Ein großer Deutscher und Europäer

Merkel zum Tod Genschers Ein großer Deutscher und Europäer

Die Bundesregierung trauert um den früheren Außenminister Hans-Dietrich Genscher. Bundeskanzlerin Merkel würdigte Genscher als Patrioten und überzeugten Europäer. Sein Lebenswerk habe zwei Zielen gegolten: dem europäischen Entspannungsprozess und der deutschen Wiedervereinigung.

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Hans-Dietrich Genscher hat Deutschland 23 Jahre lang als Minister gedient. Davon 18 Jahre lang als Minister des Auswärtigen. Er habe dieses Amt geprägt wie kein anderer, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitagabend (1.4.) zum Tod Genschers.

Das Lebenswerk Genschers habe zwei Zielen gegolten: dem europäischen Entspannungsprozess und der deutschen Wiedervereinigung, so Merkel weiter. "Dafür wirkte er maßgeblich an der Erarbeitung der KSZE-Schlussakte von Helsinki mit, die den Rufen nach Menschenrechten und Freizügigkeit damals eine unüberhörbare Stimme gab und mir, wie Millionen von Menschen in der DDR und in Osteuropa, Hoffnung auf Veränderung."

Zu Ehren des Verstorbenen hat Bundespräsident Joachim Gauck einen Staatsakt angeordnet. Dieser soll am Sonntag, dem 17. April, im ehemaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestages im "World Conference Center Bonn" in Bonn stattfinden.

Video Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Tod von Hans-Dietrich Genscher

Verdienste um die Deutsche Einheit

Als gebürtiger Hallenser habe Hans-Dietrich Genscher das Unrecht der deutschen Teilung nie hingenommen. Er sei seiner Heimatstadt immer verbunden gewesen, betonte die Kanzlerin. Als die historische Stunde schlug, habe er wahrhaft Großes zur Überwindung von Mauer und Unfreiheit beigetragen.

Merkel erinnerte an den entscheidenden Moment, als der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher 1989 den in der Prager Botschaft ausharrenden DDR-Flüchtlingen die Nachricht von ihrer Ausreisemöglichkeit in die Bundesrepublik überbrachte - und er seinen Satz unter dem Jubel der Menschen nicht vollenden konnte. "Dieser einzigartige Höhepunkt seiner politischen Laufbahn wird für immer mit der gelungenen Wiedervereinigung Deutschlands verbunden sein", sagte sie.

Die Bilder von der abendlichen Balkonszene gingen damals in alle Welt. Die Ausreiseerlaubnis für die Botschaftsflüchtlinge aus der DDR gilt als eines der Schlüsselereignisse auf dem Weg zum Mauerfall am 9. November 1989.

"Großer liberaler Patriot und Europäer"

Nach dem Fall der Mauer sei Hans-Dietrich Genscher eine Schlüsselrolle dabei zugekommen, die Wiedervereinigung in Freiheit und in Einklang mit allen Partnern und Verbündeten international zu verankern. "Der Zwei-plus-Vier-Vertrag, der die äußeren Aspekte der Deutschen Einheit besiegelte, ist sein bleibendes Werk und die Krönung seiner politischen Laufbahn", erklärte Merkel.

"Ich verneige mich in Hochachtung vor der Lebensleistung dieses großen liberalen Patrioten und Europäers. Persönlich bin ich dankbar für all die Gespräche und Begegnungen dankbar, bei denen ich bis in die letzten Jahre von seiner Welterfahrung und Lebensweisheit schöpfen durfte."

Steinmeier: Genscher hat Geschichte geschrieben

Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier würdigte Genscher. Er erklärte, Hans-Dietrich Genscher habe in seinem langen und bewegten Leben "buchstäblich Geschichte geschrieben, Geschichte unseres Landes, Deutschlands, und Geschichte Europas". Die Überwindung der Teilung Deutschlands und der Spaltung Europas sei ihm eine lebenslange Aufgabe gewesen. "Ihm war es vergönnt, die deutsche Wiedervereinigung, das große politische Ziel seines Lebens selber zu verwirklichen und auch die Vollendung der Deutschen Einheit zu Lebzeiten noch begleiten zu können."

Geboren wurde Hans-Dietrich Genscher am 21. März 1927 in Reideburg bei Halle/Saale. Außenminister war Hans-Dietrich Genscher von 1974 bis 1992. In dieser Funktion war er maßgeblich an den Verhandlungen zur Deutschen Einheit beteiligt. Weltberühmt wurde der FDP-Politiker am 30. September 1989, als er den in die Prager Botschaft geflüchteten DDR-Bürgern die Möglichkeit ihrer Ausreise mitteilte: "Liebe Landsleute, wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise...", erklärte er auf dem Balkon der Botschaft. Der Rest des Satzes ging im lauten Jubel der anwesenden DDR-Bürger unter. Sein erstes Ministeramt übernahm Genscher 1969: Damals wurde er Bundesminister des Innern. In seine Zeit als Innenminister fiel im September 1972 die Geiselnahme und Ermordung israelischer Sportler durch arabische Terroristen während der Olympischen Spiele. Genscher gründete später die Antiterroreinheit GSG 9.