Menschen brauchen eine gesunde Natur

Fragen und Antworten zur Biologischen Vielfalt Menschen brauchen eine gesunde Natur

"Uns Menschen kann es nur auf einem gesunden Planeten mit einer gesunden Tier- und Pflanzenwelt wirklich gut gehen", sagte Bundeskanzlerin Merkel beim One Planet Summit for Biodiversity - dem Gipfel für biologischen Vielfalt. Was unternimmt die Weltgemeinschaft für den Schutz der bedrohten Natur? Was hat Naturschutz mit dem Schutz vor Krankheitserregern zu tun? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Wie groß ist der Verlust an biologischer Vielfalt?

Der Zustand der Natur verschlechtert sich dramatisch. Das zeigt der Bericht des Weltbiodiversitätsrates zum Artensterben aus dem Jahr 2019. Bis zu eine Million Arten weltweit sind vom Aussterben bedroht - viele davon bereits in den nächsten Jahrzehnten. Nicht nur exotische Tiere wie Nashörner, Elefanten, Giraffen oder Reptilien sind gefährdet. Drei Viertel der Landoberfläche weltweit und zwei Drittel der Meeresfläche sind stark verändert. Mehr als 85 Prozent der Feuchtgebiete sind verloren gegangen.

Von den im Jahr 2010 beschlossenen 20 Zielen für biologische Vielfalt bis 2020 - den "Aichi"-Biodiversitätszielen - haben die Mitgliedstaaten des UN-Übereinkommens lediglich sechs Ziele teilweise erreicht. "Wir brauchen eine globale Trendwende. Umweltzerstörung, Klimawandel und der Verlust der biologischen Vielfalt beschleunigen sich, wie es das es in der Menschheitsgeschichte noch nicht gegeben hat. [...] Wir können es uns nicht leisten, das zu ignorieren. Es führt kein Weg daran vorbei, dass wir jetzt wirksame Maßnahmen zum Schutz unserer Lebensgrundlagen ergreifen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Biodiversitäts-Konferenz der Vereinten Nationen Ende September 2020.

Wie unterstützt Deutschland den Biodiversitätsschutz weltweit?

Um den Rückgang der biologischen Vielfalt aufzuhalten, beschloss die Weltgemeinschaft 1992 das UN-Übereinkommen über die biologische Vielfalt. Die mehr als 190 Mitgliedsstaaten verpflichteten sich, jeweils auf nationaler Ebene Strategien zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt zu erarbeiten. Deutschland verpflichtete sich mit seiner Nationalen Strategie, den Rückgang der biologischen Vielfalt aufzuhalten. Bundeskanzlerin Merkel ist im September 2020 dem  "Leaders Pledge for Nature"  - dem "Versprechen für die Natur" - beigetreten. Gemeinsam wollen 82 Länder aus allen Regionen und der Europäischen Union den Biodiversitätsverlust bis 2030 umkehren.

Durch internationale Vereinbarungen und Programme verdoppelte sich die internationale Finanzierung des Biodiversitätserhalts zwischen 2010 und 2020. Die Bundesregierung unterstützt bereits in mehr als 90 Ländern Projekte zum Erhalt der Biodiversität mit 500 Millionen Euro jährlich. Bisher werden so mehr als 500 Schutzgebiete gefördert - mit einer Fläche, die viermal größer ist als Deutschland. Die Schutzgebiete in Angola, Botsuana, Namibia, Sambia und Simbabwe wachsen zum größten grenzüberschreitenden Schutzgebiet zusammen.

Deutschland trat zudem 2020 der Meeres-Vorreiter-Allianz "Global Ocean Alliance" bei, die ebenfalls dafür eintritt, mindestens 30 Prozent der weltweiten Meere und Ozeane bis zum Jahr 2030 unter Naturschutz zu stellen.

Wie viele Gebiete stehen weltweit unter Naturschutz?

Bisher stehen weltweit 15 Prozent der Land- und sieben Prozent der Meeresflächen unter Naturschutz. In den für die biologische Vielfalt bedeutendsten Gebieten leben vor allem indigene Bevölkerungsgruppen. Diese Gebiete und damit auch ihre Bewohner sind am stärksten bedroht.

Bei der 15. UN-Vertragsstaatenkonferenz für Biodiversität im Herbst in Kuming (China) soll von der Staatengemeinschaft ein neuer globaler Rahmen für die biologische Vielfalt verabschiedet werden. Deutschland tritt dafür ein, dass bis 2030 mindestens 30 Prozent der Landfläche und 30 Prozent der Meeresgebiete unter Naturschutz gestellt werden. Zehn Prozent sollen besonders streng geschützt werden. EU-weit soll es ebenso einen entsprechenden gesetzlichen Schutz geben. Das vereinbarten die europäischen Staats- und Regierungschefinnen und -Chefs unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft.

Deutschland ist beim "One Planet Summit" - dem internationalen Gipfel für biologische Vielfalt - der Initiative "High Ambition Coalition for Nature and People"  beigetreten. Die Ländergruppe setzt sich ebenfalls dafür ein, bis 2030 weltweit mindestens 30 Prozent der Land- und Meeresflächen zu schützen. 

Wie wird der Schutz des Waldes mit einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung verbunden?

Wälder sind die grünen Lungen der Erde. Sie sind Lebensraum und dienen 1,6 Milliarden Menschen als Lebensgrundlage. Seit 1990 gingen weltweit 420 Millionen Hektar Wald verloren – eine Fläche, zwölfmal so groß wie Deutschland. Jedes Jahr verschwinden weitere zehn Millionen Hektar Wald.

Deutschland fördert bereits den Anbau nachhaltiger und entwaldungsfreier Anbauflächen für Palmöl, Soja oder Viehwirtschaft in Indonesien, Brasilien oder Äthiopien. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt die Wiederaufforstung von 100 Millionen Hektar Wald in Afrika. Gefördert werden nachhaltige Landnutzung und Lieferketten. Der ökonomische Wert des Naturkapitals in Entwicklungsländern wird auf 47 Prozent ihres Gesamtvermögens geschätzt. Die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen dient einer nachhaltigen Entwicklung in diesen Ländern.

Warum ist Naturschutz wichtig für den Menschen?

Menschen profitieren von Naturschutzgebieten. Dort werden etwa 20 Prozent des landgebundenen Kohlenstoffs gespeichert. Auch versorgen sie weltweit ein Drittel der 100 größten Städte mit Trinkwasser. In zusätzlichen Schutzgebieten könnten neue Arbeitsplätze entstehen, etwa im Schutzgebietsmanagement, in der nachhaltigen Fischerei oder im Ökotourismus. Die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung - 40 Billionen Euro - ist abhängig von der Natur. Allerdings gehören laut Weltwirtschaftsforum "Biodiversitätsverlust und Zusammenbruch der Ökosysteme" zu den fünf größten Bedrohungen, denen die Welt heute ausgesetzt ist.

Auch verbraucht der Mensch immer mehr Flächen und natürliche Ressourcen, etwa für Siedlungen, industrielle Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion, Energiegewinnung, Verkehr. Das verengt stetig die natürlichen Lebensräume für Tier- und Pflanzenarten und leistet dem Klimawandel Vorschub.

Wie hängen Natur- und Klimaschutz zusammen?

Natur- und Klimaschutz sind untrennbar miteinander verbunden. Intakte Ökosysteme wie Wälder, Moore und Gewässer sind wichtige CO2-Speicher und Sauerstoffspender. Im Sommer sorgen Grünflächen in Städten spürbar für Abkühlung und Bäume für ein bessere Luft. Die Wiederherstellung natürlicher Ökosysteme ist daher zentral für die Klimaanpassung und den Klimaschutz.

Die Bundesregierung setzt sich weltweit für Maßnahmen ein, um gleichzeitig dem Klimawandel und dem Artensterben zu begegnen. Dazu gehört die Wiederherstellung von Wäldern, Mooren und Böden und die Ausweitung von Schutzgebieten. Mit der Internationalen Klimaschutzinitiative förderte die Bundesregierung seit 2008 mit mehr als 1,2 Milliarden Euro fast 300 biodiversitätsrelevante Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern.

Das Bundesumweltministerium steigerte 2020 die Förderung mit einem "Corona Response Paket" (68 Millionen Euro), um Partnerländer kurzfristig bei der Bewältigung der COVID-19-Krise zu unterstützen. Mit 240 Millionen Euro wird ein Ideenwettbewerb gefördert, um die sozialen und ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie durch einen umwelt- und klimaverträglichen Wiederaufbaus zu fördern. Dem Wettbewerbsaufruf sind bereits mehr als 400 Organisationen weltweit gefolgt. Weitere Länder werden durch die "Ambition Initiative" mit 100 Millionen Euro unterstützt.

Was hat der Verlust an natürlichem Lebensraum mit der Verbreitung von Krankheitserregern zu tun?

70 Prozent der neuen Infektionskrankheiten und fast alle Pandemien beruhen auf Zoonosen. Das zeigt eine umfassende Studie des Weltbiodiversitätsrats vom Oktober 2020. Die Expertinnen und Experten warnen davor, dass Pandemien infolge der Naturzerstörung in Zukunft noch häufiger auftreten könnten. Neue Infektionskrankheiten hängen oft mit den gleichen Ursachen zusammen, die auch für den Biodiversitätsverlust verantwortlich sind. Sie werden durch den Klimawandel verstärkt.

Das Übertragungsrisiko von Infektionskrankheiten steigt in artenarmen, gestörten Lebensräumen. Verlieren Wildtiere ihren natürlichen Lebensraum, weichen sie auf von Menschen besiedelte Flächen aus. Dadurch gelangen Mensch und Tier öfter in Kontakt und das Risiko der Übertragung von Krankheiten steigt. Besonders groß ist die Gefahr von Übertragungen auf Wildtiermärkten, auch durch den unregulierten Handel mit Wildtieren steigt das Übertragungsrisiko.