Pressekonferenz der Bundeskanzlerin nach dem Europäischen Rat

Sprecher: Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)

STS SEIBERT: Guten Tag, meine Damen und Herren. Das Wort hat die Bundeskanzlerin!

BK'IN DR. MERKEL: Meine Damen und Herren, wir haben gestern und heute die Tagung des Europäischen Rates abgehalten. Der wesentliche und Kernpunkt war aus meiner Sicht, dass wir über die Wirtschafts- und Währungsunion diskutiert haben, inklusive auch der Schlussfolgerungen in Bezug auf den Euro.

Ich war gestern bei der Abenddiskussion sehr beeindruckt von der großen Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit, mit der wir sowohl den Euro-Plus-Pakt als auch die Agenda 2020, also die Frage der Wirtschaftsreformen, die Frage der Wettbewerbsfähigkeit innerhalb Europas diskutiert haben. Die Kommission hatte dazu eine ausgezeichnete Vorlage gemacht, in der die verschiedenen Parameter ‑ Wirtschaftswachstum, Verschuldung, Arbeitslosigkeit, Ausgaben für Forschung und Entwicklung ‑ zusammengestellt waren.

Wir haben auch miteinander verabredet, solche Diskussionen ab jetzt zweimal im Jahr zu führen, Land zu Land zu beleuchten, uns gegenseitig zu vergleichen und dann eben auch voneinander zu lernen. Ich glaube, dass dies einen Neuanfang, eine neue Qualität der Diskussionen unter den Mitgliedstaaten bedeutet. Das wird natürlich ein längerer Prozess sein, wenn wir unsere Wettbewerbsfähigkeit angleichen wollen. Wir sehen den Problemen aber ins Auge. Das hat jedenfalls mich gestern sehr positiv beeindruckt.

Wir haben die Einigung über den dauerhaften Stabilisierungsmechanismus, den ESM, und wir haben die Anpassung des ESFSF geschafft. Wir sind bei der Frage der wirtschaftspolitischen Steuerung ‑ also das, was in Fachkreisen immer als „Sixpack“ bezeichnet wird ‑ auf den letzten Metern und befinden uns in der Einigungsphase mit dem Europäischen Parlament. Wir sind dem Europäischen Parlament sehr dankbar, dass es gestern die Abstimmung unterbrochen hat, die in der ersten Lesung stattfindet. Wir hoffen und denken auch, dass die ungarische Präsidentschaft hier eine Lösung finden wird, auf deren Basis wir diese wirtschaftspolitische dann beschließen können.

Wir haben uns dann mit dem Euro befasst und haben als Staats- und Regierungschefs noch einmal ganz deutlich gemacht: Wir werden alles tun, um den Euro als Ganzes zu stabilisieren und ihn stabil zu halten; er ist unsere gemeinsame Währung. Wir haben die Länder Portugal und Irland genauso wie Griechenland ermutigt, den Weg, der durch die Programme vorgezeichnet ist, die die Troika ausgehandelt hat, konsequent weiterzugehen.

Wir haben in Bezug auf Griechenland festgestellt, dass jetzt erst einmal die wichtigsten Gesetze zur haushaltspolitischen Strategie und zur Privatisierung umgesetzt werden müssen, das heißt, diesen Gesetzen im griechischen Parlament zugestimmt werden muss. Wir haben zweitens festgestellt, dass, wenn die Grundlage für ein neues Programm gegeben ist, die erforderlichen zusätzlichen Mittel aus öffentlichen und privaten Quellen kommen sollen. Wir haben uns dann noch einmal auf den Beschluss der Finanzminister vom 20. Juni bezogen und gesagt, dass wir die Beteiligung der Privaten durch informelle und freiwillige Verlängerung der aktuellen griechischen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit anstreben, um damit eine substanzielle Kürzung der im Rahmen des Programms erforderlichen Mittel zu erreichen, wobei natürlich der Zahlungsausfall vermieden werden muss. Das ist also die Wiederholung des Beschlusses der Finanzminister, der von den Staats- und Regierungschefs vollumfänglich geteilt wird.

Wir haben den Beitritt Kroatiens beschlossen. Es ist eine große Freude, dass die Beitrittsverhandlungen hier abgeschlossen werden konnten.

Ich freue mich auch, dass Mario Draghi der neue Präsident der Europäischen Zentralbank sein wird. Ich glaube, dass damit ein sehr positives Signal für die Unabhängigkeit und die Stabilitätsorientierung der Europäischen Zentralbank gegeben ist. Insofern ist auch das von großer Wichtigkeit gewesen.

Es haben außerdem noch Diskussionen im Zusammenhang mit der Nachbarschaftspolitik und den Veränderungen in den arabischen Ländern stattgefunden.

Wir haben eben noch einmal über den Nahost-Prozess gesprochen. Wir rufen alle auf, dass es dringlich ist, dass Israel und die Palästinenser wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren. Wir glauben, dass das von allergrößter Notwendigkeit ist. Wir werden seitens Europas auch versuchen, hier aktiv zu sein, gerade auch über das Quartett. Wir haben als Europäischer Rat auch noch einmal darauf hingewiesen, dass die Freilassung des gefangenen Soldaten Schalit durch die Hamas dringend geboten ist. Es ist jetzt fünf Jahre her, dass Schalit in Haft geraten ist. Es ist ein dringender Aufruf des Rates der Europäischen Union, diesen Soldaten endlich freizulassen; denn seine Inhaftierung ist entgegen aller internationalen Regeln.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, nach Ihrem gestrigen Treffen mit dem griechischen Oppositionsführer, aber auch mit Ministerpräsident Papandreou, wüsste ich gern, ob nach diesem Gipfel Ihre Zuversicht gewachsen ist, dass das griechische Parlament das Reformpaket tatsächlich beschließt, und welche Form der Zusicherung der Opposition Sie eigentlich erwarten. Würde es Ihnen ausreichen, wenn der Oppositionsführer sagt: Im Prinzip bin ich mit den Zielen einverstanden, aber ich möchte andere einzelne Maßnahmen?

BK'IN DR. MERKEL: Ich glaube, dass die Verhandlungen mit der Troika in Griechenland weit fortgeschritten sind. Es gab gestern auch noch einmal eine Einigung, damit das Gesetzgebungsverfahren im Parlament überhaupt beginnen kann. Insofern ist der Ausgangspunkt jetzt das, was in das griechische Parlament hineingeht.

Ich bin durchaus zuversichtlich. Ich weiß, dass der griechische Ministerpräsident sein gesamtes politisches Gewicht und dass die gesamte griechische Regierung ihr gesamtes politisches Gewicht in die Waagschale werfen werden, um die Mehrheit im Parlament zu bekommen. Wir haben Griechenland auch ermutigt, diese Mehrheit zu finden. Ich habe in den Gesprächen mit dem Oppositionsführer deutlich gemacht, dass es für die Akzeptanz und auch für die Stabilität in Griechenland sicherlich sehr wünschenswert wäre, wenn die Opposition dem auch zustimmen könnte, wie es in Irland geschehen ist und wie es in Portugal geschehen ist.

Wir haben gestern auf dem EVP-Treffen mit aller Deutlichkeit gesagt: Je mehr Übereinstimmung, umso besser für Griechenland, umso besser für den Euro und damit umso besser für uns alle. Jetzt wird man sehen, was passieren wird. Der griechische Ministerpräsident ist auch entschlossen, seine Vorstellungen mit einer parlamentarischen Mehrheit im griechischen Parlament durchzusetzen. Aber noch einmal: Besser wäre eine breitere Unterstützung.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, ich hätte zwei Fragen zur Beteiligung der Privatgläubiger. Gestern gab es schon recht positive Signale aus Frankreich und auch aus Belgien. Gibt es bei den Gesprächen, die die Bundesregierung führt, auch schon konkrete Zusagen, sich daran zu beteiligen?

Zur anderen Frage: Sie sprechen auch jetzt noch von der „substanziellen Beteiligung“. Was ist „substanziell“? Welche Größenordnung müsste da erreicht werden?

BK'IN DR. MERKEL: Ich möchte zu den Gesprächen nicht Stellung nehmen und glaube auch, dass es besser ist, dass wir diese Gespräche jetzt erst einmal führen und dann die Ergebnisse zusammentragen.

Was „substanziell“ ist, das wird sich erweisen. Ich glaube, dass der Beschluss der Finanzminister sehr weise ist. Deshalb haben wir ihn auch übernommen. Es ist jetzt aber nicht möglich, das mit Zahlen zu unterfüttern, zumal wir das Gesamtzahlenwerk auch noch gar nicht vorliegen haben. Wir müssen jetzt bei Griechenland Schritt für Schritt vorgehen. Erst einmal geht es um die griechischen Verpflichtungen, dann um die Gesamtsumme, und dann werden wir schauen, was man über die freiwillige Beteiligung der privaten Gläubiger erreichen kann.

FRAGE: Die, wie Sie selbst sagen, exzellente Vorlage der EU-Kommission zu „Europa 2020“ weist aus, dass Griechenland mit 0,53 Prozent des Bruttosozialprodukts für Forschungs- und Entwicklungsleistungen das Schlusslicht bildet, flankiert von Rumänien und Bulgarien. Glauben Sie ernsthaft, dass die Parameter der Volkswirtschaft in Richtung einer Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands ausreichen, um sich selbst aus der Krise zu manövrieren?

BK'IN DR. MERKEL: Ich glaube, dass Griechenland sehr viele Anstrengungen unternehmen muss. Deshalb ist es ja auch richtig und gut, dass die Kommission Griechenland auf diesem Weg unterstützen will. Es gibt ja nicht nur die Tatsache, dass zu wenig für Forschung und Entwicklung ausgegeben wird, sondern es gibt auch die Tatsache, dass die europäischen Mittel ‑ zum Beispiel die aus den Kohäsionsfonds ‑ gar nicht ausgeschöpft werden. Deshalb liegt die Hauptaufgabe bei der Unterstützung Griechenlands jetzt insbesondere in dem Bereich, in dem es darum geht, auch technische Unterstützung zu geben, wenn es um Antragstellungen und die Ausarbeitung von Projekten geht. Denn die von Europa zur Verfügung gestellten Mittel sind überhaupt nicht in Anspruch genommen worden, und deshalb kann man da noch mehr machen.

Natürlich muss man auch im Forschungsbereich mehr machen, nur bedeutet das natürlich, dass gerade auch die Beteiligung an europäischen Forschungsprojekten, die durch den Europäischen Forschungsrat ja möglich ist, auf Exzellenzkriterien beruht. Deshalb muss an dieser Stelle natürlich versucht werden, Griechenland in seiner Wettbewerbsfähigkeit so gut wie möglich zu stärken. Die Menschen in Griechenland können das sicherlich; davon bin ich überzeugt.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, ich habe ebenfalls zwei Fragen, wenn Sie erlauben, zum einen zur Nominierung des EZB-Präsidenten. Darum gab es im Vorfeld oder gestern ein bisschen Hickhack. Können Sie die genaue Lösung skizzieren, die Sie gefunden haben?

Zweitens, zum Thema Reisefreiheit und Schengen: Spielte die Entscheidung Dänemarks, die ja noch nicht umgesetzt worden ist, in der Diskussion eine Rolle? Hat man Dänemark eventuell auch gebeten, von einseitigen Schritten Abstand zu nehmen?

BK'IN DR. MERKEL: Ich hatte selbst im Vorfeld des Rats ein Gespräch mit dem dänischen Ministerpräsidenten geführt. Heute ist das in der Diskussion nicht explizit erwähnt worden. Aber ich denke, viele Kollegen haben das bilateral mit den dänischen Kollegen besprochen.

Was Mario Draghi angeht, so war die Frage die nach dem jetzt im Board befindlichen italienischen Vertreter, Herrn Smaghi. Hierüber hat es Gespräche zwischen dem Ratspräsidenten Herman Van Rompuy und Herrn Smaghi gegeben, die darauf hindeuten, dass Herr Smaghi innerhalb der notwendigen Frist das Board der EZB verlassen wird. Das hat uns der Ratspräsident heute quasi mitgeteilt, und damit war der Weg für die Berufung von Mario Draghi frei.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, ich würde noch einmal auf den März zurückkommen. Damals haben Sie an gleicher Stelle gesagt, Europa werde ein großes Krisensicherungspaket bekommen, das aus Geben und Nehmen bestehe, also aus Vorbeugen und, zur Not, einem Medikament, also diesem Wettbewerbspakt, dem Euro-Plus-Pakt, und diesen beiden Fonds, also ESM bzw. Ertüchtigung der EFSF. Nun sieht es so aus, dass dieser Stabilitätspakt noch nicht unterschrieben ist und dass dieses Euro-Plus-Paket sehr diplomatisch formuliert wird, was den Inhalt betrifft. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie jetzt trotzdem schon den ESM unterschrieben haben? Gilt das „Geben und Nehmen“ nicht mehr, oder wartet man jetzt noch, bis alles endgültig beschlossen worden ist?

BK'IN DR. MERKEL: Nein, wir haben den ESM jetzt beschlossen. Wir wissen doch, dass es bei dem Vermittlungsverfahren mit dem Parlament um einen Punkt oder eineinhalb Punkte geht, für die wir glauben, eine Lösung zu finden. Das heißt, wir haben auch da 99 Prozent der Arbeit gemacht. Wenn man einmal schaut, wie viele Einwendungen das Parlament hatte und auf wie wenige Fragen sich das jetzt reduziert hat, dann denke ich, dass wir insgesamt sagen können, dass wir unsere Hausaufgaben ‑ im Übrigen auch in einer bemerkenswert überschaubaren Zeit ‑ gemacht haben.

Der Euro-Plus-Pakt ist ja unter Dach und Fach. Das ist ja nicht das Thema. Sie spielen jetzt auf die ersten Mitteilungen der Mitgliedstaaten an. Dabei, glaube ich, war die gestrige Diskussion extrem wichtig. Ich habe immer gesagt, dass der Euro-Plus-Pakt auch einen langfristigen Prozess in Gang setzt. Womit ich eben so zufrieden bin, ist, dass die Kommission gestern durch die Art, wie sie uns in diese Diskussion geführt hat, genau das richtige Signal gesetzt hat, um auch genau dieses Ergebnis zu erreichen, nämlich dass wir dort nicht nur in Floskeln reden, sondern uns anhand harter, klarer Fakten anschauen, wo die Differenzen in der Wettbewerbsfähigkeit liegen. Diesbezüglich gibt es auch wirklich sehr interessante und wichtige Entwicklungen, sodass sich insgesamt finde, dass wir sehr gut gearbeitet haben und das auch sehr gut geschafft haben.

Das „Geben und Nehmen“ sehe ich in der Tat so ‑ mit Ausnahme dieses einen Punktes, von dem ich annehme, dass er dann so gelöst werden wird, dass das Parlament die Abstimmung im Juli fortsetzen wird ‑, dass wir bis zur Sommerpause genau das geschafft haben werden, was wir schaffen wollten.

FRAGE: Ich habe zwei Fragen, wenn Sie erlauben, zuerst noch zu dem Europäischen Semester. Ist denn jetzt jeder im Rat bereit, die Empfehlungen der Kommission ohne Abstriche zu akzeptieren, also auch die Bundesregierung, zum Beispiel beim Ehegattensplitting?

Die zweite Frage dreht sich um Kroatien. Warum musste es, nachdem der Bericht der Kommission zu Kroatien, glaube ich, erst im März vorgelegt wurde und relativ große Lücken bei der Justizreform ausgewiesen hat, denn jetzt so schnell gehen? Warum muss man jetzt schon das Beitrittsdatum festlegen?

BK'IN DR. MERKEL: Kroatien hatte in der Tat im März noch erhebliche Lücken. Ich habe dann sehr oft mit dem Ratspräsidenten Viktor Orbán gesprochen. Kroatien hat diese Lücken und diese Beschwernisse, die noch nicht die Erfüllung der Kriterien bedeutet haben, ausgeräumt. Es hat daran auch wirklich hart gearbeitet. Es gibt ja nun keinen Grund, die Möglichkeit des Beitritts zu verschleppen. Es sind alle Kriterien ‑ so hat es uns die Kommission mitgeteilt - erfüllt worden. Es gibt keinerlei Reservation, wie es damals bei Bulgarien und Rumänien der Fall war. Deshalb ist es angemessen, dass man, wenn das erreicht worden ist, dann auch den Beitritt empfiehlt. Genau das haben wir gemacht.

Zweitens. Was die Empfehlungen der Kommission anbelangt, so sind das Beiträge zur Diskussion. Dass man die eins zu eins umsetzen muss, glaube ich, ehrlich gesagt, nicht. Das sind Anregungen. Insgesamt, wenn ich mir gestern die Dinge angeschaut habe, steht Deutschland in der Frage der Wettbewerbsfähigkeit bei aller Bescheidenheit schon wirklich nicht schlecht da.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, ich habe zwei Fragen, zum einen zum Verfahren im Fall Smaghi-Draghi. Haben Sie den Eindruck, dass die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank dabei so gewahrt geblieben ist, wie sie eigentlich vorgesehen war?

Die zweite Frage bezieht sich noch einmal auf das von Ihnen erwähnte sogenannte „Sixpack“. Einer dieser offenen 1,5 Punkte, die Sie erwähnt haben, ist die symmetrische oder asymmetrische Beurteilung der Leistungsbilanzen, der Überschüsse und Defizite. Ist es eigentlich wahr, was man aus dem Europäischen Parlament hört, dass ein schon feststehender Kompromiss mit der ungarischen Ratspräsidentschaft auf Druck der Bundesregierung dann noch einmal aufgelöst wurde?

BK'IN DR. MERKEL: Was heißt „auf Druck“? Wir haben unsere Meinung gesagt. Wir sind der Meinung, dass der symmetrische Ansatz, bei dem Defizitländer genauso wie Überschussländer behandelt werden, dem Problem nicht gerecht wird. Deshalb haben wir gesagt: Das Wort „symmetrisch“ kann unseres Erachtens in dem Kompromiss nicht vorkommen. Dazu stehe ich auch. Wenn Sie also fragen „Ist es wahr?“, dann sage ich Ihnen: Ja, es ist wahr; denn unserer Meinung nach ist das nicht sachgerecht.

Zu Ihrer zweiten Frage: Natürlich ist die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank gewahrt. Worauf rekurrieren Sie jetzt?

ZUSATZ: Naja, wenn Ratspräsident Herman Van Rompuy mit Herrn Smaghi redet und ihm sozusagen den Rücktritt nahelegt ‑ ‑

BK'IN DR. MERKEL: Das haben Sie jetzt so interpretiert. Der Ratspräsident hat gesagt, dass Herr Smaghi ihn informiert habe.

ZUSATZ: Vorher hat aber schon der italienische Ministerpräsident  ‑ ‑

BK'IN DR. MERKEL: Das weiß ich nicht. Ich habe darüber gesprochen, dass er ihn informiert hat, und nicht, dass er Druck auf ihn ausgeübt hat.

ZUSATZ: Aber der Druck kam ja schon zustande, als der italienische Ministerpräsident Herrn Smaghi zum Rücktritt aufgefordert hat.

BK'IN DR. MERKEL: Ich glaube, dass die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank, was ihre Tätigkeit anbelangt, voll gewahrt ist.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben sehr viel Wert auf die parlamentarische Abstimmung in der nächsten Woche in Griechenland gelegt. Was passiert denn, wenn die Abstimmung gegen die Reformen und das Rettungspaket verläuft? Wenn die griechische Abstimmung durchgeht, wird es dann ein finnisches Problem sein? Nach allem, was man hört, ist es so, dass die Finnen in Zukunft ein zukünftiges Bail-out-Paket für Griechenland verlangen, und zwar eines, bei dem es eine viel größere Absicherung der Risiken als bisher gibt.

BK'IN DR. MERKEL: Ich gehe davon aus, dass alles getan wird, damit die Abstimmung positiv ausgeht, und möchte deshalb jetzt auch keine Spekulationen anstellen. Ich gehe auch davon aus, dass die Finanzminister bei ihrer Tagung am 3. Juli alle Aspekte so finden können, dass auch die Solidaritätsseite der Hilfe für Griechenland gelöst werden kann.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, eine Frage zur Nichtbeteiligung an diesem Kommission-Instrument im Rettungspaket für Griechenland, dem EFSF: Gibt es damit Ihrer Meinung nach irgendwelche gesetzlichen Probleme in Deutschland?

BK'IN DR. MERKEL: Wir werden eine Lösung finden, die sowohl der deutschen (Gesetzgebung) entspricht als auch der Tatsache, dass der EFSF, was jetzt auch von vielen osteuropäischen Ländern gesagt wurde, nicht mehr sehr viel Geld hat ‑ es sind nur noch 11 Milliarden Euro. Das ist ja der Fonds, aus dem auch eventuelle IWF-Programme für Nicht-Euro-Mitgliedstaaten als Regionalmaßnahme unterfüttert sein werden. Ich glaube, wir werden hier einen Weg finden, der allen Beteiligten gerecht wird.

FRAGE: Zum Griechenland in Aussicht gestellten zweiten Hilfspaket: Wie groß ist Ihre Zuversicht, dass das ausreichen wird, um Griechenland langfristig zu stabilisieren? Wenn man sich daran erinnert: Vor einem Jahr war beim ersten Hilfspaket die Hoffnung ja auch schon groß, dass man kein zweites brauchen würde.

BK'IN DR. MERKEL: Es ist immer so, dass diese Hilfspakete auf Annahmen beruhen ‑ auf Annahmen über das Wirtschaftswachstum, auf einnahmeseitigen Annahmen, aus Annahmen, die etwas mit der Weltwirtschaft insgesamt zu tun haben. Insofern muss man immer wieder gucken: Entspricht der Verlauf den angenommenen Dingen? Das wird jetzt natürlich auch weiter quartalsmäßig kontrolliert.

Ich habe aber Vertrauen in die drei Institutionen, in Kommission, IWF und EZB, dass sie jetzt nach bestem Wissen und Gewissen ein Programm aushandeln, das eine gute Chance hat, dann auch die gewünschten Ergebnisse zu erbringen. Dass das ein schwieriger Weg für Griechenland ist und dass das auch ein noch länger dauernder Weg ist ‑ allein wenn man an die Privatisierungen denkt, die ja einen gewissen Zeitablauf erfordern ‑, das weiß jeder; das weiß Griechenland und das wissen andere. Ich war sehr beeindruckt über die Darstellungen von Irland und Portugal, wo die beiden neuen Ministerpräsidenten mit sehr viel Entschlossenheit darangehen, ihre Programme zu erfüllen. Jetzt müssen wir Quartal für Quartal gucken, ob die Annahmen auch wirklich so eintreffen. Das ist aber nach bestem Wissen und Gewissen von den Beteiligten ausgehandelt. - Danke schön!