Chancen auf Teilhabe vergrößern

Merkel beim Deutschen Fürsorgetag Chancen auf Teilhabe vergrößern

Digitalisierung, demografischer Wandel und Zuwanderung verändern das Leben der Menschen in Deutschland. Darauf müsse die Gesellschaft reagieren und die Chancen auf Teilhabe gleichmäßiger verteilen, forderte Bundeskanzlerin Merkel auf dem Deutschen Fürsorgetag.

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Kanzlerin Merkel am Rednerpult

Merkel: Teilhabechancen für alle ermöglichen.

Foto: Bundesregierung/Steins

"Wir sollten das, was wir haben, nicht gering schätzen, aber wir sollten auch nicht übersehen, dass die Teilhabechancen in unserer Gesellschaft nicht gleichmäßig verteilt sind", sagte Bundeskanzlerin Merkel auf dem Deutschen Fürsorgetag. Menschen mit Behinderung, Ältere, Zuwanderer oder auch Menschen ohne Schulabschluss oder Berufsausbildung blieben manchmal außen vor. Es gelte, ihnen eine bessere Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen, mahnte Merkel.

Denn die zentrale Frage eines Landes sei zu jedem Zeitpunkt, wie der Zusammenhalt der Gesellschaft erhalten werden könne. Die Teilhabechancen gerade auch für die Schwächeren zu verbessern, könne aber nur ein Gemeinschaftswerk der gesamten Gesellschaft sein, betonte Merkel.

Der Deutsche Fürsorgetag gilt als wichtigste Veranstaltung der Wohlfahrtspflege in Deutschland. Die Themenpalette ist breit gefächert: Es geht um konkrete Hilfe für Flüchtlinge in den Gemeinden, um Schulsozialarbeit, die Integration von Behinderten oder Gestaltungsmöglichkeiten in der Altenpflege. Nahezu jeder Bereich des Sozialen wird diskutiert. Rund 2.000 Interessierte haben sich in diesem Jahr angemeldet.

Bildungschancen für Zuwanderer verbessern

Eine große Aufgabe sei die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Noch hätten sie weniger Schul- und Berufsabschlüsse. Da mittlerweile ein Drittel der Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren in Deutschland ausländische Wurzeln habe, müsse hier unbedingt etwas geschehen, so die Kanzlerin.  

"Wir brauchen mehr Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund, und wir brauchen mehr Menschen in der öffentlichen Verwaltung mit Migrationshintergrund", so Merkel. Deutschkenntnisse seien das A und O für die gesellschaftliche Teilhabe, denn man wisse, dass "Deutschkenntnisse und Bildungsabschlüsse aufs Engste zusammenhängen."

Die derzeit hohen Zahlen an Flüchtlingen wollen Bund, Ländern und Kommunen als "Verantwortungsgemeinschaft" schultern. "Wir müssen sehen, dass diejenigen, die ein berechtigtes Schutzbedürfnis haben, diesen Schutz bei uns auch wirklich bekommen. Wir müssen aber auch aussprechen, dass diejenigen, die dieses Schutzbedürfnis nicht haben, gesagt bekommen, dass sie unser Land wieder verlassen müssen", machte Merkel deutlich.

Antworten auf Alterung der Gesellschaft gesucht

Ein weiteres zentrales Problem sei die Alterung der Gesellschaft. Wenn man wolle, dass die Menschen bis zum regulären Renteneintrittsalter arbeiten, müsse die Gesellschaft auch die Bedingungen dafür schaffen, beispielsweise bei Arbeitsplatzausstattung und  Arbeitszeitgestaltung. Vor allem aber müsse man der älteren Generation "ein klares Signal" geben, dass auch Berufs- und Lebenserfahrung in der Berufswelt viel bedeuteten.

Was die "Härten des Alters" – Krankheit, Gebrechlichkeit und Pflegebedürftigkeit – betreffe, so kämen auf allen Ebenen immer größere Herausforderungen auf uns zu. Altersgerechtes Wohnen, Mobilität, Infrastruktur und Gesundheitsversorgung ‒ all das habe sehr viel mit Teilhabe zu tun. "Unsere Städte und Gemeinden sind noch nicht auf diesen demografischen Wandel vorbereitet", ist Merkel überzeugt.

Man bereite derzeit Gesetze vor, um die Versorgung mit Ärzten und Fachärzten im ländlichen Raum zu verbessern. Allerdings sei das "alles andere als ein Selbstläufer", so die Kanzlerin.

Auch im Pflegebereich werde es noch in dieser Legislaturperiode Änderungen geben. So sollen die Pflegeleistungen verbessert und auch Raum für eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte gegeben werden. Auch der Pflegebegriff müsse überarbeitet worden, um insbesondere die Demenzkranken besser ins System integrieren zu können.

Mehr Bürgerbeteiligung erwünscht

Eine bereits viel gelebte Form der Teilhabe sei das bürgerschaftliche Engagement. Mehr als jeder Dritte in Deutschland sei ehrenamtlich aktiv. "Darüber können wir sehr froh sein", denn das mache Deutschland noch stärker, betonte Merkel. Man müsse sich fragen, wie man noch mehr Menschen ermutigen könne, diesen Schritt zu gehen. Dafür brauche es flexible, niedrigschwellige Angebote und Anlaufstellen.

Aber auch in der Politik gehe es um "moderne Formen von Teilhabe", so Merkel. Menschen zu motivieren, sich stärker an demokratischen Prozessen zu beteiligen, sei ein Grund für den Bürgerdialog der Bundesregierung . Jeder sei eingeladen, an einer der zahlreichen Veranstaltungen im ganzen Land teilzunehmen und seine Vorstellungen von einer guten Lebensqualität in Deutschland einzubringen. "Wir wollen uns als Bundesregierung daran orientieren, was wir aus dem Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern gelernt haben", versprach Merkel.

Alle drei Jahre veranstaltet der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. den Deutschen Fürsorgetag, das Familienministerium unterstützt den Tag. Das Motto in diesem Jahr - "Teilhaben und Teil sein". Neben einem Fachkongress gibt es auch einen "Markt der Möglichkeiten" mit Ausstellern aus der Sozialwirtschaft und den Wohlfahrtsverbänden.