Merkel: "Wir setzen die Sparanstrengungen um"

Frage: Frau Bundeskanzlerin, wenn Sie jetzt nach Kanada fahren, dann sieht es richtig nach Krach aus. Vor allem mit dem amerikanischen Präsidenten, der möchte ja, dass Sie weiter Geld ausgeben, Sie möchten sparen. Wie werden Sie diesen Krach verhindern?

BK´in Merkel: Ich glaube nicht, dass es zu solchen zugespitzten Auseinandersetzungen kommt. Sondern ich habe ein langes Telefonat mit dem amerikanischen Präsidenten im Vorfeld des G20-Gipfels geführt, und dort ist noch einmal sehr deutlich geworden, dass Deutschland im Jahre 2010 für die Belebung der Weltkonjunktur sehr viel mehr tut, als das im Durchschnitt der Fall ist.

Wir geben auch in diesem Jahr ungefähr 2,1 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts für Konjunkturmaßnahmen aus. Und ich habe noch einmal deutlich gemacht, dass unsere Sparvorschläge ausgesprochen wachstumsorientiert sind, dass wir im Wesentlichen daran arbeiten, Menschen in Arbeit zu bringen, was ja den Binnenkonsum dann auch stimuliert: Dass wir bei Bildung und Forschung mehr ausgeben, dass wir bei Straßeninvestitionen so gut wie nicht kürzen.

Das heißt also, dass  die Struktur unseres Einsparprogramms eine ist, die, glaube ich, nicht dem Wachstum entgegensteht. Im Gegenteil.

Frage: Aber hat den Obama in diesem Telefongespräch Ihre Argumentation akzeptiert oder mindestens verstanden?

BK´in Merkel: Es ist noch einmal deutlich geworden, dass jedes Land natürlich Probleme hat. Und ich habe darauf hingewiesen, dass die Arbeitslosigkeit bei uns sich auch sehr, sehr gut entwickelt hat. Und ich glaube, dass diese Argumente schon gehört wurden.

Frage: Es hat sich ja nicht nur die Arbeitslosigkeit gut entwickelt, auch die Steuereinnahmen, so hört man jetzt, haben sich deutlich besser entwickelt. Was heißt denn das für das Sparpaket, Frau Bundeskanzlerin? Müssen Sie weiter so dramatisch sparen?

BK´in Merkel: Wir werden die Anstrengungen, die wir jetzt verabredet haben, umsetzen. Ich glaube, wir sollten nicht nachlassen.

Keiner kann genau die nächsten drei Jahre voraussehen. Wir freuen uns, wenn die Steuereinnahmen sich besser entwickeln. Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir eine Rekordverschuldung in diesem Jahr auf uns genommen haben - gerade um die Weltkonjunktur auch zu stimulieren und hier zuhause den Konsum zu stimulieren.

80 Milliarden Euro (Neuverschuldung) bei 320 Milliarden Bundeshauhalt - wenn da 10 Milliarden noch weiter gespart werden können im nächsten Jahr, weil wir eine gute konjunkturelle Entwicklung haben, dann kann uns das allen nur Recht sein. Das sind dann für unsere Kinder und Enkel weniger Zinszahlungen, und ich finde, darüber sollte man sich freuen. Aber nicht in den strukturellen Einsparungen jetzt nachlassen.

Frage: Also dabei bleibt es - ohne Wenn und Aber?

BK´in Merkel: Unser Paket, das wir für die zukünftige Konsolidierung der Finanzen auf den Tisch gelegt haben, wird dadurch nicht verändert.

Frage: Bleiben wir beim Gipfel  in Kanada. Es gibt ja ein zweites großes Aufregerthema, und das ist die Finanzarchitektur der Welt, und auch da ist man ja weit davon entfernt,  zu irgendeiner Einigung zu kommen.

BK´in Merkel: Hier gibt es Licht und Schatten. Wir haben in den Vereinigten Staaten von Amerika wahrscheinlich zu Beginn des Juli ein fertiges Regulierungspaket, wir haben innerhalb der Europäischen Union von der Regelung der Hedge-Fonds, von Veränderungen bei den Bonuszahlungen, von Eigenkapital für Banken her eine ganze Menge schon geschafft.

Was in der Europäischen Union noch umgesetzt werden muss - das wird die Kommission im Herbst tun -, sind die Regelungen für Leerverkäufe und den Handel mit Derivaten. Wir arbeiten an einer neuen Finanzmarktaufsicht, das wird im Augenblick im Europäischen Parlament diskutiert, wir haben Veränderungen für die Ratingagenturen vorgenommen, werden die Bestimmungen noch einmal verschärfen. Das heißt, wir sind in der Mitte der Umsetzung und werden hier im Herbst dann in Südkorea sicherlich schon wieder einige Schritte weiter sein.

Also, es ist noch nicht alles in Ordnung, aber es ist viel geschehen, seitdem wir uns das erste Mal in London getroffen haben.

Frage: Und dennoch gibt es ja massiven Widerstand, vor allem von Kanada, gerade von den Gastgebern, die sagen: Finanzmarktsteuer, das wird nichts werden, das werden wir nicht mittragen. Wie wollen Sie da rauskommen?

BK´in Merkel: Also, es ist so, dass erfreulicherweise die Europäische Union und die Vereinigten Staaten von Amerika sich einig sind, dass wir eine Bankenabgabe brauchen. Kanada vertritt diese Position nicht, und wir werden jetzt darüber sprechen müssen, unter welchen Bedingungen weltweit solche Abgaben eingeführt werden.

Schwieriger ist die Diskussion bei der Finanzmarkttransaktionssteuer. Hier hat sich ja der Europäische Rat erfreulicherweise zu einer gemeinsamen Position der europäischen Teilnehmerländer durchgerungen. Wir sagen, wir wollen das untersuchen und entwickeln, eine solche Finanzmarkttransaktionssteuer, und es wird jetzt darüber zu sprechen sein, inwieweit wir hierfür auch außerhalb Europas auch Verbündete gewinnen können.

Frage: Zum Schluss, Frau Bundeskanzlerin: Auch Sie haben ja eine große Veranstaltung in Heiligendamm gemacht, die auch teuer war. Nun sind wir inzwischen, was die kanadischen Gastgeber angeht, bei Kosten angelangt, die ungefähr eine Milliarde ausmachen werden. Kann man das den Menschen in der Welt noch irgendwie vermitteln?

BK´in Merkel: Ich kann das im Einzelnen nicht genau überprüfen. Ich habe das auch gelesen. Wir freuen uns,  dass Kanada Gastgeber ist und wir hoffen, dass Investitionen, die getätigt wurden, dann auch vielen Menschen im Nachhinein noch zu Gute kommen.

Ich glaube, dass diese Treffen wichtig sind. Sie haben in jedem Falle einen Fortschritt gebracht. Das persönliche Gespräch ist nicht durch Videokonferenzen und Telefonate zu ersetzten. Und schon gar nicht in so einem großen Kreis. Und deshalb glaube ich, die globale Zusammenarbeit muss verstärkt werden - und das geht nur durch das direkte Gespräch.