Pressekonferenz Bundeskanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder zur Energiepolitik

Sprecher: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Ministerpräsident Wolfgang Böhmer, Ministerpräsident Erwin Sellering, Bundesminister Rainer Brüderle, Bundesminister Norbert Röttgen, Bundesminister Peter Ramsauer

BK’IN Merkel: Meine Damen und Herren, wir hatten ein Zusammentreffen mit den Ministerpräsidenten. Ich möchte mich dafür bedanken, dass das sehr kurzfristig möglich war.

Wir hatten, so darf ich, glaube ich, sagen, eine recht konstruktive Diskussion. Natürlich gibt es noch Unterschiede zu gewärtigen. Nichtsdestotrotz war das Gespräch getragen von dem Gedanken: Wir alle wollen schnellstmöglich aus der Kernenergie aussteigen und in die Versorgung mit erneuerbaren Energien ein- und umsteigen. Das Erdbeben und der Tsunami in Japan und die Ereignisse um das Kernkraftwerk Fukushima haben dazu geführt, dass wir seitens der Bundesregierung eine nochmalige Sicherheitsprüfung für die Kernkraftwerke angeordnet haben, um die Risiken im Lichte der Erfahrungen von Fukushima neu zu bewerten. Wir haben über das Moratorium gesprochen, darüber, dass die Ergebnisse der Reaktorsicherheitskommission bis Mitte Mai vorliegen werden und dass die Ethikkommission ihre Ergebnisse bis Ende Mai vorlegen wird.

Ich will das jetzt nicht vorwegnehmen, aber es wird sich herausstellen, dass über die Frage, wann welche Entscheidungen zu treffen sind, durchaus noch Differenzen bestehen. Das ist allerdings zum jetzigen Zeitpunkt aus meiner Sicht unvermeidlich.

Einigkeit besteht darin, dass zur Beschlussfassung zum Ende des Moratoriums die rechtlich saubere, eindeutige, und ‑ ich sage auch: ‑ im Atomgesetz festgelegte Regelung stehen muss, was die Zeit nach dem Moratorium für die Laufzeit der einzelnen Kernkraftwerke bedeutet. Das heißt, wir haben uns jetzt bei der Sicherheitsüberprüfung auf das Atomgesetz im Sinne des Vorsorgeprinzips gestützt. Wir werden dann klare Festlegungen treffen, die gerade für die Länder, die Kernkraftwerke haben, die notwendige Rechtssicherheit liefern.

Wir haben auch gesagt, dass wir ‑ nicht bis zum Ende des Moratoriums, aber zeitnah ‑ die Sicherheitsstandards der verschiedenen Endlagerstätten überprüfen werden. Auch das wird in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden.

Auch haben wir über die Frage gesprochen: Was ist zu tun, wenn wir die erneuerbaren Energien beschleunigt ausbauen wollen? Hierbei sind drei Themenkomplexe diskutiert worden, die von den einzelnen Bundesministern gleich noch einmal dargestellt werden:

Erstens war dies die Frage des Netzausbaus, die zentral ist für den Umstieg auf erneuerbare Energien. Hier hat das Bundeswirtschaftsministerium die Federführung und wird auch zeitnah die zuständigen Minister der Länder einladen, um die notwendigen Dinge zu besprechen.

Zweitens war dies das Thema, wie wir erneuerbare Energien schneller ausbauen, gegebenenfalls auch Speicherkapazitäten schaffen und die Kraft-Wärme-Koppelung stärken können. Hierzu wird der Bundesumweltminister zusammen mit dem Verkehrsminister, bei dem das Planungsrecht liegt, die diesbezüglichen Einladungen an die wiederum zuständigen Länderminister aussprechen.

Drittens war dies das Thema der Energieeffizienz. Hierbei geht es um den öffentlichen Gebäudebestand, aber auch um den Vollzug der Energieeinsparverordnung. Dazu wird der Kanzleramtsminister mit den Chefs der Staatskanzleien sprechen und auch den gesamten Prozess koordinieren.

Ich bin sehr froh, dass die Ministerpräsidenten bereit waren, sich kurz nach Vorlage des Berichts der Ethikkommission, nämlich am 3. Juni, ein weiteres Mal mit der Bundesregierung zu treffen und dass sie ‑ vorbehaltlich, dass wir die Fragen auch klären – ebenfalls bereit sind, am 17. Juni den entsprechenden Beschluss im Bundesrat zu fassen. Somit fände zwischen dem 6. Juni ‑ an dem die Kabinettsbefassung anberaumt ist ‑ und dem 17. Juni die Beratung in beiden Kammern, also im Bundestag und im Bundesrat statt.

Es wird nicht nur um die Veränderung des Atomgesetzes gehen, sondern es wird dann auch um die jeweiligen rechtlichen Grundlagen gehen, die der Planung zugrunde liegen, gegebenenfalls also auch um Veränderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Dies ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Umso erfreulicher ist es, dass das Klima des Gesprächs heute davon geprägt war, dass jeder seine Verantwortung wahrnehmen möchte. Das heißt nicht, dass es nicht durchaus noch lebendige Diskussionen geben wird; aber die Gesamtrichtung ist geteilt worden. Das finde ich sehr erfreulich.

Jetzt liegt eine Menge Arbeit vor uns; aber es ist ja auch ein unglaublich spannendes Projekt, deutlich zu machen, dass wir die erneuerbaren Energien in unserem Land so schnell wie möglich verstärkt ausbauen wollen.

MP Böhmer: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben mit einem Dank begonnen. Ich will das auch tun. Wir, die Ministerpräsidenten der Länder, sind Ihnen dankbar, dass Sie zu dieser „Sonder-MPK“ eingeladen haben, bei der wir uns ausschließlich mit einem Thema beschäftigt haben, das wir einvernehmlich alle wollen. Niemand hat dafür plädiert, nicht aus der Atomenergie auszusteigen. Insoweit gab es einen großen Konsens.

Sie haben zu Recht gesagt: Was die zeitlichen Abläufe und Zielvorstellungen betrifft, gibt es unterschiedliche Meinungen. Wer darüber diskutieren will, muss sich auch daran erinnern lassen, dass eine Bundesregierung schon im Jahr 2000 oder 2001 den Atomausstieg mit festgelegter Jahreszahl beschlossen hat; aber es hat nie eine Konferenz darüber gegeben, was das bedeutet, was man alles machen muss, um dieses Ziel zu erreichen, und welche Konsequenzen das hat. Es war heute das erste Mal, dass wir mit großer Sachlichkeit über dieses Problem gesprochen haben und am Ende selbst erstaunt waren, welche Probleme das nach sich zieht, Folgeprobleme, die geregelt werden müssen, um ein solches Ziel zu erreichen.

Selbstverständlich haben wir über den Ausbau der erneuerbaren Energien gesprochen, mit all den Konsequenzen, die das hat. Wir haben auch gesagt, dass das alles nur Sinn macht, wenn wir einen Netzausbau bundesweit organisieren, nicht nur die Bundesländer übergreifend, sondern am Ende in ein europäisches Netzsystem integriert, und dass das erhebliche Investitionen notwendig machen wird. Schon jetzt müssen ja einige Windräder in Schleswig-Holstein trotz erheblichen Windes abgeschaltet werden, weil die Netzkapazität nicht vorhanden ist und die vorhandene Strommenge nicht abtransportiert werden kann.

Es gibt also ganz erhebliche Konsequenzen, die wir organisieren müssen, Investitionen, die wir tätigen müssen, und auch gesetzliche Regelungen, die wir schaffen müssen. Zurzeit bestehen unterschiedliche Regelungen für Onshore- und Offshore-Stromerzeugung. Wir in Sachsen-Anhalt sind nicht schlecht, was Windenergie betrifft. Wir erleben aber, dass wir, je besser wir damit werden, unsere eigene Bevölkerung umso stärker mit höheren Strompreisen belasten, weil dies nur regional umgelegt werden kann. Das sind alles Probleme, die auch eine gesetzliche Regelung notwendig machen, die in der nächsten Zeit erfolgen soll.

Ich bin nicht berechtigt, Ihnen eine Entscheidung des Bundesrats zu diesem Gesetz am 17. Juni zuzusagen, aber alle Ministerpräsidenten werden dafür votieren, dass im Geschäftsordnungsausschuss des Bundesrats dieser Weg geebnet wird, damit wir möglichst rasch zu einer gesetzlichen Regelung kommen.

Ich bin auch dankbar dafür, dass die nächste Sitzung ausschließlich zu diesem Thema schon auf den 3. Juni terminiert worden ist. Wir wollen jetzt alle am Ball bleiben und diese Probleme konsequent abarbeiten. Sie werden uns lange beschäftigen. Dies ist vorhersehbar. Solange das nicht alles überschaubar ist, sollte man auch vorsichtig damit sein, schon Terminen zuzusagen, weil es nicht einfacher wird, wenn man einen dieser Termine nicht halten kann und das öffentlich begründen muss.

Wir wissen, dass es auch zur Lösung dieses Problems unterschiedliche Vorstellungen gibt. Ich finde die Vorschläge zur dezentralen Regulierung hoch interessant. Ich weiß von Stadtwerken, die schon damit begonnen haben. Zurzeit begünstigen wir die alternativen Energien mit einer Preisregelung, die ich jetzt gar nicht näher qualifizieren will, weil ich sie aus anderem Zusammenhang auch kenne; aber Sie wissen, dass jede Privatperson, die Strom einspeist, ihn teurer verkaufen kann, als sie ihn selbst zurückkaufen muss. Das wird wahrscheinlich nicht die Regelung für die Zukunft sein. Aber es gibt schon Stadtwerke, die sagen: Wir machen mit Kunden, die uns Strom ‑ meinetwegen Fotovoltaik-Strom vom eigenen Dach ‑ anliefern, ein Geschäft und sagen ihnen: Ihr zahlt nur den Strom, den ihr mehr von uns kauft, als ihr selber angeliefert habt. Das ist für die einzelnen Kunden auch ein interessantes Geschäft.

Dies sind Modelle, die wir ausbauen müssen. Damit lösen wir mit Sicherheit nicht das Problem des Strombedarfs der großen Stromverbraucher in der Industrie. Das ist völlig klar. Diese Dinge müssen parallel dazu entwickelt werden. Ich will damit nur sagen: In der Bundesrepublik gibt es vielfältige und hoch interessante alternative Entwicklungen zum Umsteuern der Energiepolitik. Wenn dies alles einigermaßen organisiert sein wird, dann ist natürlich auch der endgültige Ausstieg aus der Atomenergie machbar und könnte zeitlich terminiert werden.

Wir haben viele andere Probleme, die mit der Gebäudesanierung und mit Energiesparmaßnahmen zusammenhängen. Das wird noch einmal ein ganz spannendes Geschäft werden, weil das jeden Häuslebesitzer oder Grundstücksbesitzer in einer Weise belasten wird, bei der wir ihm, wenn wir ihn dafür gewinnen wollen, vorrechnen müssen, dass es sich auch für ihn rechnet. Gelegentlich gibt es auch Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung. Das ist einfach nicht wegzudiskutieren. Auch sind es mitunter die Gleichen, die an einem Tag gegen die Atomenergie und am nächsten Tag, wenn es sich anbietet, gegen die Verspargelung der Landschaft protestieren. Wir müssen uns darüber im Klaren sein: Alles wird nicht möglich sein. Wir müssen auch ein Konzept erarbeiten und dafür werben, damit die Bevölkerung diesen Weg mitgehen kann.

Das Gleiche gilt für die Stromtrassen. Sie müssen auch gebaut werden. Jeder weiß, wie schwierig Raumordnungsverfahren und Genehmigungsverfahren bei uns in Deutschland sind. Auch gibt es Leute, die sich hauptamtlich damit beschäftigen, gegen jeden einzelnen Kilometer extra zu klagen, damit das schön lange dauert. Wenn wir dies in einem überschaubaren Zeitraum lösen wollen, werden wir mit Sicherheit gesetzliche Regelungen brauchen, die dieses Verfahren beschleunigen. Aber wir haben uns gegenseitig versichert ‑ und zwar jedes Bundesland ‑, dass wir diesen Weg mitgehen und das tun wollen, was in der Kompetenz der Länder liegt, um dieses Ziel zu erreichen. Allerdings bin ich ganz sicher, dies wird uns nicht nur ein Jahr, sondern es wird mehrere Jahre dauern, bis wir dies alles umgesetzt haben werden. Dann können auch die letzten Termine aus meiner Sicht entschieden werden.

Aber eines ist sicher: Wir müssen, um den Wirtschaftsstandort Deutschland weiterzuentwickeln ‑ daran sind alle Länder interessiert; die neuen vielleicht noch ein bisschen mehr als die älteren Bundesländer ‑, auch den Verantwortlichen in der Wirtschaft gegenüber verlässliche Aussagen darüber machen, mit welchen Strompreisen sie bei uns in Deutschland rechnen können. Das sind wir ihnen schuldig. Sonst werden sie einen Bogen um uns machen, und das wollen wir auch nicht.

Die Probleme, die wir lösen müssen, sind also sehr vielfältig miteinander verflochten und bedürfen auch politischer Strukturentscheidungen, zu denen wir unsere Bereitschaft erklärt haben.

MP Sellering: Es geht um die Energiewende. Das ist eine Riesenaufgabe, ich freue mich, dass die Bundeskanzlerin heute alle Ministerpräsidenten eingeladen hat, um darüber zu reden. Es geht darum, einen breiten gesellschaftlichen Konsens herzustellen. Aus Sicht der SPD muss ich allerdings daran erinnern, dass es diesen breiten gesellschaftlichen Konsens schon gegeben hat und dass heute sehr deutlich wird, wie leichtfertig und welch schwerer Fehler es war, ihn aufzukündigen.

Wer heute in der Erwartung hierher gekommen wäre, dass wir konkrete Vorschläge bekommen, der wäre enttäuscht worden. Aber ich glaube, damit konnte niemand rechnen. Wir haben heute das Verfahren besprochen, wie wir weiter vorgehen werden. Wir haben all jene Punkte angesprochen, von denen wir wissen, dass sie geregelt werden müssen. Energiewende bedeutet, dass wir auf der einen Seite so schnell wie möglich aus der Atompolitik aussteigen müssen und dass wir auf der anderen Seite so kraftvoll wie möglich in die erneuerbaren Energien hineingehen müssen.

Was den Atomausstieg angeht, sind wir natürlich auch heute unterschiedlicher Meinung gewesen. Das ist deutlich geworden. Wir meinen, dass die acht Kraftwerke, die jetzt vorübergehend vom Netz genommen worden sind, nicht wieder ans Netz gehen sollten. Sie sind offenbar entbehrlich. Die eine oder andere Irritation hat es darüber gegeben, dass jetzt nicht mehr von acht, sondern von sieben Kraftwerken die Rede ist. Wir meinen auch, dass man bei den übrigen auf keinen Fall im zeitlichen Ablauf hinter das zurückfallen darf, was schon mit dem rot-grünen Atomausstieg beschlossen worden war: dass das letzte Kraftwerk spätestens 2020 vom Netz genommen wird. Ziel muss es sein, diese Zeit, soweit das möglich ist, deutlich zu verkürzen. Nicht akzeptabel ist die Jahreszahl von 2035, die auch genannt worden ist. Ich glaube, das wurde sogar von dem einen oder anderen CDU-Gremium beschlossen. Ich habe mich gefreut, als ich eben spontane Zustimmung von den CDU-Ministerkollegen bekommen habe, die gesagt haben: Bis 2035, das ist in der Tat viel zu lang.

Die SPD-Seite wird selbstverständlich auch, was den Ausbau der erneuerbaren Energien angeht, in einem sehr engen Zeitrahmen konstruktiv mitarbeiten, wobei man aus unserer Sicht sagen muss: Natürlich könnten wir noch schneller sein. Dass wir jetzt zwei Kommissionen haben, ist ja auch ein bisschen Zeitgewinn, um diese sehr starke Wende um 180 Grad der Bundesregierung vielleicht nachträglich noch plausibel zu machen.

Kraftvoller im Bereich der erneuerbaren Energien, das bedeutet ‑ vor allem aus der Sicht der norddeutschen Ministerpräsidenten, die sich vor zwei Wochen zu diesem Thema versammelt und einen sehr weit gehenden Konsens erreicht haben ‑, ein besonderes Gewicht auf den Ausbau von Windenergie zu legen.

Wir haben in vielen Bundesländern schon sehr viel erreicht, zum Beispiel, dass wir kleine, regionale Einheiten haben ‑ die Stadtwerke spielen eine große Rolle ‑, die lokal eine Riesenchance auch für den dünn besiedelten ländlichen Raum bedeuten. Mecklenburg-Vorpommern ist davon sehr stark betroffen. Dazu muss man ganz positiv sagen: Das bedeutet, dass es lokale Wertschöpfung gibt, dass das Geld in der Region bleibt und dass es bezahlbare Energie gibt. Wenn wir allerdings von einer wirklichen Energiewende reden, dann können uns solche kleinen Einheiten mit dem, was sie liefern können, natürlich nicht wirklich helfen, sondern dann werden Offshore-Anlagen eine große Rolle spielen, weil sie die Möglichkeit bieten, auch große Mengen an Strom herzustellen.

Die große Herausforderung, vor der wir ja alle stehen, ist, dass wir den Industriestandort Deutschland im Auge behalten müssen, und der hat nun eben einmal einen hohen Strombedarf. Ein wichtiger Punkt, über den wir uns hier alle einig waren, ist, dass wir den energieintensiven Betrieben natürlich dabei helfen müssen, weiter in Deutschland zu bleiben.

Offshore-Betrieb bedeutet, dass wir riesige Summen investieren müssen. Das ist heute wegen der Risiken, die dahinter stehen, bankenfinanziert kaum möglich. Deswegen habe ich den ganz klaren Wunsch an die Bundesregierung, dabei mit Bürgschaftsprogrammen und Förderprogrammen zu helfen. Anders wird das nicht gehen. Die müssen dann auch so ausgestaltet sein, dass sie wirklich attraktiv sind und es zu Investitionen in diesem Bereich kommt. Es darf nicht sein, dass Unternehmen, die im Bereich der Offshore-Windkraft eine große Chance sehen, am Ende doch irgendwo anders investieren, sondern das soll bei uns passieren.

Ein wichtiger Punkt ist natürlich: Das, was dort in großen Mengen hergestellt wird, muss in den Süden und in den Westen transportiert werden, wo die großen Stromverbraucher sind. Dazu muss in ganz großem Umfang ein Netzausbau erfolgen. Ich halte, wenn es um die Energiewende als wichtigste Zukunftsaufgabe in Deutschland geht, gerade diesen Netzausbau für eine große nationale Infrastrukturaufgabe. Man wird das eben nicht mehr einzelnen Unternehmen oder dem Wettbewerb zwischen den Bundesländern überlassen können, sondern das muss eine gemeinsame Aufgabe sein, die wir auch so definieren.

Ich glaube, es ist klar geworden: Im Netz-, Speicher- und Offshore-Bereich sind noch sehr viele Fragen zu klären. Wir erwarten Innovationsschübe in diesem Bereich. Wir brauchen eine Verstärkung im Bereich von Forschung und Entwicklung. Daneben wird dieser ganze Bereich natürlich auch bedeuten, dass wir einen industriellen Schub bekommen. In Mecklenburg-Vorpommern spielt dieser Bereich schon eine sehr große Rolle. Im Windbereich haben wir die gesamte Wertschöpfungskette im Land, und wir versprechen uns davon natürlich Entwicklungschancen. Das wird auch in anderen Ländern so sein. Deshalb, glaube ich, sind wir gut beraten, diesen Weg gemeinschaftlich zu gehen. Dazu sind wir bereit.

Wir werden jetzt in den nächsten Wochen ‑ es gibt Einladungen vonseiten der Bundesebene ‑ gemeinschaftlich das zusammentragen, was wir an Ideen haben, und dann gemeinschaftlich dahin kommen. Noch einmal: Für die SPD-Seite spielt eine große Rolle, wie wir beim Atomausstieg zurechtkommen und wie wir gemeinschaftlich zu Verabredungen kommen. Dass darf zeitlich nicht zu weit gestreckt werden.

BM Brüderle: Diese Bundesregierung hat zum ersten Mal seit 1974 ein Energiekonzept erarbeitet, um langfristige, klare Zielvorstellungen vorzulegen. Das Ziel ist es, bis 2050 bei 80 Prozent regenerativer Energien anzugelangen. Die Kernenergie war immer als Brückentechnologie auf dem Weg zur Nutzung der regenerativen Energien verstanden worden.

Nach Fukushima ist klar: Auf dem Weg zu den erneuerbaren Energien müssen wir noch mehr Tempo machen. Gleichzeitig müssen wir die Zukunftsfähigkeit des Industriestandortes Deutschland erhalten. Dabei die Balance zu finden, ist für mich die Kernherausforderung. Dazu brauchen wir einen breiten gesellschaftlichen Konsens, eine wirksame Kooperation zwischen Bund und Ländern und eine Diskussion frei von ideologischen Scheuklappen. Wir müssen alle energiepolitischen Register ziehen, um dies zu bewerkstelligen.

Ich will drei Punkte erwähnen. Das erste Stichwort ist der Netzausbau. Wir werden in Kürze, wie die Bundeskanzlerin angekündigt hat, zum Netzplangipfel im Wirtschaftsministerium einladen, um mit den zuständigen Kollegen der Länder diese Beschleunigungsvorstellungen zu diskutieren und zu vertiefen. Das ist ein entscheidendes Thema. Nach der dena-Studie fehlen heute schon 3.600 Kilometer an Stromleitungen in Deutschland. Der bisherige Ablauf war: Acht Jahre Planungshorizont, bis man die baurechtliche Genehmigung hatte, und ein Jahr Bauzeit. Neun Jahre – in diesem Tempo kann das nicht vonstattengehen. Dann schaffen wir den beschleunigten Ausbau nicht, wie er allgemein ja von allen gewünscht wird. Deswegen gilt es, das zu vertiefen.

Das zweite Stichwort ist die Versorgungssicherheit. Die erneuerbaren Energien sind nicht grundlastfähig. Deshalb werden wir auch alle laufenden Kraftwerksprojekte, etwa Gaskraftwerke, miteinander diskutieren und betrachten müssen, ob sie beschleunigt werden können und wie sie beschleunigt werden können, damit dies auch von dieser Seite aus gewährleistet werden kann.

Das dritte Stichwort lautet aus meiner Sicht Zukunftstechnologien. Wir haben im Bundeskabinett den Weg für CCS und dafür frei gemacht, dass wir dabei neue Wege gehen können. Damit hat die Bundesregierung eine Hausaufgabe erledigt. Wir brauchen neue Speichertechnologien. Hierbei werden die Forschungsanstrengungen zu verstärken sein. Gemeinsam mit dem Kollegen im Umweltministerium und der Kollegin im Forschungsministerium wollen wir die Forschungsinitiative Energiespeicher erarbeiten. Die Vorarbeiten sind bereits abgeschlossen. Quasi ab heute können Forschungsanträge vorbereitet werden. Dafür stehen von dieser Seite 200 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung, um für eine Beschleunigung zu sorgen. Sie sehen: Wir reden nicht nur von Beschleunigung, wir handeln konkret.

BM Röttgen: Ganz wesentlich für eine neue Energieversorgung ist neben der Energieeffizienz natürlich der Ausbau der erneuerbaren Energien. Dank des Energiekonzepts vom letzten Herbst brauchen wir das nicht neu zu erfinden, sondern wir müssen und wollen es einfach umsetzen. Das bezieht sich ganz wesentlich auf die Windenergie, und zwar an Land und auf hoher See. Die Windenergie wird der Träger der erneuerbaren Energien in Deutschland sein.

Es sind drei Aspekte, die angegangen werden müssen. Der erste Aspekt ist ein einheitliches, aufeinander abgestimmtes Planungs- und Genehmigungsrecht für Windenergieanlagen, und zwar an Land wie auf hoher See. Dabei greifen kommunale Bauleitplanungen, Landeszuständigkeiten in der Raumordnung und bundesgesetzliche Kompetenzen ineinander. Wenn wir wirklich eine einheitliche nationale Energiepolitik haben wollen ‑ das war der Konsens, der heute geäußert worden ist ‑, dann braucht es hierbei ein aufeinander abgestimmtes Recht von Bund und Ländern, eine Vereinheitlichung, damit Investitionsklarheit in Deutschland herrscht.

Das heißt, wir brauchen dann einheitliche Abstandsregelungen bei der Windenergie an Land, einheitliche Höhenregelungen und Regelungen, um Eignungsflächen auszuweisen. Im Zentrum der Windenergie an Land steht nämlich das sogenannte Repowering, also die Ersetzung bisheriger Anlagen, die eine Leistung von etwa 1 Megawatt haben ‑ einmal etwas mehr, einmal etwas weniger ‑, durch neue Anlagen, die eine Leistung von 3 Megawatt haben. Das bedeutet also eine Doppelung bis Verdreifachung der Kapazität der Windenergie an Land.

Das Gleiche gilt für die Windenergie auf hoher See. Auch diesbezüglich sind die Genehmigungsverfahren zu verbessern. Das ist aber auch möglich, nämlich dadurch, die ganz unterschiedlichen Genehmigungen, die heute noch notwendig sind, in einem Genehmigungsverfahren zu konzentrieren, sodass wir ein konsistentes, einheitliches Planungs- und Genehmigungsrecht für Windenergie an Land und auf hoher See haben. Das ist eine ganz wichtige Grundlage für die Investitionen.

Der zweite Punkt ist schon von Herrn Sellering angesprochen worden: Das ist die Finanzierung, die Hilfe, der Kreditzugang für die Investoren bei Investitionen in die Windenergie auf hoher See. Das ist auch Teil des Energiekonzepts, das wir jetzt zügig umsetzen werden, nämlich ein 5-Milliarden-Kreditprogramm, finanziert und administriert durch die KfW, das den Investoren Zugang zu Kreditmitteln verschafft. Darum geht es. Das sind Risikoinvestitionen. Es ist nicht so leicht, dafür Kreditmittel zu bekommen. Darum ist die KfW hierbei als Brücke zu Krediten wichtig. Das wurde auch in dieser Dimension beschlossen.

Der dritte Punkt ist sozusagen die Systemfrage der erneuerbaren Energien, die ja langfristig, also bis 2050, 80 Prozent der Stromversorgung stellen sollen. Also muss es hierbei darum gehen, den rechtlichen Rahmen in Richtung einer stärkeren Marktintegration zu steuern. Das heißt, dass diejenigen, die erneuerbare Energien produzieren, sich selbst bald nicht mehr nur noch als Einspeiser verstehen, die eine festgelegte Vergütung bekommen, sondern sie müssen auch immer stärker Marktakteure werden, die sich nach Nachfrage und Angebot richten. Die Marktintegration wird also ein Leitmotiv der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sein, um das System zu verbessern.

Zweitens wird es darum gehen, Möglichkeiten der Kosteneffizienz weiter zu heben. Denn wenn das ein Volumenmarkt wird – 80 Prozent erneuerbare Energien ‑, dann sind konsequente Kosteneffizienz und Beherrschbarkeit der Kosten natürlich wesentlich. Auch diesbezüglich wird der Kurs fortgesetzt. Es hat bereits zweimal in dieser Legislaturperiode eine richtige, vom Markt hervorragend verkraftete Senkung der Fotovoltaik-Vergütungssätze gegeben, eben weil die Technologie erfolgreich war. Das hat sich in geringeren Marktpreisen widergespiegelt. Dann muss es sich auch in degressiven, also geringeren Vergütungssätzen ausdrücken.

Diese beiden Prinzipien der Kosteneffizienz und der Marktintegration werden die Leitmotive des Erfahrungsberichtes und dann auch der gesetzlichen Novellierung des EEG sein.

BM Ramsauer: Meine sehr geehrten Damen und Herren, die drei Stichworte im alleinigen Zuständigkeitsbereich meines Ministeriums lauten erstens Bauplanungsrecht, zweitens Verkehrsbereich, drittens Energieeffizienz im Gebäudebereich.

Im ersten Bereich, dem Bauplanungsrecht, arbeiten wir unter anderem an der Erleichterung des Repowerings, also, wie bereits gesagt worden ist, des Ersatzes vieler kleinerer Windenergieanlagen durch wenige große. Wir wollen hierbei die Möglichkeiten des kommunalen Planungsrechts ausweiten, auch bezüglich der Ausweisung von windhöffigen Gebieten.

Wir überprüfen zum Zweiten die Frage der Genehmigungsfreiheiten von Fotovoltaik-Anlagen, um auch im Bauplanungsrecht einen Anreiz zu geben, was den Ausbau der Sonnenenergie anbelangt.

Im komme zum Bereich Verkehr. Vorbemerkung: Im Verkehrs- und im Gebäudebereich werden 70 Prozent des gesamten Primärenergiebedarfs verbraucht. Das heißt, im Verkehrs- und im Gebäudebereich müssen wir ganz wesentlich ansetzen. Im Verkehrsbereich nenne ich zuerst unsere erheblich verstärkten Anstrengungen im Bereich der Elektromobilität. Wir werden am 16. Mai den Endbericht zur Nationalen Plattform Elektromobilität vorlegen. Wir arbeiten in meinem Hause derzeit intensiv an einer neuen nationalen Kraftstoffstrategie, die insbesondere auch den Biokraftstoffen der zweiten Generation großes Augenmerk widmet.

Ich komme zum dritten Bereich, dem Gebäudebereich. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, dass wir die Sanierungsquote im Gebäudebestand von 1 Prozent pro Jahr auf 2 Prozent erhöhen. Wir sind auf einem guten Weg, dieses Ziel Stück für Stück zu erreichen. Das wesentliche Instrument dazu ist seit dem Jahr 2006 das CO2-Gebäudesanierungsprogramm, das im Wesentlichen zusammen mit der KfW bestritten wird. Wir müssen im Rahmen unserer neuen energiepolitischen Schwerpunkte in den nächsten Wochen Klarheit darüber schaffen, wie wir auch in Anbetracht der Haushaltszwänge, denen wir unterliegen, im Bereich der Gebäudesanierung weiterkommen. Im Raum steht eine Summe von jährlich etwa 2 Milliarden Euro. Das ist eine Summe, die im Hinblick auf unser Ziel, auf eine Gebäudesanierungsquote von 2 Prozent pro Jahr zu kommen, plausibel ist und auch das ist, was sich am Markt umsetzen lässt.

Ein Letztes gehört im Grunde genommen eigentlich noch zum Bereich des Verkehrs: Ich lasse derzeit prüfen, inwieweit vorhandene Bundesfernstraßen, Bundeswasserwege und Eisenbahntrassen ‑ also vorhandene Trassen und Wege ‑ für den Netzausbau und den Leitungsbau genutzt werden können.

FRAGE: Frau Dr. Merkel, im Zusammenhang mit dem Energiekonzept ist viel über Zukunftstechnologien gesprochen worden. Dabei ist vor allem an erneuerbare Energien gedacht worden. Welche Rolle spielt eigentlich die Kernfusion und die Forschung in Sachen Kernfusion in diesem Energiekonzept? Konkret nachgefragt: Welche Zukunft sehen Sie für das Kernforschungsprojekt Wendelstein in Greifswald?

Herr Ramsauer, wenn es um Genehmigungszeiten und -zeiträume geht, welche Fristen schweben Ihnen dann vor? Wir haben gehört, dass 10, 15 Jahre in Deutschland die Regel für Stromtrassen etc. sind. Welche Jahreszahl schwebt Ihnen vor?

BK’IN Merkel: Ich habe selber schon das Wendelstein-Projekt in Greifswald besucht. Das halte ich genauso wie das Projekt ITER für ein sehr interessantes Forschungsprojekt. Zwischen der Frage des Ausstiegs aus der Kernenergie und der Frage der Nutzbarkeit der Kernfusion klafft eine ganz schöne Zeitspanne. Wir haben uns heute vorrangig damit befasst, jetzt erst einmal diese Zeitspanne Ausstieg und Umstieg auf alternative Energie auszufüllen. Wir werden diese Forschungsprojekte für die Kernfusion nicht aufgeben ‑ das ist vollkommen klar ‑, aber sie helfen uns im Augenblick nicht, die Probleme zu lösen, die wir lösen müssen. Das heißt also: Das, was hier dargestellt wurde, ist das, worum es hier erst bis zum 17. Juni geht, wenn ich das avisierte Bundesratsbeschlussdatum betrachte. Das andere geht weiter, richtet sich aber eher, wenn es um die praktische Anwendung geht, an die Zeit nach 2050 als um die Zeit bis 2050.

ZUSATZFRAGE (akustisch unverständlich; ohne Mikrofon)

BK’IN Merkel: Wir haben heute überhaupt nichts gekürzt. Wir haben nichts Schlimmes vereinbart. Alles kann in Ruhe weiter forschen. Es gibt höchstens noch jemanden, der vielleicht durch neue Forschungsprogramme Möglichkeiten bekommt. Keinem ist heute etwas weggenommen worden.

BM Ramsauer: Die Genehmigungsverfahren für Leitungstrassierungen werden derzeit von den Ländern in Länderhoheit durchgeführt. Es ist daran gedacht, dass man Teilkompetenzen ‑ koordinierende, zentralisierende Kompetenzen ‑ auf den Bund im Raumordnungsrecht überträgt, um besser zu koordinieren und um dadurch von den hohen Zeitabläufen herunterzukommen, die der Kollege Brüderle gerade genannt hat: Acht Jahre Planung und Genehmigung, bis man das Baurecht hat und dann die Umsetzung. Allerdings muss man darauf hinweisen, dass es bei der Verkürzung dieser Fristen selbstverständlich zu Zielkonflikten mit anderen Gütern kommen kann.

ZURUF: Können Sie bitte ein Beispiel für einen Zielkonflikt nennen?

BM Ramsauer: Am einfachsten wäre es, wenn es technisch möglich wäre ‑ aber ich sehe das sehr verhalten ‑, wenn man entweder im Untertagebau oder im Freileitungsbau Stromtrassen an vorhandene große Verkehrsinfrastrukturtrassen legen könnte ‑ wenigstens zum Teil.

Wenn Sie solche großen Trassen gegebenenfalls durch unberührte Naturgebiete legen müssen, wird das zu Zielkonflikten führen. Ich meine beispielsweise Gebiete natur- oder artenschutzrechtlicher Art, Wasserschutzgebiete, FFH-Gebiete oder Anlieger, die plötzlich möglicherweise elektromagnetische Felder und ähnliche Dinge wittern. Ich spreche hier von den Erfahrungen, die wir im Bereich der Verkehrsinfrastrukturplanung haben, wo gerade das von EU herrührende Arten- und Naturschutzrecht Standards errichtet hat, die oft zu jahrelangen Verzögerungen führen. Hierzu könnte ich Ihnen eine Reihe von Beispielen nennen.

BK’IN Merkel: Es gibt das sogenannte EnLAG, also das Energieleitungsausbaugesetz. Dort hat man zum Beispiel für bestimmte Trassen auf eine gerichtliche Instanz verzichtet. Auch das ist immer eine Frage der Abwägung, welche rechtlichen Einspruchsmöglichkeiten es gibt und was man dem Zeitaufwand geschuldet tun muss. Wenn es den Willen gibt ‑ und den Willen gibt es umfassend, wie ich heute festgestellt habe ‑, muss das jetzt auch sehr konkret ausgefüllt werden. Wenn es heute Bauzeiten von acht Jahren gibt, kann man sich vorstellen, dass man, wenn man schnell aus der Kernenergie aussteigen möchte ‑ Herr Sellering hat bestimmte Zeiten für die SPD-Seite genannt, auch wir wollen ja deutlich schneller aussteigen ‑, muss man damit sozusagen gestern begonnen haben, um im Jahr 2018 irgendeine Leitung fertiggestellt zu haben.

Insofern ist hier wirklich Eile geboten. Es ist klar, dass es Konflikte gibt, ob ich eine umfassende gerichtliche Durchlaufinstanz anstrebe oder ob ich versuche, das schnell zu entscheiden. Wir haben mit so etwas auch Erfahrungen, so zum Beispiel bei den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit und Ähnliches. Das hat sich unter dem Strich auch sehr bewährt.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, Sie kürzen auch nicht bei den Klimaschutzzielen in den Zwischenschritten bis 2050?

Zweitens. Wurde die Kontroverse um die CCS-Gesetzesinitiative ‑ ich meine die Kritik aus Brandenburg ‑ besprochen? Wenn ja, inwiefern?

BK’IN Merkel: Die Kritik aus Brandenburg haben wir heute nicht umfassend besprochen. Die habe ich nur kurz beim Shakehands mit Herrn Platzeck angesprochen. Ich glaube, das Land Brandenburg wollte gerne eine gesetzliche Regelung. Das ist auch ganz in meinem Interesse, denn es geht hier um ein Projekt, das einen Zuschuss von der Europäischen Union bekommt. Die gesetzliche Grundlage muss dafür vorhanden sein, denn sonst gibt es diesen Zuschuss nicht mehr. Dieser verfällt dann. Das hat etwas mit Konjunkturprogrammen zu tun, die wir vor Jahr und Tag verabschiedet haben. Die einzige Möglichkeit war, das Gesetz so auszugestalten, wie es ausgestaltet wurde. Das weiß Herr Platzeck auch. Deshalb glaube ich, dass die Kritik eigentlich ein indirektes Lob für den Bund war.

MP Böhmer: Auch Kollege Platzeck weiß, dass nicht alle Bundesländer seinen Standpunkt teilen. Das muss man ehrlicherweise dazu sagen.

BK’IN Merkel: Damit es überhaupt ein von allen Bundesländern geteiltes Gesetz gibt, haben wir es so gemacht, wie wir es gemacht haben. Wir fanden, dass wir damit Brandenburg eine Freude gemacht haben. Dass trotzdem damit noch nicht jeder der Meinung ist, dass das Projekt gut, das in Planung ist, gehört zu den bekannten Zielkonflikten, die wir haben. Auf der einen Seite wollen wir die Klimaziele erreichen. Auf der anderen Seite wollen wir manche Dinge nicht machen. Ich kann nur dafür werben, dieses eine Projekt in Brandenburg, das bezuschusst wird, umzusetzen. Es könnte für uns ein Exportschlager werden. Wer in seinem eigenen Land kein einziges Speicherprojekt für CCS hat, wird auch nicht dorthin, wo vielleicht eine Speicherung im größeren Umfang angewandt wird, die Kohlekraftwerke exportieren können. Wenn wir Arbeitsplätze wollen, ist das eine sehr, sehr gute Möglichkeit, das zu schaffen.

Wir haben heute keine Klimaschutzziele infrage gestellt. Wir haben uns gegenüber der Europäischen Union verpflichtet, 20 Prozent CO2 gegenüber 1990 einzusparen, 20 Prozent (der Energie aus) erneuerbaren Energien zu beziehen und die Energieeffizienz um 20 Prozent zu verbessern. Alle drei Ziele sind sehr anspruchsvolle Ziele, für die noch nicht die praktischen Grundlagen geschaffen sind. Diese Grundlagen müssen bis zum 17. Juni gelegt werden, damit das geschafft werden kann. Wenn wir diese drei Ziele erreichen, sind wir dem Ziel der Energiewende schon ein ganzes Stück näher gekommen.

FRAGE: Eine Frage an die Frau Bundeskanzlerin: Die Summe von 2 Milliarden Euro für die Gebäudesanierung ist von Herrn Ramsauer gerade genannt worden. Können Sie sich das auch vorstellen, ist das das, was man braucht?

Zweite Frage: Verschiedene Länder haben darauf hingewiesen, dass die Rolle der Kohle vielleicht neu bewertet werden müsse. Können Sie dazu etwas sagen?

Noch eine Frage an Herrn Röttgen: Wann wollen Sie die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vorlegen? Soll auch das im Zusammenhang mit dem 17. Juni mit im Bundestag beschlossen werden?

BK'IN Merkel: Was die Frage der Gelder für die Verbesserung der Gebäudesanierung anbelangt, so gibt es ja das Papier des Wirtschafts- und des Umweltministers, das das sicherlich von der Sache her sehr gut aufgelistet hat. Jetzt müssen in der Bundesregierung, insbesondere mit dem Finanzminister, Beratungen geführt werden. Wenn ich mich recht erinnere, geht es dabei auch um den schrittweisen Aufbau des Umfangs der Gebäudesanierung. Man muss sich jetzt einmal anschauen, was überhaupt an Finanzmöglichkeiten in Frage kommt. Diese Beratungen werden wir tätigen, sie werden allerdings auch bis zur Kabinettsbefassung am 6. Juni abgeschlossen sein; dann müssen sich die einzelnen Schritte auch erschließen. Am 6. Juni findet ja die Kabinettsbefassung statt, dann kommen die Beratungen, und bis zum 17. Juni muss das abschließend fertig sein. Das bedarf aber noch der Diskussion im Finanzministerium.

Zu Ihrer zweiten Frage: Heute ist natürlich auch über die Kohlekraftwerke gesprochen worden, insbesondere vonseiten der Länder, die über Braunkohlevorkommen verfügen. Das muss man sich anschauen. Es ist über Gaskraftwerke als Ersatzkraftwerke gesprochen worden, es ist über Kohlekraftwerke gesprochen worden. Ich glaube, man kann sagen, dass bei allem Ausbau der erneuerbaren Energien ein beschleunigter Ausstieg aus der Kernenergie zu Ersatzkraftwerken auch im fossilen Bereich führen wird. In welcher Form das sein wird, muss man schauen. Daraus ergibt sich auch, dass wir, wenn wir die CO2-Bilanz einhalten wollen, im Bereich der Energieeffizienz mehr tun müssen; denn ansonsten gerät die CO2-Bilanz natürlich aus dem Plan. Das sind also die Aufgaben, die zusammengebracht werden müssen.

BM Röttgen: Zum EEG: Zunächst ist ja der Erfahrungsbericht des EEG vorgesehen bzw. vorgeschrieben. Man macht ja nicht sozusagen einfach einmal eine Novelle, sondern zuerst werden die Erfahrungen mit der Förderung ausgewertet, und darauf aufbauend findet dann die EEG-Novelle statt. Die Novelle war einmal für den 1. Januar 2013 vorgesehen und ist dann um ein Jahr vorgezogen worden. Der Erfahrungsbericht war ursprünglich für den Mai vorgesehen, und für den Herbst dann die Gesetzgebung. Wir streben an ‑ ich glaube, dass wir das auch schaffen werden ‑, Eckpunkte der EEG-Novelle auf der Basis des Erfahrungsberichtes als Teil des Kabinettsbeschlusses vorschlagen zu können.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, ich habe noch nicht ganz verstanden, was bis zum 17. Juni im Bundestag zur Abstimmung gestellt werden soll. Geht es dabei nur um Rechtsgrundlagen, die die alten, jetzt stillstehenden Meiler betreffen, also um eine Art Nachfolgeregelung für das Moratorium, oder um umfassende Regelungen und Änderungen an allen Gesetzen, die die Energiewende, die Sie hier ja vorstellen, betreffen?

Zweite Frage: Wie soll das eigentlich vom Verfahren her ablaufen? Die Zeit zwischen dem 6. und dem 17. Juni ist denkbar kurz; das geht ja ‑ so, wie ich es jetzt verstehe ‑ ohne Beschleunigung eigentlich nicht.

BK'IN Merkel: Gerade das ist ja auch die positive Botschaft, die wir Ihnen hier gemeinschaftlich überbringen wollten: Dass es einen politischen Willen gibt, zu beschleunigen. Der Bundesrat hätte auch sagen können: Wir haben einen Anspruch auf dreiwöchige Beratungsfrist. Wir haben uns aber verabredet ‑ und wenn die Gemeinsamkeit und auch die gemeinsame Arbeit so fortgesetzt wird, wie wir das heute besprochen haben, dann besteht dazu auch die Bereitschaft ‑, das in dieser kurzen Zeit wegen der Wichtigkeit und Dringlichkeit der Aufgabe schaffen. Damit wird dann auch denjenigen Ländern, auf deren Grund Kernkraftwerke angesiedelt sind, die Möglichkeit gegeben, die zeitlichen Abläufe so abzustimmen, dass die atomgesetzliche Regelung, die festlegt, was mit den Kernkraftwerken geschieht, Hand in Hand mit dem Ende des Moratoriums geht, damit da keine Rechtsunsicherheit entsteht.

Ich glaube, es schon gesagt zu haben, aber ich wiederhole es gerne: Es geht nicht nur um Veränderungen des Atomgesetzes im Hinblick auf die Laufzeit und auch nicht nur um die sieben im Augenblick im Stillstand befindlichen Kernkraftwerke. Ich will es vielleicht noch einmal sagen: Das achte ist ja das Kernkraftwerk Krümmel. Krümmel steht still, dazu bedurfte es keines Moratoriums. Krümmel wäre auch nach dem rot-grünen Ausstiegsbeschluss heute noch am Netz, es steht aber trotzdem. Insofern ist Krümmel noch einmal zu betrachten, hat mit dem Moratorium für die sieben alten Meiler aber eigentlich nichts zu tun. Es wird also hinsichtlich des Ausstiegsdatums für alle Kernkraftwerke eine Regelung geschaffen werden, nicht nur für die sieben älteren. Zusätzlich wird es eine Reihe von Gesetzen ‑ wahrscheinlich in Form eines Artikelgesetzes ‑ geben, die sich mit der Frage des Netzausbaus und der Frage des Planungsrechts beschäftigen. Norbert Röttgen hat eben von Eckpunkten für das Erneuerbare-Energien-Gesetz gesprochen, es wird aber auch um politische festgelegte Maßstäbe für die Frage der erneuerbaren Energien und ihre Zukunft gehen. Wir werden außerdem versuchen, mit der Kommission zum Beispiel über die Frage der energieintensiven Industrie zu sprechen.

Das heißt also, es wird der sehr ambitionierte Versuch unternommen ‑ und dazu gibt es den großen politischen Willen ‑, zumindest einen Rahmen erscheinen zu lassen, in dem nicht nur der Ausstieg aus etwas klar ist, sondern in dem auch klar ist, wie eine eigenständige deutsche Energieversorgung bis zu diesem Zeitpunkt ohne Kernenergie lösbar ist. Insofern haben Sie recht, wenn Sie sagen, dass da eine ganze Menge zu tun ist. Es gibt aber auch viele Fragen, die schon sehr lange diskutiert werden; vielleicht ist jetzt einfach der Zeitpunkt gekommen, zu dem man sagen muss: Entscheiden, entscheiden, entscheiden, entscheiden.

FRAGE: Herr Röttgen, ich entsinne mich, dass Sie bei Ihrem ersten Energiekonzept besonders stolz auf die solide Durchfinanzierung waren. Ich kann zurzeit noch nicht erkennen, wie es bei der Finanzierung des neuen Energiekonzepts aussehen soll. Sie sprachen von 5 Milliarden Euro für die Offshore-Windenergie; das war aber meines Wissens auch schon im alten Programm so vorgesehen. Ich kann nicht erkennen, wo Sie mehr Geld in die Hand nehmen wollen, außer beim Gebäudesanierungsprogramm. Beschleunigung würde doch aber auch bedeuten, dass man die Finanzierung verstärken muss?

BM Röttgen: Einen wichtigen Punkt haben Sie gerade selber aufgenommen: Das ist die (Steigerung der) Gebäudeeffizienz. Wie sie erfolgt, wird man am Ende sehen, denn natürlich gehört zu diesem Energiekonzept auch ein Finanzkonzept. Aus meiner Sicht gehört aber eben auch der ganz wichtige Bereich der Energieeffizienz dazu. Sie haben aber auch zu Recht bemerkt, dass wir neben den Instrumenten, auf die wir jetzt zurückgreifen ‑ diese Instrumente müssen wir nicht neu erfinden, sondern die sind da ‑, auch Finanzierungsinstrumente haben. Ich verweise insbesondere auf den Energie- und Klimafonds ‑ ‑

BK'IN Merkel: Damit ist nicht der von den Kraftwerken gemeint. Ihr Blick legt nahe, dass Sie etwas anderes im Kopf haben als das, was der Minister meinte.

BM Röttgen: Ich glaube nur, dass Sie im Irrtum über die Finanzierung dieses Fonds sind. Der Fonds ist in einem eigenen Gesetz etabliert worden, also unabhängig vom jeweiligen Budget und vom Haushalt, und gewährleistet darum auch Verlässlichkeit. Die Finanzierung dieses Fonds ist ab 2013 ‑ da baut er sich nämlich in der Größenordnung von 3 Milliarden Euro auf ‑ auf 100 Prozent der zusätzlichen Erlöse aus dem CO2-Zertifikatehandel gestützt. Dieser Fonds ist mitnichten infrage gestellt, sondern er ist relativ verlässlich, auch weil ihm sehr konservative Annahmen beim Tonnenpreis zugrunde gelegt worden sind. Außerdem geht es jetzt noch um die Frage der Gebäudeeffizienz, und dann geht es darum, die Dinge auch zu machen. Das ruht sehr stark im Genehmigungsrecht, im Planungsrecht und in den Vorschriften und Regelungen zum Netzausbau. Wenn man das alles zusammen hat ‑ rechtliche Regelungen, Finanzierungen und Gebäudeeffizienz ‑, dann ist das eine ganz schöne Beschleunigung, die wir damit hinbekommen können.

BK’IN Merkel: Der zusätzliche Ausbau der erneuerbaren Energien erfolgt ja jeweils über das EEG, wird also auf den Strompreis umgelegt. Auch da haben wir innerhalb der Arten der erneuerbaren Energien durchaus Variationsmöglichkeiten, die bei der Novelle des EEG auch in Betracht gezogen werden.

FRAGE: Frau Dr. Merkel, Sie haben am Anfang von lebhaften und lebendigen Diskussionen gesprochen. Mir geht es darum, worüber so lebhaft gesprochen wurde. Ging es auch um zeitliche Abläufe, darum, bis wann an einen Ausstieg aus der Atomenergie gedacht wird? Was ist als späterer Zeitpunkt genannt worden?

Noch eine Frage an Herrn Brüderle: Hat Ihre Bemerkung, dass die Kosten der Energiewende bei ein bis zwei Milliarden Euro jährlich liegen könnten ein Echo in den Gesprächen gefunden?

BK’IN Merkel: Ich hatte eigentlich mehr noch die lebendigen Gespräche für die Zukunft prognostiziert. Heute gab es ein sehr ruhiges, engagiertes Gespräch, würde ich sagen.

MP Sellering: Bei allen kritischen Bemerkungen ruhig.

BK’IN Merkel: Es gab ja, so wie Herr Sellering das auch gesagt hat, zu der Frage der Laufzeiten keine abschließenden Entscheidungen, es ist allerdings auch von unserer Seite klargemacht worden, dass wir eine deutliche Verkürzung des Ausstiegs wollen. Insofern, glaube ich, werden zum gegebenen Zeitpunkt die entsprechenden Entscheidungen auch gefällt werden können. Die SPD-Seite hat ihre Rahmendaten genannt. Ansonsten hat die Diskussion sozusagen reflektiert, wie die unterschiedlichen Interessenlagen in den Ländern einfach sind. Das geht dann auch nicht nach Parteifarben. Die Nord-Länder haben das Problem mit dem Ausbau der Windenergie. Es gibt zwar das Offshore-Programm, und das war auch in unserem Erneuerbare-Energien-Programm vom Herbst enthalten; nur, es muss zum Laufen gebracht werden. Es ist zu fragen, warum das noch nicht so funktioniert, wie es funktionieren sollte. Die Netzentgelte werden nur regional umgelegt, und daher trägt der Norden die gesamte Belastung im Netzbereich und damit auch beim Strompreis. Aus dem südlichen Bereich ist gefragt worden: Wie erreicht uns der Strom? Die Kohleländer und die Braunkohleländer haben wiederum (von ihren Belangen) gesprochen.

Es war eine sachbezogene und in dem Sinne umfassende Diskussion, als das gesamte Spektrum der zu lösenden Aufgaben aufgelistet wurde und als Einigkeit über die Zeit der Abarbeitung und die Art der Abarbeitung besteht. Die Diskussion war ruhig, aber engagiert und vor allen Dingen von dem gemeinsamen Willen getragen, hier etwas zustande zu bringen.

BM Brüderle: Dass wir gesagt haben, das habe überhaupt keine Rolle gespielt, bezog sich auf die Meldung einer Zeitung, die einen Betrag genannt hat. Heute Morgen habe ich in einem Interview gesagt: Das kann man noch gar nicht abschätzen, aber man kann nicht ausschließen, dass eine gewisse Größenordnung dabei herauskommt; das, was Herr Kollege Ramsauer gesagt hat, würde allein schon diese Größenordnung erreichen. Das heute in der Zeitung war rein spekulativ. Das war kein Gegenstand der Gespräche hier.