Bürgergespräch in Heidelberg

Textversion Bürgergespräch in Heidelberg

"Wie wollen wir lernen?" - Diese Zukunftsfrage war das Kernthema des Bürgergesprächs mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am 14. März 2012 in Heidelberg. Gefragt waren Vorschläge und Ideen zum "Lernen", Internet" und "Gemeinsinn".

70 Min. Lesedauer

Moderator: Meine Damen und Herren, einen schönen Abend und herzlich willkommen zum Dialog über Deutschlands Zukunft! Herzlich willkommen hier in Heidelberg und herzlich willkommen, Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel! Schön, dass Sie da sind.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Danke.

Moderator: Frau Bundeskanzlerin, heute soll es um das Thema gehen: Wie wollen wir in Zukunft gemeinsam lernen?

Vielleicht erst noch ein paar Worte zur Idee des Zukunftsdialogs insgesamt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Wir haben uns gedacht, dass es vielleicht gut ist, dass wir über das nächste Jahr hinaus denken - vielleicht um fünf, zehn Jahre - und uns überlegen: Wie soll Deutschland dann aussehen? Die Welt verändert sich sehr stark. Wir haben ja auch unsere Vorstellungen. Wir haben uns drei Fragen ausgedacht oder überlegt, die vielleicht die Dinge auf den Punkt bringen. Das eine ist: Wie wollen wir zusammenleben? Dazu war ich in Erfurt und habe dort mit Bürgerinnen und Bürgern diskutiert. Heute wollen wir darüber sprechen: Wie wollen wir lernen für das Morgen? Wie wollen wir morgen die Dinge erfahren, erleben und erlernen? Und dann wird es in Bielefeld noch eine Veranstaltung geben: Wovon wollen wir leben?

Wir haben uns gedacht, Heidelberg könnte eine interessante Stadt fürs Lernen sein. Wir haben uns insgesamt überlegt, dass wir immer in mittlere Städte gehen. Die meisten Menschen leben weder in der Großstadt noch in ganz kleinen Dörfern, sondern in mittelgroßen Städten. Ich hoffe, Heidelberg ist nicht beleidigt, wenn ich sage, dass es sich um eine mittelgroße Stadt handelt. Es ist eine wunderschöne Stadt. Der Oberbürgermeister wird mir wahrscheinlich recht geben - meine Kollegen aus dem Bundestag auch.

Wir haben Erfurt, Bielefeld, Heidelberg auch ein bisschen regional ausgesucht. So sind wir heute bei Ihnen. Wir haben uns überlegt, mit den lokalen Medien ein bisschen zusammenzuarbeiten, damit man interessierte Bürgerinnen und Bürger findet. Denn wir machen ja heute in gewisser Weise verkehrte Welt. Normalerweise fragen Sie mich aus, was meine Vorstellungen sind. Heute frage ich Sie, was Ihre Vorstellungen sind. Bevor wir entscheiden, was wir auf der Regierungsebene machen, sollten wir uns auch dafür interessieren, was die Bürgerinnen und Bürger denken, denn die haben ja auch Vorstellungen davon, wie das Leben aussehen soll. Das machen wir im Internet und auch direkt heute mit Ihnen.

Moderator: Also, meine Damen und Herren, die nächsten Minuten stehen Sie wirklich im Mittelpunkt. Wir freuen uns auf eine spannende, interessante Diskussion und natürlich auf möglichst viele, viele Vorschläge und sind gespannt, was die Bundeskanzlerin dann an Vorschlägen von Ihnen so mitnehmen kann.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Vielleicht sollten wir noch eine Sache sagen. Beim Lernen ist es ja so, dass die Bundesebene nicht für alles verantwortlich ist. Die Länder sind für die Schulen und für die Schulpolitik verantwortlich. Das heißt nicht, dass Sie kein Wort darüber sagen dürfen. Aber wenn es darum geht, was wir später auch umsetzen können, dann müssen wir uns das Lernen insgesamt anschauen über das ganze Leben sozusagen vom Säugling bis ins hohe Alter. Aber ich glaube, auch da gibt es genug zu reden.

Moderator: Wir bewegen uns anhand unseres Teppichs über diese drei Themen. Wir beginnen ganz links mit Lernen, danach Internet und Gemeinsinn. Wir haben jeweils ungefähr 30 Minuten Zeit. Das wird bestimmt eine spannende Diskussion. Damit jeder von uns in der schönen Stadthalle in Heidelberg ein bisschen eine Vorstellung bekommt, um was es im ersten Thema geht, haben wir für das Thema Lernen einen kleinen Film vorbereitet.

Thema "Lernen"

(Einspielfilm Lernen)

Meine Damen und Herren, dann legen wir los. Wir haben gehört, generationenübergreifendes Lernen ist ganz wichtig. Das soll ein Thema sein, aber natürlich auch: Wie kann man dafür sorgen, dass Lernen lange unseren Alltag positiv beeinflusst? Wer hat einen Vorschlag? Wer möchte anfangen? - Fangen wir mal bei diesem Herrn hier vorne an.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Er war der Erste.

Moderator: Dann nehmen wir den Herrn da hinten als Zweites. - Erst mal Herr Efing.

Herr Efing: Schönen guten Tag, Frau Bundeskanzlerin! Einen schönen Gruß auch von meiner Tochter.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Wie alt ist Ihre Tochter?

Herr Efing: Die eine ist 15, die andere ist 16.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Von welcher?

Herr Efing: Von beiden darf ich Ihnen einen Gruß ausrichten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Ach so, von beiden. Gut.

Herr Efing: Mein Name ist Carsten Efing. Ich komme aus Limbach im schönen Odenwald. Was meine Töchter angeht: Die eine hat schon ein Praktikum hinter sich, die andere hat eines vor sich. Diese Berufspraktika gehen meist etwa zwei Wochen lang. Danach geht es wieder in die Schule und in den Schulalltag.

Mein Vorschlag zum praxisnahen Lernen wäre, dass man ab der 7., 8. Klasse eine Art Praktikum einführt, wo die Schüler in Form von Nachmittagsunterricht ein-, zweimal in der Woche in einen Betrieb gehen. Ein Betrieb müsste dafür nicht extra Personal bereitstellen, sondern ein Praktikant könnte die Zeit direkt nebenan verbringen oder richtig mitarbeiten. Ein Betrieb hätte auch die Möglichkeit, die zukünftigen Lehrlinge schon im Vorfeld besser kennenzulernen und vielleicht kurz vor Abschluss schon einen Ausbildungsvertrag unterschreiben zu lassen. Das wäre mein Vorschlag.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Okay. Also Sie sagen, nicht nur punktuell mal zwei Wochen ein Praktikum, sondern schon regelmäßig Kontakt zum Betrieb. Glauben Sie, es soll gleich der erste Betrieb sein? Ich meine, wenn man Pech hat, dann sitzt man da und muss gleich einen Lehrvertrag unterschreiben. Vielleicht sollte man ein bisschen Variationen möglich machen.

Herr Efing: Die Idee ist eigentlich, wenn der Jugendliche merkt, das ist nicht meine Sache, oder auch der Betrieb möglicherweise irgendwann merkt, das ist nicht das Richtige, dass man auch wechseln kann und verschiedene Berufsfelder kennenlernt. Klar, es wird vielleicht den einen oder anderen geben, der sagt, das ist mein Betrieb, und das Unternehmen sagt, den wollen wir behalten. Aber ich denke, dass die meisten schon wechseln, was in der Form nicht möglich ist. Innerhalb von zwei Wochen kann man einen Betrieb nicht kennenlernen, man kann den Schüler nicht kennenlernen. Und dadurch wäre die Möglichkeit gegeben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Okay, das nehmen wir auf.

Moderator: Auch um sicherzustellen, dass man noch dabeibleibt, dass man nicht nach einem halben Jahr frustriert ist und sagt, das ist doch nicht das Richtige für mich gewesen.

Der Herr da vorne hatte sich als Erster gemeldet. Sie dürfen auch sitzen bleiben. Wie Sie wollen.

Herr Winterbauer: Entschuldigung, dass ich jetzt sitzen bleibe.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Das können Sie auch. Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich kann mich ja auch ein bisschen setzen.

Herr Winterbauer: Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, mein Name ist Karl Heinz Winterbauer. Ich bin Dachdeckermeister von Beruf. Ich bin Obermeister der Innung, stellvertretender Kreishandwerksmeister und war hier ein paar Jahre im Stadtrat. Die Sorgen und Nöte unseres Handwerks bestehen darin, dass wir keine qualifizierten Auszubildenden mehr bekommen. Wir finden, dass der Hauptschulabschluss nicht mehr die gleiche Bedeutung wie vor 40 Jahren hat. Wir brauchen Leute, die zumindest mittlere Reife haben.

Weil insgesamt die Situation dermaßen schlecht ist, versuchen wir in einem Arbeitskreis in Heidelberg schon, Leute aus Spanien zu bekommen, weil dort die Arbeitslosigkeit relativ hoch ist. Das Anliegen ist, dass man die Ausbildung in Deutschland erst mal grundlegend auf neue Füße stellt, dass man im vereinten Europa, zumindest mal in Heidelberg - Quatsch, in Deutschland; Heidelberg ist schon gut dabei - ein einheitliches System hat.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Heidelberg ist ja auch Deutschland.

Herr Winterbauer: Das wäre unser Anliegen. Denn ich meine, dass einerseits die Schule das Problem darstellt und dass aber auch in dem Bereich, wo wir unsere Lehrlinge herbekommen möchten, die Elternhäuser nicht unbedingt dazu beitragen, dass die jungen Leute die Motivation haben, die sie bräuchten, um heute im Handwerksbereich, der viel Motivation erfordert - wir sind auch technisch sehr ausgerüstet -, Halt zu finden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Sie sagen, der Hauptschulabschluss ist im Grunde nicht so gut, dass er dafür reicht, dass man Dachdeckerauszubildender werden kann.

Herr Winterbauer: Die Ausbildung dauert drei Jahre für so einen jungen Mann oder eine junge Frau. Das Aufgabengebiet im Dachdeckerbereich ist mittlerweile so groß geworden durch Solaranlagen, Dachbegrünung, die wärmedämmenden Schichten, die heute aufgebaut werden durch die EnEV usw., da muss man schon mitdenken. Es geht nicht mehr, dass man einfach mit dem Hammer ein paar Dachlatten hinmacht und ein paar Dachziegel draufhängt. Das sind richtige Pakete. Das sind Details. Da braucht man Leute, die denken, die rechnen können.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Realschulabgänger können Sie nicht finden?

Herr Winterbauer: Es ist schwierig. Realschulabgänger versuchen dann schon mehr, in andere Bereiche zu gehen, wo sie im Winter nicht draußen sind. Wir hatten jetzt einen mit Realschulabschluss. Der ist zweiter Landessieger geworden. Als der Vater dabei war - der Sohn war noch nicht ganz 18 -, sagte er: Ich habe mir etwas anderes für meinen Sohn beruflich vorgestellt. Da habe ich ihm erst mal erklärt, was überhaupt alles gemacht wird. Der Sohn ist ganz glücklich in seinem Job. Man kann es in diesem Handwerksbereich ja auch zu etwas bringen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Ja, klar.

Herr Winterbauer: Sie können die Meisterprüfung machen. Sie können sich selbstständig machen. Also so schlecht ist es nicht. Aber ich denke, das ganze Image ist relativ schlecht. Sie wissen ja, dass bundesweit die Handwerksorganisation viele Imagekampagnen auf die Beine gestellt hat und auch sehr viel investiert. Da wünsche ich mir auch von der Regierung, von der Landesregierung, egal wer, dass in unserem Bereich mehr dahintergestanden wird.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Ich glaube, wir stehen ganz gut hinter dem Handwerk. Sie sagen, erstens bräuchte man mehr Vergleichbarkeit der Abschlüsse, wenn ich das richtig verstehe. Da kann man sagen, dass die Kultusminister in diese Richtung arbeiten. Ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig.

Zweitens sagen Sie, wir werden das Thema haben - und das ist so -, dass wir weniger junge Leute haben, sodass wir sicherlich auch überlegen müssen, wo wir genügend Fachkräfte herbekommen, egal in welchem Bereich.

Ich sage mal, wenn wir in einer Europäischen Union leben, wenn unsere Waren frei hin- und hergehen können, wir frei reisen können, dann ist es kein Beinbruch, wenn jemand aus einem anderen europäischen Land auch mal nach Deutschland kommt. Es muss nicht das Schlimmste sein. Wir wollen ja ein gemeinsames Europa sein. Aber wichtig ist natürlich, dass nicht hier die Hauptschulabgänger gar nichts bekommen und anschließend wir uns nur noch Schulabgänger aus Spanien holen. Das kann auch nicht der Sinn sein, sondern wir müssen schon unsere eigene Jugendarbeitslosigkeit erst mal bekämpfen.

Herr Winterbauer: Genau das. Und vier Millionen Analphabeten in Deutschland müssten erst mal auf die Beine gestellt werden, damit sie Arbeit finden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Richtig.

Herr Winterbauer: Und die Hartz-Empfänger, die über Generationen gehen. Da ist so viel Potenzial da. Das gehört erst mal ausgeschöpft.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Okay.

Moderator: Kurz, bevor es weitergeht: Gibt es noch etwas zum Thema Lehrlingsausbildung, Nachwuchs? Haben wir noch jemanden, der hierzu etwas anbringen möchte. Die Dame hier vorne? Bitte schön. Oder die Dame daneben. Sie können es sich aufteilen, wer von Ihnen reden möchte. - Bitte.

Frau Hassert: Ich bin Anna Rosa Hassert. Ich möchte dazu noch eine Idee sagen. Ich denke, Meister sollten auch in die Schulen gehen. Das heißt, auch die Praxis gehört in die Schule, auch um diese Hemmschwelle zu überwinden. Genau wie längere Praktika dringend erforderlich sind, gehört die Hinführung zum Beruf als Weg dazu.

Moderator: Also stärker die Verzahnung von Praxis und Theorie.

Frau Hassert: Genau.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Es ist so, dass heute schon sehr, sehr viel gemacht wird, weil die Unternehmen auch wissen, wie schwer das ist. Wir haben zum Beispiel mit den Ländern seitens des Bundes vereinbart, dass erst mal die Erlaubnis besteht, dass die Bundesagentur kommt, dass die Unternehmen kommen und in die Schulen gehen. Trotzdem, glaube ich, muss es noch flächendeckender und vielleicht auch systematischer gemacht werden.

Moderator: Die Dame hier, bitte.

Bürgerin: Ich erlebe immer wieder, dass im Rahmen der Familienzusammenführung sehr viele junge Migranten nach Deutschland kommen, die noch keine Ausbildung haben, die aber unter 27 sind. Da gibt es ein sehr großes Potenzial. Es müsste eine viel größere Zusammenarbeit geben zwischen der Ausländerbehörde und der Agentur für Arbeit, um mit diesen jungen Menschen Zielvereinbarungen zu treffen, dass sie eine Ausbildung machen und dass man sie durchaus anfänglich unterstützt. Denn in 10 bis 15 Jahren können sie durch irgendwelche Jobs ihre Familien auch nicht mehr ernähren. Dann haben wir wieder dasselbe Problem, das wir auch bislang hatten. Das Potenzial der jungen Einwanderer ist also auch zu nutzen. Das wird sehr stark vernachlässigt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Haben Sie den Eindruck?

Bürgerin: Ja. Ich könnte Ihnen viele Fälle nennen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Ja, gut. Für mich ist auch immer ganz wichtig - ich denke viel darüber nach -, dass wir bei jedem jungen Menschen, der bei uns ist und der die Schule verlässt, aufpassen, was mit ihm passiert, bis er 25 wird. Da kommt dann zwar immer der Datenschutz und sagt, ihr dürft euch nicht für alles interessieren. Aber manch einer hat vielleicht Eltern, die ihm Geld geben. Der kommt gar nicht zur Bundesagentur für Arbeit, und eines Tages sind die jungen Leute über 25. Und dann kümmert sich keine Statistik mehr richtig darum. Dann haben wir im Grunde vielleicht über Jahrzehnte Menschen, die Transferleistungen brauchen und selber keine Freude an der Arbeit haben. Ansprechpartner wären also Ausländerämter. Diese Verbindung ist ein guter Vorschlag.

Wen haben wir jetzt noch? Vielleicht Sie und Sie und die junge Dame hier.

Frau Lerch: Mein Name ist Annemarie Lerch, ich bin seit 30 Jahren im Kinderschutzbund tätig und seit acht Jahren 1. Vorsitzende. Wir beschäftigen uns seit Jahren mit dem Thema Kinderarmut und kämpfen für die Rechte von Kindern auf soziale Teilhabe, Gesundheit und Bildung. Ich erlebe seit Jahren die soziale Ungerechtigkeit und erkenne, wie die Armut von Familien mit Kindern das gesellschaftliche Leben insgesamt armseliger, hartherziger macht. Der Respekt im sozialen Miteinander schwindet sehr. Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Das ist die Realität, wie ich sie wahrnehme.

Wie Sie sicher wissen, Frau Bundeskanzlerin, hat am Montag die Bildungsstudie der Bertelsmann-Stiftung wieder einmal das Ergebnis vorgestellt, dass es nach wie vor die soziale Herkunft ist, die über den Bildungserfolg entscheidet, besonders hier in Baden-Württemberg und in Bayern. Eigentlich sollte man ja meinen, dass besonders in den reichsten Ländern Regionen in Deutschland eine andere Entwicklung nehmen könnten. Für mein Empfinden ist hier ein Versagen des Staates zu erkennen.

Mein Ansatz wäre, dass die Bundesregierung das Thema Bildung beherzt angeht, statt es den unterschiedlichen Bundesländern zu überlassen. Ich weiß, Sie haben das vorher schon erwähnt. Sie sollten die gesamte Bildung aus meiner Sicht als nationale Aufgabe begreifen und zur Chefsache machen, und zwar von der frühkindlichen Förderung bis hin zur Universität. Denn unter dem Hickhack der einzelnen Bundesländer, das wir seit Jahren erleben, mit den unterschiedlichsten Ansätzen und Regelungen leiden besonders die Kinder und Eltern, die am meisten auf unsere Hilfe angewiesen sind. Mein Appell lautet: Mehr nationale Bildungspolitik, weniger Macht für die Länder, um für mehr Chancengerechtigkeit zu sorgen.

Moderator: Vielen Dank. Ein spannender Ansatz. Das hatten wir in Erfurt auch schon.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Wie Sie sagen, in Erfurt hatten wir das auch schon. Wir müssen natürlich sehen: Wenn ein Land das nicht kann, ist es nicht deshalb schon besser, weil es der Bund macht. Es kann ja passieren, er kann es auch nicht.

Der eine Punkt ist: einheitlich. Der zweite Punkt ist: Ich glaube, wir brauchen mehr Ganztagsbetreuung. Wir haben als Bund mit dem Hochschulpakt und dem Ausbau der frühkindlichen Betreuung - - Denn gerade die Kinder aus ärmeren Haushalten sind auf die Mehrbildung von außen, wenn das Elternhaus es nicht leisten kann, angewiesen. Das muss sich durchsetzen. Ob wir dafür den Ländern die Kompetenz für die Bildung in der Schule wegnehmen müssen oder ob man einfach besser zusammenarbeitet, darüber kann man ja lange streiten. Aber Sie sagen, es muss eine nationale Aufgabe sein und alle müssen sich ihr verpflichtet fühlen. Gut.

Moderator: Ich wurde hier schon bestochen von der Dame in Rot. Aber die Entscheidung trifft die Chefin. Es ist nicht meine Entscheidung. Bitte schön!

Frau Dr. Dietrich: Frau Bundeskanzlerin, ich möchte sehr gerne eine Lanze brechen für die Chancengleichheit von Migrantenkindern. Ich war Professorin für interkulturelle Pädagogik in der Lehrerausbildung. Ich habe mich immer daran gestört, dass ein Drittel aller Schülerinnen und Schüler Migrationshintergrund hat, aber oft die Lehrerausbildung und das Schulsystem noch so weiterlaufen, als seien die Deutschen unter sich, und vor allen Dingen auch die Bewertungsmaßstäbe so gesetzt werden, dass sie oft die Migranten nicht erfüllen können. Denn ein Kind, das im ersten Schuljahr mit sehr wenigen deutschen Sprachkenntnissen startet, vollbringt, wenn es erfolgreich ist, eine drei- bis fünfmal höhere Lernleistung als deutsche Kinder. Dafür braucht es viel Starthilfe, besonders am Anfang.

Wenn ich jetzt höre, dass das Handwerk Lehrlinge sozusagen aus anderen Ländern importiert, anstatt die Potenziale zu schätzen und zu fördern, die bei uns vorhanden sind, besonders durch individuelle Fördermaßnahmen und durch Eingehen auf die individuellen Stärken - -

Moderator: Das heißt aber auch, bei der Lehrerausbildung anzusetzen, bei der Ausbildung der Kindergärtner und Kindergärtnerinnen, also wirklich bei der Ausbildung derer, die dann später lehren.

Bürgerin: Es muss insgesamt ein Klima der Akzeptanz geschaffen werden, ein Klima, zu sagen, diese Menschen gehören zu uns, die werden auf Dauer bei uns leben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Genau. Das ist, glaube ich, der entscheidende Punkt. Sie haben gesagt, die Deutschen tun noch so, als ob sie unter sich seien. Die Tatsache ist doch, wir wollen ja, dass viele die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Die Deutschen werden auch anders, weil sie Zuwanderer bekommen. Das sind ja zum Teil auch Menschen, die aus Familien mit deutscher Staatsbürgerschaft kommen. Die haben nur einen anderen Hintergrund.

Ich glaube, zentral ist - Sie haben das mit der mehrfachen Lernleistung sehr gut gesagt -, dass im Grunde die Sprache so früh wie möglich erlernt werden muss, schon wenn ein Kind, das drei Jahre alt ist, in den Kindergarten kommt. Was können Kinder in dem Alter nicht schon alles sprechen, wenn sie aus einer Familie kommen, in der man sehr viel und sehr gut mit ihnen spricht. Das heißt, so früh wie möglich die Sprachschulung anfangen. Wir haben jetzt die Sprachstandstests. Aber ich glaube, Sie haben einen Punkt angesprochen. Die Lehrerausbildung ist so wichtig. Denn wir haben in den größeren Städten heute 50 Prozent und mehr Einschulung von Kindern mit Migrationshintergrund. 30 Prozent ist noch freundlich gesagt; das ist der Stand heute. Bei den Einschulungen sind es 50 Prozent. Insofern ist das ein ganz wichtiger Hinweis.

Dann hatte sich die junge Dame gemeldet. Daran kann ich mich genau erinnern.

Frau Beate: Mein Name ist Anna-Lena Beate. Ich bin Jurastudentin hier in Heidelberg. Wir haben in dem Video zwar gerade gesehen, dass es heutzutage viel darum gehen soll, dass wir gemeinsam lernen. Allerdings gerade im Jurastudium ist es eine Tatsache, dass man viel alleine über Bücher gebeugt lernt. Insofern würde ich gerne auf das Wie des Lernens eingehen in dem Sinne, dass meines Erachtens gerade in solchen Massenstudiengängen viel eher auch mal kleinere Gruppen geschaffen werden müssen, wo man das Gelernte praktisch sofort anwenden kann.

Ich bin neben dem Studium bei der European Law Students’ Association tätig. Dort versuchen wir, das Lernen durch Trainings und Workshops zu ermöglichen, also in kleinen Gruppen, wo man beispielsweise rhetorische Fähigkeiten oder Teamwork und solche Dinge lernen kann. Das muss eventuell auch direkt, nicht nur durch externe Vereine, sondern direkt an den Universitäten ermöglicht werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Also Modernisierung der Studiengänge, andere Formen des Lernens. Aber ein bisschen über’s Buch gebeugt muss man vielleicht ab und zu doch auch sein oder wenigstens über den Computer gebeugt.

Frau Beate: Selbstverständlich. Klar, das Fachwissen an sich, muss man sich schon so erarbeiten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Aber dass man es dann testen kann und gucken kann, wie man es anwendet.

Moderator: Man kann vielleicht noch einen Eindruck mitnehmen. Wie geht es Ihnen persönlich? Wo, glauben Sie, nehmen Sie mehr mit? Wenn man in der Gruppe, in der Gemeinschaft an einem konkreten Fall arbeitet oder wenn Sie sich stundenlang über ein Buch beugen müssen oder dürfen?

Frau Beate: Ich beuge mich sehr gerne auch stundenlang über ein Buch, so ist das nicht. Aber es stimmt schon: Wenn man das Gelernte praktisch in die Tat umsetzen kann, sei es innerhalb eines Praktikums oder innerhalb eines solchen Trainings, das ist ein wahnsinniger Mehrwert.

Moderator: Neue Lernformen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Also die richtige Mischung und mehr Praxis.

Frau Beate: Unbedingt, ja.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Diese Meinung teilen Sie auch?

Bürgerin: Ja.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Gut. Studieren Sie auch Jura?

Bürgerin: Ja.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Na, Sie haben sich wohl gedacht, wir kommen mal lieber zu zweit, dann ist es nicht so schlimm.

Moderator: Aber zwei Juristen auf einmal sind teuer.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Zwei Juristen auf einmal sind immer drei Meinungen.

Moderator: Fünf.

Bürger: Frau Bundeskanzlerin, ich stelle mehr eine fundamentale Frage. Wir sprechen hier über zukünftiges Lernen. Ich spreche vom politischen, informellen Lernen. Wir haben eine antike Tradition mit Plato, Epikur usw. Ich will sie nicht alle durchdeklinieren. Da fiel mir die Idee ein: Ich nenne sie - das ist mehr metaphorisch gemeint - „Am politischen Lagerfeuer“, eine Art Spiegelbild des diskursiven Lernens. Das soll sich in der methodischen Form so abspielen, dass sich eine Gruppe hochpolitisierter Personen - man könnte auch sagen, die Jünger des Homo Politicus - alle vier Wochen im Zyklus treffen - aktuelle und fundamentale Themen sind Gegenstand der Reflexion -, wobei es methodisch so läuft, dass einer als Primus inter Pares eine Plattform bietet, und die anderen müssen sich ein sachliches Niveau aneignen, damit sie symmetrisch, wie es bei Habermas so schön heißt, kommunizieren können.

Was ist eigentlich der tiefere Sinn? Ich sehe das mehr als eine Art basisdemokratische Kultivierung mit dem Schneeballeffekt, dass das demokratische Gedankengut in die Köpfe kommt. Wir wissen ja, unsere Demokratie hat noch keine große Feuertaufe bestanden. Beim Großteil der Bevölkerung - wage ich zu behaupten - basiert sie auf ökonomischer Gratifikation. Aber wir brauchen eine systematische Identifikation. Dazu wollen wir an der Basis eine Art Kultivierungsarbeit machen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Jetzt sagen Sie mir noch, was die Bundesregierung in dem Zusammenhang tun soll.

Bürger: Ich will jetzt nicht die Bundesregierung - das ist rein informativ - einschalten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Okay. Solche Gruppen können sich ja überall bilden.

Bürger: Die kosten nichts und können einen Effekt an der Basis verursachen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Verstehe. Es ist ein Vorschlag, von dem Sie glauben, dass die Bürgerinnen und Bürger selber etwas machen können.

Bürger: Genau.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Haben Sie selber so eine Gruppe?

Bürger: Ich bin dabei, eine solche Gruppe zu installieren. Ich habe auch schon gute Resonanz gefunden.

Moderator: Wir vermitteln gerne den Kontakt, dass lauter so schlaue kleine Zellen entstehen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: So, jetzt dürfen Sie mal jemanden aussuchen, Herr Schöberl.

Moderator: Darf ich mal wieder? Sehr gut. Hoffentlich nehme ich jetzt nicht den Falschen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Er hier hat sich auch gemeldet. Wir nehmen die junge Dame, und dann nehmen wir ihn dran.

Frau Ullrich: Mein Name ist Carolin Ullrich. Ich bin Schülerin am Nicolaus-Kistner-Gymnasium in Mosbach und dort Schülersprecherin. Im Video wurde von Globalisierung geredet. Frau Merkel, Sie haben gerade von einem vereinigten Europa geredet. Da will mein Vorschlag ansetzen, nämlich an dem Punkt des Kulturaustausches. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt und ist ein ganz wichtiger Aspekt des Lernens. Ich glaube, vor allem bei jungen Leuten sollte angesetzt werden, denn keine Gesellschaft, keine Nation ist perfekt. Jeder kann von anderen Ländern lernen. Deswegen mein konkreter Vorschlag, Programme wie Schüleraustausch oder ein freiwilliges soziales Jahr im Ausland noch besser mit staatlicher Hilfe zu unterstützen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Also eher noch mehr. Haben Sie als Schule eine Partnerschule irgendwo in Europa?

Frau Ullrich: Wir haben einige Partnerschulen: in Frankreich, in Spanien, in England, in der Türkei usw.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Das ist ja schon ganz gut. Aber Sie wollen noch mehr solcher Angebote.

Frau Ullrich: Ja, vor allem finde ich das wichtig, weil es einzelne Personen prägt und im Nachhinein ganze Nationen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Ja, klar. Je mehr sie Erfahrungen gemacht haben - das Deutsch-Französische Jugendwerk oder Ähnliches -, desto besser.

Frau Ullrich: Genau.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Ein Plädoyer für viel Austausch.

Frau Ullrich: Und das sollte langfristig angegangen werden, damit solche Partnerschaften vertieft werden.

Moderator: Damit der Austausch nicht hinten runterfällt. Man lernt immer mehr, hat immer mehr Stunden, einen dichteren Stundenplan, und irgendwann ist keine Zeit mehr für den Austausch.

Frau Ullrich: Genau. Diese Sachen sind wichtig. Es ist eine tolle Erfahrung. Man lernt etwas fürs Leben. Deswegen soll das noch mehr gefördert werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Okay.

Moderator: Das Mikrofon bitte erst zu dem Herrn hier vorne. Dem hat es die Frau Bundeskanzlerin versprochen.

Bürger: Liebe Frau Dr. Merkel, ich habe ein brennendes Problem, bei dem ich Sie um Unterstützung bitte. Es ist eine große Frage der Chancengerechtigkeit bei staatlich anerkannten Prüfungen. Der Staat überträgt die Prüfungshoheit an die Industrie- und Handelskammern, zum Beispiel für die hohe Ausbildung der Industriemeister und der kaufmännischen Ausbilder. So weit, so gut. Bei dieser Prüfung müssen aber alle Chancengleichheit haben. Daran besteht allergrößter Zweifel von mir und von vielen meiner Kollegen, denen das auf der Seele brennt, und zwar aus vier Gründen:

Erstens. Die Kammer prüft nicht nur, sondern sie bildet auch in ihrer Ausbildungs-GmbH aus, was sehr viel Geld kostet. Sie ist dabei inzwischen Monopolist.

Zweitens. Sie bildet nicht nur aus, sondern sie schreibt auch die Bücher vor, die bei ihr eingeführt werden. Nur Bücher der Kammer! Sie ist also auch gegenüber den Verlagen Monopolist.

Moderator: Und die beiden anderen Punkte?

Bürger: Drittens. Selbst bei Prüfungen dürfen nur Nachschlagewerke, Tabellen benutzt werden, die von der Kammer herausgegeben werden. Auch Monopol! Und das Schlimmste ist oben draufgesetzt: Alle Verlage sind bei der Kammer Zwangsmitglied und zahlen mit ihren Mitgliedsbeiträgen praktisch die Subvention der Konkurrenz.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Also Ihr Vorschlag ist, mehr Breite und nicht alles auf die Kammern konzentriert.

Bürger: Das Wesentliche ist - ich fasse zusammen - Trennung von Prüfungshoheit einerseits und Gewinnerzielung andererseits. Das nennen viele „wulffen“. Staatspolitisch wäre das, was im Augenblick geschieht, das Gleiche.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Ich habe es verstanden. Es ist ein interessanter Vorschlag. Ich gucke mir mal an, wie das mit dem Monopol ist. Der Handwerksmeister guckt schon ein bisschen grimmig. Der sieht das, glaube ich, nicht ganz so.

Moderator: Wir können es als Punkt jedenfalls mitnehmen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Jetzt müssen wir aber mal ganz nach hinten zu dem Herrn im karierten Hemd.

Moderator: Wir nehmen noch den Herrn von da hinten. Dann können wir langsam zum nächsten Thema gehen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Wir sprechen ja weiter über’s Lernen.

Herr Frisch: Frau Bundeskanzlerin, mein Name ist Rainer Frisch. Ich bin selbstständig im Bereich Gewaltprävention in der Jugendhilfe und in der Erwachsenenbildung tätig. Ich wollte noch eines zum Thema Lehrerausbildung sagen. Ich denke, dass da viel zu wenig investiert wird. Ich erlebe es sehr häufig an Schulen, wo sich Lehrer an mich wenden, weil sie nicht mehr wissen, wie sie mit der Jugend umgehen sollen. Ich würde vorschlagen, da genauer hinzugucken und zu investieren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Was haben Sie gelernt? Sozialarbeiter?

Herr Frisch: Ich bin Jugend- und Heimerzieher und Anti-Aggressionstrainer.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Okay. Sie wollen, dass solche Elemente stärker in die Lehrerausbildung mit eingebaut werden.

Herr Frisch: Auf jeden Fall. Die Lehrer werden der heutigen Jugend teilweise nicht mehr gerecht. Sie lernen sehr viel über Methodik, Didaktik, Unterrichtsvermittlung etc. pp. Aber wie man im Kern mit den schwierigen Jugendlichen umgeht, die die Handwerker gerne hätten, das wissen die Lehrer nicht.

Moderator: Sie sprechen ihre Sprache nicht, und deswegen ist die Kommunikation so schwierig.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Ich meine, die Lehrer haben heute unglaublich viel zu leisten. Man muss überlegen, man ist vielleicht Ende 20 mit dem Studium fertig. Wenn ein Lehrer 55 ist, dann hat er 30 Jahre lang unterrichtet. Stellen Sie sich vor, was sich in den letzten 30 Jahren bei jungen Menschen verändert hat. Wenn da nicht ständig qualifiziert wird - das ist auch ein ganz wichtiger Punkt -, dann ist das eine schwierige Sache.

Jetzt vielleicht noch Sie! Ich weiß, dass die 30 Minuten vorbei sind. Aber vielleicht sprechen wir beim Thema Internet dann einfach doppelt so schnell.

Frau Cramer: Mein Name ist Cramer. Guten Abend, Frau Bundeskanzlerin! Ich arbeite hier in Heidelberg bei der Volkshochschule. Ich wollte auf den Aspekt des lebenslangen Lernens zurückkommen. Frau Dr. Niemann hat uns vorhin berichtet, dass in der Expertenrunde auch ganz stark über soziales Lernen, gemeinsames Lernen und die Notwendigkeit von Orten, an denen das praktiziert werden kann, gesprochen wurde.

Ich wollte den Vorschlag machen, ein bereits bestehendes Netzwerk, nämlich das der Volkshochschulen, mehr zu unterstützen. Da wird unglaublich viel in diese Richtung geleistet. Da gibt es tolle Konzepte. Da werden auch ständig Projekte gemacht. Das ist eine Institution, die sich ständig weiterentwickelt. Ich glaube, es würde sich lohnen, da zu investieren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Ich habe noch vergessen zu sagen: Wir machen Internet, und wir behandeln Ihre Vorschläge. Übrigens, wer heute hier mündlich nicht drankommt - in 90 Minuten 100 Leute zu hören, das geht ja gar nicht -, dessen Vorschlag wird aber aufgenommen und dann trotzdem bearbeitet.

Das ist vielleicht auch interessant: Die Volkshochschulen machen mit bei diesem Expertendialog. Wir haben ja Experten, wie Sie es eben genannt haben. Die Volkshochschulen haben gesagt, sie wollen diese Fragen auch mit denen, die in die Volkshochschulen kommen, besprechen. Wir werden wahrscheinlich noch eine gemeinsame Veranstaltung machen. Ich glaube, die Volkshochschulen leisten für das lebenslange Lernen wirklich unglaublich viel und auch für das, ich sage mal, zweckfreie Lernen. Man kann da auch etwas lernen, was man nicht jeden Tag im Beruf braucht, sondern was einen interessiert - eine Sprache oder etwas anderes. Das ist ja auch ganz wichtig, dass man nicht immer nur für den nächsten Punkt in der Arbeit etwas lernt.

Frau Cramer: Einen Aspekt würde ich gerne noch ergänzen, nämlich das voneinander und miteinander Lernen. Bei uns in der Volkshochschule unterrichten unglaublich viele Lehrkräfte, die Migrationshintergrund haben. Da entsteht eine Lernatmosphäre, in der man voneinander lernt, über kulturelle Unterschiede lernt, miteinander zu leben. Das hat auch eine ganz hohe gesellschaftliche Bedeutung.

Moderator: Man lernt auch zusammen mit seinem Pädagogen, mit seiner Pädagogin und nicht alleine isoliert vor einem Computer. Und damit sind wir beim nächsten Thema. Jetzt haben wir uns vorgearbeitet. Wir versuchen, gleich noch ein paar andere dranzunehmen. Gehen wir jetzt zum nächsten Thema Internet, das wir heute auch noch besprechen wollen.

Thema "Internet"

(Einspielfilm Internet)

Also, meine Damen und Herren, das Internet als wichtige Kulturtechnik.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Darf ich einfach mal eine Frage stellen?

Moderator: Gerne.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Ich wollte fragen: Wer von Ihnen benutzt das Internet?

Moderator: Hand hoch! - Ich gehe davon aus, Sie auch, Frau Bundeskanzlerin. Sie könnten sich auch melden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Ja, ich könnte mich auch melden. Gibt es hier jemanden, der das Internet nicht benutzt? - Wahrscheinlich traut sich keiner, sich zu melden. Es ist so, als wenn ich frage würde, ob alle schreiben und lesen können.

Moderator: Aber Gerechtigkeit war auch wieder drin, dass wirklich alle Generationen versuchen, mit dem neuen Medium zu arbeiten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Sie benutzen nicht das Internet, oder Sie wollten sich zu Wort melden?

Frau Weber: Ich benutze es schon. Ich wollte mich zu Wort melden. Mein Name ist Weber von der „Akademie für Ältere Heidelberg“. Wir haben in dem Film die Alten gesehen, die Computerübungen machen. Ich halte es für eminent wichtig. Wir haben in unserer Akademie sehr viele Leute, die das machen, die das lernen usw., weil es gerade für die Alten wichtig ist, damit den Kontakt zur nachkommenden Generation zu wahren, zu den Enkelkindern, denen sie praktisch nur noch per E-Mail Grüße schicken können, aber auch ihre Mobilitätsausfälle durch das Internet auszugleichen. Sie können sich die Bücher nach Hause bestellen. Sie können sich ihren Fernseher im Internet kaufen. Sie können Warenkunde betreiben, brauchen nicht von einem Laden zum anderen zu laufen, um Preise zu vergleichen. Das sind Riesenvorteile. Deswegen nehmen wir uns der Sache in der Akademie an, weisen aber auch auf die Gefahren hin.

Wir machen natürlich auch noch alles andere, was so anfällt für ältere Menschen. Da wollte ich sagen, dass wir eine sehr große Präventionsarbeit machen. Es ist so, dass 300 Ehrenamtliche 4.000 Teilnehmer versorgen - geistig, körperlich, seelisch, gesellschaftlich. Ich würde mir wünschen, dass diese Selbsthilfeeinrichtung, die den Staat eigentlich nur die Räume kostet, aber keine Dozentengelder, in Deutschland Schule macht, weil die Kassen leer sind. Wenn die Alten von der Krankenkasse und von der Pflegekasse versorgt sind, wird bei dieser demografischen Entwicklung kein Geld mehr da sein, auch noch in ihre Bildung zu investieren. Deswegen schlage ich vor, dass solche Dinge auch auf dem billigen, dem kostenlosen, freiwilligen, ehrenamtlichen Sektor verbreitet werden. Auch in punkto Internet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Sehr gut! Und herzlichen Dank auch für Ihre Arbeit. Ich glaube, das ist eine tolle Sache. Sie haben die ganzen Punkte aufgezählt, weshalb es so wichtig ist, dass gerade Ältere auch Zugang zum Internet haben.

Wir haben in Erfurt diskutiert, dass es eigentlich in jeder Stadt neben dem Rathaus ein Bürgerhaus geben müsste, wo Menschen hingehen und sagen können, „Ich möchte mich hier oder dort engagieren, wo kann ich das tun?“ und wo vielleicht auch Räume da sind, wo jemand, der noch keinen Raum für seine ehrenamtliche Tätigkeit hat, das machen kann.

Moderator: Ein Bürgerhaus, das offen ist für alle.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Das wäre vielleicht auch so ein Plan. - Jetzt haben wir so viele Wortmeldungen. Nehmen wir mal Sie!

Herr Wilhelm: Mein Name ist Peter Wilhelm. Ich bin Schulentwicklungsberater und Dozent an der Hotelfachschule in Heidelberg. Aber mein Thema heute Abend ist Erwachsenenbildung, und zwar informelle Erwachsenenbildung in Verknüpfung mit dem, was wir gerade hatten. Meine Idee ist, eine Art Bürgerbildungszentrum zu machen - auf der Basis von Volkshochschule und Stadtbücherei vielleicht, die Medien und Kurse zur Verfügung stellen -, in denen es solche Begegnungsorte, wie Sie es gerade angesprochen haben, gibt, wo jemand das, was er individuell über das Internet lernt, mit anderen besprechen kann. Die Leute können sich über Facebook oder wie auch immer verabreden und sich dort treffen. Vielleicht werden Sie dabei auch professionell begleitet - nicht inhaltlich, aber vielleicht, wie man lernt. Solche Dialogrunden, wie Sie es angesprochen haben, könnte es da geben.

Man könnte vor allen Dingen ganz viel für bestimmte Zielgruppen tun. Ich denke zum Beispiel an Menschen in Elternzeit, die einen extremen Karrierenachteil haben. Für die könnte man Angebote auch tagsüber machen, nicht nur abends und nicht nur in einer Schulklasse.

Moderator: Wir reden ja gerade über das Netz.

Herr Wilhelm: Das Netz ist für mich die Basis, wie die Kontakte zustande kommen, und vor allen Dingen die große Basis des Wissens, das ich mir aneignen kann. Ich glaube, der Staat kann eine Menge tun dafür, Datenbankzugänge zu schaffen. Er kann eine Menge dafür tun, dass wir auch Medien, Lernmedien zur Verfügung stellen, die kostenlos sind. Das ist leider alles bei Verlagen. Das finde ich in anderen Ländern zum Teil wesentlich besser gelöst.

Moderator: Das sind zwei Punkte, Frau Bundeskanzlerin. Einmal feste Häuser, wo man sich zum Lernen und zum Austausch trifft, aber auch den möglichst freien Zugang zu Wissen im Netz.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Zu Wissen und Lernprogrammen, okay.

Herr Wilhelm: In Wellington habe ich über die Stadtbücherei einen Zugang zu allen möglichen Datenbanken.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Sehr gut. Ich habe das mit aufgenommen. - Jetzt gleich noch der Nachbar und auch dieser Nachbar. Dann haben wir hier so eine kleine Gruppe.

Herr Moser: Michael Moser, ich bin Diplom-Rechtspfleger aus Heidelberg. Ich würde an diesem Punkt gerne anknüpfen, würde das aber ein bisschen losgelöst vom Internet sehen, sondern an dem ersten Punkt lebenslanges Lernen anknüpfen, in diesen Bildungshäusern oder in einem Haus der Begegnung oder Haus der Möglichkeiten, dass man wirklich versucht, die verschiedenen Aspekte, mehr Generationen, Inklusion, Integration unter einen Hut zu bekommen und voneinander zu lernen: Arme von Reichen, Behinderte von Nichtbehinderten und umgekehrt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Wir haben auch sehr gute Erfahrungen gemacht mit Mehrgenerationenhäusern, die wir vom Bund aus gefördert haben. Ich sage mal, Begegnungsstätten fördern mit und ohne Internet, wo man auch das soziale Lernen mit nach vorne bringt.

Herr Moser: Genau. Das Ganze wirklich in die Breite zu bringen. Ich denke, der Wille ist da. Oft fehlt es einfach am Anstoß.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Ja, okay.

Herr Wesselmann: Mein Name ist Andreas Wesselmann. Ich arbeite in der IT-Industrie. Ich würde gerne an das Thema generationenübergreifendes Lernen anknüpfen. Wir haben sehr viele Potenziale bei erfahrenen Menschen, bei älteren Menschen, die wir an Jüngere, an unerfahrene Menschen transferieren sollten. Ich glaube, wir sollten dazu einen möglichst einfachen Zugang schaffen. Das könnte eine Internetplattform sein. Das könnte ein Angebot sein, dass Sie vom Bund Anreize schaffen, beispielsweise Steuerfreibeträge für Leute, die sich da engagieren wollen.

Es geht also darum, in diese Richtung denken, dass man die Möglichkeiten, die sich mit den neuen Medien bieten, nutzt, um eine Plattform zu schaffen, um möglichst vielen Leuten einen einfachen Zugang zu schaffen, um gerade das Potenzial, das in dem Wissen der älteren Leute steckt, möglichst für die Jüngeren und auch bereichsübergreifend, firmenübergreifend einzusetzen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Man würde sich also auf der Internetplattform als jemand, der Interesse hat, melden. Dann gäbe es so etwas wie Paten oder Leute, die sich der Sache annehmen, damit man generationenübergreifend dort arbeiten kann.

Moderator: Wer möchte noch etwas zum Thema Internet sagen?

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Jetzt müssen wir erst mal dort den Herrn drannehmen, dann Sie, dann noch jemand in dem Viertelchen hier.

Herr Forero-Franco: Vielen Dank, Frau Merkel. Es ist eine Ehre, hier mit Ihnen zu sein. Mein Name ist Forero-Franco. Ich bin Architekt hier in Heidelberg. Ich bin seit 26 Jahren hier beruflich tätig. Ich bin ganz zufrieden und fühle mich total integriert.

Das Stichwort war „Raum“. Das ist tatsächlich das Problem. Momentan haben wir zwei Räume, den virtuellen Raum Internet und die reale Welt. Diese Verfremdung, die wir in der Schule, im Beruf, im Alltag, bei den älteren Menschen erleben, ist auch dadurch entstanden, dass wir es noch nicht richtig erreicht haben, dass diese zwei Welten zusammenkommen. Auch das sieht der Architekt, selbstverständlich, die Technologie ist schon im Gange. Unser Haus ist lebendig, wir können kommunizieren. Unsere Kinder spielen ständig mit irgendetwas oder lernen irgendetwas. Aber die Kreisläufe sind zusammengebunden. Ich denke, der Zeitpunkt ist gekommen, wo man tatsächlich die verschiedenen Fachbereiche auch integriert. Ich glaube, das ist die Hilfe, die der Staat leisten kann. Wir haben Erfahrung in der Arbeitswelt, in der Gesundheitswelt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Wie sollen wir das machen?

Herr Forero-Franco: Der erste Punkt ist, die Medien positiv zu nutzen. Zum Beispiel Folgendes: Bis jetzt war mein Kind am Samstag und Sonntag ganz froh vor dem Fernseher. Am Anfang haben wir alles kontrolliert, was er macht. Mein Kind ist elf Jahre alt. Jetzt habe ich am Samstag die schöne Überraschung erlebt: Plötzlich sieht er bei Phönix einen Dokumentarfilm über die Geschichte Deutschlands, eine bestimmte Phase.

Moderator: Mit elf?

Herr Forero-Franco: Mit elf Jahren, um 8.30 Uhr ungefähr.

Moderator: Schlaues Kind.

Herr Forero-Franco: Da hat mir meine Erinnerung gesagt - ich komme ursprünglich aus Kolumbien -, ich habe jedes Mal die Sendungen, die das deutsche Fernsehen für Kolumbien exportiert hat, selbstverständlich in Spanisch gesehen. Ich war immer fasziniert von der Technologie. Mit 11, 12, 13 Jahren habe ich in den öffentlichen Kanälen so etwas gesehen.

Heute ist die Technik das Internet. Wir müssen tatsächlich erreichen, dass unsere Kinder, die schon intuitiv mit dieser Technologie arbeiten, auch den Geschmack bekommen und auch das Fachwissen.

Moderator: Haben Sie vielleicht noch eine konkrete Anregung? Kann da die Politik etwas machen? Wo kann die Politik ansetzen?

Herr Forero-Franco: Ich weiß, dass es zum Beispiel in Dänemark Projektpiloten gibt, wo man schon in der Schule die Räume hat, um mit Internet zu lernen. Es ist nicht mehr die frontale Schule. Es gibt verschiedene Freiräume. Man muss aber bestimmte Richtlinien einhalten, das heißt Termine, oder man muss bestimmte Sachen schon gelesen haben, bevor man sich trifft. Dafür gibt es die Räume. Und es gibt die Freiräume.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Also eine bessere Vernetzung von Internetmöglichkeiten und realem Austausch: Was habe ich gelernt, und wie komme ich zusammen?

Herr Forero-Franco: Noch ein Punkt, der den Bereich der Älteren betrifft: Ich habe durch eine Erforschung des Fraunhofer-Instituts erfahren, dass behinderte Menschen, die allein zu Hause sind, tatsächlich durch diese Tauschtechnologie Kontakt mit Fremden haben. Die sollten aber auch Fachleute sein.

Moderator: Also das Reale mit dem Virtuellen verbinden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Jetzt kommen Sie dran! Ich habe mir das gemerkt. Bis drei schaffe ich es.

Herr Pousset: Hallo, Frau Bundeskanzlerin! Ich bin Raimund Pousset, Diplom-Pädagoge und Oberstudienrat. Ich lebe in Heidelberg und arbeite in Heilbronn.

Ich wünsche mir eine Internetplattform, die für Bürgerhäuser - da gehen wir sehr d’accord -, für Bürgerbildungszentren, für Volkshochschulen exzellent ausgestattet ist. Das ist tatsächlich ein Problem der Verlage. Diese Internetplattform würde nicht nur für kleine Gruppen, für Freilerner - in Freiburg haben letztes Jahr vier junge Leute alleine das Abitur gemacht - Relevanz haben, sondern auch für Familien - Familien als wichtigster Punkt.

Ich spreche mich für Bildungsfreiheit aus, das heißt, ich spreche mich für Homeschooling, Lernen in kleinen Gruppen aus, also bei der Bildung für eine Stärkung der Familien. Keine Schulpflicht, sondern Bildungspflicht. Wir sind der einzige Staat in Europa, der noch Schulzwang hat, bis hin zur Vorführung durch die Polizei. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, dass 250 Familien mit Kindern bereits aus Deutschland geflohen sind.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Wir sind das einzige europäische Land, sagen Sie, das noch Schulpflicht hat?

Herr Pousset: Um es genau zu sagen: Es sind noch zwei Schweizer Kantone, es ist noch Holland, die das aber nicht ausführen, es ist noch Spanien, und es ist noch Griechenland.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Na, dann haben wir ja doch noch ein paar.

Herr Pousset: Und alle Ostländer aus dem ehemaligen Ostblock haben mittlerweile die Möglichkeit des Homeschooling.

(Zuruf: Ein Grund mehr, Griechenland zu unterstützen!)

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Es gibt noch viele andere Gründe, Griechenland zu unterstützen.

Ich habe es verstanden. Ich werde mich mal mit dem Thema beschäftigen. Ich gebe zu, ich habe das bisher noch nicht gemacht.

Herr Pousset: Schade, ich habe gerade mein Buch darüber verschenkt.

Moderator: Sie können gerne noch ein Exemplar an das Bundeskanzleramt schicken.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Sie können es mir ja schicken. - Jetzt der Herr, bitte schön!

Herr Schäfer: Mein Name ist Gerhard Schäfer, ich bin Sprecher des Sportkreises für die Sportvereine und allerdings auch Lehrer für Sport und Religion am Gymnasium, kenne also beide Seiten. Das mit der Schulpflicht sehe ich ein bisschen anders. Ich denke schon, dass es in einem so hoch entwickelten Staat wie Deutschland durchaus Sinn macht, dementsprechend zur Schule zu verpflichten. Ob die Schule dann so sein muss, wie sie bisher war, ist eine andere Frage.

Was mir beim Thema Internet ein bisschen zu kurz gekommen ist: Es gibt den alten Spruch, Kinder „von der Straße zu holen“. Damit meinte man, sie für die Vereine usw. zu begeistern. Heute würde ich fast sagen, wir müssen sie ab und zu mal vom Computer wegholen, weil die Internetangebote zwar toll sind, aber sie müssen auch von den Eltern und in deren Verantwortung kontrolliert werden.

Da wünsche ich mir jetzt als konkrete Sache eine etwas stärkere Aufklärung, auch gegenüber den Eltern, dass sie Pflichten haben, ihre Kinder auch in dieser Richtung und Richtung Gemeinsinn zu betreuen. Es wäre sinnvoller, sie ab und zu auch mal in einen Sportverein oder in andere Vereine zu schicken, damit sie sich dort aktiv bewegen und durch das Bewegen lernen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Also auch wieder im Grunde die richtige Mischung finden.

Herr Schäfer: Es gibt in der Zwischenzeit im Internet eine Informationsfülle. Gerade heute Morgen habe ich es erlebt, als ich ein Stichwort gegeben habe. Da hieß es: Das gucken wir nach bei Google. - Ja, und welche Information nehmt ihr? - Die Nummer eins. - Die Nummer eins kann gekauft sein. Das heißt, es muss nicht die beste Lösung sein.

Wir müssen unsere Kinder also auch darauf trainieren, wie sie mit dem Internet umgehen. Ansonsten ist sehr positiv: Zum Beispiel können über Skype zwei Klassen in Japan und Deutschland korrespondieren, ohne 10.000 Kilometer zu fliegen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Es ist sicherlich richtig: Es geht um das richtige Verhältnis von realem Leben zum Internet und dann auch den Umgang damit. Denn das Internet gewichtet ja noch nicht. Nur weil etwas, wie Sie sagen, an der obersten Position steht, ist es ja nicht das ausgesuchte Beste.

Moderator: Der Herr da hinten hat sich schon die ganze Zeit gemeldet und hat noch etwas in Sachen Internet, hoffe ich.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Dann müssen wir mal wieder eine Dame drannehmen.

Moderator: Ja, zu Befehl!

Herr Kutsch: Mein Name ist Matthias Kutsch, ich bin Student an der Universität Heidelberg, und ich bin der Erste in meiner Familie, der Abitur gemacht hat. Deshalb weiß ich im Prinzip schon mein ganzes Leben lang Bildung sehr zu schätzen und habe darüber hinaus versucht, mich in verschiedenen Möglichkeiten für eine bessere Bildung einzusetzen, sei es in den Gremien an der Hochschule, beim RCDS oder auch bei der Jungen Union.

Mein Vorschlag ist, das große Potenzial der Bildung mit dem großen Potenzial des Internets zu vernetzen und dort ein stärkeres Ergebnis zu produzieren, deswegen ein Bildungsportal aufzubauen, das von der Bundesregierung eingerichtet wird, staatlich betreut wird, aber wo jeder privat seine Vorschläge dazutun kann.

Das Bildungsportal soll den gesammelten Lernstoff aller Jahrgangsstufen, aller Fächer - bis hin zum universitären Grundstudium - sammeln. Es soll sozusagen ein Riesenfundus an Wissen und an Bildung werden, auf den jeder Mensch, ob jung oder alt, ob Frau oder Mann oder ob zuhause oder in der Schule, zugreifen können soll. Dies soll den freien Bildungszugang gewährleisten, ohne große Anstrengungen für Bücher.

Das würde einen Riesenmehrwert für die Gesellschaft bedeuten, weil die Gesellschaft klüger werden würde. Die Gesellschaft würde gerechter werden und würde dadurch auch wieder Wohlstand produzieren. Wir könnten uns als Deutschland an die Spitze der Bewegung setzen, indem wir so ein Bildungsportal einrichten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Okay. Das ist, glaube ich, eine gute Sache. Man könnte auch mal schmökern, was in einem anderen Bundesland zum Beispiel in einer Altersstufe unterrichtet wird. - Was studieren Sie?

Herr Kutsch: Ich studiere Geschichte und Politikwissenschaft. Die Möglichkeit, die Sie gerade auch angesprochen haben, würde eine größere Transparenz, eine größere Vergleichbarkeit der Bildungsstandards bedeuten, und, was in dieser Runde ja schon angeklungen ist, man könnte auch das große Potenzial der älteren Menschen in unserem Land stärker nutzen. Beispielsweise könnten Lehrer, die pensioniert sind, in dieser Redaktion mitarbeiten und Fragen beantworten. Das könnten dann Fragen von Eltern sein, aber auch von Schülern. Die ganze Gesellschaft könnte in einen Dialog über die beste Bildung treten und könnte hinzulernen.

Moderator: Das ist ja auch eine Rechte-Frage, man müsste mit den Verlagen reden, aber dass das Internet als Wissensvermittlung noch ein bisschen stärker genutzt werden kann, das ist ganz interessant.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Was hier auch immer wieder durchkommt, ist, dass das Bedürfnis besteht, dass sich eigentlich alle Altersgruppen daran beteiligen, also sowohl die Älteren als auch die Jüngeren. Ich glaube, es ist auch schön, dass dieses Bedürfnis besteht, und das Internet gibt uns die Möglichkeit.

Moderator: Die Dame in Blond hatte uns streng angeschaut, als Sie sagten, jetzt muss wieder eine Dame ran.

Frau Neu: Ich bin Elis Neu, ich bin aus dem Schulbereich, ich bin Schulträgerin von zwei Schulen, einem Gymnasium und einer Grundschule. In dieser Grundschule ist vor Kurzem ein Computerraum eingerichtet worden, von Eltern unterstützt. Die ganze Schule ist dabei, ein Programm zu machen - das ist ab der 1. Klasse -: Was sollen junge Kinder im Internet eigentlich machen?

Wir wissen alle, dass man unendlich viel Zeit vor dem Computer zubringt. Es stehen unnütz viele Sachen drin, die oft gar nicht stimmen. Es ist ja ganz wichtig, dass man das Wissen, das dort drin ist, und dieses Medium gut nutzt. Dies jungen Menschen zu vermitteln ist ganz wichtig: Wo ist es sinnvoll? Wo kann ich etwas lernen? Das gilt dann auch für die Elternhäuser. Denn viele Eltern sind auch ganz unsicher. Wir sagen ja immer, wir müssen aufpassen, was unsere Kinder innerhalb dieses Mediums machen, aber viele Eltern kennen sich gar nicht so aus, die Großeltern schon gar nicht.

Moderator: Aus Ihrer Praxiserfahrung heraus: Wo muss man einsetzen? Auch wieder, wie wir schon gehört haben, bei den Lehrern, dass man versucht, die Lehrer und Lehrerinnen anders auszubilden?

Frau Neu: Sie arbeiten in dieser Grundschule in einem Team, und dieses Team erarbeitet im Augenblick ein Mediumkurrikulum. Das heißt, gemeinsam schauen sie: Was sollen die Kinder lernen? Was ist sinnvoll, in welchen Fächern?

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Sind da auch Eltern dabei?

Frau Neu: Eltern sind immer eingebunden. Meine Anregung ist, Medienkurrikula, also eine Medienpädagogik, in unserem Land zu unterstreichen und diese Kenntnisse dann auch Eltern zu vermitteln. Ich glaube, das würde vielen Elternhäusern sehr helfen in der Unsicherheit: Was lasse ich da zu? Was ist in Ordnung? Was ist gut, und wo sind auch Probleme und Gefahren?

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Genau. Das Internet hat unglaublich viele Vorteile, aber es hat auch eine unendliche Menge an Informationen. Ich muss ja immer für mich entscheiden: Was ist interessant, was ist nicht interessant? Das ist schon gut. Vielleicht ist auch ein Punkt, dass man bestimmte Fragen systematisch verfolgt, dass man nicht heute diese Frage beackert, morgen jene, immer gerade das, was oben steht, sondern dass man auch mal bei einem Thema bleibt. Das ist ja auch wichtig. Sehr schön. Sie haben sich das als Schulträger sozusagen vorgenommen; das ist sehr gut.

Weitere Fragen zum Internet? - Die junge Dame hier.

Frau Kluge: Mein Name ist Corinna Kluge, ich bin noch Schülerin. Aufklärung über das Internet selbst hört sich ja ganz gut an, aber welche Eltern sagen ihrem Kind denn nicht „Pass auf, was du ins Internet stellst!“? Und trotzdem geschieht es ja. Ich finde, da fehlt einfach die aktive Betreuung. Das kann über die Schule laufen, muss es aber nicht. Das wäre aber vielleicht ganz sinnvoll, weil das dann eben Pflicht wäre. Aber Computerräume und diese Betreuung sind auch wieder mit Kosten verbunden. Da muss man dann schauen, wie man das genau macht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Was stellen Sie sich unter Betreuung vor? Dass man einfach im Internet etwas tut und dass da jemand dabei ist?

Frau Kluge: In der Schule ist es oft so, dass wir nur in den Computerraum dürfen, wenn wir etwas für die Schule machen wollen, irgendwelche Präsentationen vorbereiten, aber da könnte man auch mal in sozialen Netzwerken agieren, finde ich, eben mit der Unterstützung von Lehrern, mit denen man redet, bevor man irgendetwas schreibt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Es muss ja nicht unbedingt immer in der Schule passieren, es könnten ja auch freie Träger im Jugendbereich machen. Aber das ist eine gute Anregung. Sie könnten sich vorstellen, dass das für Sie schon hilfreich wäre.

Frau Kluge: Es könnten auch ältere Schüler machen, die mehr Erfahrung haben.

Moderator: Die manchmal vielleicht mehr wissen als die Lehrerinnen und Lehrer.

Frau Kluge: Ja, manchmal auch.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Sehen das die jüngeren Leute hier oben auch so, oder was denken Sie?

Studentin: Ich sehe das ähnlich. Es ist ja mittlerweile wirklich so: Man weiß selber gar nicht genau, was passiert, wenn man zum Beispiel „Gefällt mir“ oder so etwas drückt. Man weiß gar nicht, welche Folgen das hat. Und dann erfährt man später, dass irgendjemand gepostet hat: Drück’ bloß nicht mehr „Gefällt mir“. Oder man hört: Macht eure Internetseite als „https“ oder ich weiß nicht was. Man macht das dann einfach, aber man weiß eigentlich gar nicht, warum. Ich kenne mich da nicht so gut aus. Selbst für mich als Studentin ist es oft schon schwierig, das wirklich beurteilen zu können, wenn man das IT-Niveau nicht hat.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Es entwickelt sich jeden Tag etwas Neues. Man hat manchmal gar nicht den Überblick über die Reichweite. Ich wollte eigentlich nur meine zehn besten Freunde informieren, und plötzlich weiß es sozusagen die ganze Welt, und das auch gleich für die ganze Lebenszeit.

Als die Menschen das Auto erfunden haben, haben ja viele auch gedacht: Mein Gott, so schnell kann man sich gar nicht fortbewegen. Irgendwann haben wir gelernt, damit umzugehen. So müssen wir natürlich genauso lernen, mit dem Internet umzugehen. Da ist in einer Phase, in der sich das so dynamisch entwickelt, viel Aufklärung notwendig. Das nehmen wir noch mal mit.

Studentin: Wobei die Entwicklung mittlerweile immer schneller läuft. Das Auto hat sich vielleicht über hundert Jahre entwickelt. Da hat man sich als Mensch mitentwickelt. Aber das Internet hat sich einfach viel schneller entwickelt. Bestimmte soziale Foren oder die Social Networks sind ja eigentlich erst seit drei Jahren ein Trend. Seitdem ist diese Welle in Bewegung gekommen, und man kann das auch nicht mehr stoppen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Nein. Das sollten wir auch nicht.

Studentin: Man muss sich schneller anpassen als an andere Veränderungen, die stattgefunden haben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Ich sage mal so: Wir leben in einer spannenden Zeit, in der wahrscheinlich gerade grundlegende technische Innovationen stattfinden. Das passiert nicht in jeder Generation. Es gibt dann auch mal wieder eine Generation, die mit dem, was vorher schon da war, fahren kann. Aber die, die in die Auto- oder Flugzeugzeit reingekommen sind, mussten auch - -

Als zum Beispiel die Narkose erfunden wurde, was meinen Sie, was das für die Menschen für ein Schock war, dass sie plötzlich eine Stunde nicht über ihr eigenes Leben bestimmten konnten! Der Mensch hat immer wieder gelernt, damit umzugehen, aber wir leben in einer Zeit, in der sich ganz, ganz viel ändert. Das ist natürlich gerade für jüngere Leute sehr wichtig.

Moderator: Um im Bild zu blieben, auch nachdem, was die junge Dame gesagt hat: Beim Autofahren haben wir alle einen Führerschein, aber für das Netz, das uns wirklich fundamental 24 Stunden am Tag beeinflusst, gibt es keinen Führerschein - noch nicht. Vielleicht muss man auch über so etwas einmal nachdenken.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Ja, aber wir machen hier keine Vorschläge. Sonst haben wir morgen einen „Shitstorm“ zu gewärtigen.

Moderator: Dann wiederum im Netz.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Da müssen wir jetzt vorsichtig sein. - Bitte schön.

Bürgerin: Hallo! Guten Abend, Frau Bundeskanzler! Ich finde es einen ganz tollen Ansatz, auch in die Schulen zu gehen und dort den Umgang mit der Technologie und den Spaß an der Technologie zu lehren. Ich glaube, viele junge Leute sind heute eher passive Nutzer. Sie sind wahrscheinlich „heavy user“ des Internet, aber sie haben wenig Ahnung davon: Was steckt denn eigentlich dahinter? Was passiert, wenn ich meine Daten eingebe? Wie kann ich mich aktiv vor dem schützen, was da unter Umständen passieren kann?

Gerade was die Lehrmittelförderung zum Beispiel in den Schulen angeht, ist ja auch die Frage: Welche Geräte sind verfügbar? Ich kann mich erinnern: Als ich in der 8. Klasse war - ich bin jetzt schon ein bisschen älter -, hatten wir auch schon Computer. Wenn ich jetzt hier von Schulen höre, in denen Computerräume eingerichtet werden, ist die Entwicklung, die in den Schulen passiert, vielleicht ein bisschen langsam.

Es gibt auch ganz viele private Initiativen, die Technologie in die Schule bringen. In der Grundschule anzusetzen finde ich ganz toll, denn die Kinder setzen sich ja zu einem immer früheren Zeitpunkt mit diesen ganzen Medien auseinander. Ich finde, die Politik kann einen Rahmen bilden und Anregungen geben, da noch mehr zu machen, denn es müsste schon etwas über diese privaten Initiativen hinaus geschehen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Wobei ich jetzt noch mal eine Lanze brechen will: Es kann ja nicht alles in der Schulzeit stattfinden. Das heißt, wir müssen auch Orte finden, wo sich Menschen in der Freizeit begegnen, wo so etwas auch möglich ist. Denn sonst überfrachten wir die Schule. Wir denken natürlich: Wo kommen junge Menschen zusammen? Das ist natürlich erst einmal in der Schule. Aber deshalb gibt es heute ja auch mehr Ganztagsangebote und Ähnliches, wo man dann auch solche Dinge machen kann.

Herr Dr. Vogt: Mein Name ist Peter Vogt, ich bin für einige gemeinnützige Organisationen tätig. Die Diskussion hat gezeigt, dass uns das Internet mit Informationen überschüttet. Was wir bis jetzt noch nicht gelernt haben, ist, mit den Informationen umzugehen, also die Informationen, die eigentlich immer Interessen darstellen, zu analysieren, einzuordnen, um dann etwas daraus zu machen.

Vielleicht müssen wir auch unsere Lerninhalte in den Schulen, in den Fortbildungsinstituten, in der Universität usw. bis in den Beruf hinein ändern. Wir müssten vielleicht lernen, und zwar von klein auf, Informationen zu analysieren, sie einzuordnen, Gruppen zu bilden, Konflikte zu überwinden, und das in einer Gruppenarbeit, die fest in das Schulsystem, in die Ausbildung und auch in die Berufsausbildung implementiert ist. Das würde viel von den Problemen, die wir heute aus meiner Sicht haben, lösen, weil man dann die Unsicherheiten, die wir alle haben oder die man direkt spürt, überwinden könnte durch eine Gruppenarbeit, die von klein auf, im Kindergarten schon geschult wird.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Guter Vorschlag! Also über alle Lebensphasen hinweg immer wieder solche Möglichkeiten.

Herr Wilhelm: Mein Name ist Johannes Wilhelm, ich bin Russlanddeutscher. Das Thema Weiterbildung hat mich immer geprägt. Ich habe mich nach meiner Ausbildung als Industriemechaniker zum Meister weitergebildet, habe dann ein Studium gemacht und arbeite heute als Projektingenieur. Heute werde ich vom Staat für meine Bemühungen bestraft. Warum das so ist, erkläre ich ganz einfach: Heute studiert mein Sohn. Das heißt, ich habe einen Antrag auf Bafög gestellt, aber habe ihn natürlich abgelehnt bekommen. Um Bafög zu bekommen, bin ich zu reich. Meine Frau arbeitet nur halbtags, und wir haben noch ein zweites Kind. Meine Tochter ist 16. Das heißt, irgendwann wird sie sich vielleicht auch für ein Studium entscheiden. Ich weiß nicht, ob wir das finanzieren können.

Ich habe ganz, ganz konkrete Vorschläge: Erstens. Die Bafög-Grenzen müssen überprüft werden. Zweitens. Die Kosten für Bildung, ob für einen Erwachsenen oder für ein Kind, müssen grundsätzlich von der Einkommensteuer absetzbar sein. Heute ist das nicht der Fall. Wenn das Kind außerhalb der Wohnung der Eltern lebt, können sie pro Jahr nur 924 Euro absetzen. Die ganzen Kosten für die Bildung der Kinder liegen auf den Schultern der Familien. Das Dritte - das ist mein ganz konkreter Vorschlag -: Wenn die Kinder eine Ausbildung machen oder sich weiterbilden und kein eigenes Einkommen haben, dann müssen die Eltern für die Dauer dieser Bildungsmaßnahme von der Einkommensteuer befreit werden. Ich bezahle jährlich 15.000 Euro Einkommensteuer. Dann kann ich das Geld in die Bildung meiner Kinder und in die Zukunft unseres Landes investieren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Wenn ich es noch mal zusammenfasse, ist die Idee: Bildung ist so wichtig, dass sie zumindest von der Steuer abgesetzt werden können muss.

Ich würde mal sagen: ein Studium vielleicht. Wenn jemand dreimal hintereinander studiert - -

Herr Wilhelm: Genau. Man kann Grenzen setzen. Man kann da viele Lösungen finden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Aber Sie sagen im Grundsatz: Die Bildung wird im Steuersystem nicht ausreichend beachtet.

Herr Wilhelm: Absolut. Sie wird gar nicht betrachtet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Okay, das nehmen wir mit.

Moderator: Lassen Sie uns auf unseren letzten Punkt schauen, meine Damen und Herren, damit wir uns auch noch ein bisschen auf das Thema Gemeinsinn konzentrieren. Ungefähr 20, 30 Minuten haben wir noch Zeit. Da gibt es auch einen kleinen Zuspieler, damit wir ein paar Eindrücke für den Rest der Diskussion bekommen.

Thema "Gemeinsinn"

(Einspielfilm Gemeinsinn)

Also noch einmal die beiden Punkte: Wie erreichen wir wirklich, dass alle Generationen beteiligt sind? Und wie erreichen wir auch eine Wir-Gesellschaft?

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Oh, jetzt haben wir aber viele Wortmeldungen. - Zum zweiten Mal kommen Sie nicht dran; das können wir nicht machen. - Dann sind Sie dran.

Herr Schilling: Guten Abend, Frau Bundeskanzlerin! Mein Name ist Rolf Schilling, ich bin Regionalplaner und arbeite ehrenamtlich im Bereich des Gemeinwesens und habe hier jetzt das Themenfeld Bildung für nachhaltige Entwicklung.

Ich denke, lebenslanges Lernen bedeutet auch, dass wir uns Gedanken machen müssen, wie diese Bildung finanziert ist. Da die Kassen ja nicht üppig gefüllt sind, denke ich, dass es Alternativen braucht, um diese Bildung zu finanzieren. Zum einen denke ich da an Bildungsgutscheine, die helfen können, analog zu der Idee, Ausgaben für Bildung von der Steuer abzusetzen oder Einkommensteuerbefreiung zu erzielen.

Bildungsgutscheine hätten auch den basisdemokratischen Effekt, dass die Bürger, seien es Schüler oder auch Erwachsene, die Möglichkeit haben, selbst ihre Bildungsträger zu wählen, und mit diesem Gutschein auch darüber abstimmen, welches Bildungssystem am besten geeignet ist.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Und wer soll die Bildungsgutscheine ausgeben?

Herr Schilling: Die Bildungsgutscheine können entweder von der öffentlichen Hand oder aber von privaten Instituten ausgegeben werden, die wiederum alternative Wertschöpfungsinstrumente nutzen könnten. Ich denke an die Regiogelder oder andere Komplementärwährungssysteme.

Anstelle der klassischen Bezuschussung von Schulen, Universitäten und privaten Lehrinstituten können wir Lenkungseffekte über die Bürger erreichen und damit vielleicht mehr Fortschritt hinsichtlich individuellen Lernens, Erhöhung von Kreativität und Intuition im Unterricht erreichen, sodass auch wirklich die Bürger selbst gestalten können. Ich denke da auch an mehr Praxisnähe, das ist ganz wichtig.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Gut, wir belassen es mal bei den Bildungsgutscheinen über die öffentliche Hand oder über andere Anreizmechanismen. - Ganz kurz. Ich habe so viele Wortmeldungen, schauen Sie mal.

Herr Schilling: Abschließend wäre es mir noch wichtig, dass wir eine „Nachhaltigkeits-Tatenbank“ schaffen, um praktische Projekte auch wirklich jedem zugänglich zu machen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Ja, sehr gut. - Sie beide, dann Sie. Dann müssen die Herren wieder drankommen.

Frau Dressler: Schönen guten Abend, Frau Bundeskanzlerin! Mein Name ist Lisa Dreßler, ich bin 21 Jahre alt und mache derzeit eine Ausbildung zur Physiotherapeutin. Ich habe eine Art Stufenmodell für ehrenamtliche Tätigkeiten entwickelt, das vorsieht, wie man Jugendliche oder Neuinteressenten an verantwortungsvolle Posten heranführen könnte, zum Beispiel in Zusammenarbeit mit älteren und erfahreneren Menschen im Vereinsleben, weil ich denke, dass Teamarbeit und miteinander zu kommunizieren insbesondere auch für das Berufsleben wichtig sind.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Können Sie uns mal schicken, was Sie da entwickelt haben?

Frau Dressler: Ich habe es oben eingeworfen.

Moderator: Wir haben ja dafür eine Box aufgestellt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Gut, okay, dann bekommen wir das. Das geht uns nicht verloren.

Moderator: Aber schicken Sie es sicherheitshalber auch noch per Mail, damit es wirklich nicht verloren geht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Das geht doch nicht verloren!

Moderator: Sie wissen, zweimal hält besser als einmal.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Was machen Sie denn jetzt hier für eine Eigenwerbung! Erst haben Sie den Menschen erzählt, sie sollen das in die Box tun, und jetzt sagen Sie, sie sollen es sicherheitshalber noch mal per Mail schicken. - Also, das geht nicht verloren.

Frau Messerschmidt: Mein Name ist Tanja Messerschmidt. Ich komme wie Sie ursprünglich aus den neuen Bundesländern, lebe seit zehn Jahren in Walldürn und bin dort mit einer Lebens- und Gesundheitsschule selbstständig tätig. Ein Tätigkeitsfeld von mir liegt im ALG-II-Bereich. In dem wirklich tollen Bundesprojekt „Perspektive 50 plus“ bin ich mit Langzeitarbeitslosen über 50 beschäftigt. Da werden mir die Probleme, die unsere Gesellschaft derzeit mit sich bringt, die Fehler vergangener Politik und auch unserer Erziehung sehr deutlich. Vielen Menschen mangelt es überhaupt an einer Klärung ihres Lebensinhaltes, ihres Lebenssinnes, an wahrem Selbstbewusstsein, an Sozialkompetenz und vor allen Dingen an Eigenverantwortung und diversen anderen Dingen.

Mein Vorschlag ist, dass Menschen, die langzeitarbeitslos sind, ihren Beitrag zur Gesellschaft leisten, indem sie sich Coaching-Maßnahmen unterziehen. Mein Vorschlag wäre, dass man einen Teil der Sozialleistungen an solche Maßnahmen knüpft.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Okay. - Glauben Sie, dass Menschen über 50 auch noch lernen können?

Frau Messerschmidt: Oh ja, das erlebe ich in den Projekten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Ich finde es ganz wichtig, dass wir das in unsere Gesellschaft hineinbringen. Deshalb sage ich das extra noch einmal und will es von Ihnen aus der Praxis auch hören.

Frau Messerschmidt: Definitiv ja. Das sieht man auch in den Projekten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Es ist ganz wichtig, dass wir das festhalten. - Bitte schön.

Frau Schadeck: Mein Name ist Michaela Schadeck, ich bin Sozialarbeiterin und berufstätig. Es ist ja so, dass sich Menschen mit Körperbehinderung in Deutschland natürlich vor allem dann gut beruflich integrieren können, wenn sie einen guten Bildungsabschluss haben.

Menschen, die zeitintensive Pflege und Assistenz benötigen, sind bei uns allerdings auf SGB XII angewiesen, also Sozialhilfe. Es ist wunderschön, dass es in Deutschland so etwas gibt, dass man durch persönliche Assistenz auch wirklich ein selbstbestimmtes Leben führen kann, wie jeder sich das wünscht. Aber allein durch die Tatsache, dass man Sozialhilfeempfänger ist - - Sie können noch so einen hohen akademischen Abschluss haben beziehungsweise eine noch so gute berufliche Stellung, Sie bleiben Sozialhilfeempfänger. Dadurch ist es einfach auch nicht möglich, später noch in die Bildung zu investieren, zum Beispiel zum Habilitieren oder Promovieren, wie auch immer.

Das bedeutet nicht unbedingt Chancengleichheit. Daher wäre mir oder auch anderen, die in meiner Situation sind, ganz arg daran gelegen, dass persönliche Assistenz aus SGB XII herausgenommen wird und eigenständig verankert wird, um wirklich die Chancengleichheit zu bekommen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Okay. Das ist ein wichtiger Vorschlag, auch aus der eigenen Lebenserfahrung heraus. Es gibt wahrscheinlich an vielen Stellen eine Art Stigmatisierung, dass man sagt, bei Sozialhilfebeziehern ist der Lernwunsch nicht so groß.

Wenn man hört, jemand bekommt Arbeitslosengeld II oder dies oder jenes, hat man bei uns immer gleich eine Schublade; da ist der Mensch dann drin. Da müssen wir aufpassen. Man muss sich schon den Blick für die besondere Situation bewahren.

Oh, suchen Sie mal aus - es sind so viele -, damit wir hier gerecht vorgehen.

Moderator: Dann nehmen wir die Dame hier und dann den Herrn gegenüber.

Frau Dr. Geiges-Heindl: Mein Name ist Franziska Geiges-Heindl, ich komme vom Caritas-Verband Heidelberg. Wir hatten vorhin in unseren Gesprächen einen ganz interessanten Aspekt, der mir auch am Herzen liegt; das ist, die Kompetenzstrategie zu fördern. Es gab das Schlagwort eines Kompetenzpasses. Ich möchte Ihnen, Frau Merkel, wirklich ans Herz legen, dass auch die Möglichkeit besteht, nicht formal erworbene Kompetenzen festzulegen, zum Beispiel bei Frauen, die Erziehungszeiten über viele, viele Jahre hatten und in dieser Zeit bestimmt viele, viele Kompetenzen erworben haben.

Ich habe bei einer Wahl zum Pfarrgemeinderat - damals war ich Hausfrau - geschrieben, ich bin Haushaltsmanagerin, weil ich mich genau so gefühlt habe. Mir geht es darum, diese Kompetenzen einfach zu dokumentieren. Das wäre vielleicht auch für viele, die sich ehrenamtlich betätigen wollen, eine Hilfe, dass es, wenn jemand viele Jahre in der Altenhilfe oder in der Kinderbetreuung ehrenamtlich arbeitet, in irgendeiner Form dokumentiert wird und vielleicht auch noch irgendwann später irgendetwas bringt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Wer soll diese Dokumentation machen?

Frau Dr. Geiges-Heindl: Die Idee könnte sein, dass das wirklich die Politik macht, dass man sich überlegt, wie man so einen Pass - -

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Die Politik muss den Rahmen setzen. Aber würden Sie sagen, das sollen erfahrene Ehrenamtler oder anerkannte Vereine machen?

Frau Dr. Geiges-Heindl: Nein, ich würde es Ihnen ganz persönlich ans Herz legen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Man kann ja jetzt nicht zum Bürgermeister oder zur Bundeskanzlerin gehen und sagen, ich brauche mal meinen Eintrag in den Pass. Ich würde das gerne politikferner machen. Man könnte sich ja vorstellen, dass Vereine zum Beispiel ein Gremium wählen, das dies in einer bestimmten Region tut.

Frau Dr. Geiges-Heindl: Aber ich denke, es wäre auch schön, wenn dieser Pass dann - wir haben ja über das föderative System gesprochen - in Berlin genauso einen Wert hat wie in Heidelberg. Eine solche Form müsste er haben. Dass das von Ehrenamtlichen oder von Vereinen gemacht wird, könnte ich mir auch gut vorstellen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Gut, okay. Man kann sich auch vorstellen, dass die ehrenamtliche Tätigkeit bei bestimmten Sachen - das kann niemals Entgelt sein - anerkannt wird.

Herr Fölsch: Hallo, Frau Bundeskanzlerin! Ich bin Matthias Fölsch, Wirtschaftsingenieur, habe zehn Jahre Industrieerfahrung, bin aber nunmehr seit zwölf Jahren als Dozent und Lehrer an der Johannes-Gutenberg-Schule Heidelberg tätig, einer großen und guten, erfolgreichen beruflichen Schule.

Ich habe einen konkreten Vorschlag für Sie: die Initiierung einer neuen nationalen Ehrenamtlichen-Organisation. Mein Arbeitstitel wäre Deutschland-Coach. Ziel sollte zum einen die Potenzialausschöpfung bei unseren hauptsächlich jungen Menschen sein, zum anderen Lebenskompetenz zu lernen und zum Dritten auch eine Art neuer Generationenvertrag.

Das sollte so ablaufen: Es gibt viele junge Menschen, gerade sozial schwieriger Herkunft, wie es vorhin schon genannt wurde, denen im Background ein bisschen jemand fehlt, der als Netzwerkmanager dient. Tätig werden sollten ehrenamtliche Coaches, Best Ager, dritte Lebensphase.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Best Ager, na!

Herr Fölsch: Best Ager, ja.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Als Erstes machen wir mal einen Englischkurs, und dann gucken wir, wie wir - -

Herr Fölsch: Also: Menschen aus der dritten Lebensphase, die bereit sind, aufgrund ihrer Sozialkompetenz solche Menschen über einen gewissen Zeitraum in schwierigen Lebensphasen zu betreuen, beispielsweise bei der Findung eines geeigneten Berufsweges.

Die Idee ist, eine neue Marke zu schaffen, sodass man auch irgendwann stolz sein kann, wenn man für dieses „Deutschland-Coach“ als Betreuer tätig ist. In diese Richtung sollte das gehen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Das ist eine interessante Vorstellung. Wir sind ja manchmal so, dass wir sagen: Möglichst viel regional und vor Ort und vielfältig. Aber es gibt auch ein Bedürfnis, in einer globalen Welt, wo man sowieso von jeder Ecke der Welt etwas bekommen kann, einfach sein eigenes Land mit einer Marke zu versehen - einem Brand, wie man jetzt sagen würde.

Moderator: Die Best Ager sind dann die Silver Surfer im Netz, dann haben wir wieder einen neuen englischen Begriff.

Herr Fuetterer: Mein Name ist Gerhard Fuetterer. Ich möchte hier Gemeinsinn und Lernen mal zusammenfassen. Ich musste schon in den Ferien als Kind arbeiten, auch in der Evakuierung. Ich habe mein ganzes Leben schon gearbeitet, davon 30 Jahre im Ausland. Ich habe Sie auch mal in Kairo in einer Industrie- und Handelskammer getroffen.

Ich war gerade im Krankenhaus. Ich habe festgestellt, dass die Abteilungen hier im Neuenheimer Feld, diese riesengroßen medizinischen Abteilungen, mit einem Tunnelblick arbeiten, der Patient aber, der insgesamt hier auftritt, vielleicht noch irgendeine Kleinigkeit hat: Ich habe da etwas am Rücken. Ist das etwas an der Haut? - Ja, das können wir nicht machen!

Ich würde hiermit einen Vorschlag machen, um den Landarzt in der Form zu unterstützen, dass aus den anderen Disziplinen der Fachabteilungen Ärzte, Doktoranden und Studenten irgendwie die Patienten besuchen und sagen: Okay, du hast das Bein gebrochen, du hast etwas an der Lunge, an der Niere oder sonst irgendetwas. Aber was hast du sonst noch? Sag mal: Hast du immer Kopfweh? Wie sieht es da aus?

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Also die gesamtheitliche Betrachtung des Menschen.

Herr Fuetterer: Ja. Damit kann man diesen neuen Ärzten die Befangenheit nehmen, dem Patienten, der ihn später mal auf dem Land antrifft - deswegen wollen sie ja auch nicht aufs Land: weil sie dann die Verbindung zur Universität verlieren -, zu sagen: Okay, ich bin zwar Ohrenarzt; ich sitze da irgendwo auf dem Land, bekomme eine Praxis angeboten, sogar noch mit einer kostenlosen Wohnung dazu, weil das eben das Problem ist. Aber ich bin Ohrenarzt. Was mache ich, wenn ich da jetzt einer - -

Moderator: Das betrifft wieder die Ausbildung: ein bisschen allgemeiner, nicht so speziell immer nur auf das eigene Fachgebiet ausgerichtet.

Herr Fuetterer: Ja, dass man in diesen großen Kliniken übergreifend den Tunnelblick ein bisschen weitet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Danke. Wir kommen jetzt in ganz schwieriges Fahrwasser, weil uns die Zeit etwas davonläuft.

Diese Dame und diese Dame und noch dieser Herr. - Sie waren doch schon dran. Was sollen die vielen sagen, die noch nicht dran waren?

Moderator: Jetzt mal hier nicht schwätzen, wenn wir so wenig Zeit haben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Genau, nicht schwätzen. Da haben Sie recht.

Frau Sabani: Mein Name ist Suzane Sabani. Ich arbeite mit Kindern mit Migrationshintergrund. Mein Anliegen ist die Integration durch Sprache. Wir hatten vorhin als Thema, dass die ausländischen Kinder in den Schulen oft durchs Raster fallen. Es gibt ja schon ganz viele Patenschaftsprogramme, Mentoren-, Tutorenprogramme, bei denen Ehrenamtliche in Einzelunterricht, in einer Eins-zu-eins-Betreuung Kinder betreuen und Sprache oder Schreiben fördern. Ich finde, das müsste viel mehr gefördert werden, auch von der Bundesrepublik. Es gibt schon Ansätze, die auch generationenübergreifend sind, und es gibt einen kulturellen Austausch. Ich finde, das ist ein guter Ansatz. Es müsste aber mehr gefördert werden.

Das Ehrenamt hat natürlich auch keinen wirklich guten Status. Es müsste besser gefördert werden, dass ehrenamtliche Arbeit in unserem Land etwas sehr Wichtiges ist.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Die Dame davor hatte ich eigentlich im Blick. Sie guckte schon so traurig, dass sie jetzt nicht mehr drankommt. Deshalb ganz kurz noch.

Bürgerin: Ich wollte auch auf das Ehrenamt eingehen. Ich glaube, dass man als Eltern Vorbild ist, der jüngeren Generation zu zeigen, was Ehrenamt bedeutet. Ich wäre sehr glücklich, wenn uns da die Politik ein bisschen helfen würde, um durch Werbung immer wieder aufzuzeigen, dass Ehrenamt auch Spaß macht, Freude macht, einem Kompetenzen gibt. Dann wäre natürlich der Ansatz mit dem Kompetenzpass, dass das, was man dort lernt, auch irgendwo festgehalten wird.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Das ist für uns in der Politik natürlich immer eine Gratwanderung: Ehrenamt ist Ehrenamt. Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass jemand, der keine ehrenamtliche Tätigkeit ausübt, hier nicht mehr der geliebte und geachtete Staatsbürger ist. Gleichzeitig wünschen sich Ehrenamtliche die Anerkennung und vor allen Dingen auch die Ermunterung, das für andere zu machen. Das müssen wir in die richtige Balance bringen.

So, jetzt Sie. Ich soll ja nicht so viel schwätzen, wie mir Herr Schöberl gesagt hat.

Frau Timm: Mein Name ist Deborah Timm. Ich reihe mich in die Gruppe der Jurastudenten ein.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Man kann in Heidelberg aber auch noch etwas anderes studieren, nicht?

Frau Timm: Ich glaube nicht. - Doch, natürlich. Aber auch in diesem Studiengang merke ich, wie wichtig es ist, dass man sich austauscht, und das auch über das Ehrenamt. Ich merke, dass es bei den Studierenden das Potenzial gibt, dass sie anderen Studenten helfen wollen.

Wenn man aus den akademischen Kreisen mal weggehen will, gibt es zum Beispiel eine Mannheimer Straßenschule, wo probiert wird, Schulabbrechern noch den Hauptschulabschluss zu ermöglichen. Es geht mir um die Wertschätzung dieses Engagements, dass die Politik die Möglichkeit dazu gibt, vielleicht mit einer Plattform, mit einer Begegnungsstätte. Dort sollte der Ansatz sein. Das Ehrenamt kommt im Prinzip von den Leuten. Sie wollen etwas machen; zumindest geht es mir und Kommilitonen so. Aber mir ist wichtig, dass das irgendwie besonders hervorgehoben wird und dass vielleicht eine Plattform dafür da ist.

Herr Peters: Frau Dr. Merkel, mein Name ist Sebastian Peters. Ich studiere auch hier in Heidelberg Jura und Physik.

Moderator: Physik - sehr gut! Toll!

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Schafft man neben Physik noch Jura oder neben Jura noch Physik?

Herr Peters: Es ist schwierig, aber es geht; es ist möglich.

Ich habe ein wenig die Befürchtung, dass die zukünftige Bildungspolitik sowohl hinsichtlich der wissenschaftlichen Entwicklung als auch hinsichtlich des ehrenamtlichen Engagements zu sehr auf wirtschaftliche Gegebenheiten ausgerichtet wird - das hängt beispielsweise auch viel mit der Verkürzung der Schulzeit zusammen - und für die Schüler oder Studenten keine Zeit mehr bleibt, um sich in solchen Gebieten weiterzubilden.

Ich will ein Beispiel geben. Zu meiner eigenen Schulzeit war mal Teil eines Testprojektes in einer kooperativen Gesamtschule, dass freiwillige AGs in einer wirklichen Vielzahl in allen möglichen Bereichen angeboten worden sind, für alle möglichen Schüler aus Haupt- und Realschule und Gymnasium. Das wurde sehr, sehr gut angenommen. Das heißt, die Schüler hatten wirklich das Interesse, sich weiterzubilden. Das waren sportliche Angebote etc.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Und heute, glauben Sie, gibt es das nicht mehr so gut?

Herr Peters: Das glaube ich schon. Aber ich befürchte, dass solche Angebote immer weiter abnehmen, ebenso die Möglichkeit, sich da weiterzubilden und auch die Bereitschaft zu zeigen, sich weiterzubilden. Das ist im Studium auch so. Wir haben im Moment sehr viele Studienanfänger, auch in der nächsten Zeit. Ihre eigenen Experten sagen auch, dass dabei allerdings sehr wenig herauskommt. Ich frage mich: Wo bleibt die Motivation, solche Studiengänge durchzuziehen? Da könnte man Abhilfe schaffen.

Man hat das Problem des Föderalismus, dass man solche Programme nicht direkt an den Hochschulen oder an den Schulen anbieten kann, aber vielleicht geht es über Stiftungen oder andere Organisationen, die staatlich unterstützt werden und die einfach eine Brücke schlagen zwischen der recht theoretischen oder schnellen Ausbildung, die für die Abschlüsse wichtig ist, und der allgemeinen. Vorhin wurden Praktika angesprochen oder auch das Wissen, das einem den Platz vermittelt, wo man steht und wie man sein Wissen und sein Engagement auch anwenden kann.

Herr Helm: Guten Abend, Frau Bundeskanzlerin! Mein Name ist Miguel Helm, und ich bin ein mehr oder weniger stinknormaler Gymnasiast. Ich besuche die 10. Klasse. Mein Anliegen ist, dass das Vereinswesen gestärkt wird, da Bildung gerade im Verein besonders intensiv stattfinden kann. Im Verein treffen sich auch die meisten Gesellschaftsschichten. Deswegen bin ich der Meinung, dass das gestärkt werden muss.

Ich habe da auch eine Erfahrung gesammelt, und die möchte ich Ihnen sagen. Die hat mich auch dazu bewegt, mich jetzt zu melden. Ich habe letztes Jahr erlebt, dass ein Teamkollege von mir die Schule abbrechen wollte. Das habe ich mitbekommen und habe es dann meinem Trainer gesagt, weil das ja nichts Kleines ist. Deswegen habe ich ihm gesagt: Können wir das mal gemeinsam besprechen? In der nächsten Trainingseinheit ist er dann gekommen. Unser Trainer hat gesagt: Setzt euch alle mal hin und sagt mir, warum ihr in die Schule geht. Dann hat derjenige gehört, weswegen wir alle in die Schule gehen. Und wissen Sie, was passiert ist? Er hat nach zwei Wochen Schulabstinenz den Weg zurück in die Schule gefunden.

Deswegen schlage ich vor, dass gerade solche Problemkinder stärker in Vereine integriert werden sollen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Sehr gut! Danke.

Moderator: In welchem tollen Verein sind Sie? Was machen Sie sportlich?

Herr Helm: Ich bin im klassischsten Sport, in einem Fußballverein.

Moderator: Welche Position?

Herr Helm: Rechtes Mittelfeld, aber mittlerweile eher Verteidiger.

Moderator: Und später mal bei Hoffenheim, wenn es gut läuft.

Herr Helm: Ich glaube, nicht.

Moderator: Aber trotzdem alles Gute!

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Aber erst mal danke auch für das Beispiel. Das ist ja wirklich ermutigend.

Bürger: Hallo, Frau Merkel! Ich sehe Gemeinsinn noch mal mit Lernen zusammen und möchte jetzt ein bisschen den Blick auf die Arbeitswelt richten. Die meiste Zeit des Lebens verbringen wir ja dort. Ich bin noch Student, hoffentlich bald nicht mehr.

Heute gibt es sehr viele Vorurteile: Alt gegen Jung, Jung gegen Alt; die Jungen sagen, die Alten haben keine Ahnung von Technik; die Alten sagen, die Jungen haben keine Ahnung vom Leben. Ich glaube, wenn wir aktiv in Unternehmen Alt und Jung proaktiv in altersheterogene Gruppen stecken und sie dort zusammenarbeiten lassen, dass da viel passieren kann, dass die einen von den anderen etwas lernen.

Ich habe als Vorschlag, dass es vom Bund geförderte Leuchtturmprojekte gibt, in denen in kleinen, mittelständischen und großen Unternehmen so etwas mal richtig gemacht und beobachtet werden kann, auch wissenschaftlich begleitet werden kann und dass das dann als Best Practice auf andere Unternehmen übertragen werden kann.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Ich glaube, das ist auch sehr wichtig. Es wird bei uns viel zu wenig gesehen, dass in der Vielfalt so viele Chancen liegen könnten. Wir denken immer, möglichst effizient und möglichst gleichformatig sei gut. Es ist sicher wichtig, dass auch die Bildung breiter ausgerichtet wird.

Moderator: Jetzt kommen diese beiden noch dran. Aber es geht, wie gesagt, nichts verloren, meine Damen und Herren. Alle Vorschläge werden gesammelt.

Herr Brauneisen: Mein Name ist Andreas Brauneisen, ich bin im Beirat von Menschen mit Behinderung Heidelberg. Es ist Tatsache, dass Menschen mit Behinderung oftmals einen Ausbildungs- oder Weiterbildungsplatz bekommen, oft an einer privaten Schule. Sie haben aber beim Abschluss der Aus- oder Weiterbildung ganz große Schwierigkeiten, eine Arbeitsstelle zu bekommen.

Mein Vorschlag: Aus- oder Weiterbildung, egal, ob an staatlichen oder privaten Einrichtungen, soll in der Regel ein mehrmonatiges Praktikum an ihrem Ende enthalten. Bei der Auswahl des Praktikumsgebers muss der Aus- oder Weiterbilder mit dem Jobcenter zusammenarbeiten. Vom Ausbilder und vom Jobcenter, idealerweise in Zusammenarbeit mit dem Praktikanten, wird ein Praktikumsgeber gesucht, der Arbeitskräfte entsprechender Qualifikation sucht. Gegebenenfalls könnte der Praktikumsgeber mit dem Ausbilder zusammenfallen, sofern der Ausbilder nach der Ausbildung Arbeitskräftebedarf entsprechend - -

Moderator: Um auch zu gewährleisten - Entschuldigung, dass ich unterbreche -, dass mehr Menschen auch wirklich in eine Arbeitsstelle kommen.

Herr Brauneisen: Ja, genau.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Sie haben das jetzt ja hier aufgeschrieben.

Herr Brauneisen: Dann wird zwischen dem Praktikanten und dem Praktikumsgeber ein Vertrag gemacht, dass der Praktikumsgeber nach der Ausbildung den Praktikanten anstellt, sofern er mit seiner Leistung zufrieden ist. Dann mündet die Ausbildung in die Anstellung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Ich glaube, Sie geben uns das vielleicht auch noch mal mit.

Herr Brauneisen: Ich habe es eingeworfen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Gut. Ich vertraue darauf.

Moderator: Ich habe ja gesagt: besser zweimal als einmal. Geben Sie es mir noch mit. Ich stecke es schon mal ein.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Ich vertraue darauf. - Sie sind die Letzte. Ich weiß, dass wir leider nicht alle drannehmen können. Das tut mir leid, aber nichts geht verloren.

Frau Dr. Hayder: Daniela Hayder ist mein Name; ich bin promovierte Pflegewissenschaftlerin. Ich möchte einen Aspekt aus dem Film aufnehmen. Da hieß es: Praxis und Theorie kommen nicht so richtig zusammen.

Ich möchte eine Lanze dafür brechen, dass wir Ressourcen nicht nur zur Verfügung stellen, um Forschungsergebnisse zu generieren - das tun wir; das macht der Bund ganz gut. Wir müssen auch darüber nachdenken, dass wir dieses Wissen aus der Forschung quasi übersetzen für die Menschen, die eine Narkose brauchen und vielleicht nicht so viel Angst davor haben sollen, für Menschen, die Lehrer sind. Da sind vielfältige Gruppen angesprochen.

Ich glaube, wir müssen den Wissenstransfer als eigene Aufgabe ansehen und dafür Ressourcen zur Verfügung stellen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Danke schön. Ich habe den Eindruck, hier hätten noch viele interessante Ideen gehabt. Das ist das Traurige. Das Schöne ist aber, dass es so viele gute Ideen gibt. Was heute ganz klar durchgekommen ist: Vom Kleinkind bis ins hohe Alter ist Lernen wichtig für die Gesellschaft, aber eben auch viel gemeinschaftliches Lernen unter Nutzung der neuen Methoden und der neuen Technologien.

Neben dem beruflichen Leben, das die allermeisten haben, sollte das Ehrenamt mehr Anerkennung finden und die Tatsache, dass die Ideen, die freien Vereine so viel bewegen können, damit das Leben lebenswert ist. Ich glaube, dass wir dafür auch noch besser die Möglichkeiten des Internets nutzen können.

Sie haben gesagt, dass auch die, die Lehrende sind, dauerhaft lernen können und dafür auch ein bisschen Zeit bekommen müssen, egal, an welcher Stelle das ist; das ist, glaube ich, auch wichtig.

Ansonsten habe ich jetzt gelernt: Es gibt die Box. Ich werde darauf achten, dass sie ordentlich nach Berlin transportiert wird. Wem hinterher noch etwas einfällt: Wir haben immer noch die Plattform im Internet.

Heute war die Frage: Wie wollen wir lernen? Ich sage von meiner Seite aus: Danke schön, dass Sie mitgemacht haben. Mir hat es Spaß gemacht, und wir werden uns die Vorschläge anschauen und insbesondere die nach vorne bringen, die in der Bundeskompetenz liegen und dort umgesetzt werden können. Sie können ja mal beobachten, was daraus wird. So, wie ich Sie kennengelernt habe, werden Sie das auch tun und prüfen, ob etwas daraus geworden ist.

Die Sache mit dem Deutschland-Coach hat mir gut gefallen. Wir müssen aufpassen, dass wir alles, was wir wollen, auch noch auf Deutsch sagen können. Das ist, glaube ich, ganz wichtig.

Ich bedanke mich ganz herzlich.

Moderator: Danke schön. Das war der Applaus für Sie, weil Sie heute hier in die Bütt gestiegen sind. Herzlichen Dank für die zahlreichen tollen Wortmeldungen. Wenn noch irgendjemand etwas einbringen möchte: Wir nehmen das mit und schicken es gerne weiter.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.