Pressekonferenz Merkel - Westerwelle zum Europäischen Rat

BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, dies war, glaube ich, in der Tat ein doch recht erfolgreicher Europäische Rat. Wir haben jedenfalls unsere Zielsetzung erreicht.

 

Ich darf bezüglich des Lissabonner Vertrags sagen, dass das Inkrafttreten nunmehr in greifbare Nähe gerückt ist - so würde ich einmal den Zustand beschreiben. Ich denke, dass wir gute Chancen haben, dass wir das Projekt vollenden können.

 

Wir haben uns im Wesentlichen natürlich mit der Frage der Kopenhagener Klimakonferenz beschäftigt. Das hat heute die längste Zeit der Diskussion in Anspruch genommen. Wir haben, wie ich finde, ein sehr, sehr gutes Ergebnis erreicht, das der Vorreiterrolle der Europäischen Union in den Fragen des Klimaschutzes Rechnung trägt.

 

Wir wollen in Kopenhagen zumindest das politische Rahmenwerk für einen späteren verbindlichen Vertrag von Kopenhagen erreichen, der ein klares Bekenntnis zum Zwei-Grad-Ziel enthält. Wir brauchen ehrgeizige Minderungsziele der Industrieländer. Sie wissen, dass sich die Europäische Union seit langem das Ziel einer Reduktion von 20 Prozent bis 2020 - gegebenenfalls auch bis 30 Prozent - aufgegeben hat. Wir wollen angemessene Maßnahmen für die Entwicklungsländer. Wir haben als Europäische Union die Bereitschaft signalisiert - und das muss für alle Industrieländer gelten -, zur finanziellen Unterstützung der Entwicklungsländer beizutragen.

 

Wir brauchen nach unserer Meinung vor allen Dingen im politischen Rahmen, der in Kopenhagen verabschiedet soll, eine robuste Architektur. Das Wesentliche ist, dass wir ein rechtlich bindendes Abkommen für die Zeit ab 2013 bekommen. Ich weiß, warum ich das sage. Es geht nicht darum, dass einzelne Länder einfach freiwillige Verpflichtungen eingehen, die sie international nicht rechtlich verbindlich verankern, sondern wir brauchen ein rechtlich verbindliches Abkommen.

 

Beim Punkt Finanzierungsbeiträge haben wir die Größenordnungen deutlich gemacht, in denen wir uns die Finanzierung vorstellen können. Wir sagen: Wir werden ab 2020 jährlich 100 Milliarden Euro brauchen, von denen - so definieren wir das - 22 bis 50 Milliarden Euro aus dem öffentlichen Bereich kommen sollten. Das sind jetzt Zahlen für die gesamte Welt. Europa wird natürlich seinen Anteil daran tragen. Das ist über den Daumen gepeilt jeweils ein Drittel.

 

Weiterhin haben wir gesagt, dass wir unter bestimmten Umständen mit einem schnellen Start beginnen wollen, denn bis 2020 ist es lange hin. Die Kommission hat gesagt, dass sie sich das in einem Bereich von 5 bis 7 Milliarden Euro vorstellt. Wir haben gesagt: Wir legen diese Zahl in Kopenhagen fest.

 

Wir werden immer wieder gefragt: Warum erst in Kopenhagen? Ich sage: Weil es natürlich darauf ankommt, was andere auf den Tisch legen. Es kann natürlich sein, dass die Zahlen nach oben oder nach unten übertroffen werden müssen. Wir können uns heute noch nicht darauf einlassen. Aber es wird immer so getan, als ob derjenige, der nicht von 5 bis 7 Milliarden Euro spricht, keine Lust hätte, etwas dazu zu sagen. Ich sage ganz einfach: Das muss man von den Verhandlungen abhängig machen. Wir werden unseren fairen Anteil daran tragen.

 

Für mich hat sich die Diskussion - das will ich abschließend noch sagen - ein bisschen zu sehr auf die Finanzierung verengt. Der Ausgangspunkt ist, dass wir ein Abkommen brauchen, dass wir Minderungsziele brauchen und dass wir im Grunde auch eine Übereinkunft über Mechanismen brauchen. Wir stellen uns ein weltweites Handelssystem von CO2-Zertifikaten vor. Dann ist natürlich klar, dass wir kurz- und langfristige Finanzierungszusagen brauchen. Für den EU-USA-Gipfel ist die Präsidentschaft mit der Kommission mit einem klaren Mandat ausgestattet. Das Gleiche gilt für die Gespräche mit Indien und China, die natürlich noch geführt werden müssen.

 

Wir haben mit diesem Ratsbeschluss im Grunde deutlich gemacht, was wir als Europäische Union unter einer erfolgreichen Konferenz in Kopenhagen verstehen. Gerade in der Präzisierung dessen, was wir alles brauchen, um von einem Erfolg zu sprechen, gehen wir auch ein Risiko ein, weil wir nicht mehr richtig offen lassen, was alles herauskommen kann und ob nicht bindende Absprachen vielleicht auch ein Erfolg sind.

 

Ich sage: Das haben wir mit diesem Mandat abgeschlossen. Wir haben den Erfolg für uns definiert. Ich glaube, es ist realistisch, dass wir nicht sagen: Kopenhagen schließt mit einem fertigen Vertrag ab. Aber es ist auch wichtig und notwendig, dass Kopenhagen einen politischen Rahmen setzt, mit dem ein Vertrag ausgearbeitet werden kann.

 

BM Westerwelle: Ich will nur wenige Bemerkungen hinzufügen.

 

Wir können als Deutsche mit diesen Ergebnissen sehr zufrieden sein, weil der Weg bereitet wurde, dass der Vertrag von Lissabon in Kraft treten kann. Das ist gut für Europa. Es ist aber auch gut für die nationalen Staaten in Europa. Es ist auch ausdrücklich gut für unser Land, für Deutschland.

 

Die Fragen des Klimaschutzes von Kopenhagen will ich wie folgt zusammenfassen: Aus meiner Sicht bleibt Europa Vorreiter beim Klimaschutz, aber entlässt auch andere Teile der Welt nicht aus der Verantwortung für den Klimaschutz. Das ist in jeder Hinsicht ein gutes Ergebnis.

 

Ich habe am Rande der Konferenz natürlich auch noch mit verschiedenen anderen Persönlichkeiten und insbesondere mit Amtskollegen gesprochen. Es hat eine Anzahl von bilateralen Gesprächen gegeben, bei denen Fragen wie beispielsweise Afghanistan eine Rolle gespielt haben. Ich habe mir beispielsweise auch schildern lassen, wie die Einschätzungen im Hinblick auf die Entwicklung im Iran sind. Wir werden sehen, dass auch hierbei eine gemeinsame Haltung fortgesetzt werden kann.

 

Insgesamt ist das ein wirklich erfolgreicher Europäischer Rat gewesen. Ich kann nur sagen, dass ich glaube, dass unser Land - und Europa ohnehin - mit diesen Ergebnissen sehr zufrieden sein kann.

 

Frage: Frau Bundeskanzlerin, wie haben Sie sich bei der Frage, die am Ende so schwierig war, nämlich mit den osteuropäischen Ländern, geeinigt? Das ist mir eben gerade wahrscheinlich entgangen.

 

BK'in Merkel: Ihnen ist gar nichts entgangen. Darüber habe ich nicht gesprochen. Es gibt in dieser Hinsicht zwei Aspekte. Der eine handelt von dieser sogenannten heißen Luft, also den AAUs, wie das so schön in der Fachsprache heißt, also von den durch Industriezusammenbruch vorhandenen CO2-Emissionen, die nicht mehr stattfinden. Hier war es den mittel- und osteuropäischen Ländern wichtig, dass wir eine Lösung finden, die nicht die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union - insbesondere die mittel- und osteuropäischen Länder - anders behandelt als die, die nicht Mitglieder der Europäischen Union sind. Die Textstelle, auf die es in Absatz 18 ankommt - ich muss sie frei zitieren, weil ich eine alte Version vorliegen habe -, lautet: „Diese Problematik muss auf nicht-diskriminierende Weise angegangen werden, wobei EU-Mitgliedsstaaten und Nicht-EU-Mitgliedsstaaten gleichermaßen behandelt werden.“ - Das war die eine Hürde.

 

Die andere Hürde ist die Frage des internen Lastenausgleichs. Nehmen wir einmal an, wir einigen uns in Kopenhagen erfolgreich auf bestimmte Finanzierungszusagen der Europäischen Union. Wir hatten auf dem Juni-Rat vereinbart, dass wir uns dann innerhalb der Europäischen Union darüber unterhalten, wer welchen Beitrag leisten muss. Hier ist vereinbart worden, dass wir dazu einen Arbeitsmechanismus finden, diese Einigung im Grunde nur im Einvernehmen konsensuell stattfinden kann und dabei auch die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Länder in Betracht gezogen wird.

 

Das ist für einige sehr wichtig, weil sie Sorge haben, dass sie vielleicht in einem zu hohen Maß belastet werden. Ich glaube, das haben wir in großer Partnerschaft miteinander verabredet. Das wird in einer Arbeitsgruppe in Abhängigkeit der Ergebnisse von Kopenhagen deutlich gemacht. Das waren die Punkte.

 

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben eben gesagt, die interne Lastenverteilung wird vor allen Dingen die Wirtschaftskraft berücksichtigen. Sind Sie damit auf die Forderungen der Osteuropäer eingegangen, dass man quasi die Emissionen herauslässt?

 

Eine andere Frage: Sie fahren am Montag in die USA. Werden Sie in Ihrer Rede in Washington auch die USA auffordern, beim Klimaschutz ganz klar nachzulegen?

 

BK'in Merkel: Erst einmal haben wir wohlweislich gesagt, dass diese Arbeitsgruppe im Konsens entscheiden muss. Wir haben nicht bis auf das Letzte spezifiziert, wie das nachher genau geht. Sie sind kenntnisreich und wissen, warum man nicht das letzte Detail abspricht, nämlich weil man insgesamt international über faire Lastenverteilungen verhandeln muss. Ich glaube, dass wir keine Sorge haben müssen, dass wir als Europäer zum Schluss unsere Verpflichtungen nicht einhalten können, weil wir uns innerhalb Europas nicht einig geworden sind, wer welchen Beitrag leistet.

 

Man muss sich einmal Folgendes vorstellen: Nehmen wir einmal an, Europa unternimmt in Kopenhagen lang- und kurzfristig bestimmte Finanzzusagen. Und dann sagen wir: „Wir können uns leider nicht einigen.“ Für wen ist das problematischer? Für Deutschland, Großbritannien und Frankreich oder für Polen und Rumänien? Ich glaube, man übt schon genug Druck auf uns aus, dass wir miteinander konsensuell einen Verteilungsschlüssel finden, der auch akzeptiert ist und der Europa seine Verpflichtungen einhalten lässt. Insofern kann man ganz ruhig sein. Das wird daran nicht scheitern.

 

Natürlich werde ich in den Vereinigten Staaten von Amerika sagen, was wir heute hier beschlossen haben. Wenn ich das sage, ist klar, was wir uns für Kopenhagen vorstellen. Allein können wir kein Kopenhagener Abkommen abschließen. Ich werde natürlich auch Aussagen zum Klimaschutz machen, die keine anderen sind als die, die ich hier gemacht habe.

 

Ich will noch einmal etwas deutlich machen: Wir sind schon Realisten geworden. Wir wollten einmal in Kopenhagen ein fertiges Abkommen mit Paragrafen und allem anderen schaffen, das den Anschluss für Kyoto darstellt. Jetzt reden wir von einem politischen Rahmen, der verabredet werden soll, und wissen, dass sich die Verhandlungen dann noch mit den vielen Details, die auch zu berücksichtigen sind, noch eine Weile hinziehen. Es gibt einige Marksteine, die unveräußerlich sind: Es muss ein rechtlich verbindliches Abkommen sein. Es muss Reduktionsziele für die Industrieländer enthalten. Es muss das Zwei-Grad-Ziel deutlich machen. Dann muss natürlich untereinander Solidarität geübt werden. Das ist auch klar.

 

Frage: Frau Bundeskanzlerin, die Kritiker fragen, warum Europa mit den konkreten Zahlen nicht weiter voranschreitet, um damit die anderen zu ermuntern, vielleicht doch noch auf den Zug aufzuspringen. Warum sagt man: „Erst müssen die auch was leisten“? Könnte Europa nicht eine Vorreiterrolle spielen und der Vorreiterrolle, die es bisher hatte, weiter gerecht werden?

 

BK'in Merkel: Wir werden der Vorreiterrolle gerecht. Mancher Diskussion stehe ich ein bisschen ratlos gegenüber. Es gibt unter den Industrieländern niemanden außer uns, der sagt, dass wir 2020 100 Milliarden Euro brauchen. Es gibt niemanden, der sagt: „Davon übernehmen wir ein Drittel.“ Außer uns kenne ich niemanden auf der Welt.

 

Wir machen uns nicht sozusagen vom Acker und sagen, dass das alles nur private Mittel sind, sondern wir spezifizieren, in welchem Bereich wir uns vorstellen - und zwar von 22 bis 50 Milliarden Euro -, dass das auch öffentliche Mittel sind. Die Spanne ist so breit, weil wir nicht genau wissen, wie sich die Zertifikatserlöse entwickeln werden. Das kann man heute schlecht für das Jahr 2020 vorhersagen.

 

Und drittens sagen wir, wir sind bereit, 2013 zu starten. Die Kommission nennt dafür nach Berechnungsmethoden, die man nachvollziehen oder nicht nachvollziehen kann, 5 bis 7 Milliarden Euro. Ich habe deutlich gemacht: Wenn es 4 Milliarden oder 8 Milliarden Euro sind, wäre mir beides recht. Ich will in Kopenhagen ein Ergebnis. Dann werden wir wieder bereit sein, unseren Anteil zu übernehmen.

 

Aber Sie werden doch sicherlich auch einsehen, dass wir es ganz allein nicht schaffen können. Also wir sind mit einigem in Vorleistung getreten, mit unseren eigenen Reduktionsverpflichtungen, mit der Einführung eines CO2-Handelsmechanismus, mit finanziellen Zusagen und mit der Verpflichtung, dass wir das bindend machen wollen. Und wenn sich jetzt jemand nicht ermuntert fühlt, dann kann es an uns eigentlich nicht liegen.

 

BM Westerwelle: Noch einen Nachsatz, wenn Sie erlauben: Das eine ist, dass wir natürlich die Welt ermuntern wollen, auch ehrgeizig beim Thema Klimaschutz zu sein. Das andere ist aber auch, dass sich niemand aus der Verantwortung entlassen fühlen darf. Wir brauchen ja ein globales Ergebnis für den Klimaschutz, und es macht wenig Sinn, dass Europa allein geht – wir wollen, dass es ehrgeizig und schnell nach vorn geht -, aber der Rest der Welt dann keinen Druck mehr spürt, um gemeinsame Ziele beim Klimaschutz zu erreichen.

 

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Herr Bundesaußenminister, noch einmal zu Polen: Bekommen die Polen denn jetzt für Ihre Erneuerung der Kohlekraftwerke EU-Hilfen? Kann man das so konkret sagen? Und dann zu dem Betrag von 22 bis 50 Milliarden Euro, von dem Europa ab 2020 ein Drittel trägt: Was bedeutet das eigentlich für Deutschland?

 

BK'in Merkel: Zum Anteil an den gesamten globalen Verpflichtungen, die wir hätten: Wenn wir jetzt einmal die Wirtschaftskraft der Industrieländer nehmen, dann wäre das ungefähr ein Drittel. Also Sie dürfen mich jetzt nicht auf 30, 31 oder 35 Prozent festlegen. Wir haben immer einen vergleichbaren Anteil wie die Vereinigten Staaten von Amerika.

 

Was das für Deutschland bedeutet: Das bedeutet nach den klassischen Schlüsseln, die wir haben, immer 20 Prozent. Aber in dem Drittel sind auch Zertifikatserlöse enthalten. Also nicht dass Sie jetzt sagen: Das sind Steuergelder oder so. Darin sind auch die Erlöse der Zertifikate enthalten. Das sind ja von uns vereinbarte politische Verpflichtungen.

 

Der andere Punkt: Wir haben ja diesmal nicht über das ‚burden sharing' innerhalb der Europäischen Union gesprochen. Die Kohlekraftwerke waren ja Thema auf einem der vergangenen Räte. Ich weiß jetzt gar nicht mehr, wann das genau war. Das war unter der französischen Präsidentschaft. Damals hat natürlich Polen besondere Unterstützung für die Erneuerung des Kraftwerkparks bekommen. Aber das ist diesmal kein Thema gewesen, weil wir das schon miteinander ausgehandelt hatten.

 

Jetzt geht es eigentlich um etwas anderes. Es geht nicht mehr um die interne Lastenverteilung, wie wir unser Reduktionsziel von 20 Prozent bis 2020 erbringen, sondern es geht um die finanziellen Zusagen, die wir für die Entwicklungsländer machen und darum, wie diese zusätzlichen Mittel zu unseren eigenen Reduktionsanstrengungen dann innerhalb der EU verteilt werden. Das ist diesmal Gegenstand gewesen.

 

Frage: Ich würde gern eine Frage zum Thema Wirtschafts- und Finanzkrise stellen. Jetzt steht in den Schlussfolgerungen, dass die Ausstiegsstrategien angegangen werden sollen, sobald der Aufschwung nachhaltig da ist. Bei den Finanzministern heißt es „spätestens 2011“. Ist das für Sie ein realistisches Datum, wann das beginnen soll, also 2011 als Ausstiegsjahr aus den Stimulus- und Bankenrettungsmaßnahmen?

 

Und eine zweite Frage zum Lissabon-Vertrag: Sie sagten, dass das jetzt in greifbare Nähe rückt. Wann dürfen wir denn damit rechnen, dass es zu den Nominierungen des Ratspräsidenten und des EU-Außenministers kommt? Gab es da vielleicht Erkenntnisfortschritte, wer die Kandidaten sein können und wann der Sondergipfel dazu stattfindet?

 

BK'in Merkel: Um mit dem Zweiten zu beginnen: Nein, das können wir erst dann ins Auge fassen - und das wird die Präsidentschaft auch sehr zeitnah, denke ich, tun -, wenn wir wissen, wann das tschechische Verfassungsgericht abschließend entschieden und der tschechische Präsident unterschrieben hat. Dann wird man aber auch nicht viel Zeit verstreichen lassen. - Erkenntnisfortschritte gab es heute für mich jedenfalls keine mehr. Wir waren auch den ganzen Vormittag intensiv mit den Klimafragen beschäftigt.

 

Was die Finanz- und Wirtschaftskrise anbelangt, so war, glaube ich, die Zitation dessen, was die Finanzminister beschlossen haben, nicht zu 100 Prozent das, was sie beschlossen haben. Sie haben gesagt: 2011, und wenn der wirtschaftliche Aufschwung bis dahin nicht ausreichend da ist, auch später. – So habe ich es in Erinnerung. Insofern gab es darüber jetzt keine große Debatte. Das ist das allgemeine Verständnis.

 

Frage: Frau Bundeskanzlerin, noch einmal kurz zu Lissabon: Wie sieht Ihrer Meinung nach der ideale neue Ratspräsident aus? Was sollte sein Profil sein?

 

Und dann noch eine andere Frage: Spricht Herr Balkenende Ihrer Meinung nach gut Deutsch?

 

BK'in Merkel: Also ich weiß nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hat. Aber der Ratspräsident, wenn man dem Präsidenten des Europäischen Parlaments folgt, sieht erst einmal weiblich aus. – Aber das war jetzt ein kleiner Scherz.

 

BM Westerwelle: Gut, dass es gesagt wurde.

 

BK'in Merkel: Ja, ich glaube auch. Das war eine so ernste Reaktion, dass ich ganz ängstlich wurde.

 

Das muss natürlich ein Mensch mit besonderen Fähigkeiten sein. Die Meinung jedes Mitgliedstaates in kurzen Gesprächen sofort zu verstehen, sie zu 100 Prozent umzusetzen und trotzdem keinen Streit zu verursachen, das wünschen wir uns von dem Ratspräsidenten. Wir werden einmal sehen, ob wir einen finden.

 

Und jetzt machen wir einen ganz dicken Strich, und dann darf ich Ihnen verraten, dass Jan Peter Balkenende gut Deutsch spricht.

 

Frage: Ein bisschen ist es eine Folgefrage zu dem, was vorher gesagt wurde. Ich möchte die Frage nach Tony Blair stellen, wenn ich das darf. Einige sagen, dass die die Präsidentschaft besser von jemandem eingenommen werden sollte, der aus einem kleineren Land kommt. Wenn Sie entlang dieser Linie denken, könnten Sie vielleicht die Briten ein bisschen trösten, indem Sie David Miliband unterstützen, wenn er Hoher Repräsentant werden möchte?

 

BK'in Merkel: Sie werden verstehen: Da wir nicht über Personal gesprochen haben, kann ich Ihnen auch über Personal nichts sagen. Wir haben in keinem der Gremien eine Diskussion über Personen gehabt. Das haben wir auf Bitten der schwedischen Präsidentschaft auf den Rat verschoben, den wir dann machen, wenn die Vertragsunterzeichnung in den Mitgliedstaaten beendet ist, und dann können alle Fragen wieder diskutiert werden. Ich habe jedenfalls an keiner Sitzung teilgenommen, in der über die Persönlichkeiten geredet wurde.

 

Frage: Ich habe eine Frage zur Erweiterung. Albanien hat sich ja vor sechs Monaten um den Kandidatenstatus zur Europäischen Union beworben. Anscheinend wartet man dort darauf, dass die Deutschen sie unterstützen, damit dann das Mandat dem Rat zur Verhandlung gegeben wird. Ist es so - eine technische Frage –, dass Sie diese Bitte auch im Fortschrittsbericht dieses Jahres erwähnen werden?

 

BK'in Merkel: Wenn ich recht informiert bin, werden wird im Dezember wieder zu dieser Frage kommen. Wir müssen uns in Deutschland jetzt erst einmal den Status der Kommission anschauen und müssen schauen, wie das alles beurteilt wird. Dann müssen wir mit unserem Parlament sprechen. Danach werden wir unsere Position festlegen. Das (betrifft) Albanien, aber mich hat auch der mazedonische Premierminister angesprochen; auch Mazedonien hat seine Erwartungen.

 

Frage: Frau Merkel, noch einmal zum Thema Einigung auf den Lissabon-Vertrag und Möglichkeiten, den Tschechen Zugeständnisse zu machen: Das ist ja gleich von den Sudetendeutschen in Deutschland kritisiert worden. Es heißt, dass die EU-Staats- und Regierungschefs hier viel zu zaghaft gewesen seien, wenn es darum geht, das Elend anzuerkennen, das die Millionen von Vertriebenen erleiden mussten. Was ist Ihre Entgegnung darauf?

 

Eine Frage an Herrn Westerwelle: Was ist Ihr erste Bilanz nach Ihrem zweiten Tag im Amt? Was ist für Sie das Wichtigste beim Außenministertreffen beziehungsweise auch beim Rat insgesamt gewesen? Was ist zu Afghanistan noch beschlossen worden?

 

BK'in Merkel: Nach meinem Verständnis haben wir der tschechischen Republik die Möglichkeit eingeräumt - wobei das erst in einem späteren Ratifizierungsverfahren überhaupt mit berücksichtigt wird -, das zu bekommen, was Polen und Großbritannien auch erbeten hatten, nämlich ein Opt-out von der Grundrechtecharta - nicht mehr und nicht weniger. Das war auch die Voraussetzung dafür. Unbeschadet davon - um das noch einmal zu sagen - ist und bleibt die Vertreibung für uns Unrecht.

 

BM Westerwelle: Was den zweiten Tag im Amt angeht: Der ist so, wie Sie sich das vorstellen können. Man ist erschöpft, aber zufrieden mit den Ergebnissen. Ich freue mich natürlich sehr darüber, dass die Aufnahme nicht nur bei den Kollegen, sondern auch bei den Staats- und Regierungschefs in der großen Runde außerordentlich freundlich war. Da kann ich mich wirklich nicht beklagen. Ganz im Gegenteil: Eine große Freundlichkeit und ein großes Interesse ist mir auch ganz persönlich entgegengebracht worden.

 

Es ist in der Tat so, dass wir auch konkrete Schlussfolgerungen aufgenommen haben. In den Ziffern 40, 41, 42 und 43 finden Sie die Schlussfolgerungen zu Afghanistan, die ich auch Ihrer Aufmerksamkeit empfehle. Dabei sind zwei Dinge besonders wichtig.

 

Erstens. Es ist wichtig, dass wir einen Aktionsplan verfolgen, der sich auf die gesamte Region bezieht, der sich also insbesondere auf Afghanistan und Pakistan insgesamt bezieht; denn das, was wir im Hinblick auf diese beiden Länder zu besprechen haben, hängt natürlich zusammen. Deswegen ist es ein richtiger Ansatz, Afghanistan und Pakistan gewissermaßen in einer gemeinsamen Strategie für beide Länder zu behandeln. Nur so ist auch eine dauerhafte Stabilisierung möglich.

 

Zweitens. Natürlich ist auch nicht nur in den Schlussfolgerungen, sondern auch in vielen weiteren Gesprächen von großer Bedeutung gewesen - das ist immer wieder gesagt worden -, dass die zweite Runde der Wahlen am 7. November nicht nur in Afghanistan, sondern in der ganzen Welt und insbesondere in Europa mit großer Aufmerksamkeit verfolgt werden wird. Es ist ganz entscheidend, dass diese zweite Runde der Wahlen glaubwürdig und sicher stattfindet. Wir hoffen natürlich nicht nur, dass möglichst viele Afghanen ihr Wahlrecht nutzen, sondern wir werden als Europäer auch unseren Beitrag dazu leisten, dass das gelingt.

 

Frage: Frau Bundeskanzlerin, wie hat sich Guido Westerwelle an diesen beiden Tagen gemacht? Ändert sich dadurch, dass jetzt ein anderer Außenminister an Ihrer Seite ist, irgendetwas an der deutschen Europapolitik, oder herrscht da volle Kontinuität?

 

BK'in Merkel: Ich habe mich so gefühlt, wie ich mich mit einem guten Außenminister an meiner Seite fühle. Ich glaube, Deutschland hat einen ordentlichen Eindruck hinterlassen. Diejenigen, die Wahlen vor sich haben, finden, dass wir etwas zu entspannt sind, weil wir gerade Wahlen hinter uns haben. Das liegt aber in der Natur der Sache. Um es etwas emotionaler zu sagen: Es hat Spaß gemacht.

 

Trotzdem gibt es jetzt keine Brüche in der Europapolitik. So wie ich das heute erlebt habe, gibt es ein hohes Maß an Kontinuität. Guido Westerwelles Kollege Asselborn hat das heute Früh nach dem Treffen mit den Benelux-Ländern auch so gesagt. Ich glaube, dass wir in gutem Sinne die guten Seiten der deutschen Außenpolitik fortsetzen werden.

 

BM Westerwelle: Ich würde gern noch etwas hinzufügen - es ist möglicherweise auch schon bekannt geworden -: Ich werde morgen meinen ersten offiziellen Antrittsbesuch in Polen stattfinden lassen und werde morgen nach Warschau reisen. Die Tatsache, dass ich ganz am Anfang Polen mit besuche, ist keine Zufälligkeit, sondern ist auch Ausdruck unseres Wunsches nach gutnachbarschaftlichen, hervorragenden Beziehungen zu unserem östlichen Nachbarn. Die Bundeskanzlerin ist ja gleich am Tag ihrer Vereidigung unmittelbar - das war eine große Geste - in Paris gewesen. Ich habe die Kritik an der Reise der Bundeskanzlerin nach Paris am Tag ihrer Vereidigung als sehr kleinkariert empfunden. Wir werden jedenfalls unseren Beitrag dazu leisten, dass diese guten Beziehungen weiter ausgebaut werden.

 

Ich möchte noch eine zweite Bemerkung machen: Ich werde nicht nur am Samstag meinen ersten offiziellen Antrittsbesuch in Warschau haben, sondern werde am Montag dann auch Frankreich besuchen - ich bin auch dorthin sehr herzlich eingeladen worden. Ich werde ganz am Anfang auch einige der sogenannten kleineren Staaten in Europa besuchen, weil es uns sehr wichtig ist, dass auch die kleineren Staaten in Europa von allen mit großem Respekt behandelt werden. Das will ich auch ganz persönlich zum Ausdruck bringen.

 

Frage: Frau Bundeskanzlerin, können Sie den Österreichern vielleicht etwas zum Thema eines möglichen Ratspräsidenten Schüssel sagen? Sie werden ja zumindest im Hintergrund als Fördererin genannt.

 

Wenn ich mir noch eine Frage erlauben darf: Es gab heute auch ein paar englische Fragen. Wie geht es dem Außenminister damit?

 

BK'in Merkel: So wie ich schon auf die erste diesbezügliche Frage nichts zu Namen gesagt habe, sage ich auch jetzt nichts zu Namen. Wenn ich immer alles glauben würde, was ich über mich lese - das geht teilweise gar nicht zusammen -, müsste ich ja ein ganz unlogischer Mensch sein.

 

Was die Sprachen anbelangt, darf ich sagen: Wir haben keine Mühe, bilateral wunderbar zu kommunizieren; aber wir als Vertreter der deutschen Regierung sprechen eben Deutsch. Das finde ich auch okay so.

 

BM Westerwelle: Ich auch. - Im Übrigen möchte ich Ihnen wie folgt antworten: Aus der Tatsache, dass ich am Tag nach der Bundestagswahl auf einer Pressekonferenz in Berlin darum gebeten habe, dass wir dort Deutsch sprechen, und beim ersten Mal noch sehr freundlich, beim zweiten Mal etwas robuster und beim dritten Mal vielleicht etwas entnervt darauf hingewiesen habe, dass das eine Pressekonferenz in Deutschland ist und dass wir dort Deutsch sprechen, sollten Sie nicht den Schluss ziehen, dass ich nicht des Englischen mächtig bin. Für die Fälle, bei denen es um Vertragsverhandlungen geht, wo auch wirklich Begrifflichkeiten eine Rolle spielen, gibt es auch herausragend gute Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes, die mir, so wie Ihnen, jederzeit zur Seite stehen und die dann vielleicht auch das Wort, das ich noch suche, stellvertretend für mich finden.

 

Frage: Nur eine kurze Nachfrage zu Albanien: Wenn Sie über den Dezember sprechen, bedeutet das dann, dass der Bundestag mit dem albanischen Antrag schon vorher befasst sein wird, sodass der Ministerrat den Beschluss vor Ende des Jahres fassen kann?

 

BK'in Merkel: Das kann ich Ihnen heute nicht sagen. Wir müssen uns jetzt erst einmal die Erkenntnisse der Kommission anschauen. Dann werden wir das bewerten. Dann werden wir natürlich - das ist unsere notwendige Prozedur - auch mit dem Parlament darüber sprechen. Wann genau die Entscheidungen fallen, kann ich Ihnen nicht sagen.