Alltag oder Ausnahmezustand?

Diskussionsrunde Alltag oder Ausnahmezustand?

Politisches, Persönliches, Berufliches – kein Themenfeld sparte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Gespräch mit der Chefredaktion der Frauenzeitschrift "Brigitte" aus. Selbstzweifel oder Selbstbewusstsein, Reden oder Schweigen, Alltag oder Ausnahmezustand waren nur einige von zahlreichen Themen.

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Bundeskanzlerin Merkel bei der Veranstaltung "Brigitte live: Frauen wählen"

Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Veranstaltung "Brigitte live: Frauen wählen"

Foto: Bundesregierung/Kugler

"Ich könnte nicht Politikerin sein, wenn mir Schweigen grundsätzlich wichtiger wäre als Reden", sagte Merkel. "Aber Denken beim Reden ist auch nicht so einfach, also braucht man Schweigen, um klug reden zu können."

In der Politik gebe es in der Regel keine Entscheidungen, die zu 100 Prozent mit Ja oder 100 Prozent mit Nein beantwortet werden könnten, erklärte Merkel. Wichtig sei es, sich die ganze Breite der Möglichkeiten vor Augen zu führen, abzuwägen und zu einer Entscheidung zu kommen, mit der man nicht hadern müsse.

Die Deutschen gehen gut mit der Finanzkrise um

Mit dem Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise sei in Deutschland eine besondere Situation entstanden, wie man sie vorher nur aus der Zeit der deutschen Wiedervereinigung gekannt habe, sagte Merkel. Die Politik habe sich auf ein völlig neues Terrain begeben, auf dem Entscheidungen zu treffen gewesen seien, für die es keinerlei Vorbild gegeben habe.

"Ich finde, dass wir in der Eurokrise gezeigt haben, dass ein Stück Grundvertrauen da ist, das Politik auch rechtfertigen muss", sagte die Kanzlerin. "Wie sind jetzt in einer Phase, in der außereuropäische Investoren gemerkt haben, wir stehen nicht nur fiskalisch, wir stehen auch politisch hinter dem Euro. Das war sehr, sehr wichtig, um einen Teil des Vertrauens zurück zu gewinnen." Jetzt sei der Euro wieder in einer relativ guten Verfassung, aber es gebe große Probleme, wie beispielsweise die Jugendarbeitslosigkeit in Europa, was sehr bedrückend sei.

Diskussion über Wachstum breiter führen

"Wir reden jetzt immer darüber, dass Wachstum wichtig ist für Europa. Aber woraus entsteht Wachstum? Wir können Sie jetzt als Politiker für Wachstum sorgen?" Die Möglichkeit, neue Konjunkturprogramme aufzulegen, sei "uns ein wenig verwehrt", sagte Merkel und verwies auf die große Verschuldung in den meisten Euro-Staaten.

Dies führe dazu, "dass wir nicht einfach dasselbe machen können, was wir 2008 und 2009 gemacht haben." Die Diskussion über Wachstum in Europa müsse breiter geführt werden, zum Wachstum gehöre auch Bürokratieabbau, Förderung von Start up-Unternehmen, mehr Mobilität am Arbeitsmarkt.

Zeit für Familie?

Genug Zeit für ihre Familie habe sie in ihrem Beruf nicht, gestand die Bundeskanzlerin. Sie könne sich Zeit nehmen für die Familie, könne aber schlecht planen, weil immer etwas dazwischen kommen könne. Aber natürlich könne sie in ihrer Freizeit auch mal nicht an die Arbeit denken. "Wenn ich im Kochtopf rühre, sage ich ja nicht: Die Kanzlerin rührt jetzt im Kochtopf."

Sicher rede sie mit ihrem Mann auch über Politik, frage ihn um Rat. "Manchmal sagt er auch von selbst was. Allein die Tatsache, dass er was sagt, deutet darauf hin, dass ein Problem im Raum steht. Aber er indoktriniert mich dann nicht."

Demografischer Wandel ist Zukunftsthema

Wenn sie als Kanzlerin wiedergewählt werde, wolle sie sich weiter intensiv um die Frage des demografischen Wandels und die Folgen für die Gesellschaft kümmern, betonte Merkel. Die Tatsache, dass wir älter werden, habe dazu geführt, dass es eine neue Lebensphase gebe, die es früher nicht gab: Die Zeit zwischen dem Ende des Arbeitslebens bis hin zur Phase der Pflegbedürftigkeit dauere bis zu 20 Jahre.

Es müssten Antworten gefunden werden, wie diese Zeit zu nutzen sei. Auch müsse die Lebensqualität in den ländlichen Räumen erhalten und die sogenannte rush hour des Lebens entzerrt werden. "Dies alles ist ein sehr spannender Prozess, und ich glaube, wir Deutschen können hier auch beispielhaft sein für andere Länder", sagte Merkel.