Mahnung für ein friedliches Europa

Weltkriegs-Gedenken in Belgien Mahnung für ein friedliches Europa

Bundeskanzlerin Merkel hat auf der Nationalen Gedenkfeier des Königreichs an das große Leid erinnert, das Belgien im Ersten Weltkrieg erdulden musste. Die Kanzlerin bezeugte den Belgiern Respekt und dankte für die seither aufgebaute Freundschaft.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hält vor dem König Albert I-Denkmal in Nieuwpoort eine Rede.

Merkel: Nach dem Leid zweier Weltkriege gilt es, für zivilisatorische Errungenschaften weltweit einzutreten.

Foto: FÖD Kanzlei des Premierministers

Die Einladung empfinde sie als "eine besondere Ehre", sagte Merkel. Dies sei "alles andere als selbstverständlich" nach dem "Leid, das Deutsche in zwei Weltkriegen über Belgien gebracht haben und das 1914 mit dem Überfall des Deutschen Reichs auf Belgien begann."

Auf Einladung und im Beisein des belgischen Königs Philippe und seiner Gattin, Königin Mathilde, nahm die Bundeskanzlerin an der Gedenkzeremonie am Denkmal für König Albert I. in Nieuwpoort teil. Dort wurde der 100. Jahrestag der Yser-Schlacht begangen. König Philippe mahnte in seiner Ansprache: "Auch wenn anderswo in der Welt die Kanonen tönen, ergreifen wir die Fackel, die uns unsere Vorgänger reichen. Es ist die Fackel des Rechts, der Würde und des Friedens."

1914: Seelenlose militärische Logik

Die Bundeskanzlerin prangerte in ihrer Rede die zu Kriegsbeginn vorherrschende "seelenlose militärische Logik" an. Zivilisatorische Standards hätten plötzlich keine Geltung mehr gehabt: "Nationalismus benebelte die Sinne." Belgien habe unter König Albert I. Widerstand geleistet. Durch das Überfluten der flämischen Felder bei Nieuwpoort wurde der deutsche Vormarsch aufgehalten.

Mit dem erstmaligen Einsatz von Chemiewaffen durch deutsche Truppen im Jahr 1915 in der 2. Flandernschlacht bei Ypern sei "eine neue Schwelle der Grausamkeit überschritten" worden, erinnerte Merkel. Diese Schrecken hätten "Verzweiflung, Angst und Sprachlosigkeit" hinterlassen.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war Westflandern das Schlachtfeld von zwei Weltkriegen. Es wurde 1914 sowie 1940 von deutschen Truppen weitgehend besetzt und sehr in Mitleidenschaft gezogen. Truppen von über 80 Staaten führten ihren verlustreichen Stellungskrieg vor allem auf belgischem Territorium. Der 28. Oktober 1914 steht historisch für das Ende des Bewegungskrieges. An diesem Tag erteilte König Albert I. den Befehl, die Yser-Ebene auf breiter Fläche zu fluten, um den deutschen Vormarsch zu stoppen. Das war der Beginn der Schlacht an der Yser, die zur ersten Ypern-Schlacht wenige Kilometer südlich führte. Ein vierjähriger Stellungskrieg in Flandern folgte.

2014: Europa reicht sich die Hand

Angesichts dieser schrecklichen Ereignisse "können wir gar nicht dankbar genug dafür sein, wie viel sich seitdem verändert hat", betonte Merkel. Sie stellte dankbar fest: "Es waren Belgier, die nach dem von Deutschland entfesselten Zweiten Weltkrieg zu den Allerersten gehörten, die ihren deutschen Nachbarn die Hand zur Versöhnung reichten." Die seither aufgebaute Freundschaft zwischen Belgien und Deutschland suche ihresgleichen.

Es sei insofern gut, dass Belgiens Hauptstadt Brüssel heute Sitz der Europäischen Union ist, denn: "Sie steht für Freiheit, für demokratische Werte und die Wahrung internationalen Rechts." Die Kanzlerin forderte, diese zivilisatorischen Errungenschaften zu würdigen, zu bewahren und für sie auch weltweit einzutreten: "Dazu mahnen uns die Opfer der schrecklichen Kriege. Nur so erweisen wir ihnen gebührend Ehre."

Nach einer Kranzniederlegung reiste das belgische Königspaar mit den Staatsgästen weiter nach Ypern. An der Gedenkstätte Menentor hielt der belgische Premierminister Charles Michel eine Rede.

Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten den Europäischen Rat im Sommer 2014 auf Einladung von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy in Ypern ebenfalls dem Gedenken an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs gewidmet. Zu den Gedenkfeierlichkeiten zum Beginn des Ersten Weltkriegs in Lüttich am 4. August 2014 waren die Vertreter von über achtzig Staaten eingeladen. Die Bundesrepublik Deutschland war durch Bundespräsident Joachim Gauck vertreten.

In Ypern widmet sich ein interaktives Museum in den wieder aufgebauten Tuchhallen der Ereignisse des Ersten Weltkriegs in Flandern. Anhand von Fotografien, Filmen und historischen Gegenständen, Modellen und Schaukästen wird das Leben und das Sterben der Soldaten an der Westfront sowie die Zerstörung und der Wiederaufbau der westflämischen Region Westhoek dokumentiert.