Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem slowenischen Ministerpräsidenten Pahor

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)

MP Pahor: Meine Damen und Herren, nicht nur, weil es sich diplomatisch gehört, sondern auch wegen unseres Gesprächs während des Spaziergangs und der offiziellen Gespräche bei dem Arbeitsmittagessen möchte ich große Zufriedenheit darüber ausdrücken, dass ich bei dem ersten bilateralen Arbeitsbesuch in Slowenien die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland und meine gute Freundin, Frau Angela Merkel, hier zu Gast haben darf.

Es ist mein Wunsch, dass wir die sehr guten, besonders guten Beziehungen zwischen den beiden Staaten jetzt auch als besondere Beziehungen ausbauen, wie ich es schon während des Mittagessens gesagt habe, und zwar zwischen zwei Staaten und zwei Völkern, die viele charakteristische Züge, die komplementär sind, ein gemeinsames oder ähnliches kulturelles Erbe, Traditionen, Ansichten über die Zukunft sowie Ziele haben. Vor allem aber - das scheint mir besonders wichtig zu sein - sind beide Staaten, obwohl sie unterschiedlich groß sind, stolz. Sie respektieren sich gegenseitig und möchten zum Wohle der gegenseitigen Beziehungen und zum Wohle Europas auch ehrlich zusammenarbeiten.

Seit der Selbstständigkeit Sloweniens war ich so oder anders Teil der slowenischen Politik. Also kann ich es auch auf Grundlage meiner persönlichen Erfahrung sagen: Die Selbstständigkeit Sloweniens vor 20 Jahren - auch der Besuch der Kanzlerin Merkel fällt nämlich mit den Jubiläumsfeiern zusammen - war ganz sicher eine souveräne Entscheidung unserer Menschen. Aber - das muss man wissen - es gab auch eine nicht egoistische Hilfe von anderen Staaten und anderen Völkern, und das war außerordentlich wichtig. Ohne übertriebene Sentimentalität kann ich jetzt sagen, dass Slowenien und die Slowenen niemals vergessen werden, was die Rolle Deutschlands bei der Rechtfertigung der Souveränität während der Zeit des Falls der Berliner Mauer war. Wir werden es auch nicht vergessen, weil Berlin für die Unterstützung unserer Selbstständigkeit niemals und auf keine Weise irgendwelche Gefälligkeiten, Geschenke oder sonst etwas gefordert oder erwartet hat. Das und viele andere Dinge haben die deutsch-slowenische Freundschaft geprägt und auch die Ähnlichkeiten und gemeinsamen Ziele vertieft.

Deutschland ist einer der wichtigsten politischen Partner Sloweniens, und ganz sicher ist es der wichtigste wirtschaftliche Partner der Republik Slowenien. Mit fast 20 Prozent Anteil am gesamten Warenaustausch ist Deutschland für die slowenische wirtschaftliche Entwicklung äußerst bedeutend. Das hat sich zuletzt in der Zeit der Rezession gezeigt: Auch wegen des geringeren Wirtschaftswachstums in Deutschland ist der Umfang unseres bilateralen Warenaustausches um ein Fünftel gesunken, und natürlich hat das die Wirtschaftskrise in Slowenien zusätzlich vertieft. Aber mit dem neuen Wirtschaftsaufschwung in Deutschland und in Slowenien hat sich der Umfang des Warenaustausches in den ersten fünf Monaten dieses Jahres im Vergleich mit den vergangenen Jahren um mehr als ein Viertel vergrößert. Er umfasst heute 3,5 Milliarden Euro. In dieser Zeit hat Slowenien den Export nach Deutschland um fast ein Drittel gesteigert. Für uns, Angela, ist die Nachfrage Deutschlands nach slowenischen Produkten äußerst wichtig. Wir gönnen es euch aufrichtig, dass der Wirtschaftsaufschwung erfolgreich sein wird; denn das ist auch für die slowenische Wirtschaft wichtig.

Ich muss nicht sagen, dass Deutschland einer der fünf größten Investoren in die slowenische Wirtschaft ist, wobei ich heute während des Mittagessens gesagt habe, dass wir uns wünschen, dass sich dieser Anteil vergrößern wird. Wir haben nichts dagegen. Ich habe auch gesagt, wo ich die Möglichkeiten für diese Steigerung sehe.

Aufgrund all dessen, meine verehrten Damen und Herren, werden Slowenien und Deutschland heute eine Erklärung über die vertiefte Zusammenarbeit im Bereich der gemeinsamen Interessen unterzeichnen. Das ist keine typisierte Erklärung. Sie soll etwas Besonderes sein, eine Mitteilung für unsere weiteren Arbeiten. Beide Regierungen haben damit Verpflichtungen für mehrseitige politische und anderweitig exzellente Beziehungen aufgenommen, vor allem für eine vertiefte Zusammenarbeit bei der Suche nach gemeinsamen Lösungen bezüglich der Eurozone und der Europäischen Union sowie für den Meinungsaustausch zwischen Berlin und Ljubljana bezüglich des Westbalkan, hinsichtlich dessen unsere Stellungnahmen recht nah beieinander liegen.

Aufgrund all dessen, was in dieser Erklärung niedergeschrieben ist, aufgrund von all dem, was unser heutiges Treffen gezeigt hat, aufgrund des heutigen Besuchs der Kanzlerin und aufgrund der noblen Ziele, die wir gemeinsam erreichen möchten, erlaube ich mir, unsere bestehenden Beziehungen und unsere Beziehungen, die noch entstehen sollen, auch als besondere Beziehungen zu beschreiben. Natürlich kann es immer wieder Kontroversen geben - auch bezüglich dieser Definition, die ich gerade geäußert habe, und bezüglich dessen, was wir und die slowenische Regierung möchten -, aber das dürfte für die Öffentlichkeit natürlich keine große Überraschung sein.

Sie alle wissen, dass ich schon seit mehr als einem Jahr darauf hinweise, dass große Änderungen vor uns stehen. Das erfordert der Aufschwung der europäischen Finanz- und Wirtschaftsmärkte, der noch ein bisschen zu langsam voranschreitet. In diesem Sinne sprechen wir darüber, dass es, wie ich es auch klar und deutlich der Bundeskanzlerin gesagt habe, das Hauptziel dieser Regierung ist - vor allem, wenn sie das Vertrauensvotum in den nächsten Monaten bestehen sollte -, alle kurzfristigen und langfristigen Maßnahmen zu verabschieden, die Slowenien im gesunden Kern der Eurogruppe erhält - passiere diesbezüglich in der Zukunft, was wolle -, und zwar für praktisch jeden Preis und auf jede Art und Weise. Das ist unsere Hausaufgabe in Slowenien, und ich bin mir dessen bewusst. Aber dabei wünschen wir uns auch das Verständnis und die Unterstützung Deutschlands. Es ist also von wesentlicher Bedeutung für Slowenien, dass wir im gesunden Kern der Eurogruppe bleiben.

Hierfür werden gewisse Veränderungen notwendig sein, und die werden auch passieren. Ich habe es in diesem Sinne gesagt und sage es jetzt vor der breiteren Öffentlichkeit: Slowenien hat die Absprache zwischen Berlin und Paris bezüglich der Wirtschaftsregierung der Eurozone unterstützt. Ich als Politiker, aber auch als jemand, der die Verhältnisse kennt, erlaube mir zu sagen, dass das nur einer der ersten Schritte in die richtige Richtung ist; das ist meine persönliche Meinung. Diese Richtung wird wahrscheinlich früher oder später mit dem enden, was wir Vereinigte Staaten Europas nennen. Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, dass ich das bei dieser Pressekonferenz wiederhole. Ich weiß, es ist kein so großes Problem für Slowenien, wie es eines für Deutschland ist. Aber man kann keine erfolgreiche Währung mit 17 unterschiedlichen Fiskalpolitiken und mit 17 verschiedenen Steuerpolitiken haben.

Das wird vorerst reichen müssen, denn einen großen politischen Willen für große Schritte gibt es in diesen Ländern nicht, und daher wird vorerst der Weg ausreichen, den Angela und Nicolas vorgeschlagen haben. Aber ich persönlich meine, dass die europäische Idee langfristig überleben wird, wenn wir in den Vereinigten Staaten Europas leben werden.

Was Slowenien angeht, und damit schließe ich langsam, werden wir alles Mögliche dafür tun, obwohl wir eine Minderheitsregierung sind, dass wir - sei es in Absprache mit den Sozialpartnern oder mit der Opposition - uns für die Erfüllung aller Verpflichtungen des Euro-Plus-Pakts aussprechen. Es geht darum, dass die Konkurrenzfähigkeit vergrößert wird und dass die öffentlichen Finanzen stabilisiert werden.

Ich möchte betonen, dass wir heute neben den Gesprächen über die bilateralen Themen auch die Richtung gewiesen haben. Neben den intensiven Gesprächen über diese Themen haben wir auch über die Geschehnisse in der Eurozone und in der EU gesprochen.

Wir haben auch über den gemeinsamen Einsatz im Westbalkan gesprochen. Es freut mich, dass der Brdo-Prozess auch in der Erklärung erwähnt wird. Das ist die einzige regionale Institution, die versucht, das zu verhindern, was Slowenien und Kroatien kurz vor dem Finale der Verhandlungen Kroatiens mit der EU passiert ist, nämlich dass ungelöste bilaterale Konflikte, irgendwelche negativen Gefühle oder Nationalismen aller Art auf irgendeine Art und Weise Kompromisse und Lösungen verhindern. Die deutsche Unterstützung bei der Lösung von alten Konflikten auf dem Westbalkan ist hierbei sehr wichtig.

Ich wünsche mir, dass wir bei diesem heutigen Treffen unseren Gast auch mehr als üblich hören. Im Lichte meiner persönlichen Bemühungen und der Bemühungen unserer Regierung wünsche ich mir, dass unsere Beziehungen etwas Besonderes sind, und ich wünsche mir, liebe Angela, dass dein Tag in Slowenien, obwohl er kurz ist, zumindest etwas so Besonderes ist, wie ich es mir für unsere Beziehungen wünsche!

BK’in Merkel: Herzlichen Dank, lieber Borut. Ich möchte mich für den herzlichen Empfang und auch für die Möglichkeit bedanken, mit einem kleinen Spaziergang einen Eindruck von der wunderschönen Stadt Ljubljana bekommen zu haben. Das sehr, sehr schöne Mittagessen auf der Burg mit Blick in alle Himmelsrichtungen, die wunderbare Teile Sloweniens gezeigt haben - ein Blick Richtung Meer, ein Blick Richtung Berge -, war schon sehr beeindruckend.

Ich möchte sagen, dass es ein wirklich wichtiges Ereignis ist, dass wir hier heute eine gemeinsame politische Erklärung verabschieden, die die Beziehungen zwischen Deutschland und Slowenien nicht nur niederlegt, sondern auch anhand konkreter Punkte aussagt, worin diese Beziehungen bestehen sollen. Du hast die einzelnen Aspekte eben schon aufgezählt.

Bilateral verbinden Slowenien und Deutschland sehr freundschaftliche Beziehungen. Das hat sich auch in einer sehr frühen Anerkennung Sloweniens durch die Bundesrepublik Deutschland ausgedrückt. Wir blicken jetzt 20 Jahre zurück, und man muss sagen, dass natürlich nicht nur in Deutschland, sondern vor allen Dingen auch in Ihrem Land, in Slowenien, in diesen 20 Jahren unglaublich viel passiert ist. Das erkennt man natürlich an allen Ecken und Enden.

Ich erlebe Borut Pahor im Europäischen Rat als einen Ministerpräsidenten, der dem europäischen Gedanken zu 100 Prozent verpflichtet ist und der weiß - wie es auch meine Überzeugung ist -, dass wir nur durch Reformen und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit überhaupt in die Lage kommen, ein starkes Europa zu sein. Wir sagen immer wieder: Wir wollen global eine wichtige Rolle spielen. Aber wir sind mit Wettbewerbern wie China und Indien konfrontiert, die sich sehr dynamisch entwickeln.

Deshalb sind es im Grunde zwei Botschaften, die uns einen. Die eine ist: Wir müssen die Eurogruppe und Europa stark machen. Deshalb ist es gut, dass sich Deutschland und Slowenien dem Euro-Plus-Pakt verpflichtet fühlen. Wir müssen - jeder bei sich zu Hause - die notwendigen Reformen durchführen. Ich möchte Borut Pahor hier für seinen Mut danken, genauso wie für den Mut, in den Grenzstreitigkeiten mit Kroatien eine Einigung herbeizuführen.

Wir müssen auf der anderen Seite unsere europäische Gemeinsamkeit nach außen darstellen. Dabei ist die Devise des Tages und die Devise unserer Zeit: Wir brauchen mehr politische Union, wenn wir eine gemeinsame Währung haben. Wir brauchen tendenziell mehr Europa. Aber wir brauchen vor allen Dingen auch ein verlässliches Europa, in dem nämlich jeder seine Pflichten erledigt, seine Hausaufgaben macht. Slowenien hat hier heute noch einmal durch den Ministerpräsidenten deutlich gemacht: Man möchte zu der wettbewerbsfähigen Zone des Euro gehören, zu denen, die keine übermäßige Verschuldung haben. Das ist genau der Weg, den alle Euro-Mitgliedstaaten beschreiten müssen. Ich sage dies auch ausdrücklich mit Blick auf Deutschland, weil auch wir zurzeit eine Verschuldung aufweisen, die oberhalb von 60 Prozent liegt.

Wir haben natürlich die aktuelle Situation in der Eurozone miteinander besprochen. Wir fühlen uns verpflichtet, die Beschlüsse der Staats- und Regierungschefs vom 21. Juli dieses Jahres in unseren Parlamenten umzusetzen. Wir haben auch über die Zukunft gesprochen und ein ganz klares politisches Bekenntnis zu der Zukunft des Euro abgelegt.

Wir haben auch über die Situation auf dem westlichen Balkan gesprochen. Hierbei ist eben, wie gesagt, hervorzuheben, dass Slowenien und Kroatien auf einen gemeinsamen Weg gefunden haben. Meine Überzeugung ist, und das deckt sich vollständig mit der von Borut Pahor, dass wir allen Ländern des westlichen Balkan eine Beitrittsperspektive für die Europäische Union geben müssen, aber genauso, dass mit dem Beitritt einzelner Staaten nicht bilaterale Konflikte in die Europäische Union importiert werden dürfen. Das muss verhindert werden, und deswegen müssen die bilateralen Konflikte vorher gelöst sein.

Insgesamt also herzlichen Dank für gute Gespräche, für die Intensivierung unserer Kontakte und für diesen Arbeitsbesuch, den ich sehr gerne gemacht habe! Ich glaube, Slowenien und Deutschland arbeiten sehr, sehr eng und zum Wohle Europas zusammen.

MP Pahor: Vielen Dank, Frau Kanzlerin! Bevor wir den Reportern das Wort geben, möchte ich sagen: Ich bin es nicht gewohnt, Komplimente zu hören, vor allem nicht in der slowenischen Öffentlichkeit. Hier habe ich sie gehört, sei es auch wegen diplomatischer Freundlichkeit. Angela, ich hoffe, das war keine Folge dessen, dass ich dir auf dem Weg hierher ein paar Blumen gekauft habe!

BK’in Merkel: Ich glaube, ich bin bekannt dafür, dass ich die Dinge schon beim Namen nenne, wenn es notwendig ist. Insofern: Nimm es einfach hin!

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gerade gesagt, wir brauchen ein verlässliches Europa. Ist Slowenien für Sie ein verlässlicher Partner, vor allem auf dem deutsch-französischen Zug? Ich frage vor allem, weil die Wirtschaftsdaten Sloweniens eigentlich nicht so gut sind. Braucht Slowenien Reformen und, wenn ja, welche ganz konkret?

BK’in Merkel: Ich kann Ihre Frage mit einem klaren Ja beantworten. Slowenien ist ein verlässlicher europäischer Partner.

Zweitens: Wir alle brauchen Reformen, und natürlich auch Slowenien. Es ist hier vieles geschehen und manches auch wieder in Referenden abgelehnt worden. Das heißt, es müssen jetzt Wege und Mittel gefunden werden - je größer die diesbezügliche Gemeinsamkeit im Lande ist, desto besser -, um solche strukturellen Reformen eben auch durchzusetzen. Ich will ein Beispiel nennen, und ich spreche jetzt nur über Deutschland: Bei uns war es sehr, sehr schwer, auf die demografische Veränderung und die Tatsache, dass die Menschen ein höheres Lebensalter haben, zu reagieren. Wir haben - auch unter sehr großen politischen Schmerzen - die Rente mit 67 eingeführt. Das ist für die Menschen hart. Aber es ist besser, es heute zu machen und eine Perspektive für die Zukunft zu geben, als den jungen Leuten in unseren Ländern Lasten aufzubürden, die sie nicht tragen werden. Sie werden dann in die europäischen Länder gehen - das gilt für Deutschland genauso wie für Slowenien -, in denen sie weniger Lasten zu tragen haben und die die Hausaufgaben schon früher gemacht haben. Wenn wir ein Miteinander der Generationen wollen, der älteren und der jüngeren, dann müssen wir die Lasten fair verteilen. Deshalb sage ich: Ich unterstütze Borut Pahor darin, strukturelle Reformen durchzuführen. Aber Slowenien ist nicht das einzige Land in Europa, das das tun muss. Wir haben hierbei alle Aufgaben.

Frage: Sie hatten beide die enge ökonomische Kooperation zwischen unseren Ländern betont. In der Erklärung ist auch von dem politischen Dialog die Rede. Frau Bundeskanzlerin, was, glauben Sie, könnte speziell Slowenien hierbei in die Waagschale werfen, um diesen Dialog in dem Annäherungs- und Erweiterungsprozess Europas zu verstärken? Ist der Dialog zwischen den früheren jugoslawischen Republiken überhaupt schon so weit gediehen, dass Slowenien dabei eine Schlüsselrolle einnehmen könnte?

BK’in Merkel: Ich glaube, Slowenien kann dabei eine wichtige Rolle haben, erstens, weil Slowenien die eigene Erfahrung einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union ja schon über etliche Jahre hinweg gemacht hat, und zweitens, weil Slowenien an einem ganz schwierigen Punkt gezeigt hat, dass es gemeinsam mit Kroatien eine Lösung in einer Grenzfrage gefunden hat, die alles andere als einfach zu lösen war. Das ist ja genau die Art von Fragen, die wir noch zahlreich vor uns haben, ob es um Namen, um Anerkennung, um Grenzen oder um ein Miteinander geht. Dieses Beispiel, sich mit der kroatischen Ministerpräsidentin zusammenzuraufen, ist ein mutiges Beispiel, das so, glaube ich, Slowenien auch die Reputation verleiht, um mit anderen darüber zu sprechen, dass die europäische Perspektive auch für sie gut und richtig ist.

Frage: Frau Kanzlerin, ist die Unterstützung der Regierung für eine Wirtschaftsregierung in Europa ausreichend? Wird diese Wirtschaftsregierung auch das Überleben des Euro und der Eurozone in den nächsten fünf Jahren garantieren? Es sind schlimme Zeiten für uns, vor allem aufgrund der Schuldenkrise und anderer Fragen, die sich auch in weiteren Ländern wie Italien verbreiten.

BK’in Merkel: Erstens ist der Euro nicht nur ein finanzielles Projekt, sondern er ist auch ein politisches Projekt. Wir haben uns heute beim Mittagessen ausgetauscht. Wir fühlen uns beide als Regierungschefs verpflichtet, dass der Euro eine gute Zukunft hat, und wir werden alles dafür Erforderliche unternehmen, wie wir es auch in den vergangenen Monaten getan haben.

Wir sind aber auch der Überzeugung, dass wir die Probleme bei der Wurzel packen müssen. Das heißt, allein Worte wie „europäische Wirtschaftsregierung“ werden nicht helfen. Die Frage ist vielmehr: Was ist die Substanz dahinter? - Hierbei stimmen wir wieder überein, dass es eine stärkere Harmonisierung unserer Politiken braucht. Zum Beispiel haben sich Deutschland und Frankreich vorgenommen, in den nächsten Jahren an einem gemeinsamen Unternehmenssteuerrecht zu arbeiten. Wir können nicht nur einfach reden, sondern wir müssen auch handeln. Das erfordert zum Beispiel Sozialsysteme, die der jeweiligen demografischen Situation entsprechen, und vergleichbare Steuersysteme. Wir wissen, dass das ein langer Weg und auch ein Weg ist, der sicherlich nicht von allen gleichermaßen sofort begrüßt wird. Aber ich finde zum Beispiel, die Tatsache, dass Spanien heute eine Schuldenbremse in sein Grundgesetz, in seine Verfassung aufnimmt, ist doch ein ermutigendes Zeichen dafür, dass mehr und mehr europäische Länder bereit sind, diesen Weg der Vernunft zu gehen und die Probleme an der Wurzel anzupacken. Slowenien und Deutschland werden gemeinsam dafür werben.

Frage: Frau Merkel, ich habe zwei kurze Fragen. Sie haben am Dienstag in Belgrad die Auflösung der parallelen Institutionen im Nordkosovo als eine der unabdingbaren Voraussetzungen für die weitere Annäherung Serbiens an die EU bezeichnet. Inzwischen sind diese Forderungen von höchster Stelle zurückgewiesen worden. Es wird ganz im Gegenteil von den verantwortlichen Politikern gesagt, dass diese Institutionen sogar noch verstärkt werden müssen.

Zur zweiten kurzen Frage: Sie waren in Serbien und sind heute in Slowenien. Sie haben in diesem Jahr viele Politiker aus Bosnien getroffen. In Belgrad haben Sie Mazedonien, den Streit mit Griechenland und die Forderung angesprochen, dass Bosnien schnell eine Regierung haben muss. Bedeutet das alles zusammen genommen, dass Berlin jetzt wieder stärker auf Südosteuropa schaut, wie es hier in den Medien beschrieben wird?

BK’in Merkel: Wir fühlen uns verpflichtet, zu den Lösungen, die wir im europäischen Bereich noch brauchen - dazu gehört der westliche Balkan -, unseren Beitrag zu leisten. Wir können schlecht überall auf der Welt als Friedensmittler auftreten, wenn wir auf unserem eigenen Kontinent unsere eigentlich recht überschaubaren Probleme nicht in den Griff bekommen. Es besteht hier jetzt so eine Art Gleichgewicht, eine Art Ruhe, die sich aber als trügerisch erweisen könnte - wie wir es in diesem Sommer ja auch im Kosovo erlebt haben -, wenn man die Probleme nicht auch wirklich schrittweise löst. Wir wissen, dass das schwierig ist. Die Lösung des slowenisch-kroatischen Problems hat auch fast zwei Jahre gedauert. Trotzdem lohnt es sich, das zu machen, und hierzu wollen wir unseren Beitrag leisten. Insofern haben Sie recht: Es gibt eine verstärkte Konzentration.

Was Ihre erste Frage anbelangt, so würde ich sagen: Diese Dinge löst man, glaube ich, nicht durch gegenseitige öffentliche Statements. Ich höre ja auch, was in Belgrad gesagt wird. Ich glaube - das habe ich bei dem Besuch bei Präsident Tadić auch gespürt-, dass es ein großes, berechtigtes und richtiges Interesse in Serbien gibt, eine starke Anbindung an die Europäische Union zu haben. Wir haben die Visafreiheit eingeführt, weil das wichtig ist, gerade auch für die Anbindung an Europa und für die Jugend in Serbien wie in allen anderen Ländern. Wir wissen, wie schwierig die Überwindung der Konflikte mit dem Kosovo ist, aber wir wissen auch: Es gibt kein gutes Miteinander in Europa, wenn man nicht über diese Konflikte hinwegkommt. Insofern wird sich jeder auch ein Stück bewegen müssen.

Ich habe jetzt nicht vor, Belgrad aus Ljubljana weitere Hinweise zu geben, denn ich war ja genau deshalb in Belgrad. Ich glaube, Präsident Tadić hat gespürt, dass Deutschland ein echtes Interesse an einer Mitgliedschaft Serbiens hat, aber auch, dass wir natürlich unsere Arbeitsfähigkeit innerhalb der Europäischen Union behalten müssen.

MP Pahor: Wie Sie wissen, sind die klaren Worte und Mitteilungen der Kanzlerin in Belgrad auf ein sehr großes Echo gestoßen. Kurz danach hat mich Präsident Tadić im Rahmen unserer Treffen - einmal hier, einmal in Serbien - gebeten, einmal zu einem Arbeitsessen zu kommen. Es war mehr als ein Arbeitsessen, nämlich ein sehr intensives, vierstündiges Gespräch über einige wichtige Fragen für die Sicherheit der Region. Nach diesem Gespräch habe ich Herrn Tadić gesagt, dass ich mit meinen Mitarbeitern und Beratern über alles Gesagte nachdenken werde, dass ich auch die deutsche und die amerikanische Seite sehr genau darüber informieren werde, dass ich mich nicht verpflichtet fühle, anderen gegenüber den Inhalt dieses Gesprächs zu verbreiten, dass ich allerdings für mich einen Standpunkt geformt habe, der auch gute Folgen für die Beibehaltung des Friedens und der Stabilität in dieser Region haben könnte. Wenn Herr Tadić damit einverstanden sein wird, dann werde ich mich noch einmal mit ihm treffen, mit ihm darüber sprechen und dann auch die deutsche und die amerikanische Seite detailliert über diese Gespräche informieren. Ich denke, es gibt eine Möglichkeit, auf eine etwas fortschrittlichere Art und Weise - wir teilen diese Meinung mit Deutschland, wie sie Frau Merkel auch in Serbien formuliert hat - Antworten zu finden, die zu dieser Frage des Friedens usw. beitragen könnten. - Ich musste jetzt hier noch ein bisschen dazu sagen.

Ich bin zufrieden darüber, dass Präsident Tadić gestern mit etwas friedlicheren Worten diese etwas konfliktreiche Beziehung mit der Ministerpräsidentin Kosor abgerundet hat. Sie wissen auch, dass Herr Tadić, Frau Kosor und ich eine persönliche trilaterale Beziehung haben, um eben die Lösung dieser Probleme zu befördern. Wir werden uns also bemühen, im Herbst - falls es mir meine Verpflichtungen genehmigen und falls ich das mit unseren Partnern absprechen - dabei zu helfen, dass wir einen Ausweg aus dieser Situation auf dem Balkan finden.