Merkel: "Auszeichnung ist Ansporn"

Wilhelm-Leuschner-Medaille Merkel: "Auszeichnung ist Ansporn"

Für ihre Verdienste um Freiheit und Demokratie hat Ministerpräsident Bouffier der Bundeskanzlerin die Wilhelm-Leuschner-Medaille verliehen. In ihrer Dankesrede würdigte Merkel den 1944 ermordeten Widerstandskämpfer für seine Zivilcourage. Auch heute müsse sich jeder gegen Antisemitismus und Extremismus wenden.

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Ministerpräsident Bouffier überreicht der Kanzlerin die Auszeichnung.

Der hessische Ministerpräsident Bouffier überreicht der Kanzlerin die Auszeichnung.

Foto: Bundesregierung

Als Gewerkschafter und Sozialdemokrat, als Abgeordneter und Innenminister habe Wilhelm Leuschner standhaft an seinen Überzeugungen festgehalten, so Bundeskanzlerin Angela Merkel. Er habe die Demokratie leidenschaftlich verteidigt, als die Nationalsozialisten bereits eine Mehrheit im Hessischen Landtag hatten.

Allianz gegen Unrecht und Willkür

Wilhelm Leuschner sei überzeugt gewesen, dass ein Umsturz nur im Zusammenwirken gesellschaftlicher Gruppen und des Militärs möglich sein würde. Auch heute sei Zusammenhalt wichtig, um eigenen Überzeugungen Ausdruck zu verleihen. "Um die freiheitliche Grundordnung zu verteidigen oder wiederherzustellen, bedarf es einer breiten Allianz", erklärte Merkel. Das gelte zu jeder Zeit.

Das Erbe von Menschen, die wie Wilhelm Leuschner Zivilcourage gelebt hätten, müsse eine Verpflichtung bleiben, betonte die Kanzlerin. "Wir alle sind dazu aufgerufen, uns geschlossen und entschlossen gegen jegliche Form von Extremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit zu wenden."

Die Kanzlerin erinnerte auch an Leuschners Aufforderung: "Baut alles wieder auf!" Darin klinge die Zuversicht, dass ein Aufbau gelingen könne. Die Deutschen müssten 69 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges und 25 Jahre nach Ende des Kalten Krieges dankbar sein für ihr Land: "ein in Frieden und Freiheit vereintes Deutschland mit starken demokratischen Strukturen und einer beeindruckenden wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung."

Wertegemeinschaft der Europäischen Union

Der von Leuschner postulierte Wiederaufbau habe seine Erfüllung in der europäischen Einigung in Frieden und Freiheit gefunden. Die 28 Mitgliedstaaten der EU verbinde gemeinsame Überzeugungen, "die in der Achtung der Menschenrechte, in Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit, in Pluralismus und Toleranz ihren Ausdruck finden".

Wie "unermesslich wertvoll" der Zusammenhalt in der EU sei, zeige sich angesichts der aktuellen Krisen in Nahost, Syrien und Irak.

Krise mit Russland gemeinsam lösen

Auch das Verhältnis zu Russland sprach die Kanzlerin an. "In unmittelbarer Nachbarschaft zur Europäischen Union werden wir Zeugen, wie das Völkerrecht und das Prinzip der territorialen Integrität eines Landes verletzt und missachtet werden." Das Vorgehen Russlands verletze zentrale Grundprinzipien eines friedlichen Zusammenlebens in Europa.

Mit den Partnern weltweit setze Europa alles daran, diese Krise zu lösen. "Das Ziel ist die Durchsetzung der Stärke des Rechts gegen das vermeintliche Recht des Stärkeren", betonte Merkel.

Dem moralischen Recht verpflichtet

Wilhelm Leuschner habe gewollt, dass Deutschland wieder ein Land werde, dass sich neben dem geschriebenen Recht auch auf das "moralische Recht" verpflichte. Die Wilhelm-Leuschner-Medaille erinnere daran. Sie mahne, sich "in den Dienst eines friedlichen, freiheitlichen und demokratischen Gemeinwesens zu stellen".

Die Auszeichnung ehre sie sehr, schloss Merkel ihre Rede. Sie betonte: "Diese Ehre, die Sie mir heute zuteil werden lassen, verstehe ich aber vor allem als Ansporn für meine weitere Arbeit."

Die Wilhelm-Leuschner-Medaille ist die höchste Auszeichnung des Landes Hessens. Sie erinnert an den hessischen Innenminister und Widerstandskämpfer Wilhelm Leuschner, der 1944 von den Nationalsozialisten in Berlin-Plötzensee hingerichtet wurde. Die Auszeichnung wird seit 1965 Persönlichkeiten verliehen, die sich beispielhaft und nachhaltig für die Demokratie eingesetzt und Staat, Gesellschaft sowie Kultur in vorbildlicher Weise geprägt haben.

Merkel ist die 220. Trägerin der Medaille. Ausgezeichnet wurden bisher unter anderem die erste weibliche Bundesministerin Elisabeth Schwarzhaupt, die Politikerin Hildegard Hamm-Brücher, der Philosoph Jürgen Habermas, der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki sowie der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis.