Befragung der Bundesregierung mit Bundeskanzlerin Merkel

Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Fragestunde im Bundestag.

Bundeskanzlerin Merkel stellte sich im Bundestag den Fragen der Abgeordneten.

Foto: Bundesregierung/Schacht

70. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2018

Beginn: 13.00 Uhr



Präsident Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU):

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bitte nehmen Sie Platz. Die Sitzung ist eröffnet.

Interfraktionell ist vereinbart worden, die Unterrichtung der Bundesregierung über die Stellungnahme des Bundesrats und die Gegenäußerung der Bundesregierung auf der Drucksache 19/6288 zu dem bereits überwiesenen Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Umwandlungsgesetzes dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist offenbar der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat mitgeteilt, dass die Bundeskanzlerin heute in der Regierungsbefragung zur Verfügung steht. Sie hat angekündigt, zunächst einen Ausblick auf den Europäischen Rat am 13. und 14. Dezember 2018 in Brüssel zu geben und über die Ergebnisse des G-20-Gipfels vom 30. November und 1. Dezember 2018 in Buenos Aires zu berichten.

Ich betone, dass nach unserer Geschäftsordnung für diesen Bericht nicht mehr als fünf Minuten zur Verfügung stehen. Daran anschließend können zunächst in einem ersten Abschnitt Fragen zu diesem Bericht gestellt werden. Danach können in einem zweiten Abschnitt Fragen zu anderen Themen der Kabinettssitzung und sonstigen Themen gestellt werden. Für beide Abschnitte würde ich ungefähr 30 Minuten vorsehen wollen.

Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, dass diesmal pro Fragesteller eine Nachfrage zugelassen werden kann. Ich beabsichtige, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Interfraktionell ist eine Gesamtdauer von 60 Minuten im Anschluss an den Bericht der Bundeskanzlerin vereinbart.

Für die Befragung der Bundeskanzlerin gilt die geübte Praxis der Regierungsbefragung: Für jede Frage und jede Antwort stehen jeweils höchstens eine Minute zur Verfügung, für eventuelle Nachfragen und ihre Beantwortung jeweils nicht mehr als 30 Sekunden. Uhren und Ampel zeigen den Zeitablauf nach 30 Sekunden mit Gelb, nach 60 Sekunden mit Rot an. Bei Nachfragen ist die Zeit also dann abgelaufen, wenn die Ampel auf Gelb springt. Ich weise noch einmal darauf hin, dass es sich dabei um Höchstzeiten handelt, die im Einzelfall keinesfalls ausgeschöpft werden müssen. Je kürzer Fragen und Antworten sind, umso mehr Fragesteller kommen zum Zuge.

Bevor ich der Frau Bundeskanzlerin das Wort erteile, möchte ich die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer bitten – das tun sie ja auch schon fleißig –, dem Schriftführer zu meiner Linken die jeweiligen Wortmeldungen aus den Fraktionen mitzuteilen. Die Fragestellung erfolgt in der Reihenfolge, die wir bei Regierungsbefragungen haben.

Jetzt hat das Wort für den einleitenden Bericht Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne mit dem G-20-Gipfel. Argentinien war ein sehr guter Gastgeber und hat alles darangesetzt, dass wir zu einem Abschlusskommuniqué kommen konnten; das ist uns auch gelungen. Wir konnten auf den Hamburger Erfahrungen vom Vorjahr während unserer G-20-Präsidentschaft aufbauen. Wir haben es geschafft, noch einmal eine 19er-Erklärung zum Klimaschutz hinzubekommen; das ist wichtig für die derzeitige Konferenz in Katowice. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben dabei nicht mitgemacht. Wir haben die Fortsetzung unseres Compact with Africa erreichen können. Wir haben das Thema „weltweite Gesundheit“ in der Agenda der G 20 dauerhaft verankert. Wir haben uns für eine Reform des multilateralen Handelssystems ausgesprochen. Das sind wichtige Kernpunkte, die die multilaterale Zusammenarbeit der G 20 noch einmal unterstreichen. Die Verhandlungen waren extrem schwierig und auch extrem lang – aber Ende gut und insofern doch ein gewisses Maß an Zufriedenheit.

Was den Europäischen Rat anbelangt, der morgen und übermorgen stattfindet, so werden wir uns dort zum ersten Mal damit auseinandersetzen, was die österreichische Präsidentschaft erarbeitet hat, nämlich eine sogenannte Verhandlungsbox für die mittelfristige finanzielle Vorausschau. Sie wissen, dass wir als Europäischer Rat es vor der Europawahl nicht mehr schaffen werden, uns über die Finanzen zu verständigen; aber die Struktur der zukünftigen Verhandlungen wird jetzt klarer erkennbar. Da gibt es naturgemäß sehr große Interessenunterschiede.

Wir werden uns mit dem Thema des Austritts Großbritanniens beschäftigen. Wir werden einen Bericht der Premierministerin hören und dann im Artikel-50-Format, also zu 27, noch einmal kurz beraten. Wir haben nicht die Absicht, das Austrittsabkommen zu verändern. Das ist die allgemeine Position der 27 Mitgliedstaaten. Insoweit ist nicht zu erwarten, dass wir mit irgendwelchen Veränderungen aus den Debatten herausgehen.

Wir werden uns dann mit der Reform der Wirtschafts- und Währungsunion beschäftigen. Die Finanzminister haben hier entsprechend vorgearbeitet. Die Vollendung der Bankenunion, aber auch ein sogenanntes Euro-Zonenbudget werden auf der Tagesordnung stehen und in Zusammenhang mit der Bankenunion auch eine politische Einigung über die Veränderung des ESM in Richtung eines Europäischen Währungsfonds.

Und wir können festhalten – das will ich noch sagen –, dass wir eine Vielzahl von europäischen Bürgerdialogen durchgeführt haben – 27 Mitgliedstaaten haben sich daran beteiligt –, die jetzt auf dem Europäischen Rat ausgewertet werden. In Deutschland haben dazu auf Initiative der Bundesregierung knapp 120 Veranstaltungen stattgefunden. Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung berichten, dass das auf reges Interesse gestoßen ist.

So weit in Kürze zu den beiden genannten Themen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Vielen Dank. – Die erste Frage stellt der Kollege Frohnmaier, AfD.



Markus Frohnmaier (AfD):

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, das Brexit-Abkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich ist darauf angelegt, das britische Volk für seine demokratische Entscheidung zu bestrafen.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es sieht vor, dass sich die Briten vorerst den Regularien des Binnenmarktes unterwerfen müssen, ohne in Zukunft mitreden zu dürfen. Es sieht vor, dass sich die Briten der Gerichtsbarkeit des EuGH unterwerfen müssen, ohne in Zukunft dort Richter zu stellen. Es sieht vor, dass die Briten 39 Milliarden Pfund an die EU zahlen müssen, obwohl sie nicht mehr Mitglied wären. Es sieht weiter vor, dass eine Zollgrenze entlang der Irischen See, also in ihrem eigenen Land, errichtet wird, wenn Großbritannien den Binnenmarkt verlässt. Dieses Abkommen zerteilt das Vereinigte Königreich, es gefährdet den Frieden in Nordirland und schürt Zwietracht und Hass im britischen Volk.

Frau Merkel, sieht so ein europäisches Friedensprojekt aus?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Ihre Mischung von Fakten und Wertungen teile ich nicht. Ich versuche mal, mich mit den Sachverhalten auseinanderzusetzen.

Es gibt eine Übergangsphase im Zusammenhang mit dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Während dieser ist es in der Tat so, dass Großbritannien noch die Regeln der Europäischen Union befolgt. Ende 2020, wenn das Austrittsabkommen vollkommen in Kraft tritt, haben wir eine neue Situation. Ich glaube, das ist ein sehr fairer Ausgleich. Wir haben ja noch ein weiteres Dokument zu den zukünftigen Beziehungen. Die Zwischenzeit, diese Interimszeit, wird gebraucht, um die zukünftigen Beziehungen vertraglich zu vereinbaren und nicht nur politisch zu vereinbaren.

Was Sie sagen, Herr Kollege – jetzt muss ich mich wegen der Zeit schon beeilen –, ist deshalb sachlich falsch.

Da Großbritannien einen speziellen Hintergrund hat, durch die Parallelität vom Austritt Großbritanniens und einem existenten Good Friday Agreement, das die Verhältnisse zwischen der Republik Irland und Nordirland regelt, kommen wir zu einer sehr schwierigen Konstruktion. Deshalb haben wir solche Dinge wie einen sogenannten Backstop vorgesehen, um die Frage, wie die Grenze zwischen Irland und Nordirland aussehen wird, noch weiter zu diskutieren.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Danke sehr. – Die nächste Frage stellt der Kollege Nils Schmid, SPD.



Dr. Nils Schmid (SPD):

Frau Bundeskanzlerin, ungeachtet der Bemühungen um die Reform des Welthandelssystems haben wir ja einen handfesten Handelskonflikt USA-Europa. Was sind denn die nächsten Schritte der EU, wenn es tatsächlich zu der mehrfach angekündigten Einführung von Importzöllen auf Automobilexporte aus der EU vonseiten der USA kommen sollte?

Und umgekehrt: Wie sehen Sie die Chancen, dass es zu einem Investitionsgüterabkommen zwischen der EU und den USA kommen kann, um zumindest beschränkt Handelsliberalisierung zu betreiben?

Letzter Punkt in diesem Zusammenhang: Haben Sie denn vor dem Treffen der Chefs der deutschen Automobilkonzerne mit Präsident Trump in Washington Informationen über dieses Treffen erhalten? Wie weit war die Bundesregierung im Vorfeld dieses Treffens einbezogen?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Um mit dem dritten Punkt zu beginnen: Wir haben in der Tat von diesem Treffen gewusst. Wir haben die Automobilkonzerne darauf hingewiesen, dass es nur um bilaterale Gespräche bezüglich Investitionen in den Vereinigten Staaten von Amerika gehen kann, weil alle Handelsfragen durch die Europäische Kommission geregelt werden. Ich habe auch selber mit dem Kommissionspräsidenten über dieses Treffen gesprochen. Die deutsche Botschafterin in den Vereinigten Staaten von Amerika war auch anwesend.

Die Handelsgespräche werden durch die Kommissarin Malmström geführt. Sie sind initiiert worden durch Jean-Claude Juncker nach dem G-7-Treffen im Frühsommer dieses Jahres; sie werden weiter fortgeführt. Ich glaube, dass das auch sehr gut und vernünftig ist. Insofern hoffe ich, dass wir keine weiteren Eskalationen im Handelsstreit sehen, sondern das langsam in formale Verhandlungen überleiten. Aber so weit sind wir noch nicht.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Die nächste Frage stellt der Kollege Alexander Graf Lambsdorff, FDP.



Alexander Graf Lambsdorff (FDP):

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Bundeskanzlerin, es gibt ja eine massive Verunsicherung in Sachen Brexit. Unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, die im Vereinigten Königreich leben, Studierende, Familien, sind verunsichert, wie es weitergeht. Viele Betriebe sind verunsichert, wie es weitergeht. Warum geben Sie morgen keine Regierungserklärung dazu ab? Es wäre wirklich angezeigt, hier ein bisschen, – ich sage mal, – Ruhe und Sicherheit in die Debatte aus deutscher Sicht zu bringen.

Die Frage ist ja, womit wir rechnen müssen. Wir rechnen damit, dass es vermutlich zu einem harten Brexit kommt. Die britische Regierung hat Handreichungen ausgegeben für ihre Betriebe und ihre Bürgerinnen und Bürger, die auf dem Kontinent leben; die Bundesregierung hat das nicht getan. Die Europäische Kommission hat so etwas getan; von der Bundesregierung ist dazu nichts zu hören.

Ich glaube, es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung sich hier positioniert, für Ruhe, Sicherheit, Planbarkeit sorgt. Das würden wir uns sehr von Ihnen wünschen. Warum erklären Sie das morgen nicht ein bisschen ausführlicher als hier in diesen kurzen fünf Minuten, die Sie gerade hatten?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Ich glaube, dass wir regelmäßig darüber berichten, wie der Stand ist. Das tun wir auch heute in dieser Fragestunde. Wir haben heute zwei Gesetze im Kabinett verabschiedet, die sich mit steuerlichen Fragen und auch Fragen der Sozialstandards beschäftigen, für den Fall, dass es zu einem harten Brexit, wie man sagt, kommen sollte.

Ansonsten setzen wir weiter darauf – und ich habe da durchaus auch weiter die Hoffnung –, dass es zu einem geordneten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union kommt. Wir haben wenig Zeit, aber wir haben noch Zeit. Die britische Premierministerin war ja gestern da und hat gesagt, dass die Abstimmungen spätestens bis zum 21. Januar stattfinden sollen. Sie wissen selber, auch aus der aktuellen Berichterstattung, dass die Dinge im Fluss sind.

Ich kann den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland nur sagen: Wir arbeiten hart dafür, dass es zu einem geordneten Brexit kommt, und wir bereiten uns parallel darauf vor, dass, wenn er nicht geordnet verläuft, dann auch alle Sicherheiten durch Rechtsetzung da sind, damit keine unbilligen Härten entstehen.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Sie wollen eine Nachfrage stellen? – Graf Lambsdorff.

Alexander Graf Lambsdorff (FDP):

Premierministerin May war ja gestern bei Ihnen zu Besuch; das haben wir gesehen. Sie ist ja dann auch aus dem Auto herausgekommen.

Die Frage, die ich jetzt an Sie habe, ist ganz konkret: Haben Sie sie darauf angesprochen, dass ihre Regierung, also die Regierung von Premierministerin May, die Rechte von EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern in Großbritannien bei einem No-Deal-Szenario, also bei einem harten Brexit, empfindlich beschneiden will? Insbesondere will sie Antragsfristen verkürzen und sieht eine wirklich scharfe Diskriminierung binationaler Ehen vor, also bei denen ein EU-Bürger, beispielsweise ein Deutscher, mit einer Amerikanerin verheiratet ist und in Großbritannien lebt. Haben Sie sie darauf angesprochen? Ich glaube, das, was die britische Regierung gerade plant, ist für viele ein echtes Problem.

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Das ist richtig. Aber ich habe meine Gesprächszeit gestern darauf verwendet, dass wir zu einem geordneten Austritt Großbritanniens kommen, bei dem all die Dinge, die Sie jetzt genannt haben, eben gerade nicht eintreten würden, weil das in dem Austrittsabkommen sehr gut geregelt ist.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Die nächste Frage satellt der Kollege Jürgen Hardt, CDU/CSU.



Jürgen Hardt (CDU/CSU):

Frau Bundeskanzlerin, Sie haben vor einigen Monaten auf der Istanbuler Konferenz viel Kraft darauf verwendet, für die humanitäre Situation und die Bürgerkriegssituation in Syrien eine Lösung zu finden. Es gibt einen Waffenstillstand in der Region Idlib, der allerdings seitens der Assad-Truppen wohl regelmäßig gebrochen wird, und einen Fahrplan für die Schaffung einer verfassungsgebenden Versammlung bis Ende Dezember. Jetzt gibt es Schwierigkeiten auf diesem Weg. Präsident Putin hat in Istanbul zugesagt, dass er seinen Einfluss auf Assad geltend machen wird, um ihn dazu zu bewegen, diesem Prozess nicht im Wege zu stehen. Wir sehen dort wenig Fortschritt. Meine Frage an Sie: War das Gegenstand beim G-20-Gipfel? Oder haben Sie im Rahmen des G-20-Gipfels die Gelegenheit gehabt, mit dem russischen Präsidenten darüber zu reden und ihn darin zu bekräftigen, dass er an dieser Absprache von Istanbul festhält?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Ich habe in meinem Telefonat in dieser Woche mit dem russischen Präsidenten noch einmal über die Situation gesprochen; es hat ja jetzt auch wieder ein Treffen in Astana stattgefunden. Es geht, verkürzt gesprochen, ja darum, dass eine verfassungsgebende Versammlung personell einmal durch die regimekritischen Kräfte, einmal durch das Assad-Regime selbst und durch ein drittes Drittel durch Experten besetzt wird. Die Besetzung des dritten Drittels gestaltet sich naturgemäß schwierig. Es gibt Fortschritte. Wir sind noch nicht am Ziel; aber die Dinge sind im Fluss. Und ich habe mit Freude gehört, dass es eine gewisse Wahrscheinlichkeit gibt – ich will jetzt hier keine Sicherheiten verbreiten –, dass bis zum Jahresende vielleicht doch eine entsprechende Besetzung möglich wäre. Das wäre ein großer Fortschritt.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Gesine Lötzsch, Fraktion Die Linke, stellt die nächste Frage.



Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. – In der Abschlusserklärung des G-20-Gipfels wird ja über ein weltweit faires Steuersystem gesprochen. Darum möchte ich wissen: Was hat die Bundesregierung, was haben Sie persönlich konkret unternommen, damit Konzerne wie Google, Amazon und Apple in Europa und weltweit endlich fair und gerecht besteuert werden?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Noch unter der Ägide des Finanzministers Wolfgang Schäuble ist das sogenannte BEPS-Regime verabschiedet worden, das jetzt schrittweise eingeführt wird und das zu sehr viel größerer Transparenz bei Steuern und damit auch zu mehr Gerechtigkeit führt.

Darüber hinaus arbeitet die OECD in Richtung einer Mindestbesteuerung. Für uns wäre natürlich eine weltweite Lösung auf diesem Gebiet sehr, sehr wichtig. Der Finanzminister Olaf Scholz wird das auch bei den G-20-Verhandlungen ins Zentrum stellen. Wir haben mit Frankreich vereinbart, dass wir bis Ende 2020 – wir haben im zweiten Halbjahr 2020 ja die EU-Präsidentschaft – möglichst eine solche internationale Regelung für eine Mindestbesteuerung auf den Weg bringen wollen. In der Kombination mit BEPS wären wir dann einen gewaltigen Schritt weiter.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Nachfrage?

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):

Ja. – Nun hat es ja schon viele Ankündigungen gegeben, auch zu anderen Steuern. Die Frage ist: Wann werden Sie zumindest für Deutschland dafür sorgen, dass die Konzerne, die hier große Gewinne machen, auch entsprechend besteuert werden?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Ich sage ja: Das BEPS-Regime wird jetzt eingeführt. Es wird, glaube ich, auch 2018

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: 2018 haben wir ja jetzt!)

weiter umgesetzt und soll spätestens 2019 weltweit gelten. Darüber hinaus haben wir gesagt: Wir setzen darauf, bis Ende 2020 international zu versuchen, eine Mindestbesteuerung einzuführen. Am 1. Januar 2021 wird es, wenn es nach Deutschland und Frankreich geht, eine EU-weite Besteuerung geben. Ich halte es für das Beste, das auf der Basis einer Mindestbesteuerung zu machen. Die Kommission ist aber aufgefordert, noch einmal einen Entwurf vorzulegen; denn wir sind mit der augenblicklichen Besteuerung der Unternehmen, wie sie im Entwurf der Kommission vorgesehen ist, nicht zufrieden, weil sie das deutsche Unternehmensteuerrecht stark tangieren würde.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Franziska Brantner, Bündnis 90/Die Grünen, stellt die nächste Frage.



Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, 2018 war ein verlorenes Jahr für Europa. Am Beginn dieses Jahres haben Sie zusammen mit der SPD einen Aufbruch für Europa versprochen. Davon ist leider nicht viel übrig geblieben – und das, obwohl die Zustimmung für Europa in Deutschland so hoch ist wie noch nie: bei über 80 Prozent.

Ihre Antworten auf die Fragen der Kollegin haben gerade gezeigt, was das Problem Europas mit Ihnen, mit dieser Bundesregierung ist. Sie verkaufen Trippelschritte als die große Antwort.

Meine Frage an Sie ist: Glauben Sie denn wirklich, dass das, was Sie gerade erwähnt haben, angesichts der Herausforderungen, vor denen Europa steht, angemessen ist? Glauben Sie, dass das ausreicht, um den sozialen Zusammenhalt, eine faire Besteuerung der Digitalunternehmen wirklich voranzubringen? Warum nutzen Sie nicht die Chance, mit Frankreich wirklich ambitioniert voranzugehen? Gehen Sie voran! Was hindert Sie daran?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Wir gehen mit Frankreich ambitioniert nach vorne und werden auf dem gleichzeitig mit dem Europäischen Rat stattfindenden Gipfelteil, der als Euro-Zonen-Gipfel angekündigt ist, natürlich wegweisende Beschlüsse fassen. Es wird ein Euro-Zonen-Budget geben. Es wird die Weiterentwicklung des ESM um einem Backstop geben. Es wird die Bankenunion ein ganzes Stück vorangebracht, auch durch den Abbau von sogenannten Non-performing Loans. Wir haben unter sozialen Gesichtspunkten gerade ein Mobilitätspaket verabschiedet, das im Bereich der Spediteure natürlich gewaltige Auswirkungen haben wird. Wir haben eine Vielzahl anderer Regelungen getroffen, zum Beispiel im Bereich von Forschung und Investitionen. Wir haben eine Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen in Europa geschaffen.

Bei einer Minute Zeit für die Beantwortung von Fragen ist es mir natürlich nur möglich, bestenfalls ein halbes Prozent dessen, was wir dieses Jahr gemacht haben, darzustellen.

(Andrea Nahles [SPD]: Wohl wahr!)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Nachfrage, Frau Kollegin?

Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja. – Frau Merkel, Sie haben gerade den Euro-Zonen-Haushalt erwähnt. Sie kennen ja die Beschlusslage. Das ist zwar dem Namen nach ein Euro-Zonen-Haushalt, da ist aber in Wirklichkeit noch kein Geld drin. Er hat deshalb keinerlei stabilisierende Funktion. Das ist aber, wie wir eigentlich alle wissen, notwendig, um für die nächste Krise gewappnet zu sein. Auch bei der Digitalsteuer ist der Fortschritt sehr klein; denn nur ein Teil der Unternehmen finanziert sich über Werbung. Von daher wirklich noch einmal meine Frage: Glauben Sie, dass das angemessen ist? Wir sehen, wie groß die Fliehkräfte in Europa sind. Wir sehen die weltweiten Herausforderungen. Ist das auf der Höhe dessen, was Europa heute braucht?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Ich kann nur sagen, dass Deutschland und Frankreich durch die Meseberger Beschlüsse sozusagen die Weichen gestellt haben und dass es schon ausgesprochen schwierig ist, wesentliche Bestandteile davon zwischen allen Mitgliedstaaten, in diesem Falle der Euro-Zone, überhaupt durchzusetzen. Es geht ja nicht darum, dass Deutschland und Frankreich Vorschläge machen, denen kein anderer folgt. Dann sagen Sie wieder, wir würden dauernd Dinge machen, die wir dann nicht durchsetzen können. Insofern ist es schon so, dass wir versuchen müssen, alle mitzunehmen. Da ist ein Euro-Zonen-Budget innerhalb der nächsten mittelfristigen finanziellen Vorausschau genau die richtige Antwort; denn das ist machbar. Dieses Budget dient der Wettbewerbsfähigkeit und der Konvergenz. Das sind zwei ganz wesentliche Dinge, die schon Jacques Delors in seinem Bericht, als es um die Einführung der Währungsunion ging, genannt hat. Da werden wir jetzt ein Stück konkreter; und ich finde das gut.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Norbert Kleinwächter, AfD, stellt die nächste Frage.

(Martin Schulz [SPD]: Auch das noch!)



Norbert Kleinwächter (AfD):

Werte Frau Bundeskanzlerin, Sie werden über eine Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion beraten, über Ihre heilige Kuh Euro, über eine Politik, gegen die auch jetzt schon viele Menschen in Frankreich gelb gekleidet auf die Straße gehen. Warum? Weil sie den Kaufkraftverlust durch diese Währungspolitik spüren. Gleichzeitig haben sich die Schuldenstände der Länder nicht erhöht: Frankreich 97 Prozent des BIP, Spanien 98,3 Prozent, Italien 131,8 Prozent. Daher frage ich Sie: Nehmen Sie zur Kenntnis und werden Sie auf dem Gipfel vertreten, dass die Leute vor dieser Macron/Merkel’schen EU-Dystopie davonlaufen? Nehmen Sie zur Kenntnis, dass viele EU- und insbesondere Euro-Länder mit dem Rücken zur Wand stehen und dass es deswegen auch falsch ist, dass Deutschland dafür haftet? Nehmen Sie zur Kenntnis, dass es auch jederzeit von der EZB eine Leitzinserhöhung geben kann, die dann diese Länder noch weiter in Gefahr bringt? Und gestehen Sie dann ein, dass es Zeit ist, dass Sie weg sind?

(Widerspruch bei der CDU/CSU – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Och, Herr Kleinwächter!)

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Ich glaube, dass wir vieles unternommen haben und gerade jetzt, im Zusammenhang mit der Vollendung der Bankenunion, auch dabei sind, das weiter zu tun, um das Euro-System stabiler zu machen. Wir bauen gleichzeitig Risiken ab. Deutschland vertritt eine Politik, nach der der Stabilitäts- und Wachstumspakt einzuhalten ist. Da sind wir heute sehr viel weiter als noch vor einigen Jahren. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass in den letzten Jahren massiv Arbeitslosigkeit in Europa abgebaut werden konnte – nicht ausreichend – und dass wir alle Wirtschaftswachstum hatten. Das sind Dinge, die ausgesprochen positiv zu bewerten sind.

(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Ja!)

Dass wird trotzdem weiter um unseren Wohlstand kämpfen müssen, gerade in den Bereichen Forschung und Innovation, ist notwendig – aber nicht durch solch eine Polemik.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Die nächste Frage stellt der Kollege Christian Petry, SPD.



Christian Petry (SPD):

Frau Bundeskanzlerin, ich möchte Sie etwas zur Europäischen Säule sozialer Rechte fragen. Sie wissen, dass der Binnenmarkt auf vier Grundfreiheiten gegründet ist und dass es dringend notwendig war, die sozialen Grundrechte zu stärken, sozusagen als soziale Säule. Deshalb wurde ja auf dem EU-Gipfel von Göteborg einiges Wegweisendes vereinbart. Das Problem ist natürlich die Umsetzung und die Durchsetzungsfähigkeit dieser sozialen Säule. Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie gerne fragen, welche Vorhaben in diesem Bereich für Sie besonders wichtig sind und welche Sie noch in dieser Legislaturperiode in Deutschland umsetzen möchten.

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Ich will zwei Dinge nennen. Das eine ist das von mir schon kurz angesprochene Mobilitätspaket. Das ist etwas, was, glaube ich, im Bereich des Transportwesens von größter Bedeutung ist für menschenwürdige Arbeitsverhältnisse, vor allem im Bereich der Lkw-Transporte. Das war ein sehr schwieriges Unterfangen, weil wir daran noch einmal gesehen haben, dass die Lebensstandards innerhalb der Europäischen Union eben doch sehr unterschiedlich sind. Wenn man sich zum Beispiel die Höhe des Mindestlohns in Bulgarien anschaut und mit der Höhe unseres Mindestlohns vergleicht, sieht man das. Trotzdem haben wir hier etwas für eine ganze Berufsgruppe getan. Ich glaube, das war sehr wichtig.

Das Zweite ist, dass beim Rat der Arbeits- und Sozialminister in der vergangenen Woche, glaube ich, eine Einigung über eine europäische Arbeitsagentur gefunden wurde, nicht in dem Sinne, dass sie operativ tätig wird, aber in dem Sinne, dass sie Maßstäbe einführt, für gleiche Standards sorgt und sich damit beschäftigt, wie man Missstände beseitigen kann. Auch das halte ich für einen strukturellen Fortschritt.

Ich hoffe, dass wir bei beidem, insbesondere bei der europäischen Arbeitsagentur, im Trilogverfahren wirklich vorankommen werden.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Zusatzfrage?

Christian Petry (SPD):

Herzlichen Dank. – Genau zu diesem Bereich hätte ich eine Zusatzfrage, und zwar zu dem Kapitel III der Beschlüsse von Göteborg. Das eine ist der Aufbau einer nationalen Arbeitslosenversicherung dort, wo dies noch nicht effektiv genug funktioniert, was absolut sinnvoll und notwendig ist. Das andere ist der Vorschlag, das über eine Arbeitsagentur zu begleiten und darüber hinaus ein europäisches Rückversicherungssystem zu installieren, um die nationalen Arbeitslosenversicherungssysteme stabil genug für mögliche Wirtschaftskrisen zu machen.

Daran schließt sich eine Frage an, die sich auf den Mindestlohn bezieht. Den in Bulgarien hatten Sie gerade beispielsweise genannt. Wir haben vonseiten Frankreichs und Luxemburgs jeweils Beschlüsse gehört, den Mindestlohn um 100 Euro pro Monat zu erhöhen. Dort sind die Mindestlöhne bereits deutlich höher als in der Bundesrepublik. Sehen Sie auch hier, in der Bundesrepublik, einen Nachholbedarf, den Mindestlohn deutlich anzuheben, um die entsprechenden sozialen Verwerfungen und Schieflagen zu mindern?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Erstens. Ich glaube, dass wir in Deutschland ein sehr gutes System haben. Der Mindestlohn wird ja auch bei uns steigen. Ich glaube auch, dass die Idee der Kommission, die Steigerung an den allgemeinen Lohnzuwachs zu koppeln, gut ist. Deshalb halte ich genauso das jetzige System für sehr nachhaltig. Schauen Sie sich unsere Arbeitslosenrate an: Sie gehört vor allen Dingen bei der Jugendarbeitslosigkeit zu den geringsten in ganz Europa, und darauf können wir stolz sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zweitens – – Jetzt habe ich Ihre erste Frage vergessen.

(Christian Petry [SPD]: Rückversicherung bei der Arbeitslosenversicherung!)

– Ach so. Wie konnte mir das entgehen! – Hier gibt es unterschiedliche Sichtweisen innerhalb der die Koalition tragenden Parteien.

(Heiterkeit bei der FDP)

Das kommt auch in Ihrer Fragestellung zum Ausdruck. Wir glauben, dass es wichtig ist, jetzt überall erst einmal eine Arbeitslosenversicherung aufzubauen, auf die die Menschen in Europa auch ein Anrecht haben. Deshalb sehen wir Schritte, um hier sozusagen zur Vereinheitlichung bzw. zur Stabilisierung durch solch eine Rückversicherung zu kommen, im Augenblick nicht als zielführend an.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Alexander Graf Lambsdorff, FDP, stellt die nächste Frage.

Alexander Graf Lambsdorff (FDP):

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Bundeskanzlerin, wir sind ein exportorientiertes Land. Wir brauchen ein regelbasiertes System für den Welthandel. Meine Fraktion freut sich ausdrücklich, dass heute im Europäischen Parlament das Abkommen EU–Japan ratifiziert worden ist. Das ist ein sehr gutes Signal.

Ein nicht so gutes Signal fanden wir die Schlusserklärung von Buenos Aires, was den Handel angeht. Sehr schwache Sprache, ganz wenig! Unsere Fragen an Sie: Was tun Sie ganz konkret, um die Welthandelsorganisation zu reformieren? Was tun Sie ganz konkret, wenn es darum geht, im Umgang mit den USA dafür zu sorgen, dass die Berufungsinstanz weiter funktionieren kann? Sehen Sie die Gefahr, dass Ende nächsten Jahres durch die Lähmung dieser Organisation der regelbasierte Handel, auf den unser Land angewiesen ist, zum Erliegen kommen kann?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Auch ich freue mich, dass das Abkommen mit Japan jetzt ratifiziert werden konnte. Ich darf Ihnen sagen, dass der Sherpa der Bundesregierung nächtelang wenig geschlafen hat, weil er alle Kraft selbst in diese schwache Sprache gesetzt hat. Dass das Wort „Protektionismus“ nicht mehr vorkommt, bedaure auch ich ausdrücklich. Aber indem wir jetzt wenigstens verankern konnten, dass die Welthandelsorganisation reformiert werden soll, haben wir die Voraussetzungen geschaffen, um überhaupt dahin zu kommen, dass die Berufungsinstanzen auch sachgerecht nachbesetzt werden. Denn Sie haben in der Tat recht: Wenn keine Richter, zum Beispiel von den Vereinigten Staaten, geschickt werden, dann können die Berufungsverfahren nicht mehr stattfinden, dann ist es im Grunde keine funktionierende Organisation.

Deshalb gibt es eine Reform der Organisation. Das finden wir im Übrigen auch gut. Jetzt muss mit Nachdruck daran gearbeitet werden, und das wird die Bundesregierung tun.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Noch eine Zusatzfrage?

Alexander Graf Lambsdorff (FDP):

Die Antwort nehmen wir zur Kenntnis. – Ich habe noch eine Nachfrage. Ihr Außenminister hat angesichts der schwierigen Situation eine Allianz für den Multilateralismus ausgerufen. Auch wir stehen dahinter, die multilaterale Ordnung zu stabilisieren. Er nennt dabei neben Japan, Australien und anderen immer wieder Kanada. Wir haben ein Handelsabkommen mit Kanada. Wann wird uns Ihre Bundesregierung CETA endlich zur Ratifizierung im Deutschen Bundestag vorlegen?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Das CETA-Abkommen wird im Augenblick vorläufig angewandt. Wir haben auch keinen Zweifel, dass die Bundesregierung das tun wird. Aber es geht im Augenblick auch nichts verloren, dass wir mit diesem Ratifizierungsprozess noch nicht befasst sind. Aber es wird passieren.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Die nächste Frage stellt Dr. Andreas Nick, CDU/CSU.



Dr. Andreas Nick (CDU/CSU):

Frau Bundeskanzlerin, mit Argentinien, Brasilien und Mexiko gehören drei Länder Lateinamerikas den G 20 an. Wie beurteilen Sie den Beitrag der argentinischen Präsidentschaft auch angesichts der zusätzlichen Herausforderungen, die sich für Präsident Macri und seine Regierung mit den IWF-Hilfen in diesem Zeitraum ergeben haben? Wie schätzen Sie angesichts der neugewählten Präsidenten in Brasilien und Mexiko die weiteren Aussichten für die Zusammenarbeit mit den Staaten Lateinamerikas bei der regelbasierten internationalen Ordnung ein? Und welche Chance sehen Sie nach heutiger Sicht für einen Abschluss des Freihandelsabkommens EU-Mercosur?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Bei EU-Mercosur drängt die Zeit. Das sollte jetzt sehr schnell passieren, sonst wird es mit der neuen Regierung in Brasilien sicherlich nicht ganz einfach.

Argentinien hat eine wirklich hervorragende Arbeit geleistet. Argentinien hat auch Chile als Partnerland dazu eingeladen. Natürlich sehe ich mit gewisser Sorge auch die Tatsache, dass Brasilien nicht die nächste Weltklimakonferenz abhalten wird. Mit dem neuen mexikanischen Präsidenten zu sprechen, hatte ich noch keine Gelegenheit. Das werde ich demnächst tun.

Insgesamt muss Amerika ein guter Partner bleiben. An uns soll es nicht liegen. Aber es gibt kritische Entwicklungen mit Blick auf den Multilateralismus, die ich jedenfalls bedauere.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Fabio De Masi, Fraktion Die Linke, stellt die nächste Frage.



Fabio De Masi (DIE LINKE):

Frau Bundeskanzlerin, vor dem schrecklichen Attentat in Straßburg gingen in Frankreich viele Menschen in gelben Westen auf die Straße, um für höhere Löhne und für die Vermögensteuer zu protestieren. Der soziale Frieden in Europa scheint in Gefahr. Gleichzeitig ist hier in Deutschland die Deutsche Bank in schwerstem Zollbetrug verwickelt und eine Gefahr für die Finanzstabilität.

Sie haben mit Herrn Macron und Finanzminister Olaf Scholz zehn Jahre nach der Finanzkrise eine reine Aktiensteuer verabredet, die 98 Prozent der Finanztransaktionen ausnimmt und über die ihr einstiger Finanzminister Wolfgang Schäuble, den ich mit seiner Erlaubnis zitiere, gesagt hat: Allein die Umsätze mit Aktien zu besteuern, ist angesichts der Entwicklung an den modernen Börsen mit Derivategeschäften nicht zielführend. – Warum widersprechen Sie Ihrem früheren Finanzminister?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Ich widerspreche nicht meinem früheren Finanzminister, sondern ich kenne seine Bemühungen und auch die des jetzigen Finanzministers, eine Anzahl von Mitgliedstaaten zu bekommen, die sich mit einer Finanztransaktionsteuer überhaupt beschäftigen wollen. Wir brauchen neun Länder für eine verstärkte Zusammenarbeit. Es ist extrem schwierig, diese neun Länder zusammenzubekommen. Wenn man überhaupt etwas machen will – das wollen wir –, dann muss man die französische Börsensteuer nehmen. Mehr ist im Augenblick nicht mehrheitsfähig. Das liegt nicht an Deutschland und Frankreich, sondern es liegt daran, dass es in Europa keine Mehrheiten dafür gibt. Das müssen auch Sie einmal zur Kenntnis nehmen.

Im Übrigen finde ich, dass die uneingeschränkte Unterstützung des Protestes der gelben Westen durch den Vorstand der Linken skandalös ist,

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

weil Sie kein Wort zu der Gewalt sagen, die dort auf den Straßen angewandt wird. Sie sollten sich klar und deutlich von Gewalt bei Demonstrationen distanzieren.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Wollen Sie eine Zusatzfrage stellen? Geben Sie mir liebenswürdigerweise immer ein Zeichen, wenn Sie eine stellen möchten.

Fabio De Masi (DIE LINKE):

Frau Bundeskanzlerin, dann sind Sie nicht korrekt informiert, aber wir können Sie gerne noch einmal über unsere Beschlüsse aufklären.

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Ja, ja, ich habe mir das genau im Internet angesehen.

Fabio De Masi (DIE LINKE):

Ich zitiere Ihren Parteifreund Markus Söder. Er sagte am 21. Mai 2012 über die Finanztransaktionsteuer: Wenn das Vorhaben in der Euro-Zone nicht klappt, dann wäre ich für einen deutschen Alleingang. Deutschland besitzt in Europa eine Führungsfunktion. – Wollen Sie in Europa führen, oder verfahren Sie nach dem Motto von Konrad Adenauer „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Sie haben nicht mich zitiert, sondern Herrn Söder.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Manuel Sarrazin, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, stellt die nächste Frage.



Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Frau Bundeskanzlerin! Die Eskalation in der Straße von Kertsch von vorvergangener Woche hat den Interessen des Kreml, einer faktischen alleinigen Kontrolle über das Asowsche Meer und der Steigerung des russischen Einflusses in Mariupol offensichtlich genutzt und gleichzeitig die russische Haltung zur völkerrechtswidrigen Annexion der Krim unterstrichen. Setzen Sie sich vor diesem Hintergrund dafür ein, dass die OSZE-SMM-Beobachtermission in der Ukraine endlich so ausgestattet wird, dass sie, wie es in ihrem Mandat vorgesehen ist, in der gesamten Ukraine, also auch in den ukrainischen Hoheitsgewässern, im Asowschen und Schwarzen Meer, tätig werden kann?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Ich setze mich nahezu monatlich – das galt auch vor den Vorgängen am Asowschen Meer – dafür ein, dass die OSZE-Mission vollumfänglich ihrer Aufgabe nachgehen kann. Das kann sie zurzeit leider nicht. Sie wird immer wieder an der Ausübung ihrer Tätigkeit behindert.

Wir haben versucht, eine Ausweitung auf die Straße von Kertsch und das Asowsche Meer zu bekommen. Das ist von Russland abgelehnt worden. Wir sind jetzt dabei, zu versuchen, dass sich zumindest Vertreter von Deutschland und Frankreich die Schiffspassagen anschauen können. Der russische Präsident hat mir gegenüber bestätigt, dass ein vernünftiger Schiffsverkehr dort möglich sein soll, allerdings brauchen wir dafür auch Taten. Wir haben Handelsrückgänge in Mariupol von 30 Prozent in diesem Jahr. Deshalb werden wir weiter dranbleiben.

Es gab gestern ein Beratertreffen im Normandie-Format. Da ist genau das angesprochen worden. Ich werde das auch weiter hochhalten. Außerdem brauchen wir auch die Freilassung der Matrosen der Schiffe.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Der Kollege Sarrazin möchte eine Zusatzfrage stellen.

Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Daran anschließend ist die Frage, ob es nicht ein wichtiges Signal wäre, dass auch in den Schlussfolgerungen des Gipfels das Thema des Asowschen Meeres angesprochen wird, was nach meiner Kenntnis bisher nicht von der Bundesregierung, aber beispielsweise von Großbritannien und Spanien unterstützt wird. Werden Sie diese Haltung bei den Tagungen morgen verändern und sich dafür einsetzen, dass auch in den Schlussfolgerungen des Gipfels die Situation am Asowschen Meer benannt wird?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Also, es gibt überhaupt keine Differenz zwischen Großbritannien, Spanien und Deutschland. Natürlich werden wir die Dinge beim Namen nennen. Wir werden uns auch für die Verlängerung der Sanktionen einsetzen. Ich glaube, da liegt das Problem nicht. Das Problem liegt darin, dass wir beunruhigt sind über das russische Verhalten und dass wir natürlich eine faktische Inanspruchnahme des Asowschen Meers nicht hinnehmen können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Martin Hebner, AfD, ist der nächste Fragesteller.



Martin Hebner (AfD):

Frau Bundeskanzlerin, Sie haben immer, was die Flüchtlings-/Migrationspolitik betrifft, die Bedeutung einer europäischen Lösung betont. Jetzt haben Sie durch die einseitige Annahme des Globalen Pakts für Migration Europa tief gespalten. Wenn Sie sich in den deutschen Nachbarländern umschauen, dann stellen Sie fest, dass die überwiegende Mehrzahl diesen Pakt nicht angenommen hat. Sie haben Deutschland damit mehr oder weniger isoliert. Warum haben Sie das in diesem Fall in Kauf genommen?

Der Deutsche Bundestag, in dem Fall namentlich die Regierungskoalition, hat, damit der Globale Pakt für Migration keine rechtliche Bindung bekommt, einen Entschließungsantrag angenommen. Warum haben Sie diesen nicht als Sideletter in Marokko abgegeben im Namen des Deutschen Bundestages oder der deutschen Regierung?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Ich glaube, dass der Antrag unterstrichen hat, was die Bundesregierung auch verhandelt hat. Außerdem hat sich der Antrag mit Falschinformationen, die auch sehr stark aus Ihren Reihen kommen, auseinandergesetzt.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich nehme zu Ihren Gunsten an, dass Sie angesichts der 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union wissen, dass die Zahl derer, die den Pakt angenommen hat, größer ist als die Zahl derer, die ihn nicht angenommen hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Weiterhin ist es so, dass Länder ausgetreten sind, die bis zum letzten Tag im Namen der Europäischen Union verhandelt haben. Das muss ich so hinnehmen. Aber nicht diejenigen, die ihn angenommen haben, haben die Einigkeit verletzt, sondern diejenigen, die ausgetreten sind, mit Ausnahme von Ungarn; denn Ungarn hat vom ersten Tag an gesagt, dass es diesen Pakt nicht akzeptieren wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Der Kollege Hebner möchte eine Nachfrage stellen.

Martin Hebner (AfD):

Es sind in diesem Fall viele Länder, nicht nur Ungarn, aus dem Pakt herausgegangen: Österreich. Sie können in jedem Fall auch sehen – –

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Wollen wir durchzählen? Wir können beide durchzählen, und dann werden wir sehen, dass wir unterhalb von 14 landen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Martin Hebner (AfD):

Jetzt sehen wir, Frau Merkel, wie nervös Sie geworden sind, weil Sie mich unterbrochen haben.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Sie sehen im Prinzip auch ganz klar, dass innerhalb der Tagung auch vom Regierungssprecher Marokkos die rechtliche Bindung klar betont wurde. Er hat ganz klar wörtlich gesagt, dass die entsprechende rechtliche Bindung für alle teilnehmenden Staaten und auch die Verpflichtung der Umsetzung gegeben sind. Sie und Ihre Delegation haben diesen Aussagen mit keinem Wort widersprochen. Sie haben es einfach hingenommen. Um es nochmals zu betonen: Der Antrag wurde nicht als Sideletter abgegeben.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Hebner, bei Nachfragen ist Gelb schon Rot, nicht?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Andrea Nahles [SPD]: Das kann ich nicht bestätigen!)

Jetzt hat das Wort die Bundeskanzlerin.

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Ich entschuldige mich natürlich für die Unterbrechung. Ich wollte nur sagen: Als Physikerin geht es mir bei den Zahlen wirklich um die Wahrheit.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist so: Wenn nächste Woche der Pakt in der UNO-Vollversammlung noch einmal zur Debatte steht, dann kann ein Mitgliedstaat Abstimmung verlangen. Diese Abstimmung muss dann so erfolgen, dass zwei Drittel der vertretenen Länder der VN dem zustimmen, und dann ist es für alle gültig. Das ist nun mal so, wenn es um Mehrheitsentscheidungen geht. Es ist dann gültig. Ich bitte, auf das Wort zu achten.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Die nächste Frage stellt die Kollegin Gitta Connemann, CDU/CSU.



Gitta Connemann (CDU/CSU):

Frau Bundeskanzlerin, mit dem Brexit müssen auch die Fischereirechte neu geordnet werden. Das treibt viele Fischereifamilien in Deutschland um, vor allem auch an Nord- und Ostsee; denn gerade die britische Küste stellt wichtige Fanggründe bereit. Deshalb die Frage: Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass auch zukünftig deutsche Fischerinnen und Fischer vor der britischen Küste in bisherigem Umfang werden fischen können?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Wir haben jetzt ja erst einmal bis Ende 2020 die Übergangsphase; in der wird alles weiter so gelten, wie es heute ist. In der politischen Erklärung zum zukünftigen Verhältnis zwischen Großbritannien und der Europäischen Union ist ausdrücklich verankert, dass in dieser Zeit ein neues Fischereiabkommen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien verhandelt wird. Ich kann aus eigener Betroffenheit meines Wahlkreises sagen, dass uns das sehr, sehr wichtig ist im Hinblick auf die Fischerinnen und Fischer in Deutschland.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Ab jetzt kommen wir zu den sonstigen Fragen. Das heißt, jetzt kann ich nicht mehr sagen: Die Frage steht nicht im Zusammenhang. – Die erste Frage stellt der Kollege Martin Hess, AfD.



Martin Hess (AfD):

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Bundeskanzlerin, der DITIB-Verband mit über 900 Moscheen gilt als verlängerter Arm Erdogans in Deutschland. Dieser DITIB-Verband sollte nach ursprünglichen Planungen des Bundesamts für Verfassungsschutz auch nachrichtendienstlich überwacht werden. Es gab ein Dossier, in dem vom BfV gute Gründe aufgeführt wurden, eine solche Überwachung durchzuführen. Davon wurde unter der neuen Führung jetzt abgerückt, obwohl DITIB nachweislich Sabotage für die Türkei in Deutschland begangen hat – es wurden türkische Oppositionelle ausspioniert –, obwohl DITIB Imame in Deutschland hat predigen lassen, die nachweislich einer verfassungsfeindlichen islamistischen Organisation angehört haben, und obwohl DITIB nachweislich Deradikalisierungsvorhaben sabotiert und verhindert.

Deshalb die Frage an Sie: Halten Sie es für richtig, dass trotz der von mir aufgeführten verfassungsfeindlichen Handlungen von DITIB, die beileibe nicht abschließend waren, DITIB nicht vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet werden soll, insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass islamistischer Extremismus und Terrorismus die sicherheitspolitische Herausforderung unserer Zeit darstellen?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Die Entscheidung, wer wann und in welchem Umfang beobachtet wird, treffen die Sicherheitsbehörden selbst. Das sind keine politischen Entscheidungen, und deshalb vertraue ich hier voll und ganz auf das Bundesamt für Verfassungsschutz. Dass es immer wieder bei DITIB auch Entwicklungen gegeben hat, die uns Sorgen machen, ist unbestritten; die werden auch klar beim Namen genannt. Allerdings gibt es auch viele Vertreter von DITIB, mit denen wir zusammenarbeiten. Unser Ansatz heißt: Wir müssen hier insgesamt immer wieder mit der Türkei reden. Denn Sie haben recht, dass es in gewisser Weise natürlich mit der Türkei und dem dortigen Religionsministerium eng verbunden ist.

Die Islamkonferenz des Bundesinnenministers Horst Seehofer hat sich jetzt zum Ziel gesetzt, schrittweise eben auch zu mehr Eigenständigkeit zu kommen. Wir haben bereits Islamstudiengänge. Wir brauchen aus meiner Sicht auch eine Imam-Ausbildung in Deutschland. Das macht uns unabhängiger und ist für die Zukunft notwendig.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Katja Mast, SPD, stellt die nächste Frage.



Katja Mast (SPD):

Frau Bundeskanzlerin, die Zeiten im Einzelhandel sind hart, und zwar nicht nur wegen des Weihnachtsgeschäfts, sondern auch wegen des Strukturwandels durch den Onlinehandel. Aktuell haben wir die Situation, dass rund 35 000 Beschäftigte der Real-Kette, die der Metro-Gruppe angehört, von diesem Strukturwandel betroffen sind. Sie kämpfen dafür, dass die Tarifflucht beendet wird und dass die Tarifbindung im Einzelhandel weiter bestehen bleibt.

Wir sind alle stolz auf unsere soziale Marktwirtschaft, in der gerade die Tarifbindung und die Sozialpartnerschaft so sehr viel ausmachen. Deshalb ist meine Frage: Was können Sie in der Bundesregierung konkret tun? Was sind Ihre persönlichen Vorstellungen, um Tarifflucht zu verhindern und um die Tarifbindung im Einzelhandel, in der Pflege, in der Industrie und in allen anderen Branchen zu erhöhen?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Ich glaube, dass wir innerhalb der Koalitionsvereinbarung gerade für die Pflege gute Ansätze haben. Ich war jüngst beim Arbeitgebertag. Ich habe mich sehr gefreut, dass die BDA, die Gewerkschaften und der DGB miteinander verabredet haben, dass auch sie sich wieder für eine verstärkte Tarifbindung einsetzen wollen; das war nicht immer so.

Wir haben seitens der Bundesregierung in letzter Zeit des Öfteren rechtliche Regelungen getroffen, die es Unternehmen, die tariflich gebunden sind und die Betriebsräte haben, erlauben, mehr zu flexibilisieren, als das bei anderen Unternehmen der Fall ist; ich denke da jetzt zum Beispiel an die Experimentierklausel, auch im Zusammenhang mit der Digitalisierung. Deshalb, glaube ich, ist der Weg richtig, Anreize für Tarifbindung zu setzen und diese damit auch zu stärken. Denn es macht uns in der Tat große Sorgen, dass wir gerade in den neuen Bundesländern eine viel zu geringe Tarifbindung haben.

(Beifall des Abg. Hermann Gröhe [CDU/CSU])

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Nachfrage?

Katja Mast (SPD):

Frau Bundeskanzlerin, sehen Sie auch gesetzliche Ansatzpunkte bei der Verbesserung oder Vereinfachung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung? Das frage ich insbesondere auch im Hinblick darauf, was wir bei der Pflege gemeinsam vorhaben.

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Das muss man sich genau anschauen. Ich bin da restriktiver, als, wie ich vermute, Sie es sind. Wir müssen aufpassen, dass wir uns da nicht sozusagen auch protektionistische Gebilde schaffen. Was den Pflegebereich angeht, bin ich sehr gerne bereit, darüber nachzudenken. Aber man muss aufpassen, dass sich in anderen Bereichen die Fachbruderschaften nicht auf Kosten des Wettbewerbs einigen.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Oliver Luksic, FDP, stellt die nächste Frage.



Oliver Luksic (FDP):

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Bundeskanzlerin, seit 2015 ist dem Kanzleramt bekannt, dass Fahrverbote drohen. Erst dieses Jahr wurden erste Maßnahmen gegen Fahrverbote von der Regierung ergriffen, die objektiv gesehen nicht wirken, weil ein Fahrverbot nach dem anderen kommt und Millionen Menschen dadurch auch ein Stück weit enteignet werden.

Sie haben kurz vor der Hessen-Wahl eine Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vorgeschlagen. Ich habe auch Sympathie dafür, den Grenzwert anzugehen; aber meiner Meinung nach muss man dies auf europäischer Ebene tun, weil es ein europäischer Grenzwert ist. Auch die Rechtsprechung macht hier Fragezeichen, ob das wirksam ist.

Deswegen die Frage: Wäre es nicht sinnvoller, stattdessen im nationalen Recht den Spielraum bei den Messvorschriften auszunutzen? Das würde in der Anlage 3 der Bundes-Immissionsschutzverordnung gehen, weil wir ja feststellen, dass wir zwar in der Regel korrekt nach deutschem Recht messen, aber anders messen als der Rest von Europa, also näher am Auspuff. Deswegen die Frage, ob Sie das korrigieren wollen.

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Zu den Messstellen: Ich habe neulich einen Kommunalgipfel veranstaltet, auf dem die betroffenen Kommunen alle anwesend waren. Nicht eine einzige hat sich bereit erklärt, überhaupt darüber nachzudenken, die Messstellen zum jetzigen Zeitpunkt zu verändern. Vielleicht können Sie mit Ihren Vertretern auf kommunaler Ebene in die Richtung arbeiten, dass man die Spielräume ganz ausschöpft. Aber die Kommunen waren dazu angesichts der augenblicklichen Lage nicht bereit. Sie sind allerdings bereit, ihre Luftreinhaltungspläne zu verbessern.

Ich will noch einmal auf Folgendes hinweisen: Bei der Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes geht es nicht um die Veränderung des Grenzwertes – der Grenzwert beträgt natürlich 40 Mikrogramm pro Kubikmeter –, sondern es geht um die Frage, ob angesichts der Maßnahmen, die wir jetzt von der Bundesebene finanzieren, der Grenzwert in Städten mit Überschreitung bis zu 50 Mikrogramm erreicht werden kann – und das bejahen wir –, dass in kurzer Zeit, bis 2020, die 40 Mikrogramm pro Kubikmeter eingehalten werden können, deshalb Fahrverbote unverhältnismäßig sind – wir beziehen uns da auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts – und nur dort, wo die Werte oberhalb von 50 Mikrogramm liegen, weitere Maßnahmen durchgesetzt werden müssen. Also: Wir verändern keinen Grenzwert.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Wollen Sie eine Nachfrage stellen?

Oliver Luksic (FDP):

Ja.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Bitte.

Oliver Luksic (FDP):

Ich teile Ihre Auffassung nicht. Ich glaube, da sind die Bundesländer zuständig, und sie wehren sich ja auch gegen die Überprüfung des Status quo. Der Bundesgesetzgeber legt die Abstände fest.

Sie haben die Verhältnismäßigkeit angesprochen; dazu habe ich eine Frage. In Deutschland gibt es jetzt Fahrverbote auf Autobahnen – hier auf der A 100, im Ruhrgebiet auf der A 40 –, weil bei uns im Gegensatz zu anderen Staaten der Europäischen Union auch an Autobahnen gemessen wird. Daher die Frage: Halten Sie Fahrverbote auf Autobahnen für unverhältnismäßig oder für verhältnismäßig? Wenn Sie sie für unverhältnismäßig halten, warum gibt es dann keine Änderungen der Bundesgesetze und -verordnungen, um auszuschließen, dass dort gemessen wird?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Ich glaube, dass es keine gute Antwort auf die Frage der Grenzwertüberschreitung wäre,

(Christian Lindner [FDP]: Da läuft doch keiner! Es gibt doch keine Fußgänger auf der Autobahn!)

wenn man sagte: Wir hören auf, zu messen, wenn uns der Wert nicht passt. – Ich glaube, dass wir durch unsere Maßnahmen, gerade auch die Umtauschaktionen, die jetzt von der Automobilindustrie angeboten werden, eine deutliche Flottenverbesserung erreichen und dann auch eine Unterschreitung der Grenzwerte möglich sein wird. Ich glaube, dass das der richtigere Weg ist.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Dr. Mathias Middelberg, CDU/CSU, stellt die nächste Frage.

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Wenn ich eines noch ergänzen darf, Herr Präsident?

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Bitte.

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Die Urteile sind oft nicht rechtskräftig. Es ist ein erstinstanzliches Urteil. Es gibt also kein Fahrverbot, sondern es ist durch ein Gericht ein Fahrverbot in Aussicht gestellt worden. Ich gehe davon aus, dass dagegen noch mal Einspruch erhoben wird.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Middelberg, bitte.



Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU):

Herr Präsident! Frau Bundeskanzlerin! Wir finden es gut, dass Sie nach Marokko gereist sind und dabei waren, als der UN-Migrationspakt angenommen wurde,

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

weil dieser Pakt auch ausdrücklich vorsieht, dass Herkunftsländer ihre Migranten zurücknehmen, wenn sich herausstellt, dass sie etwa illegal eingereist sind und kein Aufenthaltsrecht haben.

Das betrifft gerade auch die nordafrikanischen Staaten, also auch Marokko. Wir diskutieren im Moment hier im Hause darüber, ob wir diese Staaten zu sicheren Herkunftsstaaten erklären. Das würde uns helfen, die Verfahren zu beschleunigen. Wichtig wäre dann natürlich auch, dass die Staaten tatsächlich ihre Bürger zurücknehmen. Wie weit sind wir da? Wie hat sich die Rückführung in die nordafrikanischen Staaten fortentwickelt?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Ich bin dafür, dass wir die entsprechenden drei Staaten zu sicheren Herkunftsstaaten erklären, und hoffe, dass das auch im Bundesrat eine Mehrheit findet.

Wir können berichten, dass sich die Zusammenarbeit mit allen drei Staaten in Sachen Rückführung deutlich verbessert hat. Im Vergleich zu 2015 haben wir jetzt eine Verneunfachung, eine Verzehnfachung oder sogar eine Verfünfzehnfachung der Rückführungen. Ich kann auch darauf verweisen, dass die Zahlen bei der Rückführung von Deutschland nach Marokko im europäischen Vergleich sehr gut sind. Insofern müssen wir auf diesem Wege mit den Ländern weitermachen. Wir haben einen sehr guten Datenaustausch. Wir haben mehr Fälle identifiziert, als bis jetzt aus Deutschland zurückgeführt wurden. Das ist eine Zusammenarbeit, die sich von der Größenordnung her in den letzten Jahren rapide verbessert hat.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Danke sehr. – André Hahn, Fraktion Die Linke, stellt die nächste Frage.



Dr. André Hahn (DIE LINKE):

Frau Bundeskanzlerin, trifft es zu, dass sich an verschiedenen Stellen in Deutschland, aber auch in Österreich und der Schweiz rechte Gruppen formiert haben, die daran arbeiten, einen eigenen Staat im Staate aufzubauen, und trifft es zu, dass zu den Mitgliedern dieser Gruppen auch Polizisten und Soldaten, Reservisten und Beamte, zum Teil auch Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden des Bundes zählen?

Ein Netzwerk, das unter dem Namen Hannibal bekannt geworden ist, bereitet sich auf den Tag X vor und will dann gegebenenfalls auch Waffen einsetzen. Sind Sie durch den Verfassungsschutz über diese Vorgänge informiert worden, und was wollen Sie dagegen unternehmen?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Ich habe da volles Vertrauen in die Arbeit des Verfassungsschutzes. Sie wissen auch, dass, wann immer solche Erkenntnisse vorliegen, entschieden und sehr massiv dagegen vorgegangen wird. Es gibt leider Entwicklungen, die uns beunruhigen müssen; aber unsere staatlichen Institutionen sind hier handlungsfähig und handeln auch.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Nachfrage.

Dr. André Hahn (DIE LINKE):

Frau Bundeskanzlerin, ich habe Sie ja gefragt, ob und in welcher Weise Sie darüber informiert worden sind.

Ich darf daran erinnern, dass die Problematik der Reichsbürger über Jahre verharmlost worden ist. Inzwischen wird die Gefahr erkannt, nachdem unter anderem ein Polizist ermordet worden ist. Bei rechten Netzwerken wurden, wie die Sicherheitsbehörden und die Generalbundesanwaltschaft wissen, sogenannte Todeslisten gefunden. Das ist doch ein Punkt, der uns alle beunruhigen muss. Wissen Sie, ob auch Abgeordnete dieses Hauses auf diesen Listen stehen, sind Sie darüber informiert worden? Und noch mal meine Frage: Was tun Sie, um dem entgegenzuwirken?

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Über Abgeordnete auf diesen Listen bin ich nicht informiert.

Ansonsten weiß jede Institution der Bundesregierung, dass die Bundesregierung als Ganzes und ich als Person entschieden gegen solche Vorgänge vorgehen. Da, wo Dinge passiert sind, die nicht in Ordnung waren – ich nenne nur das Beispiel NSU –, haben wir, auch durch die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen, gemeinsam die notwendigen Schlussfolgerungen daraus gezogen.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das war keine Antwort! Wie gehen Sie dagegen vor?)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Oliver Krischer, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, stellt die nächste Frage.



Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Frau Bundeskanzlerin, am vergangenen Wochenende hat der CDU-Parteitag einen Beschluss gefasst, der darauf abzielt, der Deutschen Umwelthilfe die Gemeinnützigkeit und Klagebefugnisse abzuerkennen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der AfD und der FDP)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Beifallsstürme werden nicht auf die Redezeit angerechnet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Der Beifallssturm zeigt ja auch, wofür viele der Kolleginnen und Kollegen hier stehen.

(Grigorios Aggelidis [FDP]: Dazu stehen wir auch! – Weitere Zurufe von der FDP)

Als Begründung für den Antrag, den der CDU-Parteitag beschlossen hat, wird angeführt, dass die Deutsche Umwelthilfe die Einhaltung von bestehenden Gesetzen einklagt. Ich finde es bemerkenswert, dass so etwas als Begründung für die Aberkennung der Gemeinnützigkeit herangezogen wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das hätte ich von einer staatstragenden Partei in Deutschland eigentlich nicht erwartet.

Meine Frage an Sie, Frau Bundeskanzlerin: Halten Sie diesen Beschluss für mit deutschem Recht vereinbar? Ich hoffe, dass Sie ihn für nicht vereinbar halten. Wenn Sie ihn doch für vereinbar halten: Was wird diese Bundesregierung dann tun – oder hoffentlich nicht tun –, um diesen Beschluss umzusetzen?

(Zurufe von der FDP: Zeit!)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege, so lang war der Beifall auch wieder nicht.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Der Beschluss setzt bei ganz anderen Merkmalen an. Die Deutsche Umwelthilfe weist schon Eigenheiten auf – zum Beispiel, was die Möglichkeit der Mitgliedschaft anbelangt –, die sie ganz klar von anderen Organisationen unterscheidet.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vom VDA zum Beispiel!)

Die Überprüfung von staatlicher Seite, ob die Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit erfüllt sind, und die politische Einschätzung, dass sie nicht erfüllt sind, müssen wir jetzt in Einklang bringen. Deshalb werden wir uns das regierungsseitig anschauen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Zusatzfrage.

Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Bundeskanzlerin, Ihnen ist schon bekannt, dass wir in Deutschland ein geübtes Verfahren haben, bei dem Finanzbehörden solche Fragen beständig klären. Wie ist dann zu erklären, dass Mitglieder Ihrer Bundesregierung – ich nenne mal beispielhaft Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Bilger, der dort auf der Regierungsbank sitzt –

(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Guter Mann!)

ausdrücklich sagen: Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit und der Klagebefugnisse wird wegen der Klagetätigkeit der Deutschen Umwelthilfe beantragt. – Offensichtlich ist die Motivation in der Union eine andere als die, die Sie gerade dargestellt haben. Das, was Sie dargestellt haben, ist das übliche Verfahren zur Überprüfung der Gemeinnützigkeit.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege, für Nachfragen stehen 30 Sekunden zur Verfügung. Da sind Sie jetzt weit drüber. – Bitte.

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Ich sage das, was ich jetzt sage, und das ist, dass wir uns das anschauen werden. Auch wenn von den Finanzbehörden die Gemeinnützigkeit festgestellt wird, entbindet uns dies nicht davon, uns das mal näher anzugucken.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weise mal darauf hin: Wenn eine Organisation, die vielleicht uns etwas näher stünde, so viel Geld von Automobilkonzernen kriegen würde wie die Deutsche Umwelthilfe, dann würden Sie sofort von schlimmem Lobbyismus sprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD])

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Die nächste Frage stellt der Kollege Dr. Bernd Baumann, AfD.



Dr. Bernd Baumann (AfD):

Frau Bundeskanzlerin, Ihr Innenminister hat ja mal zusammengefasst: Migration ist „die Mutter aller Probleme“.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Endlich mal ein Ausländerthema bei der AfD!)

Sie versprachen den Deutschen 2016 wörtlich „eine nationale Kraftanstrengung zur Rückführung derer, die abgelehnt wurden“.

Und wie viele mit rechtskräftig abgelehnten Asylanträgen sind derzeit im Land? Fast 700 000. Und wie viele werden abgeschoben? 2016 waren es nur 25 000, 2017 nur noch 24 000, 2018 bis Oktober nur noch 20 000. Es werden also nicht mehr abgeschoben, sondern weniger. Das ist keine nationale Kraftanstrengung, wie versprochen. Das ist ein Schwächeanfall, man kann auch sagen: ein politisches Totalversagen. Frau Bundeskanzlerin, die Bürger haben ein Recht darauf, zu wissen: Wieso wird nicht abgeschoben? Wollen Sie nicht, oder können Sie nicht?

(Beifall bei der AfD)

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Wir arbeiten beständig daran – ich habe Ihnen die Zahlen der nordafrikanischen Länder Marokko, Tunesien und Algerien eben genannt –, dass wir besser werden. Die nationale Kraftanstrengung ist nicht beendet; das sage ich ausdrücklich.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Wir haben eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, auch in der Kooperation mit den Ländern, um die Dinge voranzubringen. Wir haben dazu noch die Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr geschaffen. Im Übrigen weise ich darauf hin, dass ich die Zahlen, die Sie genannt haben, so nicht teile.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Nachfrage, Herr Kollege Baumann?

Dr. Bernd Baumann (AfD):

Das sind die Zahlen, wie sie in allen Teilen der Presse veröffentlicht sind, auch in Antworten auf Anfragen von Abgeordneten.

(Christian Lindner [FDP]: Sie glauben doch sonst der Presse nicht!)

Wenn Sie in dieser die ganze Bevölkerung sehr bewegenden Frage eine nationale Kraftanstrengung sozusagen ausrufen, dann ist es doch Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es gelingt, dass die Zahlen steigen oder zumindest bleiben, aber nicht noch weiter fallen. Das ist doch ein Totalversagen.

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Ich teile Ihre Einschätzung nicht. Ich habe jetzt auch kein Fragezeichen bei Ihren Ausführungen gesehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der AfD: Weiter so!)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Die nächste Frage stellt der Kollege Bernd Westphal, SPD.



Bernd Westphal (SPD):

Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, ich möchte Ihnen eine Frage zum Thema Rüstungsexporte stellen. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir bis Ende 2018 die Rüstungsexportrichtlinien überarbeiten. Das Auswärtige Amt hat im Sommer einen entsprechenden Vorschlag dazu vorgelegt. Vielleicht können Sie mir weiterhelfen bei der Frage, wie Sie hier garantieren wollen, dass wir die im Koalitionsvertrag getroffene Vereinbarung umsetzen.

Aufgrund der Aktualität des Themas habe ich noch eine Frage zum Stopp von Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien. Wie sorgen Sie im Bundeskabinett dafür, dass der Exportstopp auch weiterhin Gültigkeit behält?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Dazu haben wir ein einschlägiges Gremium, den Bundessicherheitsrat. Alle, die diesem Gremium angehören, sind der Meinung, dass wir den Stopp so einhalten. Wir haben deshalb aktuelle Vorhaben sozusagen auf Eis gelegt.

Was die Rüstungsexportrichtlinien anbelangt, so laufen die Verhandlungen der zuständigen Minister. Ich schließe nicht ganz aus, dass ich Sie um eine kleine Verlängerung bitten muss. Ich weiß nicht, ob das bis Weihnachten noch etwas wird.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Nachfrage?

Bernd Westphal (SPD):

Können Sie gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit einen Zeitraum nennen, damit Ihre Aussage, was den Stopp der Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien angeht, etwas präziser wird? Es gibt Vorkommnisse, die den Stopp begründen. Auf denen fußt Ihre Entscheidung. Vielleicht können Sie etwas Genaueres dazu und auch zu der Umsetzung des Koalitionsvertrages sagen?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Ich verspreche Ihnen jetzt mal: Spätestens im ersten Halbjahr 2019 werden wir mit den Rüstungsexportrichtlinien fertig sein. Das sollte uns jetzt anspornen. Und zweitens: Wenn es keinen Rüstungsexport gibt, dann gibt es keinen. Was soll ich da präziser werden? Null ist null.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie lange?)

– Solange die Dinge nicht aufgeklärt sind.

Im Übrigen darf ich darauf verweisen, dass derzeit zum ersten Mal relativ hoffnungsvolle Jemen-Verhandlungen in Schweden stattfinden. Wir werden von deutscher Seite alles tun – ich habe darüber mit dem Bundesaußenminister gesprochen –, dass die Friedensverhandlungen für den Jemen Erfolg zeigen; denn dort sind Millionen von Menschen von Hunger bedroht. Das muss einen wirklich umtreiben, und das treibt uns ja gemeinsam um.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Die nächste Frage stellt der Kollege Oliver Luksic, FDP.



Oliver Luksic (FDP):

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Bundeskanzlerin, die Fahrverbote führen nicht nur zu Wertverlusten, zu einem Stück Enteignung und zur Einschränkung der Mobilität. Jetzt soll obendrauf ein Instrument mit viel Bürokratie zur Überwachung und zur Kontrolle der Einfuhr in Fahrverbotszonen aufgebaut werden.

Die Bundesregierung hat eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vorgeschlagen. Darin ist festgehalten, dass eine Kfz-Kennzeichenerfassung per Video anlasslos und dauerhaft durchgeführt werden soll, und das für eine Ordnungswidrigkeit. Das Einfahren in eine Umweltzone kostet 20 Euro Bußgeld. Deswegen meine Frage: Halten Sie eine Videoüberwachung angesichts der massiven Kosten für Bürokratie für sinnvoll und verhältnismäßig?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Also, bis jetzt habe ich immer gedacht, dass Sie die Partei der Digitalisierung sind und die Vorteile davon auch nutzen wollen.

(Beifall der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In vielen europäischen Städten wird die Videoüberwachung heute selbstverständlich angewandt. Die modernen Verkehrsleitsysteme, die Richtgeschwindigkeiten angeben, funktionieren alle nach diesem Prinzip. Sie wissen auch, dass die Aufnahmen der Nummernschilder, ähnlich wie bei der Lkw-Maut, sofort wieder gelöscht werden. Insofern gibt es überhaupt keinen Grund, moderne Technologien auszuschließen und Menschen wieder einzelne Nummernschilder ablesen zu lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Zusatzfrage?

Oliver Luksic (FDP):

Ich habe noch eine Frage zur Verhältnismäßigkeit. Bei 20 Euro Bußgeld halte ich den Aufwand in der Tat für nicht sinnvoll.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Hinzu kommt, dass es eine umfassende Rechtsprechung in Sachen Telekommunikationsüberwachung gibt, die besagt, dass anlasslose und dauerhafte Überwachung nicht geht. Deshalb frage ich mich schon, ob mit der Erfassung nicht alle Autofahrer unter Generalverdacht gestellt werden; denn bei der Terrorismusüberwachung stellt sich der Staat gegen eine anlasslose und dauerhafte Überwachung. Hier geht um 20 Euro Bußgeld. Hier geht es um eine Ordnungswidrigkeit. Deshalb die Frage: Ist das Ihrer Meinung nach verfassungssicher?

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Luksic!

Oliver Luksic (FDP):

Das bayrische Innenministerium hat Zweifel angemeldet.

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Ich gehe davon aus, dass das ordentlich geprüft ist; ich bin selber ja keine Juristin. Im Übrigen ermuntere ich uns, nicht gegenüber allen Innovationen im Zusammenhang mit der Digitalisierung als Erstes abwehrend zu handeln. Dass die FDP dabei an der Spitze steht, darüber bin ich doch enttäuscht.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Frau Bundeskanzlerin, ich würde gerne noch drei Fragen zulassen, um diese Fragerunde abzuschließen. Lassen Sie die Fragen zu? Passt das noch zu Ihrer zeitlichen Disposition?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Ja.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Dann ist der nächste Fragesteller der Kollege Marian Wendt, CDU/CSU.



Marian Wendt (CDU/CSU):

Frau Bundeskanzlerin, Sie hatten es selber angesprochen: Die Ordnung, Begrenzung und Steuerung der Migrationspolitik setzten viele kleine Schritte und Bausteine voraus. Ein populistisches Marktschreierwesen, wie wir es leider selber erlebt haben, bringt uns da nicht weiter. Deswegen stelle ich meine Frage konkret zu einem wesentlichen Baustein, dem Abkommen mit Italien.

Aktuell ist geplant, ein Rückführungsabkommen für die Dublin-Fälle mit Italien auszuhandeln. Meine Frage lautet: Wie ist der Stand? Und vor allen Dingen: Wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten für die Umsetzung des Abkommens ein, dass wir dauerhaft und einfach Rückzuführende nach Italien überführen können? – Vielen Dank.

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Angesichts der Tatsache, dass es sich um eine sehr geringe Anzahl von Fällen im Zusammenhang mit Griechenland handelt, haben wir gesehen, dass die eingeführte Prozedur ganz offensichtlich dazu führt, dass es ein gewisses Abwenden von dem einfachen Sich-weiter-bewegen oder der Sekundärmigration gibt.

Das Abkommen mit Italien ist unterschriftsreif, aber leider von Italien noch nicht zur Unterschrift freigegeben. Es ist Gegenstand wiederkehrender Gespräche, die ich mit dem italienischen Ministerpräsidenten führe. Italien hat natürlich sehr viel mehr mit der Primärmigration zu tun, aber wir arbeiten weiter daran, dass das Abkommen unterschrieben werden kann.

(Marian Wendt [CDU/CSU]: Vielen Dank!)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Heike Hänsel, Fraktion Die Linke, ist die nächste Fragestellerin.



Heike Hänsel (DIE LINKE):

Danke, Herr Präsident. – Frau Merkel, Sie haben sich gerade über unsere Solidarisierung mit den Gelbwesten echauffiert. Ich möchte Ihre Vorwürfe zurückweisen. Wir haben in zahlreichen Pressemitteilungen klar gesagt, dass wir uns für gewaltfreien Protest einsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde Ihre Empörung mehr als scheinheilig. Sie stehen seit Jahren dafür, dass deutsche Rüstungsgüter in viele Länder dieser Welt geschickt werden, in denen ein blutiger Krieg stattfindet, wie zum Beispiel im Jemen. Diese Unterstützung von Gewalt, wofür Sie stehen, finde ich völlig inakzeptabel.

Jetzt gibt es zwar einen Stopp der Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien für die Dauer von zwei Monaten. Aber wieso lassen Sie es zu, dass deutsche Konzerne wie Rheinmetall weiterhin über ihre Bombenfabriken zum Beispiel in Sardinien oder Südafrika ihre Bomben, ihr Kriegsgerät nach Saudi-Arabien liefern können und dadurch der von Ihnen genannte Friedensprozess im Jemen nicht gerade unterstützt, wenn nicht sogar gefährdet wird?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Sie haben richtigerweise darauf hingewiesen, dass wir bereits in der Koalitionsvereinbarung eine sehr restriktive Regelung im Zusammenhang mit dem Jemen getroffen haben. Leider muss ich feststellen, dass sich von unseren europäischen Partnern nur sehr wenige einer ähnlichen Politik anschließen. Hier wäre ein gemeinsames europäisches Vorgehen wirklich sehr wünschenswert. Vielleicht könnten auch Sie sich dafür einsetzen. Alles, was in unseren rechtlichen Möglichkeiten bezüglich unserer hiesigen Rüstungsexportrichtlinien steht, werden wir umsetzen. Wenn uns Fälle des Verstoßes bekannt werden, dann werden wir natürlich darauf reagieren.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Zusatzfrage?

Heike Hänsel (DIE LINKE):

Ja. – Es geht aber ganz konkret um die Waffenfabriken in anderen Ländern, um Tochterfirmen von Rheinmetall, die weiterhin zum Beispiel Saudi-Arabien beliefern. Sie könnten das durch das Schließen einer Gesetzeslücke in der Außenwirtschaftsverordnung ganz leicht unterbinden. Wir haben gemeinsam mit den Grünen entsprechende Anträge hier im Parlament gestellt. Sie haben nichts gemacht. Wieso ist Ihre Regierung nicht bereit, diese Gesetzeslücke nun unmittelbar zu schließen, damit diese Art und Weise der Rüstungsexporte, der blutigen Rüstungsexporte, endlich unterbunden wird?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Ich werde Ihre Frage dazu nutzen, mich mit dieser Gesetzeslücke noch mal intensiv zu beschäftigen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Elisabeth Motschmann [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Letzter Fragesteller für heute ist der Kollege Dr. Konstantin von Notz, Bündnis 90/Die Grünen.



Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin! Ein ganz anderes Thema: Hackingangriffe allerorten: auf den Deutschen Bundestag, auf die Netze des Bundes, auf die Bundeswehr. Gleichzeitig erleben wir Trollarmeen, Beeinflussungen von Wahlvorgängen: in Großbritannien bezüglich des Brexits, in den USA bezüglich der Präsidentschaftswahl, bezüglich der Unabhängigkeitsabstimmung in Katalonien; überall nachgewiesenermaßen illegitime Einflussnahmen, so will ich das mal nennen. Was macht die Bundesregierung konkret, um unsere digitale Infrastruktur zu schützen, um die Rechtsstaatlichkeit gegen diese digitalen Angriffe zu verteidigen? Was für Maßnahmen unternehmen Sie konkret, und inwieweit gucken Sie sich auch die Bundestagswahl 2017 an, proaktiv, ob es dort zu illegitimen Einflussnahmen gekommen ist?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Bei der Bundestagswahl 2017 haben wir, haben viele Parteien sich vorgenommen, Bots nicht einzusetzen. Ich halte das auch für eine richtige politische Maßnahme. Was wir konkret machen: Wir, sowohl das Verteidigungsministerium als auch das Bundesinnenministerium in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, sind permanent dabei, sowohl die rechtlichen Bedingungen als auch unsere technische Ausstattung zu verbessern. Sie werden in den Haushaltsberatungen gesehen haben, was wir allein an dieser Stelle einbringen.

Wir werden die Diskussion darüber führen müssen – sie ist innerhalb der Bundesregierung im Entstehen –: Wie können wir uns noch besser schützen, und müssen wir dazu auch aktive Möglichkeiten nutzen, die wir heute noch nicht nutzen, oder nur Abwehrmöglichkeiten? Die Diskussion ist noch nicht beendet; aber sie kommt auf uns zu. Ich bin mal gespannt, wie Sie dann dazu Stellung nehmen.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Nachfrage?

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja. – Wir haben schon Stellung genommen. Wir haben gute Anträge in diesem Haus gestellt. Insofern sage ich: Man kann viel tun, zum Beispiel kann man Social Bots kennzeichnen, um deutlich zu machen, ob man es mit einer Maschine oder einem Menschen zu tun hat.

Noch einmal ganz konkret zur Bundestagswahl 2017: Frau Merkel, Sie kommen mir ein bisschen so vor wie jemand, der auf dem Sofa zu Hause sitzt, nicht rausgeht und sagt: „Steinpilze gibt es dieses Jahr überhaupt nicht.“ – Man muss schon rausgehen, in Feld und Flur, und gucken, was los ist. Deswegen die Frage: Was tun Sie proaktiv – proaktiv! –, um aufzudecken, ob es zu einer illegitimen Einflussnahme wie in den USA oder Großbritannien gekommen ist?

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

Wenn Sie mir sagen, wo ich hingehen soll, dann will ich das gerne tun.

(Stefan Gelbhaar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ins Netz!)

Auf dem Sofa sitze ich selten.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber ich will mich gerne noch mal informieren, welche Erkenntnisse insbesondere auch dem Bundespresseamt über Einflussnahmen vorliegen, und dann werden wir Sie unterrichten.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen wir gerne! Vielen Dank, Frau Bundeskanzlerin!)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Danke sehr. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Frau Bundeskanzlerin hat jetzt 26 Fragen und 14 Nachfragen beantwortet. – Ich bedanke mich sehr

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

und schließe damit die Regierungsbefragung.