Gemeinsame Presseerklärung der Bundeskanzlerin und der Vertreter der Wirtschafts- und Handelsorganisationen

Die Erholung der Weltwirtschaft verläuft weiter in unsicheren Bahnen, die weiteren Aussichten sind ungewiss. Laut Prognose des IWF bestehen erhebliche Abwärtsrisiken; die Weltwirtschaft wird demnach 2012 um 3,3 Prozent und 2013 um 3,6 Prozent wachsen. Die Schuldenstände bewegen sich in den meisten Industrieländern immer noch auf einem nicht nachhaltigen Niveau. Die Arbeitslosigkeit hat in etlichen Ländern neue Rekordhöchststände erreicht. Aufgrund der gedämpften Aussichten auf Wachstum und der großen Unsicherheit ist das Vertrauen der Finanzmärkte, von Investoren und Haushalten noch nicht auf das Niveau von vor der Krise zurückgekehrt.

Um Vertrauen wiederherzustellen und Wachstums- und Beschäftigungsaussichten zu verbessern, müssen konsequente Maßnahmen zur situationsgerechten finanzpolitischen Konsolidierung ergriffen werden, die mit Strukturreformen einhergehen muss. Dabei sind Synergien von makroökonomischen und strukturellen Maßnahmen so weit wie möglich nutzen. Für die Eurozone kommt es darauf an, die Europäische Währungsunion voranzubringen, indem sie umfassende Reformmaßnahmen für mehr Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit auf den Weg bringt. Die Vereinigten Staaten müssen einen glaubwürdigen Pfad für die fiskalische Konsolidierung einschlagen. Die Schwellenländer, die das globale Wachstum wesentlich getragen haben, sollten sich stärker auf ein inklusives und nachhaltiges Wachstum ausrichten und ihre Wirtschaftspolitik an der Rückführung der globalen Ungleichgewichte orientieren.

Unser gemeinsamer Ansatz zur internationalen wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit sollte sich auf institutionelle Verbindungen zwischen Regierungen, internationalen Organisationen und anderen Akteuren stützen. Wir begrüßen, dass die fünf internationalen Organisationen IWF, Weltbank, ILO, OECD und WTO in den folgenden Bereichen kontinuierlich zusammenarbeiten:

  1. Innovationen ankurbeln, Bildung verbessern, Wettbewerb stärken, Gesundheitssysteme und Arbeitsmärkte reformieren – dies bleiben wichtige Aufgaben von Industrie- und Schwellenländern. Mit geeigneten Maßnahmen kann das Wachstumspotenzial gesteigert, neue Beschäftigung erzeugt und fiskalische Konsolidierung unterstützt werden. Wir begrüßen insbesondere die Bemühungen in mehreren Euro-Ländern zur Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit und zur Konsolidierung der Haushalte. Dies hat zu einem Anstieg des Investorenvertrauens in diese Länder geführt. Gleichwohl sind weitere Anstrengungen insbesondere bei der Schaffung von Arbeitsplätzen für junge Menschen sowie in den Bereichen Strukturreformen und effektive soziale Sicherungssysteme dringend notwendig. Laut Schätzungen der OECD könnten Reformen von Arbeits- und Produktmärkten die wirtschaftliche Leistung über einen Zeitraum von zehn Jahren um bis zu vier Prozent erhöhen.

  2. Wirksame gesamtwirtschaftliche Maßnahmen müssen mit Anstrengungen zur Steigerung des Beschäftigungsniveaus einhergehen, wobei die Decent Work Agenda der ILO und der auf der ILO Konferenz im Jahr 2009 verabschiedete Globale Beschäftigungspakt wichtige Grundlagen bilden. Hohe Priorität haben vor allem Strategien zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit. Wir begrüßen die neue Analyse im World Development Report zum Beschäftigungsaufbau in Entwicklungsländern sowie die Möglichkeiten für intensive Zusammenarbeit in diesem Bereich.

  3. Wir sind überzeugt, dass dem internationalen Handel eine wichtige Rolle zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung weltweit zukommt. Es kommt darauf an, der Einführung protektionistischer Maßnahmen zu widerstehen und Märkte offen zu halten. Wir bedauern, dass die Doha Runde der WTO zum Stillstand gekommen ist. Auch wenn bilaterale Freihandelsabkommen für die Beteiligten von Nutzen sind, bleibt die multilaterale Handelsliberalisierung der beste Weg, um fairen Wettbewerb zu sichern, Handelsverzerrungen zu verhindern und neue Möglichkeiten auf dem Weltmarkt zu schaffen, insbesondere für Entwicklungsländer. Daher begrüßen wir es sehr, dass die WTO-Verhandlungen vor allem dort vorangetrieben werden, wo ein Abschluss nahe ist, etwa im Bereich Handelserleichterungen.

  4. Der Klimawandel und der Schutz natürlicher Ressourcen bleiben die wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit. Diese Herausforderungen könnten auch zu einer Chance für neues Wachstum werden. Das Potenzial für CO2-arme Entwicklung und grünes Wachstum muss durch gezielte Maßnahmen in Industriestaaten und Entwicklungsländern erschlossen werden, bei gleichzeitigem Bemühen, sich besser gegenüber Klimaauswirkungen zu wappnen. Alle internationalen Organisationen sind entschlossen, grünes Wachstum voranzubringen und dabei im Rahmen ihrer Mandate zusammenzuwirken. Wir arbeiten zudem an einer erfolgreichen Klimakonferenz in Doha und werden CO2-arme Entwicklungsstrategien weiter voranbringen.

  5. Die Ernährungssicherung für eine wachsende Weltbevölkerung erfordert umfassende Anstrengungen zur nachhaltigen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und Produktivität. Wir unterstützen öffentliche und private Investitionen im landwirtschaftlichen Bereich, insbesondere in den ärmsten Ländern und mit besonderem Augenmerk auf bäuerliche Kleinbetriebe. Die gegenwärtig hohen Preise für wichtige Getreidesorten erfordern eine sorgfältige internationale Abstimmung; einseitige Maßnahmen, die den Zugang zu Nahrung einschränken würden, sollten vermieden werden.