Pressekonferenz von BK'in Merkel und des Ministerpräsidenten der Republik Moldau, Filat

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung.)

MP Filat: Frau Bundeskanzlerin, ich nehme diesen Anlass wahr, um Sie noch einmal ganz herzlich in der Republik Moldau willkommen zu heißen. Das ist ein äußerst wichtiger Besuch für unser Land, für die Bürger der Republik Moldau.

Die Republik Moldau ist ein europäisches Land, das sich primär in einem Reformprozess befindet. Die Reformen haben als Ziel die Anpassung der staatlichen Institutionen an die europäischen Standards, und zwar in dem Sinne, dass sie, beruhend auf dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, funktionsfähig werden.

In den Diskussionen mit der Frau Bundeskanzlerin haben wir heute eine Übersicht von allen (akustisch unverständlich) unseren Beziehungen gemacht, und zwar aus dem Anlass, dass in diesem Jahr zwei Jahrzehnte seit der Etablierung der deutsch-moldauischen Beziehungen vergangen sind. Es waren 20 Jahre, in denen Deutschland uns immer unterstützt hat. Wir haben über den Prozess der europäischen Integration der Republik Moldau gesprochen und haben auch über die Erfolge und Ziele unseres Landes diskutiert. Ich habe mich noch einmal bei Deutschland für die Unterstützung bei diesem Prozess bedankt.

Ein besonderes Thema bei unseren Diskussionen war die Regelung der Frage von Transnistrien. Ich habe der Frau Bundeskanzlerin für das persönliche Engagement in dieser Frage gedankt. Ich möchte sagen, dass die Meseberg-Initiative diesen Prozess dynamisiert hat. In Folge der Diskussionen in Meseberg wurden die Verhandlungen in dem Format 5+2 wieder aufgenommen. In Deutschland haben Treffen zwischen den Arbeitsgruppen zur Stärkung der Vertrauensmaßnahmen stattgefunden. Ich habe der Frau Bundeskanzlerin versichert, dass die moldauische Regierung weiter aktiv bleiben und den Reformprozess primär weiter betreiben wird, damit die Republik Moldau sich an die EU annähert.

Wir haben uns auch über die wirtschaftliche Komponente unterhalten und erwähnt, dass die deutschen Unternehmen in der Republik Moldau Unternehmen sind, die eine große Bedeutung für die Volkswirtschaft der Republik Moldau haben. Natürlich haben wir darüber gesprochen, dass es notwendig ist, dass in der Zukunft solche Investitionen in unserem Land getätigt werden.

Nach der Pressekonferenz findet das Treffen mit den Vertretern der Wirtschaftsunternehmen statt, wo wir diskutieren werden und wo wir versuchen zu erreichen, dass möglichst mehr deutsche Unternehmen in die Republik Moldau kommen. ‑ Frau Bundeskanzlerin, Sie haben das Wort.

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, ich möchte mich ganz herzlich für den freundschaftlichen Empfang hier insbesondere beim Premierminister, aber auch bei allen Gastgebern bedanken. Wir sind heute sehr gerne nach Chișinău in die Republik Moldau gekommen, um nach 20 Jahren diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Moldau auch zu zeigen, dass wir unsere Zusammenarbeit in dieser Zeit immer weiter intensiviert haben.

Die Beziehungen haben sich sehr gut entwickelt. Ausdruck dessen ist, dass auch eine kleine Wirtschaftsdelegation, mit der wir uns gleich treffen werden, mit dabei ist. Wir haben ausgezeichnete bilaterale Beziehungen, aber wir haben auch ein Interesse als Bundesrepublik Deutschland, dass die Fortschritte in der östlichen Partnerschaft ‑ das ist das Format, in dem wir zusammenarbeiten ‑ sichtbar sind. Wir müssen sagen, dass die Erfolge und Fortschritte der moldauischen Reformen sehr, sehr deutlich sind und zeigen, dass sowohl im Blick auf das Assoziierungsabkommen als auch auf das Freihandelsabkommen als auch in Bezug auf die Voraussetzungen für mehr Freiheit im Visabereich beachtlich sind.

Das drückt sich auch in dem Prinzip aus, dass eine Säule in der Zusammenarbeit der östlichen Partnerschaft unter der Überschrift „more for more“ geführt wird. Die Tatsache, dass wir unsere Mittel im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit verdreifachen werden, ist genau Ausdruck dieser Fortschritte im Blick auf die Annäherung und die Kooperation mit der Europäischen Union. Ähnlich verhält sich auch die Europäische Kommission.

Wir wissen, dass die Lage hier in Ihrem Land, Herr Ministerpräsident, alles andere als immer einfach ist. Umso bemerkenswerter ist es, dass ich heute auch die Möglichkeit habe, im Parlament zu sprechen und mich an das Parlament zu wenden, in dem eine Koalitionsregierung arbeitet und dem es nach vielen Schwierigkeiten gelungen ist, einen Präsidenten zu wählen. Damit wurde die Handlungsfähigkeit des moldauischen Staates extrem und stark verbessert. Damit konnten auch die Aufgaben, die noch vor dem Land liegen, was insbesondere den Kampf gegen die Korruption anbelangt, sehr entschieden und entschlossen angegangen werden. Wir wissen, dass sich die Mitglieder Ihrer Regierung diesem Ziel sehr verpflichtet fühlen.

Ein Punkt ist das Verhältnis und die Situation in Bezug auf Transnistrien. In der Tat haben wir in der Meseberg-Initiative gerade auch darauf Wert gelegt, dass die 5+2-Gespräche wieder in Gang gekommen sind. Glücklicherweise ist das auch der Fall. Alle Angebote der Europäischen Union richten sich nicht an die Moldauische Republik, sondern auch an Transnistrien. Ich freue mich, dass die Gespräche einige Fortschritte gebracht haben, was die verbesserten Kommunikationsmöglichkeiten der Menschen im Land anbelangt. Ich hoffe, dass die nächsten Gespräche, die dann im September geführt werden, weitere Fortschritte bieten.

Wir wissen, dass die Region in Deutschland sehr bekannt ist, weil auch Deutsche hier gelebt haben. Sie haben davon berichtet, Herr Ministerpräsident, wie Ihre Regierung versucht, die Geschichte aufzuarbeiten, die viel Leid mit sich gebracht hat. Deshalb glaube ich, dass unsere Beziehungen durch diesen Besuch noch einmal intensiviert werden und wir uns über das Politische und Ökonomische hinaus besser kennenlernen, uns besser verstehen und dies ein Beitrag dazu ist, dass wir unser europäisches Haus besser und schrittweise in eine gute Ordnung bringen.

Ich möchte noch einmal zum Abschluss dieser Pressekonferenz ganz herzlichen Dank für den freundschaftlichen Empfang sagen. Ich freue mich natürlich noch, heute Abend etwas aus der Geschichte dieser Region kennenzulernen. Wir haben heute auch darüber gesprochen, dass es eine schreckliche Dürre im Land gibt, die für die Menschen eine große Herausforderung darstellt. Das Land ist ein großer Exporteur von Gemüse und Agrarprodukten. Wenn der Regen ausbleibt, ist das natürlich eine riesige Herausforderung. Es ist ein gutes Weinbaugebiet, und wir freuen uns auf den Besuch im Weingut.

Frage: Eine Frage an Sie beide. Sie haben so viel über den Prozess der europäischen Integration gesprochen. Herr Ministerpräsident, ist die Integration der Republik Moldau zu Ihrer gemeinsamen Hoffnung geworden?

Frau Merkel, Ihr Besuch in der Republik Moldau ist ein historisches Ereignis. Die Bürger rechnen sehr stark mit Ihrer Unterstützung. Sollte die Republik Moldau Art. 49 des Lissabonner Vertrags einhalten? Könnte Moldau Beitrittsland zur EU werden?

BK’in Merkel: Ich glaube, wir sollten uns diesen Prozess Schritt für Schritt anschauen. Natürlich hat die Republik Moldau eine europäische Perspektive. Jetzt geht es erst einmal darum, die ersten Schritte zu machen. Hier geht es um das Assoziierungsabkommen. Hier geht es um das Freihandelsabkommen. Hier geht es um Fragen das Visaverkehrs. Ich habe deutlich gemacht, dass die Republik Moldau unter dem Ministerpräsidenten Filat eine Regierung ist, die sehr intensiv an diesen Fragen arbeitet. Ich gehöre zu den Menschen, die immer erst einmal einen Schritt machen wollen. Das Format unserer Zusammenarbeit ist im Augenblick die östliche Partnerschaft. Aber ich sage ganz ausdrücklich: Dass die Europäische Union diese östliche Partnerschaft gegründet hat, hat auch damit zu tun, dass wir die europäische Perspektive sehr wohl sehen.

MP Filat: Wenn wir über den Prozess sprechen, dann bedeutet das ein stufenweiser Prozess. Für uns ist das Wichtigste, dass wir die europäische Perspektive bekommen. Das soll uns noch mehr motivieren. Ich meine damit nicht nur die politische Klasse, sondern auch die moldauische Gesellschaft. Die europäische Integration muss zu einer gemeinsamen Energie werden, damit wir motiviert sind, die Reformen weiter zu betreiben, damit wir die Vorgehensweise der Handlungen bei uns ändern. Warum dann nicht auch die Mentalität ändern?

Wie Ihre Exzellenz, die Frau Bundeskanzlerin, sagte, müssen wir Schritt für Schritt machen. Derzeit ist das aktuelle Ziel der Abschluss der Verhandlungen zur Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens. Das bedeutet auch die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens. Das bedeutet einen großen Vorteil für die Moldauer, die im Ausland arbeiten. Das bedeutet auch die vollständige Umsetzung des Handlungsplans für die Visa-Liberalisierung. Das ist die Etappe, an der wir uns gerade befinden und wo wir Schritt für Schritt vorangehen sollten.

Hinsichtlich des gemeinsamen Traums möchte ich sagen: Es ist kein Traum mehr. Es ist schön zu träumen, aber es ist viel besser, sich in Richtung europäische Integration zu bewegen. Hierzu möchte ich sagen – das beruht nicht auf Erklärungen, sondern auf dem, was ich immer gefühlt habe ‑: Wir haben immer einen Freund gehabt, der offen ist und der uns unterstützt. Das ist Deutschland.

Frage: Eine Frage an den Ministerpräsidenten. Welche Perspektive haben der Beitritt zur Europäischen Union oder der (akustisch unverständlich) Wofür entscheiden Sie sich?

Frau Bundeskanzlerin, eine Frage an Sie, wenn Sie erlauben. Sie haben das europäische Haus angesprochen. Eine Frage nach einem Land weiter südlich, nämlich Griechenland. Der griechische Ministerpräsident hat heute mehr Zeit für die Reformen gefordert.

BK’in Merkel: Ich werde am Freitag den griechischen Ministerpräsidenten treffen. Heute bin ich in der Republik Moldau. Ich glaube, dann habe ich die Gelegenheit, mit dem griechischen Ministerpräsidenten selbst zu kommunizieren. Danach gibt es auch eine Pressekonferenz. Dann werde ich Ihnen das sagen. Es wird sich allerdings von dem, was in der Vergangenheit gesagt wurde, nicht unterscheiden. Wir werden am Freitag keine Lösungen finden, sondern wir warten auf den Bericht der Troika. Dann werden die Entscheidungen getroffen werden. Ansonsten freue ich mich, dass ich heute erst einmal hier bin.

MP Filat: Die Republik Moldau hat diese Alternative. Aber die Republik Moldau hat die Auswahl getroffen. Die Bürger haben die Auswahl getroffen. Sie haben sich entschieden, was sie möchten. Das ist Europa. Das ist ein natürliches Ergebnis.

Frage: Eine Frage an die Bundeskanzlerin. In der letzten Zeit hat sich Deutschland aktiver bei der Lösung der Transnistrien-Frage eingesetzt. Meine Frage ist: Welche möglichen Szenarien oder Lösungen sehen Sie für die Lösung des Konfliktes?

BK’in Merkel: Das Format sind die 5+2-Gespräche. Ich glaube, das ist das richtige Format. Der Ministerpräsident hat eben darauf hingewiesen, wie die Entscheidung der moldawischen Bevölkerung bezüglich der Zukunft ist. In diesem Sinne müssen auch die Gespräche geführt werden. Es geht darum, dass sich gerade auch die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sehr aktiv einbringen. Deutschland hat das von Anfang an gemacht. Deshalb haben wir diese Meseberg-Initiative. Ich glaube, dass es auch wieder nur schrittweise geht. Wir müssen sicherlich in diesem Prozess Geduld aufbringen. Das ist mein Eindruck. Wir dürfen trotzdem nicht vergessen, dass dieser Prozess nicht beendet ist. Nicht nur Sie dürfen das nicht vergessen ‑ Sie vergessen das nicht, das ist Ihr tägliches Leben ‑, sondern ganz Europa darf nicht vergessen, dass das weiter auf der Tagesordnung ist. Deshalb werden wir in den verschiedenen Gesprächen mit der Ukraine, natürlich mit Russland, mit den Vereinigten Staaten von Amerika und vielen anderen immer wieder dieses Thema auf der Tagesordnung halten und vor allen Dingen in den jetzt anlaufenden Schritten etwas tun, damit Mobilität, telefonische Verbindungen, einfaches Reisen und viele Dinge, die für die Menschen ganz wichtig sind, auch leichter möglich sind, damit die Menschen sich auch nicht aus dem Auge verlieren und sie besser zueinander kommen können. Da muss man Schritt für Schritt schauen, dass man das auch politisch umsetzt.

Ich denke, wenn wir schauen, wie viele Probleme es auf der Welt gibt, ist die Hauptaufgabe, dass man nicht vergisst, dass es hier auch ein Thema gibt, was noch nicht gelöst ist und woran man weiter arbeiten muss.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich möchte doch noch einmal nachfragen. Ich will Sie nicht verärgern. Aber Sie sind hier einem Land, das sehr darum wirbt, näher an die Europäische Union heranzurücken. Uns in Europa beschäftigt natürlich vor allem die Krise (akustisch unverständlich) Mit welcher Perspektive gehen Sie in den nächsten Tagen in die Gespräche?

BK’in Merkel: Eine wichtige Sache bei allem, was wir im Rahmen der Europäischen Union, der östlichen Partnerschaft tun, ist immer, dass wir zutiefst davon überzeugt sind, dass wir letztlich politisch zusammengehören und in einer globalen Welt dann, wenn wir gemeinsame Werte teilen, dieses Zusammenleben auch gut organisieren müssen. Sei es, dass wir Assoziierungsabkommen mit einem Land wie der Republik Moldau abschließen, sei es, dass wir mit unseren europäischen Partnern Entscheidungen zum Beispiel über Visa-Freiheit und Ähnliches treffen oder sei es, dass wir in der Eurozone miteinander das besprechen, was für eine gemeinsame Währung wichtig ist. Das heißt: Es geht hier nicht nur um ökonomische Fragen, sondern es geht um zutiefst politische Fragen und damit um die Zukunft Europas als Ganzes.

Das ist der Geist, in dem ich auch in die Gespräche mit dem französischen Präsidenten gehe. Wir wissen, dass wir gerade auf dem Gebiet der gemeinsamen Währung noch nicht die Anfangsfehler beseitigt haben, die bei der Einführung des Euro gemacht wurden, dass die politische Integration nicht ausreichend weit vorhanden ist. Insofern gehe ich mit dem Bewusstsein in die Gespräche, dass wir es schaffen müssen, dass jeder Partner seine Verpflichtungen einhält. Das ist das, was hier in Chișinău im Blick auf das Assoziierungs- und Freihandelsabkommen besprochen wird. Das ist das, was besprochen wird, wenn es darum geht, dass Deutschland, Frankreich und alle anderen Länder ihre Verpflichtungen innerhalb der Europäischen Union einhalten. Das ist natürlich auch das Thema, wenn wir über Griechenland sprechen. Was Europa braucht, um als Partner in der Welt ernst genommen zu werden, ist Glaubwürdigkeit. Um diese Glaubwürdigkeit geht es in allen politischen Fragen inklusive der ökonomischen Fragen.