Berufen mit Frauen geschlossen wurden. Die Antwort kann ich jetzt verkünden. Sie lautet: 5.625. Das sind ungefähr 25 Prozent. Ich glaube, es waren schon einmal weniger, aber 25 Prozent lassen auch noch Luft nach oben. Aus dem Viertel könnte auch einmal die Hälfte werden.

Und wer ist jetzt die Gewinnerin? Das ist Michelle Seipold (phonetisch) vom Carl-von-Ossietzky-Gymnasium. Bitte die Hand heben! ‑ Aha. Sie hat die Zahl auf 6.000 geschätzt und lag damit am nächsten an den 5.621. Herzlichen Glückwunsch! Michelle Seipold hat nun nicht nur etwas Gutes für sich gemacht, sondern für die ganze Klasse; denn die darf jetzt nach Wolfsburg zur Phæno Experimentallandschaft, einer kleinen Wunderwelt der Technik, fahren. Ich kann nur gute Fahrt und viel Spaß wünschen.

Allen anderen wünsche ich noch viel Freude hier im Kanzleramt beim Unternehmensparcours, den ich mir jetzt anschaue. Und morgen freuen wir uns dann auf den Girls’ Day in ganz Deutschland.

Jetzt kommt es zur entscheidenden Aktion. ‑ Einen herzlichen Glückwunsch von mir und sicherlich auch von Herrn Schwaderer.