Merkel: "Wir schauen nach vorne"

Interview Merkel: "Wir schauen nach vorne"

Bundeskanzlerin Angela Merkel freut sich über den positiven Trend auf dem Arbeitsmarkt. Mit einem leichten Anstieg der Arbeitslosigkeit müsse man noch rechnen, sagte sie dem "RTL-Nachtjournal". "Es wird das Jahr der Bewährung". Für 2011 kündigte Merkel eine Verlängerung der Kurzarbeiterregelung an. Weitere Themen: die Arbeit der Bundesregierung, Benzinpreise und Bankenabgabe.

  • Interview mit Angela Merkel
  • in der RTL-Sendung "Nachtjournal"
Bundeskanzlerin Angela Merkel

Bundeskanzlerin Angela Merkel

Foto: REGIERUNGonline/Grabowsky

Das Interview im Wortlaut:

Finanzmärkte

Frage: Sie wollen die Banken an die kürzere Leine legen. Schwillt Ihnen bei den bereits wieder fließenden Bonuszahlungen die Zornesader?

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Manchmal schwillt sie schon, insbesondere wenn Banken noch Programme haben, wo der Steuerzahler dafür einsteht. Und dann wird einfach versucht, doch wieder Bonuszahlungen zu machen. Wir haben das auch in einigen Fällen unterbunden. Aber die Bankenabgabe soll ja gerade sicherstellen, dass nie wieder der Steuerzahler eintreten muss, wenn eine Krise wider Erwarten doch auftreten sollte. Das ist ein Teil vieler Regeln, die wir jetzt verabschieden und ich glaube, es ist eine richtige Regel.

Arbeitsmarktzahlen

Frage: Die aktuellen Arbeitslosenzahlen lassen eine positive Tendenz erkennen, aber noch keine Trendwende. Wo stehen wir im Moment und wo kann es in diesem Jahr noch hingehen?

Merkel: Wir müssen leider noch damit rechnen, dass sich die Arbeitslosenzahl vielleicht noch ein wenig erhöht. Wir haben also noch keine Trendwende, sondern es wird das Jahr der Bewährung sein. Und wir können froh sein, dass wir die Kurzarbeit haben. Die werden wir auch für das nächste Jahr noch verlängern, denn wenn wir diese Kurzarbeit nicht hätten – das sind immerhin 800.000 Menschen – dann hätten wir eine viel höhere Arbeitslosenzahl. Wir wollen die qualifizierten Kräfte halten und deshalb danke ich auch allen Betriebsräten, allen Arbeitgebern, die doch in der Krise jetzt sehr zusammengehalten haben. Also wir müssen noch viel tun, um auch mit unseren Konjunkturprogramm weiter zu investieren, um die Schwäche der Exportwirtschaft insbesondere auszugleichen.

Schwarz-gelbe Koalition

Frage: Thema Koalition, da folgte auf die schwarz-gelbe Liebesheirat schnell Beziehungsstress, und jetzt steht die FDP - vor allem Guido Westerwelle - in den Umfragen im Keller. Wer hätte gedacht, dass ein Außenminister so unpopulär sein könnte. Was ist da schief gelaufen?

Merkel: Also ich glaube, wir schauen nach vorne und da heißt es für uns, dass wir doch jetzt in den letzten Wochen wichtige Entscheidungen getroffen haben. So wollen wir es weiter machen. Vielleicht muss sich jeder auch erst einmal finden in der Koalition. Es ist eine neue Konstellation. Aber ich spüre, dass wir jetzt wirklich die wichtigen Dinge anpacken und die Menschen erwarten es ja auch mit Recht. Wir haben eben über die Arbeitslosenzahlen gesprochen. Es gibt viele Menschen, die Angst haben, ob sie ihren Job behalten können, und in dem Kurs werden wir jetzt weitermachen, dass wir die Dinge anpacken und lösen.

Frage: Sie sind kürzlich mit Helmut Kohl verglichen worden. Das war nicht unbedingt ein Kompliment, weil es da hieß, Sie würden - wie er in den letzten Jahren - eigentlich viel stärker taktieren, ihre Macht zementieren, aber nicht genug regieren. Ist der Vorwurf ganz falsch?

Merkel: Ich finde schon. Also wenn ich mir mein Arbeitsprogramm der letzten Wochen anschaue, dann haben wir innenpolitisch ja eben doch Einiges auf den Weg gebracht. Die neue Regelung der Job-Center - für die Langzeitarbeitslosen ist ganz wichtig, die Bankenabgabe, die ganze Frage auch der Stabilität des Euro, der Afghanistan-Einsatz, also viele, viele Entscheidungen, die gar nicht so einfach sind, insofern -

Frage: Ging es zu spät los?

Merkel: Es muss dann entschieden werden, wenn entschieden werden muss. Und ansonsten: Helmut Kohl hat die deutsche Einheit gestaltet. Er war ein großer Europäer. Also, er hat schon viele Verdienste und ich glaube, da reiche ich noch gar nicht ran.

Frage: In wenigen Tagen feiern Sie ihr 10-jähriges Jubiläum als CDU-Chefin. Hat sich in dieser Zeit für Frauen in der Politik in Deutschland etwas geändert?

Merkel: Ich glaube schon. Erstens glaube ich, dass es inzwischen sehr normal ist, dass eine Frau an der Spitze ist. Wir haben jetzt auch die erste Arbeitsministerin zum Beispiel in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland mit Ursula von der Leyen. Und zum Zweiten hat sich natürlich bei dem Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie, bei dem Stellenwert von Klimaschutz, vieles, vieles in Deutschland verändert und die Christlich-Demokratische Union als Volkspartei hat natürlich hier auch ihre Position neu markiert.

Benzinpreis

Frage: Momentan sind viele über den hohen Spritpreis verärgert. Die FDP hat jetzt eine Mehrwertsteuersenkung auf Benzin vorgeschlagen. Ist das mit Ihnen machbar?

Merkel: Das geht nicht, wenn wir uns mal unseren Haushalt anschauen. Wir werden sparen müssen und deshalb glaube ich, sollte man hier nichts Falsches versprechen. Aber was wir machen werden, ist einmal durch das Kartellamt auch auf die Unternehmen zu schauen. Denn, dass sich gerade immer Ostern die Dinge so entwickeln, wie sie sich entwickeln und der Benzinpreis steigt, da fragen die Menschen mit Recht, warum ist das eigentlich so.

Kindesmissbrauch

Frage: Was würden Sie angesichts der Missbrauchsvorwürfe und Skandale der Katholischen Kirche im Moment von Papst Benedikt erwarten?

Merkel: Also ich finde es eigentlich sehr gut, dass die Katholische Kirche hier in Deutschland ein Nottelefon eingerichtet hat, und dass es einen Bischof gibt, nämlich den Bischof Ackermann, an den sich auch alle Opfer wenden können. Und ich finde deshalb, dass Erzbischof Zollitsch doch sehr mutig und klar gesagt hat - auch die bayerischen Bischöfe: Wir müssen alles aufklären. Es gibt keine Alternative zu Wahrheit und Klarheit. Und auf diesem Weg wollen wir mit unserem Runden Tisch auch die Katholische Kirche und alle anderen Institutionen, die es ja auch gibt, begleiten.

Frage: Sollte sich der Papst vielleicht mal direkt an die Deutschen wenden?

Merkel: Ich glaube, dass die Worte gefunden werden, wie sie gefunden werden. Erst mal ist es jetzt auch die Aufgabe der deutschen Katholischen Kirche, hier die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, und aus meiner Sicht ist das erfolgt.

Frage: Und an Ihren Ostertagen können Sie sich ein bisschen entspannen?

Antwort: Ich hoffe.

Das Interview führte Christof Lang.