Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem norwegischen Ministerpräsidenten Stoltenberg

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)

Ministerpräsident Jens STOLTENBERG: Es ist eine große Ehre und Freude für mich, Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel in Norwegen zu begrüßen. Liebe Angela, es ist sehr, sehr schön, Sie wieder hier in Norwegen begrüßen zu dürfen - so kurz, nachdem Sie anlässlich der Verleihung des Nobelfriedenspreises das letzte Mal hier waren. Wir erinnern uns ja alle daran, dass Sie François Hollandes Hand gehalten haben; das symbolisierte ja eine Gemeinschaft, eine Zusammenarbeit, wie sie sich in Europa entwickelt hatte - nicht zuletzt auch dank der Verbindungen zwischen Frankreich und Deutschland, für die Sie sich ja sehr einsetzen.

Deutschland ist der wichtigste Partner Norwegens in Europa. Deutschland ist ein Land, zu dem wir sehr, sehr gute Beziehungen haben. Ich möchte an dieser Stelle Frau Angela Merkel herzlich dafür danken, dass sie Norwegen so großes Interesse erwiesen hat und so dazu beigetragen hat, die Zusammenarbeit zu entwickeln. Das schätzen wir sehr hoch ein.

Ich möchte mich auch für die persönliche Freundschaft und die Zusammenarbeit, die wir beide im Laufe vieler Jahre entwickeln konnten, bedanken.

Deutschland ist ein wichtiges Land für Norwegen, denn die deutsche Kultur, die deutsche Sprache haben dazu beigetragen, die norwegische Kultur und die norwegische Identität im Laufe von Jahrhunderten - bis zur Hansezeit zurück - zu entwickeln. Heute erleben wir, dass sich norwegische Künstler, norwegische Kultur und auch norwegische Autoren in Deutschland immer stärker geltend machen, sodass es bei unseren kulturellen Beziehungen eine Gegenseitigkeit gibt.

Deutschland ist natürlich auch wichtig, weil es unser größter Wirtschaftspartner und unser wichtigster Kunde in Europa ist. Die deutschen Energieversorger, die norwegisches Erdgas kaufen, sind unsere wichtigsten Kunden, und daran hängen auch sehr viele Arbeitsplätze.

Wir hatten heute sehr interessante Gespräche, in denen wir Unterschiedlichstes diskutiert hatten, nicht zuletzt natürlich das Thema Energie. Norwegisches Gas, norwegische Wasserkraft sind wichtig im Zusammenspiel mit der deutschen Energiepolitik, und zwar sowohl zur Sicherung der Energiebereitstellung in Deutschland und in Europa als auch um zu sichern, dass die Energiebereitstellung auf umweltfreundlichere Weise, mit niedrigeren Emissionen geschieht. Norwegisches Gas und Wasserkraft können zur Energiesicherheit und zu niedrigeren Emissionen in Deutschland beitragen.

Wir haben darüber gesprochen, wie wir dazu beitragen können, indem wir die norwegischen Gasverkäufe, die norwegischen Gaslieferungen weiterentwickeln, aber auch, wie wir bei der Stromversorgung gemeinsam handeln können. Deutschland hat ja bei den erneuerbaren Energien Wind- und Sonnenkraft beeindruckende Ergebnisse, aber da braucht man zum Ausgleich Wasserkraft. Wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht bläst, braucht man einen Ausgleich, und da bietet sich die Wasserkraft ja an. Es gibt Einigkeit darüber, dass neue Kabel zwischen Deutschland und unserem Land verlegt werden sollen, damit der Austausch leichter vor sich gehen kann.

Wir haben auch über die wirtschaftliche Situation in Europa gesprochen. Ich bin mir sicher, dass die Frau Bundeskanzlerin dazu mehr sagen wird. Ich möchte an dieser Stelle nur sagen, dass wir die Arbeit, die Deutschland und die EU geleistet haben, hoch anerkennen. Sie haben dazu beigetragen, dass die akute Gefahr, dass Länder die Euro-Zusammenarbeit verlassen müssen, und die akute Gefahr, dass Länder ihre Zinsen nicht bezahlen können, ihre Schulden nicht bedienen können, wesentlich reduziert worden sind, sodass sich die Krise, die einmal eine Krise der Banken und Finanzmärkte, eine Zinskrise war, nun in vielen europäischen Ländern zu einer Arbeitsmarktkrise mit niedrigem Wirtschaftswachstum und hoher Arbeitslosigkeit verändert hat. Wir haben deshalb darüber gesprochen, wie man das Wachstum ankurbeln kann. Wachstum ist ja wichtig, um die Arbeitslosenzahlen senken zu können und wettbewerbsfähigere Industrien und Betriebe auch in Europa wieder weiterentwickeln zu können.

Wir haben auch einige Meinungen zu internationalen Fragen ausgetauscht. Wir arbeiten ja in Afghanistan eng zusammen. Wir sind beunruhigt angesichts der Entwicklung des Terrorismus, wie wir sie jetzt in Nordafrika sehen. Der Angriff auf die Gasanlage "In Amenas" ist ja ein Ausdruck dafür, dass Terroranschläge nicht nur Norweger und norwegische Interessen treffen, sondern sich auch gegen internationale Energieunternehmen richten. Insofern ist das wichtig für unsere beiden Länder.

Wir haben auch über das Klima, über die wichtigen Zusammenhänge zwischen Klima und Energie gesprochen. Ich möchte noch einmal unterstreichen, dass sich nicht zuletzt Frau Angela Merkel persönlich sehr für eine Klimavereinbarung engagiert hat. Es werden natürlich weiterhin Anstrengungen in diese Richtung unternommen.

Es ist mir also - das darf ich noch einmal sagen - eine große Freude, Sie hier zu haben. Angela, herzlich willkommen in Norwegen! Ich finde, es ist schön, dass Sie Norwegen so oft besuchen. Das zeigt ja, wie freundschaftlich die Beziehungen sind.

Vielen Dank!

Bundeskanzlerin Angela MERKEL: Ich möchte mich ganz herzlich für den Empfang bedanken. Voriges Jahr waren wir zusammen in Berlin, als wir gemeinsam mit David Cameron mit jungen Leuten über unsere Perspektiven in Europa diskutiert haben, unabhängig davon, ob wir nun Mitglieder der Europäischen Union sind oder nicht. Norwegen ist ein eng mit der Europäischen Union verbundener europäischer Nachbar und, wie man hier, glaube ich, manchmal auch sagt, das wichtigste unter den Nicht-Mitgliedern.

Deutschland und Norwegen pflegen eine langjährige gute Zusammenarbeit, aber ich möchte mich auch bei Ihnen, Jens Stoltenberg, ganz herzlich dafür bedanken, dass sie in den letzten Jahren wirklich an Intensität zugenommen hat. Das drückt sich in unseren bilateralen Beziehungen aus, die natürlich sehr stark von Energiefragen geprägt sind, aber, wie Jens Stoltenberg schon dargestellt hat, natürlich auch sehr eng mit Klimafragen und Fragen der nachhaltigen Entwicklung verbunden sind. Für uns in Deutschland ist das geplante Gleichstromkabel von Norwegen nach Deutschland eine ganz wichtige und auch symbolische Investition für eine enge Verbindung im Zusammenhang mit der Energiewirtschaft in den nächsten Jahren. Wir wissen, dass Norwegen der zweitgrößte Zulieferer von Gas nach Deutschland ist. Wir schätzen die Verlässlichkeit der norwegischen Partner und auch die Transparenz der Lizenzvergabe an deutsche Unternehmen. Wir werden beim Abendessen auch noch darüber diskutieren. Wir sind ausgesprochen zufrieden mit den hiesigen Investitionsbedingungen, und ich denke, dass wir in dieser Hinsicht auch eine große Zukunft haben.

Wir haben auch über das gesprochen, was Europa im Augenblick sehr bewegt, nämlich die Frage, wie wir neues, dauerhaftes und auch wirtschaftlich sinnvolles Wachstum erzeugen können. Der Ministerpräsident hat mir noch einmal dargestellt, durch welche Veränderungsprozesse Norwegen gegangen ist und wie wichtig es ist, international wettbewerbsfähig zu sein und Leistungen anbieten zu können, die in der gesamten Welt gefragt sind.

Ich erinnere mich natürlich auch sehr gerne an unseren Aufenthalt hier in Oslo, als die Europäische Union den Friedensnobelpreis bekommen hat. Für mich persönlich war das eine sehr bewegende Sache, weil die Leistung der Europäischen Union sozusagen noch einmal von einem Freund der Europäischen Union gewürdigt wurde, und zwar gerade in einer schwierigen Stunde. Ich werde nicht vergessen und meine europäischen Kollegen werden sicherlich nicht vergessen, wie es hier bei Ihnen in Oslo war. Wir werden auf dieser Grundlage - auch wissend, dass wir nicht einer Union angehören - unsere partnerschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen weiterentwickeln.

Das zeigt sich in zwei weiteren Bereichen, die ich hier nennen möchte, zum einen in Bezug auf Projekte, die wir international im Bereich der Entwicklungshilfe durchführen. Norwegen und Deutschland haben ein gemeinsames Projekt in Afrika. Ich glaube, auf diesem Gebiet können wir unsere Kooperation noch sehr verbreitern, zumal ich die sehr stringente Art der Entwicklungspolitik, die Norwegen weltweit durchführt, außerordentlich schätze. Ich glaube, davon kann Deutschland auch eine ganze Menge lernen.

Das Zweite sind unsere Kooperationen im Bereich der Sicherheitspolitik. Ich möchte hier auch noch einmal mein Beileid gegenüber den Opfern ausdrücken, die Norwegen bei dieser terroristischen Attacke in Algerien zu beklagen hatte. Das zeigt uns, dass wir im Kampf gegen den Terrorismus zusammenstehen müssen. Wir sind Partner innerhalb der NATO, und wir arbeiten sehr gut im Norden von Afghanistan zusammen. Ich möchte mich hier von deutscher Seite aus für diese Kooperation mit unseren Soldatinnen und Soldaten ganz herzlich bedanken.

Ich bin gerne wieder einmal hierhergekommen. Ich war damals bei der Eröffnung der Oper im Jahr 2008 auf bilateraler Basis hier. Die Zeit vergeht schnell. Deshalb Danke schön für den freundschaftlichen Empfang. Danke schön, dass wir heute hier sein können!

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, Sie waren, wie gesagt, im Dezember für die Vergabe des Nobelfriedenspreises hier. Was können Sie heute, zwei Monate später, über die Bedeutung dieses Preises für die Entwicklung der EU sagen? Welche Bedeutung hat dieser Preis gehabt?

MERKEL: Der Preis hat die Bedeutung, dass man noch einmal auf das große Ganze schaut. Wenn man mitten in der Bekämpfung einer Krise ist, wie wir es im Rahmen der Eurokrise jetzt zweieinhalb Jahre lang waren, dann sagt man in Deutschland das Sprichwort: Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Wir haben durch diesen Friedensnobelpreis noch einmal wirklich den Wald gesehen und gesehen, was für ein Werk wir doch auch geschaffen haben, nämlich dass wir es nach Jahrhunderten von Kriegen zum Beispiel zwischen Deutschland und Frankreich geschafft haben, friedlich zusammenzuleben.

Wir streiten uns über so vieles in Europa. Unsere Räte dauern ja bekanntermaßen sehr lange und manchmal auch ganz Nächte lang. Aber manchmal ist es auch interessant, wieder darauf zu schauen, worüber wir uns nicht streiten: Wir streiten uns nicht mehr darüber, dass wir in Frieden zusammenleben wollen. Wir streiten uns nicht darüber, dass wir Demokratie haben. Wir streiten uns nicht um Demonstrationsfreiheit, um Religionsfreiheit, um Meinungsfreiheit, um Pressefreiheit. Das alles ist in Europa normal.

Der Friedensnobelpreis hat noch einmal den Blick auf diese vielen wichtigen Dinge gelenkt und uns damit - jedenfalls, wenn ich das aus meiner Sicht sage - einfach Mut gemacht oder - sagen wir es noch anders - uns sehr deutlich gemacht, dass wir unsere Probleme in unserer heutigen Generation zu lösen haben. Das ist unsere Pflicht vor der Geschichte. 

ZUSATZFRAGE: Aber ist es nun ein Zufall, dass die Krise innerhalb der EU heute nicht mehr so schwer wiegt wie vor zwei Monaten?

MERKEL: Das ist kein Zufall. Das ist ein Ergebnis unserer Arbeit. Aber es ist trotzdem für alle eine gute Nachricht, und wir sind sozusagen noch nicht fertig. Wir müssen weiterarbeiten. Wir haben im Euroraum noch viel zu tun, aber wir haben wieder Hoffnung.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben selbst gesagt, die Norweger und die deutsche Regierung arbeiten eng zusammen und kooperieren gut miteinander, und das schon seit Jahren. Trotzdem gibt es unterschiedliche Traditionen im operativen Politikgeschäft. Ich frage einmal so herum: Was können Sie und was können wir noch von der norwegischen Art, Politik zu machen, in Bezug auf das Staatsverständnis lernen?

MERKEL: Ich finde, dass, soweit ich das beurteilen kann, die gesellschaftliche Diskussion hier sehr transparent erfolgt. Was mich sehr beeindruckt, ist, dass sie auf der Basis einer großen Wertschätzung der eigenen Natur, der eigenen Landschaft, also sozusagen der eigenen Schätze geführt wird, und dass sie damit eine sehr nachhaltige Diskussion ist. Norwegen ist ja ein riesiges Land mit nicht ganz so vielen Menschen wie Deutschland, aber Norwegen ist ein Land mit dem Selbstverständnis, ein guter Teil der Welt zu sein, sich einzumischen und dazu beizutragen, dass man besser und friedlicher leben kann. Immer wieder haben große norwegische Persönlichkeiten internationale Verantwortung übernommen, ob das in Friedensprozessen der Fall war, ob das in Entwicklungsprozessen der Fall war oder ob das im militärischen Engagement der Fall ist.

Das, finde ich, ist etwas, was wir in Deutschland auch noch lernen können, nämlich dass wir nicht nur auf uns bezogen sind, sondern dass wir auch ein Teil der Welt sind. Wir haben das in den letzten Jahren rasant gelernt, wenn man einmal überlegt, wo wir heute auch militärisch unsere Verantwortung wahrnehmen. Ja, wir haben eine jahrzehntelange Entwicklungshilfetradition, aber ich finde, gerade von Norwegen kann man vieles in Bezug darauf lernen, wie man sich in internationalen Organisationen einbringt. So wie ich es verstehe, ist Norwegen ein Land, das immer auch auf internationale Organisationen gesetzt hat: auf die UNO, auf die Prozesse - auch wenn sie mühselig sind, auch wenn sie lange dauern -, auf den internationalen Klimaschutzprozess. Ich denke auch an das Waldprogramm, das Norwegen unterstützt. Das gefällt mir.

FRAGE: Ich habe eine Frage zum Thema Energie, und zwar zum Fracking, was gerade auch in Deutschland ein Thema ist. Meine Frage ist: Haben Sie eigentlich schon für sich persönlich entschieden, ob diese neue Technologie unter gewissen Einschränkungen, die in Deutschland diskutiert werden, für Deutschland gut wäre? Wie gehen Sie mit der Möglichkeit um, dass das im Bundesrat von der Opposition blockiert werden könnte?

MERKEL: Es können in Deutschland sowieso nur Gesetze beschlossen werden, die im Bundestag und im Bundesrat beschlossen werden. Es gibt eine große Übereinstimmung darüber, dass das Fracking nicht unsere bevorzugte Art der Energieausbeutung sein wird. Es gibt eine Vielzahl von Umweltauswirkungen zu beachten, und Deutschland ist ein sehr dicht besiedeltes Land. Deshalb wiegen diese Dinge noch stärker. Wir befinden uns jetzt gerade im Diskussionsprozess. Ich glaube also, nichts wird Gesetzeskraft erlangen, das nicht auch überparteilich akzeptiert wird.

Wir haben das ja auch bei der CCS-Diskussion in Deutschland erlebt. In dieser Hinsicht gibt es in Norwegen zum Beispiel eine völlig andere Situation. Hier hat man sozusagen leere Speicher, in denen Gas war und in die man auch wieder etwas hineintun kann. In Deutschland muss man zum Beispiel darüber diskutieren, ob man CO2 über viele Kilometer transportiert. Das sind völlig unterschiedliche Situationen. Jedes Land muss seine Lösungen entsprechend seiner internen Situation finden.

FRAGE: Sowohl Statoil als auch Norwegen haben deutlichere Signale aus Deutschland hinsichtlich des Bedarfs an norwegischem Gas in der Zukunft abgefragt. Haben Sie solche Signale gegeben? Herr Ministerpräsident, sind Sie zufrieden mit diesen Signalen?

MERKEL: Erst einmal muss ich sagen, dass die Bundesregierung kein Gas einkauft. Das machen bei uns die privaten Firmen. Deshalb bin ich auch nicht alleine oder nur mit Mitarbeitern hier, sondern in meiner Delegation sind auch Vertreter der Wirtschaft, die gerade in der Gasausbeutung und in der Kooperation mit der norwegischen Gaswirtschaft besonders engagiert sind.

Ich kann Ihre Frage nur insoweit beantworten, als sich die Frage stellt: Sind die Rahmenbedingungen für die Investitionen in Deutschland so, dass man davon ausgehen kann, dass Gas in Zukunft gebraucht werden wird? Einer der Partner von Norwegen ist zum Beispiel Wintershall, die Energiefirma, die zur BASF gehört. Die BASF ist der weltgrößte Chemieproduzent und wird mit Sicherheit Gas brauchen – egal, wie zum Beispiel unser Elektrizitätsmarkt insgesamt aussehen wird. Was wir im Augenblick haben, ist die Situation, dass es durch den jetzt doch quantitativ sehr hohen Anteil erneuerbarer Energien im Segment der Stromerzeugung eine geringere Auslastung unserer Kraftwerke gibt, was die Grundversorgung oder die kontinuierliche Versorgung anbelangt. Damit und auch angesichts der weltweit sehr geringen Kohlepreise sind die neugebauten Gaskraftwerke zurzeit in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage, weil sie nicht die jährlich notwendige Stundenzahl an Energieerzeugung zusammenbekommen, um wirtschaftlich rentabel laufen zu können. Das wird sich aber im Laufe der Zeit ändern, weil wir natürlich auch neue und effiziente Kraftwerke brauchen, um Grundlast zu erzeugen. Deshalb werden wir hierüber in einem sehr engen Gespräch bleiben. Aber ich gehe ganz fest davon aus, dass Norwegen als eine wichtige Säule der deutschen Gasversorgung auch in Zukunft eine Rolle spielen wird, und wir setzen auch politisch ganz stark auf Norwegen.

STOLTENBERG: Ich möchte auch noch etwas dazu sagen. Deutschland ist der größte Kunde Norwegens; kein anderes Land kauft mehr Gas aus Norwegen als Deutschland. Das ist ja ein Ausdruck dafür, dass Deutschland auch abhängig ist von norwegischem Gas, so wie wir auch von den deutschen Käufen abhängig sind. Es ist ja ein wesentlicher Teil unserer Wirtschaft, dass Deutschland ein so großer Abnehmer ist. Etwa 30 Prozent der in Deutschland abgenommenen Gaslieferungen kommen aus Norwegen. Wir glauben auch, dass es in Zukunft so weitergehen wird. Ein Ausdruck dafür ist die Tatsache, dass wir die große Gas-Anlandungsanlage in Emden aufrüsten. Da wird sehr stark investiert, um dort eine neue, hochmoderne Anlandungsanlage zu bauen.

Wir glauben, dass Gas auch weiterhin eine Zukunft hat. Was uns dabei beschäftigt, ist die Tatsache - die ja auch die Frau Bundeskanzlerin erwähnt hat -, dass wir erleben, dass allgemein und in Deutschland speziell die Kohlepreise jetzt sehr niedrig sind, was zum Teil natürlich daran liegt, dass die USA ihren eigenen Kohleverbrauch reduziert haben und von Kohle zu Gas übergegangen sind. Niedrige Kohlepreise bedeuten aber, dass der Kohleverbrauch in Deutschland und in Europa wächst. Das ist ein Problem, denn das trägt ja zu erhöhten Emissionen und auch zu einer Reduktion der Gasnachfrage bei. Wir arbeiten daher auf dem Energiesektor eng zusammen und werden auch weiter Gespräche führen, eben auch, um die Akteure zusammenzubringen, die jeweils für Verkauf und Abnahme zuständig sind. Es wird dabei zwischen Deutschland und Norwegen auch in Zukunft um Gas und Wasserkraft gehen.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, das Verhältnis zwischen Deutschland und Norwegen ist sehr gut. Gleichzeitig gibt es für Sie beide in diesem Herbst wichtige Wahlen in Deutschland und Norwegen. Wie wichtig ist eine Wiederwahl von Ihnen beiden, um das gute Verhältnis zwischen unseren Ländern zu behalten? Haben Sie, Frau Bundeskanzlerin, vielleicht auch einen Rat für Herrn Stoltenberg, der momentan in den Meinungsumfragen zurückfällt?

MERKEL: Ganz bestimmt gebe ich hier keine Ratschläge; davon können Sie ausgehen. Solange wir beide Verantwortung tragen, sind die Beziehungen gut beziehungsweise sehr gut. Eine Extrapolation beziehungsweise ein Blick zurück in die Geschichte zeigt, dass sie auch gut waren, als wir beide noch nicht da waren. Wir würden den Zustand, dass wir beide da sind, gerne noch ein bisschen verlängern. Aber selbst, wenn wir eines Tages nicht mehr da sein sollten - was ja auf jeden Fall irgendwann einmal passieren wird -, werden auch die deutsch-norwegischen Beziehungen wieder gut sein.

TOLTENBERG: Norwegen und Deutschland haben sehr gute Beziehungen, die viele Jahre lang - auch dank des Beitrags vieler Menschen dazu - verankert worden sind. Das wird sicherlich fortdauern, auch wenn wir nicht mehr unsere gegenwärtigen Positionen innehaben werden - dieser Tag wird ja kommen. Ich möchte dennoch unterstreichen, dass Angela Merkel und ich sehr daran interessiert sind, unsere engen Beziehungen weiter auszubauen. Wir haben dazu beigetragen, die guten Beziehungen zwischen Deutschland und Norwegen weiterzuentwickeln. Ich erlebe auch, dass Angela Merkel sich persönlich engagiert. Sie kommt gerne und oft nach Norwegen. Sie war zur Eröffnung der Oper hier. Sie hat selbst die Initiative dazu ergriffen, dass die Staats- und Regierungschefs Europas zur Nobelpreisverleihung hierherkamen. Ich bin auch oft in Deutschland gewesen. Die deutschen Wähler haben zu entscheiden, wer Deutschland regieren soll, und die norwegischen Wähler tun das in Norwegen. Ich bin mir aber sicher, dass sich das gut entwickeln wird.

MERKEL: Wir wünschen uns noch mehr norwegische Studenten in Deutschland. Zunehmend muss man dafür auch gar nicht mehr unbedingt Deutsch können; denn es gibt viele Lehrveranstaltungen auch auf Englisch, sodass man ruhig auch in Deutschland studieren kann. Das ist nicht schlecht.

STOLTENBERG: Herzlichen Dank!