Merkel spricht mit Schülern über die DDR

25 Jahre Deutsche Einheit Merkel spricht mit Schülern über die DDR

Schülerinnen und Schüler aus sieben Bundesländern wollten es genau wissen: "Was waren Ihre persönlichen Erfahrungen in der DDR, Frau Bundeskanzlerin?" In einer Diskussion im Kanzleramt konnten sie mehr über den Alltag in der DDR erfahren.

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Gruppenfoto mit Angela Merkel und den Schülerinnen und Schülern.

150 Schülerinnen und Schüler aus sieben Bundesländern erfuhren von der Bundeskanzlerin viel über die DDR.

Foto: Bundesregierung/Bergmann

Erste "eigene Erfahrungen" mit dem Thema DDR hatten die Jugendlichen bereits an ihren Schulen gesammelt. Sie hatten sich in den vergangenen Monaten mit verschiedenen Aspekten des DDR-Alltags auseinandergesetzt, Projekte durchgeführt und Zeitzeugen befragt. Jetzt wollten sie auch die Zeitzeugin Angela Merkel befragen.

Und die Kanzlerin gab sehr persönliche Einblicke in ihr Leben in der DDR. Sie erzählte von ihrer Kindheit, ihrem Schulalltag, der Studienzeit und dem privaten Leben. Sie erzählte, dass man schon als Kind immer auf der Hut sein musste, was man in der Schule sagte, um keinen Ärger zu bekommen.

Politische Bildung von der 1. Klasse an

Besonders interessant natürlich für die jungen Oberstufenschülerinnen und -schüler: Wie war der Unterricht in der DDR? Um das selbst zu erfahren und anderen zu zeigen, hatten die Jugendlichen eines Gymnasiums ein Video mit einer nachgespielten Musikstunde gedreht. Streng und zackig ging es da zu - und sehr politisch.

Selbst ein Unterrichtsfach wie Musik, erzählte die Kanzlerin, ein vermeintlich neutrales Fach, sei politisch gewesen. Über weite Strecken habe man sich nur mit der Musik der Arbeiterklasse beschäftigt, wenig mit der Klassik. Ähnlich sei es im Fach Geschichte gewesen. Die Zeit bis 1848 habe kaum eine Rolle gespielt und danach sei es immer nur um die Arbeiterbewegung gegangen. "Im Mathe- und Physikunterricht war es besser, da ging es weniger politisch zu."

Video Merkel diskutiert mit Schülern über die DDR

Kein Studium ohne Marxismus-Leninismus

Die Kanzlerin erzählte, sie habe später Physik studiert, denn das war "politisch nicht so verbiegbar". Aber natürlich musste sie sich im Studium auch mit den Lehren des Marxismus und Leninismus beschäftigen, die zu jedem Studium gehörten und einen großen Einfluss auf die Abschlussnote hatten. Insbesondere den "wissenschaftlichen Kommunismus", ein Bestandteil des Marxismus-Leninismus, fand die Kanzlerin unglaublich, wie sie sagte. "Wenn man denken konnte, konnte man darüber nur lachen."

Bei ihren Projekten hätten die Jugendlichen erfahren, dass nur linientreue Jugendliche im Osten studieren konnten, erzählte ein Schüler. Das sei nicht so gewesen, entgegnete Merkel. Sie selbst stammte aus einen kirchlichen Haushalt, der Vater war Pfarrer. Die Mutter konnte nicht arbeiten, weil sie Englisch- und Lateinlehrerin gewesen sei, und man Angst hatte, sie würde die Schüler zu Christen erziehen. Aber dennoch hat Angela Merkel Abitur machen und studieren können.

"Aber man musste gewisse Kompromisse machen", sagte Merkel. Wer jeden Tag, alles gesagt habe, was er denke, sei schwer bis zum Abitur oder Studium gekommen. Für jeden habe immer eine Unsicherheit bestanden, sobald man sich im öffentlichen Raum politisch geäußert habe, gestand die Kanzlerin.

Alltag vor Politik

Aber das Leben sei nicht nur durch die Politik beeinflusst worden. Da sei auch sehr viel Alltag gewesen, in dem man ständig schauen musste, wo man etwas herbekommen konnte, so die Kanzlerin. "Die DDR war ein unheimliches Tauschland." Da wurden Freundschaften und Beziehungen geknüpft, nur um bestimmte Dinge wie Winterstiefel oder Bohrmaschinen zu bekommen. "Oft blieb da gar nicht viel Zeit für Politik."

Kontrolle von Presse und Fernsehen

"Wie war das mit der Meinungs- und Pressefreiheit in der DDR?", wollten die Jugendlichen außerdem von der Kanzlerin wissen. In einem Schulprojekt hatten sie herausgefunden, dass die Artikel in den DDR-Zeitungen sehr propagandistisch waren und die Fakten oft geschönt.

Es sei alles reguliert und kontrolliert worden, was in die Zeitungen und ins Fernsehen kam, erzählte Merkel. Sie sei lieber nach Polen gefahren sei, um dort westliche Zeitungen zu lesen, die in der DDR verboten waren. Auch habe sie sich viel über das West-Fernsehen informiert, da dieses viele DDR-Bürger, außer im Raum Dresden, sehen konnten. "Die Aktuelle Kamera habe ich mir gar nicht angesehen", so die Kanzlerin. Sie habe sich ja selbst viel in kirchlichen Kreisen aufgehalten und sei gern dorthin gegangen, wo man andere Meinungen hören konnte.

Über allem lag eine Schicht von Diktatur

Die DDR sei eine Diktatur gewesen, sagte Merkel. Es habe keine freie Entfaltung und Selbstbestimmung gegeben. "Man war immer in einer Art Überwachungsmaschinerie." Deshalb sei es wichtig, den Wert von Demokratie und Freiheit zu erkennen, in der wir heute lebten. Froh sei sie über den Mauerfall gewesen, erzählte die Kanzlerin weiter. Und es sei auch gut gewesen, dass es schnell in Richtung Deutsche Einheit ging.

Zum Abschluss dankte die Kanzlerin den Jugendlichen für ihre Projekte. Sie seien damit in eine Welt eingestiegen, die sie bisher nicht kannten. Aber es sei auch wichtig, über die Grenzen Deutschlands hinauszusehen. Dort gäbe es immer noch Menschen, die so ähnlich wie in der DDR oder schlechter lebten, was ihre Freiheit anbelangt. "Und denen muss man auch helfen", sagte Merkel.