Papst gibt Ermutigung und Auftrag

Merkel bei Karlspreis-Verleihung Papst gibt Ermutigung und Auftrag

Die Kanzlerin hat die Wortes des Papstes bei der Karlspreis-Verleihung als Ermutigung und Aufforderung zum Handeln gewürdigt. Merkel nahm an der Zeremonie im Vatikan teil. Zuvor hatte sie Gelegenheit zu einem kurzen Austausch mit dem Pontifex.

Im Vatikan wurde Papst Franziskus der Internationale Karlspreis verliehen. Kanzlerin Merkel nahm an der Zeremonie teil.

Im Vatikan wurde Papst Franziskus der Internationale Karlspreis verliehen. Kanzlerin Merkel nahm an der Zeremonie teil.

Foto: Bundesregierung/Güngör

Die Bundeskanzlerin zeigte sich von den Ausführungen des Papstes bei der Zeremonie im Vatikan beeindruckt. "Er hat uns aufgefordert, drei Dinge zu beachten: die Fähigkeit zum Dialog, die Fähigkeit zur Integration und die Fähigkeit, etwas hervorzubringen", so die Kanzlerin. "Ich denke, das Hervorbringen, nachdem die Gründungsväter Europas so vieles geschafft haben, ist für uns Auftrag zu handeln und Europa zusammenzuhalten. Sei es, wenn es um die Währung geht, sei es, wenn es um den Schutz unserer Außengrenze geht, und vor allen Dingen die Menschlichkeit und die humanitäre Aufgabe Europas nicht zu vergessen", erklärte Angela Merkel in Rom nach der Verleihung des Karlspreises an den Pontifex.

Merkel bei Privataudienz

Papst Franziskus und Kanzlerin Merkel beim Gespräch am 6. Mai 2016 im Vatikan.

In Rom hatte die Kanzlerin Gelegenheit zu einem Gespräch mit Papst Franziskus.

Foto: Bundesregierung/Güngör

Kurz vor der Karlpreisverleihung hatte Papst Franziskus die Kanzlerin im Vatikan zu einer Privataudienz empfangen. "Das Thema war natürlich auch der Friede und wie man Frieden in Syrien und in anderen Plätzen schaffen kann. Es war die Rede von dem Auftrag Europas als eines reichen Kontinents, Hilfe und Unterstützung zu leisten. Es war für mich sehr wichtig, dass ich dieses Gespräch führen konnte", betonte Merkel.

Papst Franziskus überreichte Angela Merkel nach der Privataudienz einen Friedensengel. Die Bundeskanzlerin bedankte sich mit den Worten: "Das können wir gut gebrauchen in Europa." Es war in dieser Form das dritte persönliche Treffen der Kanzlerin und des katholischen Kirchenoberhauptes. Zuletzt war Merkel im Februar 2015 zu einer Privataudienz in Rom gewesen.

Würdigung der herausragenden Botschaften des Papstes

Der Vorsitzende des Karlspreis-Direktoriums, Jürgen Linden, erklärte bei der Verleihung des Karlspreises in der Sala Regia des Apostolischen Palastes, Papst Franziskus gebe "Mut und Zuversicht, Europa wieder zu dem Traum zu machen, den wir seit mehr als 60 Jahren zu träumen gewagt haben".

Das Direktorium fühle sich beehrt, im Jahre 2016 Seine Heiligkeit Papst Franziskus in Würdigung der herausragenden Botschaften und Zeichen, die sein Pontifikat für Frieden und Verständigung, für Barmherzigkeit, Toleranz, Solidarität und die Bewahrung der Schöpfung setze, mit dem Internationalen Karlspreis zu Aachen auszeichnen zu dürfen.

Der Internationale Karlspreis zu Aachen wird seit 1950 an Persönlichkeiten und Institutionen vergeben, die sich um die Einigung Europas verdient gemacht haben. Zu den früheren Preisträgern zählen der ehemalige US-Präsident Clinton, EU-Kommissionspräsident Juncker und Bundeskanzlerin Merkel (2008). Nach Papst Johannes Paul II. im Jahr 2004 wird in diesem Jahr zum zweiten Mal das Kirchenhaupt der Katholischen Kirche als großer Europäer mit dem Karlspreis geehrt.

"Stimme des Gewissens"

Aachens Oberbürgermeister Marcel Philipp sagte: Es sei ein "großes Glück", dass Franziskus ohne einen "Wohlstandsschleier" auf den in Widersprüche verzerrten Kontinent schaue. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz erklärte, dass Europa eine Solidaritätskrise durchlaufe und Gefahr laufe, das Erbe von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit und grenzüberschreitender Zusammenarbeit zu verspielen.

Jenen, die 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder Mauern und Zäune in Europa errichten wollten, warf Schulz Geschichtsvergessenheit und Realitätsverweigerung vor. Damit gefährdeten sie eine unserer größten europäischen Errungenschaften - die Freizügigkeit. Die gemeinsame Wertebasis gerate ins Wanken, so der Präsident des Europaparlaments. "Jetzt ist es an der Zeit, für Europa zu kämpfen", so Schulz.

EU-Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker erinnerte in seiner Rede an die zwölf Flüchtlinge aus Lesbos, die Papst Franziskus aufgenommen hatte. Er forderte die Regierenden in Europa auf, zum Mut ihrer Vorgänger zurückzufinden.

"Ich träume von einem jungen Europa"

Kanzlerin Merkel gratuliert den neuen Karlspreisträger, Papst Franziskus.

Kanzlerin Merkel gratuliert Papst Franziskus nach der Verleihung des Internationalen Karlspreises.

Foto: Bundesregierung/Güngör

In seiner Dankesrede forderte Papst Franziskus Europa dazu auf, sich an seine Gründerväter und deren Ideale zu erinnern. "Sie hatten die Kühnheit, nicht nur von der Idee Europa zu träumen, sondern wagten, die Modelle, die bloß Gewalt und Zerstörung hervorbrachten, radikal zu verändern." Die Pläne der Gründerväter, jener Herolde des Friedens und Propheten der Zukunft, seien nicht überholt. Heute mehr denn je regen sie an, Brücken zu bauen und Mauern einzureißen, betonte Franziskus.

"Ich träume von einem jungen Europa, das fähig ist, noch Mutter zu sein: eine Mutter, die Leben hat, weil sie das Leben achtet und Hoffnung für das Leben bietet. Ich träume von einem Europa, das sich um das Kind kümmert, das dem Armen brüderlich beisteht und ebenso dem, der Aufnahme suchend kommt, weil er nichts mehr hat und um Hilfe bittet. Ich träume von einem Europa, das die Kranken und die alten Menschen anhört und ihnen Wertschätzung entgegenbringt, auf dass sie nicht zu unproduktiven Abfallgegenständen herabgesetzt werden", so der Papst.

Und weiter: "Ich träume von einem Europa, in dem Migrant zu sein kein Verbrechen ist, sondern vielmehr eine Einladung zu einem größeren Einsatz mit der Würde der ganzen menschlichen Person. Ich träume von einem Europa, wo die jungen Menschen die reine Luft der Ehrlichkeit atmen, wo sie die Schönheit der Kultur und eines einfachen Lebens lieben, die nicht von den endlosen Bedürfnissen des Konsumismus beschmutzt ist; wo Heiraten und Kinderwunsch eine Verantwortung wie eine große Freude sind und kein Problem darstellen, weil es an einer hinreichend stabilen Arbeit fehlt", so Franziskus.

Treffen mit Ministerpräsident Renzi

Am Donnerstag war Merkel in Rom zu einem Gespräch mit dem italienischen Ministerpräsidenten Renzi zusammengekommen. Die EU müsse ihre Außengrenzen gemeinsam schützen und das Schengenabkommen für visafreien Grenzverkehr verteidigen, sonst drohe ein Rückfall in den Nationalismus, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in Rom . Europa sei in einer sehr fragilen Phase, mahnte Merkel. "Aber Europa ist unsere Zukunft." In Grenzschließungen innerhalb Europas sieht sie keine Lösung für die Flüchtlingskrise.

Europa muss fair zusammenarbeiten

Pressestatement Merkel und Renzi

Merkel: Die Flüchtlingskrise ist ein europäisches Problem.

Foto: Bundesregierung/Güngör

Merkel würdigte Italiens Leistung bei der Registrierung der Flüchtlinge und dem Aufbau der Hotspots. Aber Europa müsse sich solidarisch zeigen: Es gehe um ein europäisches Problem, keines, mit dem man ein Land alleine lassen könne. Man könne sagen, dass der Schengen-Raum vom Mittelmeer bis zum Nordpol reiche, so Merkel. "Entweder wir verteidigen die Außengrenze und lernen, sie gemeinsam zu schützen, oder wir werden in Nationalismus zurückfallen."

Wichtig sei es, Fluchtursachen in Afrika zu bekämpfen und die Lasten in Europa zu verteilen. "Wir können uns nicht gegenseitig im Stich lassen. Wir können nicht einfach irgendwo Grenzen schließen, die keine Außengrenzen sind, sondern wir müssen fair miteinander zusammenarbeiten", unterstrich die Kanzlerin. Hier müsste man die Anstrengungen weiter verstärken. Auch Renzi betonte, wie wichtig internationale Hilfe vor Ort sei.

Die Bundeskanzlerin und ihr italienischer Amtskollegen hatten sich zuletzt am 25. April in Hannover getroffen. Gemeinsam mit US-Präsident Obama, dem französischen Präsidenten Hollande und Großbritanniens Premier Cameron sprachen sie bereits über internationale Themen im Zusammenhang mit der Umsetzung des EU-Türkei-Abkommens, illegale Migration und die Lage in Libyen.