Durchbruch zur Stabilitätsunion

Europäischer Rat Durchbruch zur Stabilitätsunion

Die Staats- und Regierungschefs stellen die Wirtschafts- und Währungsunion auf ein stabiles Fundament: Die 17 Euro-Länder setzen neue Regeln für strengere Haushaltsdisziplin und für eine enge Zusammenarbeit für Wirtschaftsreformen und Wachstum. Der dauerhafte Euro-Schutzschirm ESM kommt schon 2012. Das ist der Durchbruch für einen dauerhaft stabilen Euro.

Merkel im Gespräch mit Staats-und Regierungschefs in Brüssel

Merkel im Gespräch mit Staats-und Regierungschefs in Brüssel

Foto: REGIERUNGonline/Bergmann

Bundeskanzlerin Merkel zeigte sich sehr zufrieden mit dem Ergebnis. "Die 17 Staaten des Euroraums müssen die Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Und ich glaube, mit den heutigen Beschlüssen kann das gelingen und wird das gelingen", erklärte Merkel in Brüssel. Der Beitritt zu dem neuen Europäischen Stabilitäts- und Wachstumsvertrag steht allen EU-Staaten offen.

"Wir werden in diesem Vertrag den Institutionen- sowohl der Kommission als auch dem Europäischen Gerichtshof – eine sehr starke Rolle geben", erläuterte die Bundeskanzlerin. Bei der Erarbeitung des Vertrags würden auch Beobachter des Parlaments eingeladen, so Merkel weiter. Die Eurostaaten wollen außerdem den ESM-Vertrag möglichst bald in die Europäischen Verträge einfügen.

Die wichtigsten Beschlüsse

Die Staats- und Regierungschefs einigten sich auf folgende Kernpunkte eines neuen Vertrags:     

  • Alle Länder führen eine gesetzliche Schuldenbremse - möglichst in den Verfassungen - mit dem Ziel ausgeglichener öffentlicher Haushalte ein. Ein Haushalt gilt als ausgeglichen, wenn das Defizit nicht mehr als 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufweist. Die korrekte Umsetzung der europäischen Schuldenbremse in nationales Recht kann der Europäische Gerichtshof überprüfen.
  • Die EU kann Länder, die zu hohe Haushaltsdefizite haben, in Zukunft automatisch bestrafen. Die Strafen sollen nur noch mit einer qualifizierten Mehrheit der Euro-Staaten gestoppt werden können. Es gilt also dann eine umgekehrte qualifizierte Mehrheit.
  • Länder mit zu hoher Verschuldung sollen mit der EU-Kommission rechtlich bindende detaillierte Reformvereinbarungen abschließen.

Der künftige dauerhafte Euro-Rettungsschirm ESM soll nicht erst 2013, sondern schon im Sommer 2012 einsatzfähig sein. Der ESM wird unabhängig von den Verpflichtungen der EFSF ein maximales Darlehensvolumen von 500 Milliarden Euro haben.
 
Bei der Beteiligung privater Gläubiger soll sich der ESM am Internationalen Währungsfonds IWF orientieren. Das sind Praktiken, die sowohl die Märkte wie die Mitgliedstaaten kennen. Es ist ein Teil der Vertrauensbildung. Ist die Finanzstabilität der Eurozone bedroht, kann der ESM mit einer Mehrheit von 85 Prozent des Kapitalschlüssels entscheiden.
 
Angesichts der weiter bestehenden Herausforderungen wollen sich die Staats- und Regierungschefs im nächsten halben Jahr monatlich treffen.

"Es ist der erste der europäischen Krisengipfel, nach dem die Finanzmärkte nicht sagen werden: Zu wenig und zu spät. Die neue Fiskalarchitektur stellt einen Qualitätssprung dar." Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Thomas Mayer in der "Passauer Neuen Presse".

"… die Beschlüsse des Gipfels (sind) insgesamt gesehen zielführend, also etwa die Einführung nationaler Schuldenbremsen und automatischer Sanktionen. Diese Punkte entsprechen im Übrigen den Ratschlägen des Sachverständigenrates." Prof. Dr. Wolfgang Franz, Leiter des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim und Chef der Wirtschaftsweisen.

"Die Märkte werden sicherlich begrüßen, dass die Konstruktionsfehler der Eurozone behoben sind." Prof. Dr. Jörg Rocholl, European School of Management and Technology.

"Wir haben die Voraussetzung dafür getroffen, dass wir einen Riesenschritt in Richtung Stabilitätsunion weitergekommen sind, dadurch, dass die Sanktionen automatischer werden. Dadurch, dass wir nicht wegsehen, wenn haushaltspolitisch bedingte Dinge schief laufen", Jean-Claude Juncker, Ministerpräsident und Finanzminister des Großherzogtums Luxemburg.

"Die maßgeblich von Bundeskanzlerin Angela Merkel durchgesetzte Einigung von 17 Eurozonen-Staaten und weiteren EU-Ländern auf eine Stabilitäts- und Fiskalunion ist ein entscheidender Schritt nach vorne." BDI-Präsident Hans-Peter Keitel.

"Die besprochenen Maßnahmen zeigen, dass die Euro-Staaten und die Mehrheit der EU-Mitglieder gewillt sind, das Schuldenproblem an der Wurzel anzupacken." DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann.

"Die Ergebnisse des Brüsseler EU-Gipfels sind ein wichtiger Schritt zur Eindämmung der Vertrauens- und Staatsschuldenkrise. Es ist schade, dass Großbritannien bei der Vertiefung der EU vorerst nicht dabei ist, aber allemal besser, als faule Kompromisse." Anton Börner, Präsident des  Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA).

"Die Staats- und Regierungschefs des Euro-Raumes und sechs weiterer EU-Staaten haben mit ihren Gipfelbeschlüssen den Weg in eine stabilere Zukunft der Europäischen Währungsunion geebnet. Endlich wird mit einem bindenden finanzpolitischen Regelwerk ein schwerer Konstruktionsfehler der Währungsunion angegangen." Bundesverband Deutscher Banken.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler sagte, die Beschlüsse zeigten, dass Europa mutig und entschlossen voranschreite. Der Weg zu einer Stabilitätsunion sei unumkehrbar.

Kroatien tritt der EU bei

Am Vormittag des zweiten Gipfeltages unterzeichneten die Staat- und Regierungschefs den Beitrittsvertrag mit Kroatien. Auch Kroatiens Staatspräsident Ivo Josipovic und Ministerpräsidentin Jadranka Kosor setzen ihre Unterschriften unter den Vertrag. Damit kann der Ratifizierungsprozess beginnen.

Neben dem Europäischen Parlament müssen für die EU alle bisherigen 27 EU-Mitgliedsländer den Vertrag ratifizieren. Mitte 2013 soll dieses Verfahren abgeschlossen sein.

Entscheidung zu Serbien vertagt

Serbien hingegen kann frühestens im März 2012 darauf hoffen, offiziell den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu bekommen. Vor allem Deutschland hatte sich dagegen ausgesprochen, Serbien bereits jetzt zum EU-Beitrittskandidaten zu erklären. Bundeskanzlerin Merkel hatte in ihrer Regierungserklärung vom 2. Dezember 2011 betont, Serbien sei den "Erwartungen bislang nicht ausreichend gerecht geworden". Ein Weg Serbiens in die EU führe nur über eine Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo.
In der Gipfel-Erklärung heißt es, vor der endgültigen Entscheidung im März 2012 solle der EU-Ministerrat noch einmal Bericht erstatten. Er solle prüfen und bestätigen, dass Serbien dem Abkommen mit dem Kosovo über die gemeinsame Grenze gerecht werde.
Außerdem muss Serbien bis zum März ein Abkommen über umfassende regionale Zusammenarbeit schließen. Auch soll es der NATO hinsichtlich der Kosovo-Schutztruppe KFOR und der EU bei der Kosovo-Rechtsstaatsmission Eulex helfen.