Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem russischen Präsidenten Medwedew anlässlich der deutsch-russischen Regierungskonsultationen

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)

BK'IN MERKEL: Meine Damen und Herren, Sie haben eben gesehen, welche große Zahl von unterzeichneten Abkommen wir Ihnen heute vorweisen können. Das ist auch ein Beleg für die Dichte der Kontakte zwischen den Ressorts, zwischen den verschiedenen Ministerien, die sich über die Jahre der deutsch-russischen Regierungskonsultationen entwickelt haben. Es geht dabei um Wirtschaftsverträge, es geht aber auch um kulturelle Zusammenarbeit, um die Stärkung des Rechtsstaates und um Säulen der Modernisierungspartnerschaft. Das heißt, es ist die gesamte Breite vertreten. Ich freue mich, dass heute auch Umweltverträge, zum Beispiel zum Schutz der Torfmoore, unterzeichnet werden konnten.

Die deutsche Wirtschaft ist ein natürlicher Partner für Russland; das haben wir heute Früh auch in dem Gespräch mit den Wirtschaftsvertretern erlebt. Wir sind ein guter Partner für die russische Modernisierungsstrategie, die von Präsident Dmitrij Medwedew ganz besonders unterstützt wird. Deutsche Unternehmen sind interessiert am Aufbau moderner Industriesektoren, sie sind auch interessiert am Aufbau kleiner und mittelständischer Unternehmen, wie wir das eben auch bei einer Unterzeichnung zur Finanzierung von mittelständischen Unternehmen erlebt haben. Wir haben noch einmal deutlich gemacht, dass wir natürlich rechtssichere Rahmenbedingungen in Russland brauchen. Dies wurde auch zugesagt.

Wir steuern auf die Jahre 2012 und 2013 zu, also auf das Deutschlandjahr in Russland und das Russlandjahr in Deutschland, die eine weitere Möglichkeit sein werden, die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern zu vertiefen. Wir waren heute auch beim „Petersburger Dialog“ und haben dort die Gesamtheit der Fragen der Zivilgesellschaft angesprochen. Wir haben beide festgestellt: Die Atmosphäre bei diesem „Petersburger Dialog“ war doch produktiver, konstruktiver, etwas leichter, und hat damit auch mehr Fragen und mehr Themen zugelassen, als das in den vergangenen Jahren der Fall war.

Wir haben auch über die Verhandlungen zwischen der EU und Russland und über die Frage des WTO-Beitritts Russlands gesprochen. Die deutsche Wirtschaft hat noch einmal deutlich gemacht, für wie wichtig sie diesen Beitritt hält. Ich unterstreiche das auch von meiner Seite.

Wir werden auch immer wieder schauen, wie sich die Lage der Menschenrechte in Russland entwickelt; auch das war ein Thema bei dem „Petersburger Dialog“, genauso wie das Thema der Pressefreiheit. Gerade jetzt, mit Blick auf die anstehenden Wahlen, ist eine faire Situation hierbei natürlich wichtig.

Wir haben uns gestern Abend in umfassender Weise über die außenpolitischen Herausforderungen und über die außenpolitischen Themen, die uns sehr am Herzen liegen, ausgetauscht ‑ zum Beispiel der Transnistrien-Konflikt und Moldawien, die Zukunft der Zusammenarbeit zwischen Russland und der Europäischen Union, aber auch die Lage in Syrien, die Lage in Libyen, die Lage in Weißrussland. Insofern waren die Stunden, die wir miteinander verbracht haben, mit den verschiedenen Themen sehr gefüllt.

Ich will allerdings auch sagen, dass wir uns sehr herzlich bei der Stadt Hannover und bei dem Land Niedersachsen bedanken, die uns hier in herausragender Umgebung einen Rahmen geboten haben ‑ vom Landhaus in Garbsen bis hier zu den Herrnhäuser Gärten ‑, der die Atmosphäre noch schöner gestaltet hat, als sie ohnehin schon war.

Es waren zwei gute Tage für die deutsch-russische Zusammenarbeit.

P MEDWEDEW: Werte Vertreter der Massenmedien! Die Frau Bundeskanzlerin hat es sehr präzise formuliert: Es waren zwei gute Tage für die russisch-deutsche Zusammenarbeit. Es war mir eine Freude, Hannover wieder zu besuchen. Diese Stadt ist für mich ebenfalls eine symbolträchtige Stadt. Ich kam zum ersten Mal hierhin, als ich stellvertretender Vorsitzender der Regierung der Russischen Föderation war. Bei der Gelegenheit habe ich die Frau Bundeskanzlerin kennengelernt. Schon damals begann unsere Kommunikation.

Die Ergebnisse der 13. Runde der deutsch-russischen Konsultationen sprechen für sich selber. Der Hauptteil der Pressekonferenz fand ja bereits statt, nämlich die beispiellose Unterzeichnung von gemeinsamen sehr wichtigen und sehr inhaltsreichen Dokumenten, die unserer Partnerschaft im Bereich der Modernisierung, der bilateralen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit und der Investitionszusammenarbeit gewidmet sind. Man braucht nur zu sagen, dass wir in diesem Jahr höchstwahrscheinlich das Vorkriegsniveau des Handelsumsatzes erreichen können. Das heißt, das ist eine Rekordschwelle in der Geschichte unseres gemeinsamen Zusammenwirkens im wirtschaftlichen Bereich.

Es gibt zwischen uns auch eine gute Zusammenarbeit in den Bereichen Energiewirtschaft, Transportmaschinenbau, Autoindustrie, Baumaterialindustrie, Gesundheitswesen. Aber wir haben auch sehr gute Pläne für die Entwicklung der Zusammenarbeit im Bereich kleinerer und mittlerer Unternehmen. Das alles haben wir heute besprochen.

Wir hatten einen sehr produktiven Meinungsaustausch beim „Petersburger Dialog“. In der Tat war das zum ersten Mal ein ganz informeller Austausch, der sehr inhaltsreich war. Wir haben verschiedenste Themen besprechen können, beginnend von russisch-deutscher wirtschaftlicher Zusammenarbeit ‑ zum Beispiel im Bereich der Energie ‑, über Rechtsstaatlichkeit und Einhaltung der Rechte von Journalisten. Das sind alles die Fragen, die die Zivilgesellschaften unserer Länder betreffen. Ich bin der Meinung, dass sich dieser Dialog gerade in dieser Art und Weise entwickeln soll. Er ist so viel interessanter und viel ergebnisreicher.

Wir veranstalten das Russlandjahr in Deutschland und das Deutschlandjahr in Russland. Wir werden sehr viele Veranstaltungen in diesem Rahmen durchführen.

Wie Angela es geschildert hat, haben wir auch die internationale Problematik besprochen. Wir haben zum Beispiel besprochen, wie wir die Probleme, die die Situation in Libyen betrifft, lösen können. Wir haben über die Lage rund um Syrien, über die Lage im Nahen Osten, über Moldawien, Transnistrien und auch über eine ganze Reihe von anderen zwischenstaatlichen und sehr komplizierten Fragen der heutigen Agenda gesprochen.

Natürlich kann ich nicht verheimlichen, dass wir auch die Lage auf dem Gebiet der internationalen Wirtschaft und Finanzen und die Lage in der Eurozone besprochen haben. Wir haben ebenfalls über die Finanzlage in den Vereinigten Staaten gesprochen. Das heißt, wir haben keines der wichtigen Themen ausgelassen. Diese Konsultationen waren sehr nützlich und absolut vertrauensvoll. ‑ Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, ich habe eine Frage zur Abschaltung der Atomkraftwerke in Deutschland. Haben Sie zusätzlichen Bedarf an Energieträgern? Sie haben bereits besprochen, dass Sie auf alternative Quellen setzen. Planen Sie, die Einkäufe von Gas aus Russland zu steigern?

BK'IN MERKEL: Die Frage, wie die Struktur der Energieversorgung aussieht, wird ja durch die Wirtschaft entschieden, aber natürlich auch durch die Rahmenbedingungen. Man kann sagen, dass es sicherlich einen Bedarf zusätzlicher Brückentechnologien in einer Größe von etwa 10 Gigawatt geben wird. Da wird vorrangig der Energieträger Gas in Frage kommen. Wir haben in Deutschland eine Belieferung mit Gas sowohl aus Norwegen oder aus Großbritannien, aber eben auch in großem Maße aus Russland. Insofern werden sich die Wirtschaftsunternehmen entscheiden, inwieweit sie hier auch auf russisches Gas zurückgreifen. Das kann bedeuten, dass wir die Planungen ansteigen lassen, gerade im Hinblick auf die Jahre 2015 bis 2022 und dann auch im nächsten Jahrzehnt. Wir werden gleichzeitig allerdings unseren Anteil der erneuerbaren Energien verdoppeln. Das heißt, auch diese Energien werden Schritt für Schritt grundlastfähig sein. Es wird durch den beschleunigten Ausstieg aus der Kernenergie aber einen höheren Bedarf an Brückentechnologien geben. Hier entscheiden natürlich die Marktkräfte: Je günstiger das russische Gas angeboten werden kann, umso wahrscheinlicher ist, dass es auch gekauft wird.

P MEDWEDEW: Eine sehr präzise Antwort, würde ich sagen. Ich weiß nicht, was ich noch hinzufügen könnte.

FRAGE: Herr Präsident, Ministerpräsident Putin hat für die Zeit nach der Präsidentschaftswahl in Ihrem Land ein Reinemachen im hygienischen und politischen Sinne, also eine politische Säuberung angekündigt. Was darf das Ausland, wo Fälle wie Estemirowa und Chodorkowski mit Sorge verfolgt werden, dann noch an Einhaltung der Menschenrechte erwarten? Werden Sie Putin die Kandidatur überlassen oder selbst antreten?

Frau Bundeskanzlerin, inwiefern haben Sie für Verständnis bei Präsident Medwedew werben können, dass der Quadriga-Preis für Putin zurückgezogen wurde? Was würde für Sie ein Wechsel im Amt des russischen Präsidenten bedeuten?

BK'IN MERKEL: An Spekulationen beteilige ich mich bekanntlich nicht ‑ in keine Richtung. Das gilt umso mehr für Vorgänge, die in anderen Ländern stattfinden. Zum Zweiten war das Thema Quadriga kein Thema, wo ich um etwas werben musste, sondern das ist zur Kenntnis genommen worden. Ich glaube, der Botschafter Russlands in Deutschland hat dazu das gesagt, was die russische Seite meint, und die Quadriga hat ja ihre Entscheidung getroffen.

P MEDWEDEW: Wenn ich die Frage richtig verstanden habe, ging es um die Stellungnahme von Herrn Putin hinsichtlich der Zeit nach den Wahlen. Ich glaube, er hat gesagt, dass man nach jeder Wahlkampagne Hygienemittel anwenden könnte, weil jede Wahlkampagne von verschiedenen Wahlpsychologien begleitet wird, die nicht immer sauber sind. Das war der Sinn seiner Worte.

Das ist eigentlich eine persönliche Hygiene. Ich würde dem nichts hinzufügen. Er hat einen Ausdruck benutzt, der ein bildhafter Ausdruck ist. Auf jeden Fall sollen die Wahlen möglichst offen, möglichst fair und entsprechend der russischen Gesetzgebung stattfinden. Die Nutzung von irgendwelchen Wahlpsychologien oder Wahltricks geschieht immer. Die Frage ist aber, ob alles in den Bahnen der geltenden Gesetzgebung verläuft.

Dazu, was ich machen werde, habe ich mich mehrmals geäußert. Ich bitte Sie noch um ein bisschen Geduld. Ich werde in Kürze genau sagen, was ich machen werde, ob ich noch einmal als Präsident kandidieren will oder ob ich mir eine andere Aufgabe suchen werde. Ich hoffe, dass Ihre Frage in diese Richtung ging und dass Sie von dieser Antwort nicht enttäuscht sind.

Ich wollte das Thema nicht ansprechen, aber ich muss etwas zum Quadriga-Preis sagen, obwohl ich nicht danach gefragt worden bin.

Ich bin der Meinung, dass jede öffentliche gesellschaftliche Organisation, die Preise verleiht, diejenigen auswählen kann, denen sie die Preise verleihen will. Wenn man schon einen Beschluss gefasst hat, dann muss man diesem Beschluss auch nachgehen, sonst ist das Feigheit und Inkonsequenz. Ich glaube, durch diese Entscheidung hat sich dieser Preis eigentlich verwirkt ‑ zumindest für die internationale Gemeinschaft hat sich dieser Preis verwirkt.

FRAGE: Ich habe eine Frage an Sie beide. Russland und Deutschland haben eine besondere Meinung, was die Resolution zu Libyen angeht. Sie haben sich in der UNO der Stimme enthalten. Wie schätzen Sie die Erfüllung dieser Resolution der UNO ein?

Sie haben gestern auch die Situation in Syrien erörtert. Gibt es, was Syrien angeht, mehr Übereinstimmungen oder mehr Differenzen?

P MEDWEDEW: Ich möchte mit der Frage zu Libyen anfangen. Meine Position hat sich nicht geändert. Ich glaube, dass die Resolution an sich nicht schuld ist. Die Resolutionen 1970 und 1973 sind in Ordnung. Für die erste Resolution haben wir gestimmt, für die zweite nicht. Wir gehen davon aus, dass die Erfüllung der Resolution nach den Buchstaben dieser Resolution erfolgen wird. Wenn man Luftraumübersperrung und Luftraumüberwachung sagt, dann heißt das nicht, dass es Krieg geben soll. Anstatt der Sperrung des Luftraums hat man sozusagen eine aktive Phase des Bürgerkriegs angeheizt, und bestimmte Kräfte unterstützen bestimmte Konfliktparteien. Das ist nicht gut. Für Libyen selbst ist das überaus schlecht.

Deswegen glaube ich, dass wir nach Möglichkeiten suchen müssen, die Situation friedlich zu regeln, und zwar unter Heranziehung von jeglichen möglichen Mitteln. Wir müssen alle Möglichkeiten einsetzen. Russland trägt seinen Beitrag dazu bei. Ich glaube, die Aktivitäten meines Sondergesandten sind von Nutzen. Wir werden uns weiterhin um einen Kompromiss bemühen. Ich glaube, dieser Kompromiss ist zwischen den Aufständischen und dem Umkreis von Gaddafi möglich. Was Gaddafi persönlich angeht, haben wir eine ähnliche Position, die in der Deklaration von Deauville ihren Ausdruck gefunden hat.

In Bezug auf Syrien wollen wir nicht, dass sich die Ereignisse in Syrien nach dem Beispiel des libyschen Szenario entwickeln. Deswegen ist Russland da sehr zurückhaltend. Aber wir wollen nicht, dass irgendeine Resolution erscheint, die manipuliert wird und die man dann als Feigenblatt benutzt und in der steht, dass Assad böse ist und dass man weiterhin in Libyen den Luftraum sperrt und Kampfhandlungen beginnt. Unsere Position ist zurückhaltend.

Gestern haben wir dazu einen sehr produktiven Meinungsaustausch gehabt. Wir haben verschiedene Varianten abgetastet, damit wir ein richtiges Signal sowohl an Präsident Assad senden, damit er von Gewaltanwendungen absieht, als auch ein Signal an die Opposition senden, damit die Opposition nicht nur protestiert, sondern auch konstruktive Ideen vorschlägt. Wie man das genau umsetzt, müssen die Außenminister und andere Mitarbeiter von uns besprechen. Man kann dazu natürlich auch den deutschen Vorsitz im UNO-Sicherheitsrat nutzen.

BK'IN MERKEL: Was Libyen anbelangt, so möchte ich nur noch einmal darauf hinweisen, dass unser(e) gemeinsame (Position) ist, dass Gaddafi die Legitimation zur Regierung in Libyen verloren hat. Wir setzen sehr stark auf den politischen Prozess; der Außenminister ist in der Kontaktgruppe sehr aktiv tätig. Wir haben gestern auch über die Rolle der Afrikanischen Union in diesem politischen Prozess gesprochen, und auch über die Rolle des russischen Gesandten, der versucht, die verschiedenen Gruppen zusammenzubringen. Es geht jetzt darum, dieses Problem möglichst schnell zu lösen. Allein mit militärischen Mitteln wird es nicht zu lösen sein. Vielmehr sagt jeder ‑ das war auch in Deauville die Antwort ‑, dass wir den politischen Prozess brauchen. In diesem Zusammenhang sind wir in einem sehr engen Austausch.

Ich habe gestern noch einmal ‑ und das war ein sehr produktives Gespräch ‑ darauf hingewiesen, dass Deutschland jetzt, im Monat Juli, den Vorsitz im Sicherheitsrat hat. Bundesaußenminister Guido Westerwelle war deshalb in New York. Es wäre natürlich gut, wenn wir deutlich machen, dass unsere Maßstäbe bezüglich Syrien keine anderen sind als bezüglich Libyen. Die beiden Länder sind natürlich nicht hundertprozentig zu vergleichen, aber ein Signal, so wie es eben gesagt wurde, dass dort Gewalt angewendet wird, dass dort Unrecht geschieht, dass dort Reformen eingeleitet werden müssen, wäre sehr wünschenswert. Wir suchen jetzt gemeinsam nach Möglichkeiten, wie wir dieses Signal ausdrücken können. Ich glaube, in dieser Hinsicht war das Treffen sehr gut und sehr wichtig.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, Herr Präsident, Sie haben erwähnt, dass Sie auch über die Krise in der Eurozone geredet haben. Übermorgen gibt es einen großen Gipfel in Brüssel. Frau Bundeskanzlerin, wie mussten Sie die Sorgen des russischen Präsidenten bezüglich der Stabilität des Euro beseitigen? Haben Sie ihm da konkrete Vorschläge gemacht, vielleicht auch, dass das über eine Bankenabgabe zu regeln ist?

Herr Präsident, wenn ich Sie nach einem anderen Punkt fragen darf: Die deutsche Industrie ist sehr interessiert an einer Rohstoffpartnerschaft jenseits von Gas und Öl und erhofft sich, dass Russland möglicherweise an die Stelle von China tritt oder zumindest Mitlieferant für wichtige Produkte wie Seltene Erden wird. Unterstützen Sie diese Initiative?

BK'IN MERKEL: Wir haben natürlich über den Euro gesprochen und ich habe dem Präsidenten die Situation auch erklärt. Es ist ja so, dass es nach über einem Jahr der Debatten über Griechenland und nach der Entscheidung zu Griechenland gegenwärtig eine sehr große Sehnsucht nach einem abschließenden, einem einzigen großen Schritt ‑ am besten spektakulär ‑ gibt. Die Worte, die dazu fallen, sind ja klar: eine deutliche Umschuldung, Euro-Bonds, Transferunion und vieles andere mehr. Man erweckt den Eindruck, dass danach alles gut wäre und dass das Thema Griechenland und das Thema Euro dann wieder zur Seite gelegt werden könnten. Dementsprechend erhält die Bundesregierung und erhalte auch ich persönlich eine Vielzahl guter Ratschläge ‑ manchmal widersprechen sie sich auch.

Ich will dazu sagen: Es ist menschlich, dass man sich wünscht, dass ein solches Thema wieder verschwindet, aber ich werde dem so nicht nachgeben und auch die Bundesregierung wird dem so nicht nachgeben. Denn wer die Sehnsucht von politischer Seite jetzt nährt, der hat, so glaube ich, die Dimension und die Aufgabe, um die es geht, nicht verstanden, und der handelt fahrlässig, verliert die Geduld ‑ oder beides auf einmal. Das ist jedenfalls nicht gut.

Wer die politische Verantwortung jetzt wirklich wahrnimmt ‑ und das ist das, was die Bundesregierung will und auch ernst nimmt ‑, der weiß, dass es einen solchen spektakulären einen Schritt verantwortlich nicht geben wird ‑ auch nicht übermorgen, am Donnerstag. Es geht vielmehr einzig und allein darum, einen kontrollierten und beherrschten Prozess aufeinander folgender Schritte und Maßnahmen zu erzeugen, einen Prozess, der ausschließlich einem einzigen Ziel dient ‑ einem überragenden Ziel ‑, nämlich endlich zu der Wurzel dieses Problems vorzustoßen. Das heißt, sich mit der Frage der Rückführung der Verschuldung und mit der Frage der Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit zu befassen. Das sind die Wurzeln des Problems, und die müssen angepackt werden. Dazu dient der Donnerstag einmal mehr, aber dazu werden noch weitere Schritt notwendig sein, und (dazu reicht) nicht ein spektakuläres Ereignis, bei dem alle Probleme gelöst sind.

Ich glaube, wir stehen vor einer historischen Aufgabe: Wir stehen vor der historischen Aufgabe, den Euro zu schützen. Der Euro ist gut für uns alle. Der Euro ist Teil des wirtschaftlichen Erfolgs Deutschlands. Europa ist ohne den Euro nicht mehr zu denken. Deshalb ist jede verantwortbare Anstrengung es wert, unternommen zu werden ‑ aber eben, um wirklich die Probleme von der Wurzel her zu lösen.

P MEDWEDEW: Was den Euro angeht, bin ich ein Optimist. Erstens ist der Euro eine junge, aber sehr aussichtsreiche Währung. Wir haben schon zum zweiten Mal mit Angela über die Situation des Euro besprochen. Das letzte Treffen dazu hat in Meseberg stattgefunden. Es geht nicht um Defekte des Euro an sich, sondern um die ungünstigen Umstände, die mit der globalen Finanzkrise verbunden waren.

Das bedeutet nicht, dass man nichts unternehmen sollte. Ich glaube, unsere Partner wissen, was zu tun ist. Für uns ist das keine neutrale Frage. Das ist eine sehr wichtige Frage, denn ein Teil des Handels wird in Euro abgewickelt, und ein Teil der Reserven sind in Euro angelegt. Deswegen hoffe ich, dass entsprechende Vereinbarungen getroffen werden. Länder, die sich in einer schwierigen Situation befinden, werden in vollem Umfang zu ihrer Verantwortung stehen. Das wichtigste Problem des Euro ist, dass er an sich eine sehr starke Währung ist, aber dass die Staaten ein sehr unterschiedliches Wirtschaftsniveau haben. So etwas hat es in der Menschheitsgeschichte noch nie gegeben. Dieser steinige Weg, den der Euro als ein universelles Zahlungsmittel gehen muss, zeigt, dass solche universalen Zahlungsmittel existenzfähig sind. Ich glaube, dass in der Zukunft solche universalen Währungen zunehmen sollten.

Ich glaube, dass unsere Partner erfolgreich sein werden. Wir hoffen, dass die Vereinbarungen nicht zu Lasten bestimmter Staaten getroffen werden, sondern dass sie Ausdruck einer konsolidierten verantwortungsvollen Position aller Staaten sind, die zur Eurozone gehören. Wir wünschen unseren Partnern dabei viel Erfolg. Ich persönlich wünsche dir, Angela, viel Erfolg dabei.

Zur Frage zur Industrie: Wir sind natürlich bereit, recht unterschiedliche Beziehungen mit unseren deutschen Freunden einzugehen, auch was die seltenen Erden und andere Projekte angeht, die mit der Förderung, Nutzung und Verarbeitung von Rohstoffen zusammenhängt. Die Liste der Projekte kann noch weiter ausgebaut werden. Ich will alle Anwesenden darauf aufmerksam machen, dass in Russland eine neue .... (akustisch unverständlich) bevorsteht, die auch eine Reihe von sehr attraktiven Aktiva einschließt. Wenn unsere deutschen Partner daran interessiert sind, werden wir entsprechende Informationen zur Verfügung stellen. Wir hoffen sehr, dass die deutschen Partner an entsprechenden Ausschreibungen teilnehmen werden. Wir erwarten die Deutschen auch in diesem Bereich. ‑ Vielen, vielen herzlichen Dank an Sie alle!