Mix verschiedener Energieträger wichtig

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Merkel-Interview Mix verschiedener Energieträger wichtig

"Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit der Energie sowie Umwelt- und Klimafreundlichkeit" sind Maßstab für Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes. Trotz Krim-Krise sieht sie die Energieversorgung nicht gefährdet, wie sie im Gespräch mit der Passauer Neuen Presse ausführt.

  • Interview mit Angela Merkel
  • Passauer Neue Presse
Windkraftanlagen und Biogasanlage inmitten von Bäumen.

Ziel bis 2020: 40 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren Energien

Foto: Thomas Trutschel/photothek.net

Das Interview im Wortlaut:

Passauer Neue Presse (PNP): Frau Bundeskanzlerin, Sie regieren mit zwei Männern: Dem einen, SPD-Chef Sigmar Gabriel, sagt man nach, er sei nicht verschwiegen, dem anderen, CSU-Chef Horst Seehofer, dass er in seiner Meinung arg flexibel sei. Wie charakterisieren Sie Ihre Partner?

Angela Merkel: Horst Seehofer und ich sind die Vorsitzenden von Schwesterparteien und schon deshalb haben wir ein sehr vertrauensvolles Verhältnis. Wir haben noch für alles gemeinsam eine Lösung gefunden, auch bei kniffligen Problemen - und so wird es auch bleiben. Sigmar Gabriel und ich arbeiten sehr gut miteinander. Wir haben während der gesamten Koalitionsverhandlungen auch schwierigste Sachfragen vertrauensvoll miteinander besprechen können.

PNP: Beobachter allerdings sorgen sich um den Zustand der Koalition. Wie stabil ist dieses Bündnis?

Merkel: Natürlich waren die Vorgänge um Herrn Edathy eine Belastungsprobe, aber ansonsten fühlen wir uns der guten Sacharbeit verpflichtet. Ob nun um die Zusammenarbeit zur Lage in der Ukraine oder bei der Energiewende, beim Mindestlohn und Rente oder dem Haushalt, den wir diese Woche verabschiedet haben - diese Aufgaben fordern uns jeden Tag. Wir gehen sie Schritt für Schritt gemeinsam an.

PNP: Ist die Edathy-Affäre aus Ihrer Sicht beendet?

Merkel: Es steht eine Reihe offener Fragen im Raum, die im Bundestag beantwortet werden. Ich unterstütze alles, was der Aufklärung dient.

PNP: Horst Seehofer hat gesagt, Sie würden 2017 wieder antreten. Nachdem Sie ihn eben so gelobt haben, dürfen wir damit rechnen, oder?

Merkel: Wer mich kennt - und Horst Seehofer kennt mich gut - weiß, dass ich die Fragen dann beantworte, wenn sie anstehen. Jetzt ist die neue Bundesregierung noch nicht einmal 100 Tage im Amt, es geht also darum, dass wir zusammen gute Arbeit für die Menschen in Deutschland leisten.

PNP: Finden Sie Ihrerseits, dass Horst Seehofer über 2018 hinaus weitermachen sollte?

Merkel: Grundsätzlich trifft jeder seine Entscheidung selbst und Horst Seehofer hat ja schon verkündet, dass er dann aufhören will.

PNP: In Bayern gibt es großen Streit um die Energiewende. Werden sich mit dem neuen EEG die Probleme bald erledigt haben?

Merkel: Wir arbeiten für eine grundlegende Reform, die uns bei der Energiewende voranbringt. Im Zusammenhang mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG haben wir mit der EU-Kommission zur Zeit schwierige Gespräche zu führen. Uns geht es darum, dass unsere energieintensiven Unternehmen eine Zukunft in Deutschland haben und wir die Arbeitsplätze hier halten können. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien haben wir außerdem regional große Unterschiede. Im Norden ist man sehr an mehr Windenergie interessiert, im Süden spielt Biomasse eine große Rolle. Dass sich daraus unterschiedliche Forderungen ergeben, liegt in der Natur der Sache. Bis zum 9. April, wenn wir das neue EEG im Kabinett behandeln wollen, werden wir uns bemühen, diese Differenzen zu klären. Unser Maßstab können dabei nicht die Wünsche jeder einzelnen Region sein, sondern das Interesse des ganzen Landes - und das fasse ich in drei Begriffen zusammen: Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit der Energie sowie Umwelt- und Klimafreundlichkeit. Was Bayern anbelangt, so ist es richtig, dass die Biomasse grundlastfähig ist, also anders als Wind oder Sonne rund um die Uhr zur Verfügung steht. Dieser Vorzug ist natürlich bei der Subventionierung in Betracht zu ziehen. Wir arbeiten daran, dass wir ausreichend Kapazitäten zur Energieproduktion haben - damit in allen Teilen Deutschlands Strom auch weiter unverändert verlässlich zur Verfügung steht. Dafür werden wir neue Leitungen brauchen.

PNP: Die bayerischen Wünsche beim Biogas werden also erfüllt?

Merkel: Ich versuche, die Anliegen eines jeden zu verstehen. Es wird eine gute Diskussion mit den Bayern geben und eine faire Lösung, die sich in das Gesamtziel und das Interesse der Allgemeinheit fügt.

PNP: Wie sieht diese faire Lösung aus? Gaskraftwerke für Bayern? Oder Entgegenkommen bei den geplanten Stromtrassen?

Merkel: Da gibt es kein Entweder-Oder. Die Versorgungssicherheit muss in Bayern gewährleistet sein. Und genauso unbestritten müssen Stromleitungen wie die Thüringer Strombrücke bis zur Abschaltung des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld gebaut werden. Wenn in Bayern zusätzliche Kapazitäten unerlässlich sind, dann werden sie selbstverständlich nach Bedarf auch gebaut. Darüber entscheidet die Bundesnetzagentur.

PNP: Die Thüringer Strombrücke ist ja auch unbestritten. Die Bundesnetzagentur will Gleichstromtrassen.

Merkel: Da beginnen jetzt erst die Planungen, und sie werden beständig an den realen Bedarf angepasst - genau wie Horst Seehofer es anmahnt. Sobald das neue EEG verabschiedet ist, schauen sich die Bundesnetzagentur und die Übertragungsnetzbetreiber den Netzausbauplan noch einmal genau an, denn die Reform verschiebt womöglich einiges. Wir werden präzise fragen: Wo wird welcher Strom gebraucht und wo wird er erzeugt? Aus den Antworten darauf ergibt sich, welche Gleichstromtrassen wir am Ende brauchen.

PNP: Wie hilfreich war der Beitrag Horst Seehofers bei dieser Diskussion?

Merkel: Nach Gesprächen im Kanzleramt sind wir uns alle einig, dass wir Schritt für Schritt vorgehen.

PNP: Auf dem weißblauen Wunschzettel stehen auch Gaskraftwerke.

Merkel: Es kann sein, dass örtlich Bedarf an zusätzlichen Kapazitäten besteht. Wenn Grafenrheinfeld abgeschaltet wird, muss solche zusätzliche Kapazität da sein. Das entscheidet die Bundesnetzagentur.

PNP: Bayern will jedenfalls keinen Kohlestrom. Hat Kohlestrom Zukunft?

Merkel: Die Stromproduktion muss umwelt- und klimafreundlich sein. Kohlestrom ist nicht sehr umweltfreundlich, auch wenn wir auf ihn zur Zeit noch nicht verzichten können. Aber der Weg in die Zukunft der erneuerbaren Energie ist ja klar vorgezeichnet. Bis 2020 wollen wir 40 Prozent erneuerbare Energien haben, 2050 dann 80 Prozent. Dann spielt der Kohlestrom kaum noch eine Rolle, stattdessen werden mehr Gaskraftwerke zum Einsatz kommen.

PNP: Gaskraftwerke brauchen Gas, vor allem auch russisches. Zeigt die derzeitige Krise in der Ukraine, wie abhängig wir sind? Können wir das Problem lösen?

Merkel: Wir beziehen 35 Prozent unseres Gases aus Russland, das ist keine Abhängigkeit. Deutsche Unternehmen haben bewusst auf russisches Gas gesetzt. Es wurden Verträge abgeschlossen, teilweise sehr langfristige - und bisher hat Russland immer geliefert. Gleichzeitig ist es gut, ganz unterschiedliche Bezugsquellen und einen Mix aus verschiedenen Energieträgern zu haben. Darauf haben wir in Deutschland ja auch immer gesetzt und uns dadurch nie in Abhängigkeit gebracht.

PNP: Erwarten Sie eine politische Zuspitzung, die die Versorgungssicherheit berühren könnte?

Merkel: Nein. Dessen ungeachtet gibt es durch das inakzeptable völkerrechtswidrige russische Vorgehen auf der Krim politische Probleme mit Russland, die wir zusammen mit unseren Partnern in der Europäischen Union und den USA lösen wollen. Die russische Seite war allerdings selbst im Kalten Krieg ein stabiler Lieferant und hat auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran.

PNP: Wir sind von Freunden umzingelt: Auf der einen Seite die Amerikaner - die sich etwa in der Abhöraffäre wenig um unsere Befindlichkeiten scheren. Und auf der anderen Seite die Russen, zu denen wir in den letzten 20 Jahren Nähe aufgebaut haben, aber die nun Panzer aufrollen lassen. Wie stark ist die EU?

Merkel: Die EU betreibt eine sehr aktive Außenpolitik in alle Richtungen, und sie ist dann stark, wenn sie einig auftritt. Ich habe immer betont, dass die Vereinigten Staaten von Amerika unser engster Verbündeter sind. Das transatlantische Verhältnis ist für uns alle von überragender Bedeutung, in wirtschaftlicher wie sicherheitspolitischer Hinsicht. Das schließt übrigens nicht aus, dass wir in den Fragen von Datenschutz und bei der Begrenzung der Aktivitäten der Nachrichtendienste unterschiedlicher Meinungen sind. Wir werden diese Meinungsunterschiede auch nicht schnell überwinden. Ganz anders ist das Verhältnis zu Russland zu bewerten. Hier steht aktuell die Frage im Raum, ob Russland akzeptiert, dass Menschen in der Ukraine einen bestimmten Weg der Freiheit und Demokratie gehen wollen, oder ob Russland an einem Denken in Einfluss-Sphären festhält, das wir im 20. Jahrhundert kannten, das aber nicht in die Zeit des 21. Jahrhunderts passt.

PNP: Was fordern Sie?

Merkel: Dass die Ukraine frei und selbstbestimmt ihren Weg wählen kann, dass Russland ihre Souveränität und ihr Territorium respektiert.

PNP: Wie lange wird die Unsicherheit anhalten?

Merkel: Ich erwarte keine Lösung innerhalb weniger Tage. Wir müssen beharrlich darauf hinarbeiten, dass ein politisch-diplomatischer Ausweg gefunden wird. Wir haben dafür eine Kontaktgruppe vorgeschlagen, damit direkte Gespräche geführt werden können. Eine OSZE-Beobachtermission sollte in der Ukraine und das heißt auch auf der Krim ungehindert arbeiten können. Russland ist auf beide Vorschläge bisher noch nicht wirklich eingegangen. Wichtig für die innere Stabilisierung der Ukraine ist es außerdem, dass es dort zu ungestörten und freien, demokratischen Wahlen Ende Mai kommen kann.

PNP: Frau Bundeskanzlerin, wie gefährlich ist die Situation?

Merkel: Die territoriale Unversehrtheit eines Landes ist zu achten. Grenzen dürfen nicht einseitig verändert werden. Wir setzen in dieser Situation weiter alles daran, die Mittel der Diplomatie zu nutzen. Gegebenenfalls setzen wir aber auch den am 6. März beim Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs vereinbarten Drei-Stufen-Plan mit Sanktionen weiter um.

PNP: Zurück nach Bayern: Wer steht in der Hauptverantwortung für den Breitband-Ausbau? Der Bund oder die Länder?

Merkel: Weder noch, sondern die Unternehmen. Sie wollen selbst den Ausbau, weil sie Kunden gewinnen wollen. In strukturschwachen Regionen allerdings müssen wir sie politisch unterstützen und Rahmenbedingungen schaffen, damit sich ihre Investitionen lohnen. Wir haben daher das Bundesverkehrsministerium umstrukturiert. Es ist jetzt mit Verkehrsminister Alexander Dobrindt nicht mehr nur für die Infrastruktur für Autos, Schiffe und Züge zuständig, sondern auch für den Datenverkehr. Demnächst werden wir Funkfrequenzen versteigern. Wir sollten den Telekommunikationsunternehmen hierbei auch stärkere Anreize geben, im ländlichen Raum zu investieren. Mit einem Teil des erlösten Geldes könnten wir dort, wo es wenig rentabel ist, auch Breitbandanbindungen finanzieren. Die bayerische Staatsregierung ist auf dem Gebiet selbst schon sehr aktiv und nutzt auch erfolgreich europäische Fördermittel. Ich finde das sehr richtig, für größere Maßnahmen und Rahmenbedingungen hat aber auch der Bund eine Verantwortung.

PNP: Sollte Breitband den rechtlichen Status einer Daseins-Vorsorge erhalten?

Merkel: Eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen, sehe ich in der Tat als unsere Pflicht an. Aber mit staatlichen Investitionen alleine ist das nicht zu schaffen, es braucht auch das Engagement der Unternehmer.

PNP: Wie viel Geld wollen Sie zur Verfügung stellen?

Merkel: Ich kann noch nicht sagen, wie viel die Frequenzversteigerung einbringt. Beim letzten Mal war es mehr, als der Staat erwartet hatte.

PNP: Ein Thema, das Bayern umtreibt, ist der Länderfinanzausgleich. Werden Sie Bayerns Wunsch nach Entlastung erfüllen?

Merkel: Wie der Name schon sagt, ist der Länderfinanzausgleich eine Sache zwischen den Ländern. Als Bundesregierung haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass Bund und Länder gemeinsam über die Finanzbeziehungen reden werden. Ich kann das bayerische Anliegen nachvollziehen, denn es ist wichtig, dass die leistungsstarken Länder nicht den Anreiz verlieren, noch stärker zu werden - und die strukturschwächeren Länder Anreize haben, ihrerseits besser zu werden. Wenn diese Mechanismen nicht mehr funktionieren, zahlt am Ende niemand mehr. Deshalb unterstütze ich die bayerische Haltung, aber lösen können das nur die Länder untereinander. Der Bund kann höchstens dabei hilfreich sein.

PNP: Der bayerische Finanzminister Markus Söder hat vorgeschlagen, in diesem Rahmen auch den Solidaritätszuschlag neu zu regeln. Die eine Hälfte des Soli soll deutschlandweit zur Strukturhilfe eingesetzt werden, die andere Hälfte für Steuersenkungen verwendet werden. Gefällt Ihnen das?

Merkel: Wir haben uns für diese Legislaturperiode vorgenommen, den Solidaritätszuschlag beizubehalten. Deshalb beteilige ich mich nicht an den Spekulationen.

PNP: Zu guter Letzt: Das Thema Griechenland gehört in Bayern quasi zur Landespolitik. Rechnen Sie damit, dass der deutsche Steuerzahler für die Euro-Krisenländer geradestehen muss?

Merkel: Alles in allem haben wir in der Eurozone eine gute Entwicklung. Ein wichtiger Indikator für zurückkehrendes Vertrauen der Anleger sind die Zinsen auf Staatsanleihen. Einige Länder liegen heute schon wieder unter dem Niveau von 2008. Das ist eine gute Nachricht.

PNP: Kommt noch ein Schuldenschnitt?

Merkel: Griechenland hat mit großer Anstrengung erhebliche Reformen in Angriff genommen. Dafür haben die Griechen meinen Respekt. Ich wiederhole, was ich schon mehrfach gesagt habe: Einen Schuldenerlass für Griechenland sehe ich nicht. Ich arbeite dafür, dass sich der Aufwärtstrend in Griechenland fortsetzt.

Das Interview führten Ernst Fuchs und Alexander Kain für die

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