Merkel: Euro hat sich als sehr krisenfest erwiesen

EU/Finanzen Merkel: Euro hat sich als sehr krisenfest erwiesen

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist überzeugt, dass der Euro stark bleibt. Im Interview mit der Zeitung "Bild" sagt sie, der Euro sei die Erfolgsgeschichte des zusammenwachsenden Europas, viel mehr als nur eine Währung. Gerade die Deutschen hätten wirtschaftlich großen Nutzen von ihm, er sichere hier Millionen Arbeitsplätze.

  • Interview mit Angela Merkel
  • in "BILD-Online"
Münzen und Scheine

Kanzlerin: Euro wird Bestand haben

Foto: Oliver Mann

BILD: Frau Bundeskanzlerin, inzwischen wird ganz öffentlich von einem möglichen Ende des Euro gesprochen. Steht es wirklich so schlimm um unsere Währung?

Angela Merkel: „Im Gegenteil: Er hat sich als sehr krisenfest erwiesen. Und er wird Bestand haben. Ich werde alles dafür tun, dass der Euro stark bleibt, und das wird uns gemeinsam mit unseren Partnern in Europa auch gelingen.“

BILD: Die Mehrheit der Deutschen wünscht sich die D-Mark zurück. Überrascht Sie das?

Merkel: „Der Euro ist seit neun Jahren DIE Erfolgsgeschichte des zusammenwachsenden Europas, viel mehr als nur eine Währung. Gerade wir Deutschen haben mit unserer Wirtschaft großen Nutzen von ihm, er sichert bei uns Millionen Arbeitsplätze. Wir haben allen Grund, ihn zu verteidigen.“

BILD: Aber ist die immer tiefere Vertrauenskrise überhaupt noch zu stoppen?

Merkel: „Ja, es würde schon helfen, wenn alle 27 EU-Mitgliedsländer geschlossen dafür eintreten. Beim EU-Gipfel werden wir festlegen, nach welchen strengen Regeln wir kommenden Krisen begegnen wollen. So zeigen wir: Der Euro steht für keinen von uns infrage. Spekulanten haben keine Chance.“

BILD: Sie sagen: Scheitert der Euro, scheitert Europa. Gibt es wirklich keine Alternative?

Merkel: „Keine vernünftige Alternative jedenfalls. Unser Einfluss und unser Erfolg in der Welt hängen entscheidend auch an unserer gemeinsamen starken Währung.“

BILD: Braucht es nicht wenigstens einen Notfallplan?

Merkel: Sehen Sie, es ist ein bisschen wie mit der deutschen Einheit. An der historischen Entscheidung für die Einheit ist trotz aller Probleme und schmerzhafter Einschnitte nie gezweifelt worden. So ist es auch heute: Wir haben uns für Europa und den Euro entschieden. Das war und bleibt richtig.

BILD: Es gibt also keinen Punkt, an dem die Bundesregierung sagen müsste: Es geht nicht mehr, auch Deutschland kann die Lasten nicht länger schultern.

Merkel: „Umgekehrt ist es wahr. Ein Zerfall der Eurozone, schon das Ausscheiden eines kleineren Landes aus dem Euro hätte schwerste Folgen für Deutschland.“

BILD: Was heißt das konkret? Sind dann die Renten oder Sparkonten in Gefahr?

Merkel: „Unsere Wirtschaft, gerade die Exporte wären in Gefahr, mit allem, was das nach sich zöge. Aber da ich den Fall ausschließe, will ich ihn hier auch nicht ausmalen.“

BILD: Gilt Ihr Versprechen aus der letzten Finanzkrise noch: „Das Ersparte der Deutschen ist sicher.“?

Merkel: „Ja, was Herr Steinbrück und ich vor gut zwei Jahren gesagt haben, gilt und hat sich ja auch bewahrheitet.“

BILD: Bei den Deutschen kommt derzeit vor allem an, dass ein Schulden-Staat nach dem anderen herausgepaukt werden muss und letztlich immer der Steuerzahler haftet oder zahlt.

Merkel: „Moment. Wir geben Garantien und haben noch nirgendwo einen einzigen Euro verloren. Ein Land wie Griechenland holt jetzt unter strengen Auflagen lang versäumte Reformen nach. Die griechische Regierung zeigt dabei großen Mut und ich bin beeindruckt, wie sie die Bevölkerung bei diesen massiven Veränderungen mitnimmt.“

BILD: Wird gerade Griechenland nicht doch eine Umschuldung brauchen, bei der Teile der Schuldenlast gestrichen werden?

Merkel: „Alle Experten bestätigen, dass Griechenland und auch Irland die Schuldenlasten, also Zins und Tilgung, auf Dauer schultern können. Vielleicht tut es gut, sich mal an den Fall Opel zu erinnern: Was wurde nicht alles geschrieben, wie viel das den deutschen Steuerzahler kosten würde. Heute ist Opel ein ganz normales Unternehmen im Schoß von General Motors. Und der Steuerzahler hat nichts verloren, sondern geholfen, einen teuren Crash zu vermeiden.“

BILD: Werden die Deutschen wegen der immer größeren Rettungssummen nicht bald sagen: Dieses Europa wollen wir nicht?

Merkel: „Wir sind in Deutschland gut durch die Wirtschaftskrise gekommen, weil wir keine Angst hatten und die Menschen große Gelassenheit gezeigt haben – obwohl die Probleme wahrlich nicht klein waren. Diese Entschlossenheit und Zuversicht brauchen wir jetzt weiter. An Europa und den Euro zu glauben, sich nicht beirren zu lassen, ist schon die Hälfte der Lösung.“

BILD: Nicht nur die griechische Regierung verlangt jetzt „Eurobonds“, also gemeinsame Schulden und gemeinsame Haftung in der EU. Zahlmeister Deutschland – ist das der nächste Schritt?

Merkel: „Mit sogenannten Eurobonds würden die Schwächen in Europa nicht beseitigt, sondern nur auf alle gemeinsam umgelegt. Und verschuldete Staaten hätten keinen Druck mehr, ihre Haushalte in Ordnung zu bringen.“

BILD: Können Sie den Deutschen versprechen, dass Eurobonds und gemeinsame Schulden nicht kommen?

Merkel: „Ich führe keine Diskussionen, die gar nicht anstehen. Sogenannte Eurobonds sind auch mit den jetzigen EU-Verträgen nicht vereinbar. Aber natürlich muss sich die EU weiter entwickeln.“

BILD: Wie denn, bitte?

Merkel: „Die EU-Länder müssen noch enger zusammenwachsen. Die Krise hat uns gelehrt: Stärker sind wir, wenn wir uns besser abstimmen. Wir brauchen mehr Harmonie in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, eine Art Wirtschaftsregierung in Europa auf der Basis gemeinsamer Stabilitätsregeln.“

BILD: Hätte man das nicht VOR der Einführung des Euro regeln müssen?

Merkel: „Damals hat man darauf verzichtet. Heute spüren wir, dass die Finanzkrise uns zu neuen Schlussfolgerungen zwingt.“

BILD: In der Debatte darum fällt immer häufiger der Vorwurf, die Deutschen träten zu machtbewusst, ja, großkotzig auf. Luxemburgs Premier Juncker wirft Ihnen vor, „zu simpel“ zu denken. Trifft Sie das?

Merkel: „Jean-Claude Juncker und ich haben ausführlich telefoniert und die Sache längst ausgeräumt. Wo es um so viel geht, spielen eben auch Emotionen mal eine Rolle…“

BILD: ... es fallen wirklich harte Vorwürfe, z. B. das Wort vom „deutschen Diktat“.

Merkel: „Deutschland diktiert niemandem etwas. Dass die Hilfen aus dem Rettungsschirm an strenge Auflagen gebunden sind, das haben wir alle zusammen beschlossen. Aber ich kann die Griechen oder Iren auch verstehen, die jetzt mit ihren einschneidenden Sparmaßnahmen leben müssen. Wer denen von außen sagt, das sei nötig, macht sich nicht unbedingt beliebt. Trotzdem haben wir die nötigen Entscheidungen treffen müssen und auch getroffen.“

BILD: Muss die EU also „deutscher“ werden?

Merkel: „Die EU-Staaten müssen solider wirtschaften, und die meisten haben sich schon auf diesen Weg gemacht. Wir Deutsche können auch von anderen eine Menge lernen. Schweden zum Beispiel hat schon wieder einen ausgeglichenen Haushalt. Österreich hat prozentual weniger Arbeitslose als wir. Frankreich hat die Alterung der Bevölkerung besser im Griff.“

BILD: Ist es für Deutschland besonders schwierig, in der Position des Stärksten zu sein und den anderen Ratschläge zu geben?

Merkel: „Wir sind nun einmal die stärkste Volkswirtschaft in Europa und viele blicken auf uns. Da kann und will ich mich nicht wegducken. Am Ende hilft es allen.“

Von Nikolaus Blome und Jörg Quoos.