Europäischen Weg weitergehen

Regierungserklärung der Kanzlerin Europäischen Weg weitergehen

"Es lohnt sich, diese Agenda fortzusetzen", sagte die Kanzlerin in ihrer Regierungserklärung kurz vor dem EU-Gipfel in Brüssel. Sie werde sich mit aller Kraft für eine europäisch-türkische Lösung der Flüchtlingskrise einsetzen. Verständnis zeigte Merkel für viele Reformforderungen Großbritanniens.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt im Bundestag eine Regierungserklärung ab.

Merkel: Dürfen grundlegende Errungenschaften der EU, Freizügigkeit und Nichtdiskriminierung, nicht in Frage stellen.

Foto: Bundesregierung/Steins

Die Kanzlerin setzt sich bei den Verhandlungen mit Großbritannien für Ergebnisse ein, "von denen am Ende nicht nur das Vereinigte Königreich selbst profitiert, sondern auch Deutschland und ganz Europa". Dies betonte Merkel in ihrer Regierungserklärung kurz vor dem Europäischen Rat am 18. und 19. Februar in Brüssel.

Die Anliegen Großbritanniens seien in vielen Punkten "berechtigt und nachvollziehbar", und es handele sich "keineswegs nur um britische Einzelinteressen", betonte Merkel. Unter anderem sei auch sie der Auffassung, dass Nicht-Euroländer in den für sie wichtigen Fragen nicht übergangen werden dürften. Hier müsse Diskriminierung vermieden und gleichzeitig Differenzierung zugelassen werden.

Nicht zur Disposition: Freizügigkeit und Nichtdiskriminierung

Auch die Interessen Großbritanniens, bei der Migration Fehlanreize im Sozialsystem zu beseitigen, seien berechtigt. "Deshalb ist es für mich selbstverständlich, dass jeder Mitgliedstaat in der Lage sein muss, sein Sozialsystem auch gegen Missbrauch zu schützen." Allerdings finde dies seine Grenze in grundlegenden europäischen Errungenschaften, nämlich der Freizügigkeit und der Nichtdiskriminierung. "Diese beiden Prinzipien stehen nicht zur Disposition." In den Verhandlungen müsse diese Grundhaltung mit den britischen Reformwünschen vereinbart werden.

Der Europäische Rat werde zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Vertragsänderungen beschließen. Die Verhandlungen müssten dann bei der nächsten Überarbeitung der Europäischen Verträge berücksichtigt werden. Dann werde auch der Deutsche Bundestag beteiligt.

Die britische Regierung  hat ein Referendum zum Verbleib des Landes in der Europäischen Union angekündigt. Im Vorfeld des Referendums hat sie Reformforderungen gestellt, mit denen sich der Europäische Rat am 18. und 19. Februar befasst. Die Verhandlungen führt der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk. In einem Schreiben vom 2. Februar hatte Tusk Kompromissvorschläge an die EU-Mitgliedstaaten versandt, die Grundlage der Verhandlungen beim Europäischen Rat sein sollen.

"Eine historische Bewährungsprobe"

In der Flüchtlingskrise sieht die Kanzlerin Europa vor einer historischen Bewährungsprobe. Bei dem kommenden Europäischen Rat gehe es nicht darum, erneut Kontingente zu vereinbaren.

Es gehe vielmehr um die Frage: "Sind wir mit unserem europäisch-türkischen Ansatz auf Grundlage der EU-Türkei-Agenda … so weit vorangekommen, dass es sich lohnt, diesen Weg weiterzugehen, weil mit ihm die illegale Migration spürbar eingedämmt werden kann, was die entscheidende Voraussetzung für legale Kontingente ist? Oder müssen wir aufgeben und stattdessen, wie jetzt manche vehement fordern, die griechisch-mazedonisch-bulgarische Grenze schließen mit allen Folgen für Griechenland und die Europäische Union insgesamt?"

Video Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat

Zahl der Flüchtlinge nachhaltig reduzieren

Mit all ihrer Kraft werde sie sich für die europäische-türkische Lösung einsetzen. Es gehe bei dieser Lösung darum, "die Zahl der Flüchtlinge spürbar und nachhaltig zu reduzieren, um so auch weiterhin den Menschen helfen zu können, die unseres Schutzes wirklich bedürfen".  Dazu müssten die Fluchtursachen bekämpft, die EU-Außengrenzen - insbesondere zwischen Griechenland und der Türkei - geschützt und der Flüchtlingszuzug geordnet und gesteuert werden.

"Es steht außer Zweifel, dass dauerhaft weniger Menschen zu uns nur dann kommen werden, wenn wir dort ansetzen, woher sie kommen und die Ursachen beheben, die sie in die Flucht treiben." Merkel erinnerte unter anderem an die Erfolge der Londoner Geberkonferenz vom 4. Februar, bei der über elf Milliarden Dollar für humanitäre Hilfen bereitgestellt wurden. Vom Umfang der Hilfen her sei dies die erfolgreichste Geberkonferenz in der Geschichte der Vereinten Nationen gewesen.

Schutzzonen in Syrien, Schutz der maritimen Grenzen

Merkel sprach sich für Schutzzonen in Syrien aus: "Es wäre hilfreich, wenn es in Syrien ein Gebiet gäbe, auf das keine der Kriegsparteien Angriffe fliegt." Wenn es gelänge, eine Vereinbarung über eine Art Flugverbotszone zu treffen, "rettete das viele Menschenleben und es diente auch dem politischen Prozess zur Zukunft Syriens".

Die Kanzlerin hob hervor, wie wichtig der Schutz der Seegrenzen sei: "Wir müssen lernen, als Europäische Union maritime Grenzen zu schützen." Dies sei schwieriger, als Landgrenzen zu schützen. "Wenn wir das nicht lernen, dann wird uns das beim nächsten Mal bei Italien mit dem Gegenüber Libyen auch nicht gelingen."

Auf nationaler Ebene habe man viel erreicht. So würden die ankommenden Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze mittlerweile registriert und kontrolliert. Es gebe einen einheitlichen Flüchtlingsausweis, der schrittweise eingeführt werde, in dieser Woche werde das Asylpaket II diskutiert, das Kabinett habe einen Beschluss für weitere sichere Herkunftsländer gefasst. Außerdem habe man die Voraussetzungen geschaffen, straffällige Flüchtlinge schneller ausweisen zu können.

Etappe auf dem europäischen Weg

Mit dem Europäischen Rat am 18. und 19. Februar werde die Diskussion über beide Themen nicht beendet sein, es sei lediglich eine "Etappe". Europa sei jedoch bislang aus jeder Krise stärker hervorgegangen, "und ich hoffe, dass das auch diesmal so der Fall sein kann".

Bundeskanzlerin Merkel wird am 18. und 19. Februar am Europäischen Rat in Brüssel teilnehmen. Auf der Tagesordnung stehen zwei Themen: das künftige Verhältnis Großbritanniens zur EU und die EU-Migrationspolitik.