Bruch der Waffenruhe nicht zu rechtfertigen

Ukraine-Krise Bruch der Waffenruhe nicht zu rechtfertigen

Der Raketenangriff auf Mariupol ist ein durch nichts zu rechtfertigender Bruch der Waffenruhe. Das sagte Kanzlerin Merkel in einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko, dem sie ihr Beileid für die zivilen Opfer aussprach. Den russischen Präsidenten forderte Merkel telefonisch auf, neue Eskalationen zu vermeiden.

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Frau geht an qualmendem Gebäude vorbei.

Bei dem Raketenangriff auf Mariupol starben am Samstag mehr als 30 Menschen.

Foto: picture-alliance/AP Photo/Vaganov

In ihrem Telefongespräch mit dem ukrainischen Staatspräsidenten Petro Poroschenko sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntag, es müsse weiter alles darangesetzt werden, zu einer friedlichen Lösung zu kommen. Die Einhaltung der Waffenruhe und der Rückzug von schweren Geschützen sei ein erster Schritt zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen vom September. Dies müsse - wie erst in der vergangenen Woche von den Außenministern im Normandie-Format bekräftigt - auf der Grundlage der im September vereinbarten Kontaktlinie geschehen.

Am 6. Juni 2014 traf sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Wladimir Putin, Petro Poroschenko und François Hollande am Rande des Weltkriegs-Gedenkens in der Normandie. Es war die erste Begegnung der Staatschefs Russlands und der Ukraine seit Beginn der Krise. Seither werden die Treffen mit Beteiligten der vier Länder "Normandie-Format" genannt.

Mit Nachdruck auf Separatisten einwirken

Den russischen Präsidenten Wladimir Putin forderte die Bundeskanzlerin dazu auf, neue Eskalationen zu vermeiden. Putin müsse mit Nachdruck auf die Separatisten einwirken. Die Unterzeichner von Minsk müssten sich an diese Abkommen halten und sich an einen Tisch mit der Kontaktgruppe setzen, so die Kanzlerin. Die Kontaktgruppe aus Vertretern der Ukraine, Russlands und der OSZE spiele bei der Umsetzung eine bedeutende Rolle.

Regierungssprecher Steffen Seibert ergänzte in der Regierungspressekonferenz am Montag (26.01.): "Wenn wir aus dieser Eskalationsspirale herauskommen wollen, wenn wir der diplomatischen Lösung wieder eine Chance geben wollen, dann ist es absolut zwingend, dass vor allem die prorussischen Separatisten die Waffenruhe endlich respektieren; dass sie die von ihnen angekündigte Offensive auf Mariupol stoppen." Um weiteres Blutvergießen zu verhindern, solle Russland seinen Einfluss dahingehend geltend machen.

Bei einem Raketenangriff auf die ostukrainische Hafenstadt Mariupol starben am Samstag (24.01. mindestens 30 Menschen. Nach Einschätzung von OSZE-Beobachtern haben die von Russland unterstützten Separatisten den Angriff ausgeführt.

Steinmeier: "Hochgefährliche Lage"

Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte zuvor vor einer "hochgefährlichen Lage" in der Region rund um Mariupol gewarnt. Die Unterzeichner der Minsker Erklärung und der Berliner Erklärung müssten verhindern, dass die Situation in der Ukraine "völlig aus der Kontrolle" gerate, sagte Steinmeier am Rande eines Treffens mit dem algerischen Außenminister Lamamra in Algier.

Nach den Äußerungen von Separatistenführern sei nun "ganz offenbar", wer ein Interesse daran habe, die Bemühungen um Deeskalation zu unterlaufen. Gleichzeitig bekräftigte Steinmeier, die Bemühungen um eine Entschärfung des Konflikts seien "nach wie vor der richtige Weg".

In der Regierungspressekonferenz am Montag bekräftigte Außenamtssprecher Martin Schäfer: "Diese Großoffensive, die da vorgestern großspurig angekündigt worden ist, hat ja noch nicht stattgefunden. Vielleicht gibt es da tatsächlich hinter den Kulissen irgendetwas und irgendjemanden, bei dem noch ein Rest Vernunft vorhanden ist, um die richtigen Entscheidungen zu treffen."

Diplomatische Lösungen suchen

Am Donnerstag (22.01.) war es bereits im Süden von Donezk zu heftigen Gefechten mit mehr als 30 Todesopfern gekommen. Einer schweren Explosion an einer Bushaltestelle waren mindestens sieben Menschen zum Opfer gefallen. Die Bundesregierung hatte sich über die jüngste Gewaltanwendung betroffen gezeigt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Freitag am Rande ihres Besuchs in Florenz gemahnt: "Wir müssen alles daransetzen, auf diplomatischem Wege voranzukommen. Jeden Tag sterben unschuldige Menschen. Das ist ein unbefriedigender Zustand." Das Angebot an Russland heiße immer wieder, diplomatische Lösungen zu suchen. Das gelte genauso für die Ukraine. Man müsse aber auch "die Dinge beim Namen nennen, wo Verletzungen des internationalen Rechts stattgefunden haben", so Merkel.

Auch Außenminister Steinmeier hatte sich schockiert über die Angriffe auf Zivilisten in Donezk gezeigt. Die Spirale von Gewalt und Gegengewalt müsse gestoppt werden. Wie am Dienstag in Berlin vereinbart , müsse in der Ostukraine der Abzug schwerer Waffen unverzüglich umgesetzt werden, so Steinmeier.

Minsker Vereinbarungen haben Priorität

Am Rande seines Besuchs in Marokko am 22. Januar hatte der Außenminister die Konfliktparteien dazu aufgefordert, den "skrupellosen Gruppen, die kein Interesse an Deeskalation und einem Ende der Gewalt haben", nicht das Feld zu überlassen. "Ich fordere daher alle diejenigen, die die Minsker Vereinbarungen und die gestrige Berliner Erklärung unterzeichnet und politisch zu verantworten haben, in aller Eindringlichkeit auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und sich jetzt mit aller Kraft an die Umsetzung der ersten Schritte in Richtung Waffenstillstand zu machen."

Es bleibe nicht viel Zeit für eine friedliche Lösung, so Steinmeier weiter. Moskau und Kiew sollten ihr Bekenntnis zu einer politischen Lösung verdeutlichen. Sie müssten jetzt "aufstehen und alles dafür tun, dass die Spirale von Gewalt und Gegengewalt gestoppt wird." Er führte aus: "Dazu gehört es, die gestrigen Vereinbarungen von Berlin zum Rückzug schwerer Waffen unverzüglich umzusetzen."

Die stellvertretende Sprecherin des Auswärtigen Amtes, Sewsan Chebli, ergänzte in der Regierungspressekonferenz am Freitag, die Bundesregierung appelliere an beide Seiten, "alles in ihrer Macht Stehende zu tun, damit die Waffen endlich schweigen." Der russische Außenminister Lawrow habe auf dem Vierer-Treffen in Berlin signalisiert, dass Russland auf die Separatisten einwirken werde. "Wir erwarten von Russland, dass das dann auch stattfindet", betonte die Sprecherin. "Wenn wir uns die Lage vor Ort anschauen, gibt es da noch sehr viel Raum nach oben."

Lage in der Ukraine Gradmesser

Die Vereinbarungen von Minsk sind laut der stellvertretenden Regierungssprecherin Christiane Wirtz der Gradmesser dafür, wie sich die Lage in der Ostukraine entwickelt. Von ihrer Umsetzung hingen auch die weiteren politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland und der Eurasischen Wirtschaftsunion ab.

Zum einen habe es die Bemühungen der vier Außenminister um Deeskalation gegeben, so Wirtz. "Gleichwohl haben wir alle die Bilder des ausgebrannten Busses gestern in der Ostukraine gesehen." Das sei "das Wesentliche, was die deutsche Bundesregierung im Moment beschäftigt".

Bevor man konkret über einen gemeinsamen Wirtschaftsraum nachdenken könne, gehe es darum, den Konflikt in der Ukraine beizulegen. Das stehe derzeit für die Bundesregierung im Fokus, stellte die Sprecherin klar. "Das ist zunächst einmal die Voraussetzung beziehungsweise einer der Parameter, um dann stärker in solche Gespräche einzusteigen."