Pressestatement der Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich des G8-Gipfels am 27. Mai

Meine Damen und Herren, der G8-Gipfel neigt sich dem Ende zu. Wir hatten heute den Tag der internationalen Kooperation. Hier ist zuerst die Deauville-Partnerschaft mit den arabischen Ländern hervorzuheben, und zwar in diesem Zusammenhang mit Ägypten und Tunesien.

Wir haben mit beiden Premierministern eine intensive Diskussion gehabt, genauso wie mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga. Es ist dort deutlich geworden, dass die internationalen Finanzinstutionen bereit sind, 20 Milliarden Dollar für den Wiederaufbauprozess zur Verfügung zu stellen. Die internationalen Finanzinstutionen sind im Wesentlichen durch die Beiträge der G8-Länder gespeist. Deshalb ist es natürlich eine Verpflichtung unserer Länder.

Seitens der Europäischen Union werden wir für die Zeit von 2011 bis 2013 1,3 Milliarden Euro für die Hilfe in Tunesien und Ägypten einsetzen. Es geht jetzt vor allen Dingen darum, das Geld schnell zu den Menschen zu bringen. Deutschland hat sich sehr für einen Pakt für Beschäftigung eingesetzt, das heißt für Ausbildung und Beschäftigung gerade von jungen Leuten. Dazu werden wir auch bilateral noch einmal eine Umwandlung der Schulden in Höhe von 300 Millionen Euro vornehmen und daraus Programme finanzieren, die zum Beispiel bis zu 5.000 Ausbildungsplätze und 10.000 neue Arbeitsplätze in Ägypten schaffen können.

Ich glaube, es geht jetzt darum, die Hilfe schnell konkret zu machen. Darüber habe ich auch mit dem Kommissionspräsidenten gesprochen. Ich glaube, wir brauchen neue, schnelle und effiziente Strukturen auch in der EU im Sinne einer Task Force, um hier auch das voranzubringen, was wir voranbringen wollen. Insbesondere Tunesien hat bereits einen eigenen klaren Wirtschaftsplan. Da kann man sich auch sehr schnell an der Erfüllung beteiligen.

Jetzt gab es noch das Treffen mit afrikanischen Staaten. Hier ist es zum ersten Mal in der Geschichte der G8 zu einer gemeinsamen politischen Erklärung von G8 und den afrikanischen Staaten gekommen. Das zeigt, dass wir eine Partnerschaft auf Augenhöhe miteinander haben. Wir haben die vielfältigen Konflikte in Afrika besprochen. Ich will hier noch einmal deutlich machen: Deutschland steht insbesondere für eine gute Entwicklung des Sudan, und zwar zweier Länder. Die Unabhängigkeit des südlichen Teils wird im Juli stattfinden. Es ist gerade von dem äthiopischen Premierminister noch einmal dringend gebeten worden, sich um die Entwicklung beider Teile zu kümmern; nicht nur des Südsudan, der neu entsteht und unsere Aufmerksamkeit hat, sondern eben auch des nördlichen Teils.

Insgesamt wurde also klar, dass die G8-Länder Verantwortung für die Entwicklungen im nordafrikanischen Raum, aber genauso im gesamten afrikanischen Raum übernehmen. Deshalb war das ein sehr erfolgreicher Vormittag.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben 20 Milliarden Euro als Soforthilfe genannt. Aber der IWF hat eine Zahl genannt, die bei 160 Milliarden Euro liegt. Sehen Sie auch dieses Volumen, was da auf uns zukommt? Ist das eine kontinuierliche Hilfe, die jetzt angedacht ist?

BK’in Merkel: Ich glaube, dass man unterscheiden muss: Was wird insgesamt gebraucht und was muss davon staatlich oder öffentlich herbeigeführt werden?

Es ist heute von den Vertretern der Internationalen Finanzinstutionen noch einmal ganz deutlich gesagt worden: Das ist Hilfe, um in die Märkte zu kommen. Deshalb ist zum Beispiel das Thema Marktöffnung für diese Länder von größter Bedeutung, dass sie auch wirklich ihre Produkte exportieren können. Hier kann Europa auch noch mehr tun. Deutschland setzt sich dafür ein.

Es werden Finanzen gebraucht, aber sie können auch zum Teil privat gehoben werden, wenn man öffentliche Anschubfinanzierungen vornimmt. Das Ziel muss sein, schnell die Wirtschaftsprozesse marktfähig zu machen, denn sonst werden die öffentlichen Finanzen nicht reichen. Ich glaube, auf diesem Weg will Tunesien sein. Auf diesem Weg will auch Ägypten sein. So waren hier heute die ganz klaren Aussagen der Ministerpräsidenten.

Frage: Gestern Abend hat es eine G5-Runde zu Libyen gegeben. Hat sich Deutschland durch die Haltung in der Libyen-Frage ins außenpolitische Abseits manövriert?

BK’in Merkel: Nein. In der großen Runde haben wir auch über Libyen gesprochen. Es war auch klar, dass die, die sich im militärischen Sinne dort engagieren, sich hinterher noch einmal zusammensetzen und diesen Aspekt beschreiben. Der gesamtpolitische Aspekt, dass es eine libysche Lösung geben muss, die eine politische Lösung ist, ist Gemeinsamkeit. Ich habe sowohl mit David Cameron als mit allen anderen, so auch mit Barack Obama, über die Frage Libyen und die Frage der militärischen Fortschritte und die Frage der politischen Lösung gesprochen. Ich darf Ihnen versichern, dass wir wirklich in eine Richtung arbeiten. Diese heißt: Gaddafi muss aufgeben. Es muss ein politischer Prozess dort in Gang kommen. Das haben im Übrigen auch die afrikanischen Länder gesagt.

Frage: Soll Medwedew eine besondere Rolle spielen, eine solche politische Lösung für Libyen herbeizuführen?

BK’in Merkel: Wir haben keine besonderen Rollen verteilt. Alle haben das gleiche Interesse. Es gibt die Steuerungsgruppe, die sich mit Libyen befasst. Dort ist Deutschland auch Mitglied. Wir haben keine Sonderstrukturen geschaffen, sondern das geht in den Strukturen, die bestehen, weiter.

Frage: Ein Thema stand nicht auf der Tagesordnung, ist aber in jedermanns Kopf. Das ist die Neubesetzung der IWF-Spitze. Sie haben angedeutet, dass Sie mit Herrn Obama sprechen konnten. Haben Sie das Gefühl, dass die Amerikaner eine Kandidatur von Frau Lagarde unterstützen?

BK’in Merkel: Wir sind uns einig, dass das G8-Forum nicht der richtige Ort ist, um von hier ein Signal zu senden. Wir glauben, das muss mit allen Partnern besprochen werden. Da hier nicht alle da sind, die auch im IWF eine gewichtige Rolle spielen, haben wir ganz bewusst dieses Thema hier nicht auf die Tagesordnung gesetzt. Wir wollen keine Signale von hier ausgehen lassen. Ich glaube, das ist für die Kandidatur einer europäischen Bewerberin hilfreich und richtig. Das fordert auch der Respekt gegenüber denen, die natürlich genauso mitbestimmen wie wir.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, nun war die Erwartungshaltung an den G8-Gipfel nicht sehr hoch. Sind denn zumindest Ihre Erwartungen übererfüllt worden? Sind Sie mit geringeren Hoffnungen nach Deauville gereist? Wie sehen Sie insgesamt die Zukunft der G8?

BK’in Merkel: Ich glaube, dass es ein wichtiges Gesprächsforum ist, und zwar von allen internationalen Konflikten, angefangen von Libyen bis zur Arabischen Welt, dem Nahost-Friedensprozess. Hier war es sehr wichtig, dass wir uns gestern ausgetauscht haben. Aber auch die anderen schwierigen Verhandlungsfragen, so Doha und Ähnliches, haben eine Rolle gespielt. Insofern bin ich sehr zufrieden. Es muss ja nicht immer ein spektakuläres, auf einen Punkt konzentriertes Ergebnis sein, sondern es geht um einen kontinuierlichen Austausch, den wir in einer solchen Konstellation sonst nicht haben. Deshalb halte ich den für ausgesprochen sinnvoll und hilfreich.

Frage: Erkennen Sie das auch bei den Amerikanern? Präsident Obama wird nachgesagt, dass er keine sonderlich große Leidenschaft für diese Zusammensetzung habe.

BK’in Merkel: Er hat sich leidenschaftlich an den Diskussionen beteiligt. Insofern denke ich, dass es gut war, dass wir zusamnen waren.