"Man muss miteinander sprechen"

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Im Wortlaut: Merkel "Man muss miteinander sprechen"

Im Sommer-Interview mit der ARD hat die Bundeskanzlerin erste Ergebnisse ihrer Kiew-Reise dargestellt. Sie äußerte sich auch mit Blick auf das Nato-Treffen im September und die Energieversorgung. Zudem waren aktuelle Beratungen über mögliche Rüstungsexporte und der Nahost-Konflikt Gegenstand des Gesprächs.

  • Interview mit Angela Merkel
  • ARD
Die Bundeskanzlerin spricht mit Moderatoren.

Merkel im Studio

Foto: Bundesregierung/Bergmann

ARD: Die Weltlage ist angespannt, und Deutschland ist gefragt. Mit Ihrem gestrigen Besuch in Kiew haben Sie ein deutliches Zeichen der Unterstützung gesetzt, aber wie geht es jetzt
weiter? Denn wenn Wladimir Putin nicht will, bewegt sich nichts in diesem Konflikt.

Merkel: Zur Lösung von Konflikten gehören natürlich immer zwei Seiten, und deshalb ist es auch gut, dass sich am Dienstag der russische Präsident Putin mit dem ukrainischen Präsidenten
Poroschenko trifft. Meine Reise nach Kiew galt auch der Vorbereitung eines solchen Treffens, das sicherlich auch in Minsk noch nicht den Durchbruch bringen wird, um da die Erwartungen
auch zu dämpfen. Aber man muss miteinander sprechen, wenn man Lösungen finden will. Ich bin fest überzeugt, das gibt hier nur eine politische Lösung, bei der die Europäische
Union aber auch Deutschland mithelfen wollen und sollten. Und eine militärische Lösung dieses Konfliktes wird es nicht geben. Deshalb sind politische Gespräche absolut notwendig.

ARD: Frau Bundeskanzlerin, Sie telefonieren ja regelmäßig mit Wladimir Putin, haben da den besten Draht aller Staats- und Regierungschefs in Europa, sagt man mindestens. Wissen Sie eigentlich genau, was er will? Rechnen Sie da noch mit einer Invasion?

Merkel: Die Lage ist sehr fragil. Das muss man sagen, und es geht ja jetzt nicht darum, dass ich Zukunftsprognosen anstelle, sondern zumindest das in unserer Macht Stehende tue, zusammen
mit dem Außenminister Frank-Walter Steinmeier, zusammen mit der Europäischen Kommission, um die Themen, bei denen es um Meinungsverschiedenheiten und zum Teil
auch sehr unterschiedliche Ansichten geht, zu besprechen. Da ist es auf der einen Seite die Frage der Dezentralisierung der Ukraine, die Frage des Status der Regionen und vor allen Dingen
der Kommunen. Da ist zum zweiten die Frage der Handelsbeziehungen, des Freihandelsabkommens, und zum dritten haben wir natürlich auch eine gegenseitige Abhängigkeit im Bereich
des Gases. Und was wir nur sagen und ich auch als jemand, der erlebt hat, dass Deutschland die deutsche Einheit durchführen konnte in Frieden mit Einverständnis auch der Nachbarn,
sage das auch, dass das ukrainische Volk die Möglichkeit haben muss, seinen Weg zu wählen. Und die Europäische Union würde niemals, wenn die Ukraine sagt, wir gehen jetzt
zur eurasischen Union, daraus einen Riesenkonflikt machen, sondern wir setzen auf die freiwillige Entscheidung. Ich setze allerdings auch auf die territoriale Integrität der Ukraine und
darauf, dass alle Ukrainerinnen und Ukrainer gehört werden. Das ist aber auch der Plan des Präsidenten Poroschenko. Und jetzt muss man schauen, dass man aus dieser sehr gefährlichen
Situation herauskommt.

ARD: Heißt aber, eine EU-Assoziierung schließen Sie nicht aus?

Merkel: Wir haben jetzt erst mal ein Assoziierungsabkommen. Das haben wir mit vielen Ländern, zum Beispiel auch mit der Türkei, um das mal zu sagen. Also das ist etwas, ein Status
der engeren Nachbarschaft. Wir haben das östliche Partnerschaft genannt. Und ich will einen Weg finden, wie viele andere auch, der Russland dabei nicht beschädigt. Wir wollen
auch mit Russland gute Handelsbeziehungen haben. Wir wollen mit Russland vernünftige Beziehungen haben. Wir sind aufeinander angewiesen und haben im übrigen im Rest der Welt
noch so viele Konflikte, an denen wir gemeinsam arbeiten sollten, dass ich hoffe, dass wir ein Stück vorankommen. Aber ich kann es nicht voraussagen.

ARD: Auf die anderen Konflikte kommen wir gleich noch. Zunächst ein Blick auf den anstehenden NATO-Gipfel Anfang September. Da wird ein starkes Signal an die Adresse Putins erwartet. Die baltischen Staaten sind in Sorge. Was aber kann die NATO der Ukraine anbieten?

Antwort: Die baltischen Staaten sind in der Tat besorgt auch angesichts vieler Militärmanöver, die in ihren Grenzregionen stattfinden, und dort habe ich bei meinem Besuch in Lettland
deutlich gemacht, wir sind NATO-Partner, wir sind zur gegenseitigen Verteidigung verpflichtet. Der Artikel 5 ist ein Beistandsartikel für alle NATO-Mitgliedsstaaten. Dafür werden wir
sozusagen Maßnahmen beschließen, die sicherstellen, dass die NATO die Fähigkeiten dazu hat, auch wenn es notwendig ist, schnell zu reagieren. Aber ich hoffe natürlich, dass es nicht
dazu kommt. Nur die Fähigkeiten muss man schon haben. Der Ukraine können wir in bestimmter Weise Kooperation anbieten. Eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine steht nicht auf
der Tagesordnung. Es gibt einen Ukraine-NATO-Rat. Dazu wird der Präsident Poroschenko auch nach Cardiff, nach Großbritannien, kommen. Aber wie gesagt, es geht nicht um eine
Mitgliedschaft.

ARD: Frau Bundeskanzlerin, wenn der Konflikt jetzt noch länger anhält, Sie haben es vorhin schon als Stichwort genannt, was bedeutet das für die Energieversorgung? Wird es dann eng, wird es dann hier im Winter kalt?

Merkel: Also, wir haben auch als Europäische Union ein äußerstes Interesse daran, dass die Gasstreitigkeiten zwischen Russland und der Ukraine geklärt werden, denn die Transitleitungen
gehen zum großen Teil durch die Ukraine, und auch die Speicherkapazität der Ukraine ist in bestimmter Weise notwendig für die Versorgung der europäischen Länder oder vieler europäischer
Länder. Ich sehe jetzt noch kein, sozusagen, rotes Warnsignal, aber es drängt, dass wir die Verhandlungen zum Abschluss bringen.

ARD: Aber in den osteuropäischen Staaten? Die hängen ja eher an der südlichen Linie dran.

Merkel: Ja, wie gesagt, wir haben noch etliche Wochen Zeit, aber wir müssen alles daran setzen, und Kommissar Oettinger tut das ja auch in den Gesprächen. Die beginnen jetzt wieder
am 29. August. Der Kommissar Oettinger wird in Minsk sein, wenn dort die Zoll-Union tagt, gemeinsam mit dem Handelskommissar, um über das Freihandelsabkommen zu sprechen und
mit der Außenbeauftragten Cathy Ashton. Das heißt, die Europäische Union engagiert sich hier, und ich hoffe auf Lösungen.

ARD: Frau Bundeskanzlerin, Ihre Regierung hat in dieser Woche eine Richtungsentscheidung getroffen. Zum ersten Mal sollen deutsche Waffen in ein Krisengebiet geliefert werden.
Viele Beobachter sagen, das ist ein Paradigmenwechsel in der deutschen Außenpolitik.

Merkel: Es ist sicherlich ein bemerkenswerter Schritt, dass wir diese Entscheidung nach sehr sorgsamer Abwägung getroffen haben. Wenn wir uns aber die Zeit seit 1990 anschauen, dann
ist das ein Schritt, vor dem es schon andere gab. Ich glaube, die Beteiligung am NATO-Einsatz im ehemaligen Jugoslawien war ein qualitativ völlig neuer Schritt. Die Entsendung
von Kampftruppen nach Afghanistan nach dem 11. September war ein qualitativ sehr bedeutsamer Schritt; auch sehr kontrovers diskutiert. Und jetzt haben wir die Lieferung von
Waffen in einem Zusammenhang, in einem Ausnahmefall, wie wir ihn bis jetzt noch nicht gesehen haben, wo einfach ein Völkermord vor aller Augen verübt wird von den islamischen
Staatsmilizen, die terroristisch agieren in einem strategischen und entschlossenen Handeln gegen alle Andersdenkenden, ob es Muslime, ob es Christen, ob es andere sind, so dass wir uns
gesagt haben, wir brauchen humanitäre Hilfe. Die ist bereits auf dem Weg. Wir brauchen Ausrüstungshilfe. Aber wir können dann, wenn wir gebeten werden, auch in begrenztem Umfang
Waffen und Munition zu liefern, nicht einfach sagen, das kriegt ihr von uns nicht. Denn diese Kämpfer der kurdischen Regionalregierung sind diejenigen, die das Ganze zusammen mit den
Amerikanern und anderen zum Stoppen gebracht haben. Und sich da einfach abseits zu stellen, das war für uns jedenfalls jetzt keine Option.

ARD: Wenn Deutschland Waffen liefert, wann immer das sein wird, nächste, übernächste Woche, allzu lange kann man ja nicht mehr warten, wie groß ist denn dann Ihre Sorge, dass
diese Waffen irgendwann mal in falsche Hände geraten? Die IS-Milizen sind ja so auch an amerikanische Waffen gekommen.

Merkel: Wir haben uns mit dem Thema sehr intensiv befasst und haben das abgewogen. Und eine hundertprozentige Sicherheit gibt es in einem solchen Fall nicht. Aber wir haben ja nur
zwei Möglichkeiten: Wir liefern jetzt etwas und tragen dazu bei, dass diesem Treiben dieser Terrormilizen ein Ende gesetzt wird und verhindern damit einen Genozid oder mehrere Genozide;
oder aber wir sagen, das Risiko ist uns zu groß. Und wir haben in der Abwägung gesagt, es gibt jetzt die überwiegenden Gründe zum Handeln.

ARD: Konkret nachgefragt, wären Sie auch bereit, Waffen an die verbotene PKK zu liefern? Die Kurden kämpfen ja auch für Autonomie in der Region.

Merkel: Wir haben hier ganz klare Regelungen. Es gibt eine UN-Resolution, nach der man nur Waffen auf das Gebiet des Irak liefern darf, wenn die irakische Regierung, die Zentralregierung,
einverstanden ist. Wir gehen davon aus, dass sie das ist. Der Bundesaußenminister war dort in Bagdad. Und dann können wir mit Einverständnis der irakischen Regierung das
Ganze an die kurdische Regionalregierung liefern. Und die PKK kommt in diesem Zusammenhang nicht in Frage als ein Empfänger von Waffenlieferungen.

ARD: Frau Bundeskanzlerin, den Einsatz deutscher Kampftruppen im Irak, den haben Sie ausgeschlossen. Aber gilt das zum Beispiel auch für Militärberater, für Ausbilder an Waffensystemen? Da gibt es ja schon entsprechende Forderungen aus Ihrer Partei auch.

Merkel: Also, wir müssen schauen, natürlich kann es sein, dass es Einweisungen an Geräten gibt; die muss man aber nicht unbedingt auf irakischem Gebiet machen. Darüber ist noch nicht
abschließend entschieden. Aber wir werden auf keinen Fall Kampftruppen in den Irak schicken.

ARD: Aber dass deutsche Soldaten hingehen könnten mit einer anderen Aufgabe, wollen Sie nicht ausschließen?

Merkel: Ich kann das jetzt aber auch nicht bestätigen. Wir haben bis jetzt keine konkreten
Pläne dazu.

ARD: Das Emirat Katar wird immer wieder genannt als möglicher Unterstützer der IS-Milizen.Ist es vor diesem Hintergrund nicht ratsam, die Waffenlieferungen in diese Region
einzustellen, und sind Sie da möglicherweise auf einer Linie mit Ihrem Vizekanzler Sigmar Gabriel?

Merkel: Wir müssen ständig immer wieder bei unseren Entscheidungen im Bundessicherheitsrat neu bewerten, welches Land wo steht. Ich will an dieser Stelle noch mal sagen, die IS-Seite
Milizen sind finanziell sehr, sehr gut ausgestattet, ohne dass sie, nachdem was mir bekannt ist, von irgendeinem Staat direkt unterstützt werden. Wir haben eher eine sehr kritische Situation
jetzt von Katar im Zusammenhang mit der Hamas und dem Nahost-Konflikt, wo ich sehr große Zweifel habe und so etwas wird natürlich auch immer wieder in unsere Beurteilungen
hineingehen, wenn wir uns fragen, wem können wir Rüstungsgüter liefern.

ARD: Saudi-Arabien?

Merkel: Ja, ich sagte ja, bei jedem Land muss man es immer wieder sich anschauen. Saudi-Arabien ist ein wichtiger Partner auch beim Kampf gegen Terrorismus. Ich erinnere daran,
wir hatten einmal Geiseln im Jemen. Saudi-Arabien hat uns damals geholfen, die zu befreien. Das hätten wir aus eigener Kraft nicht schaffen können. Das sind jeweils Abwägungen über
die innenpolitische Situation dort und über die außenpolitische Situation. Und die treffen wir, wenn wir die konkreten Entscheidungen treffen.

ARD: Stichwort Nahost ist gefallen, Frau Bundeskanzlerin, die Kämpfe da gehen mit unverminderter Härte weiter. Gaza ist im Grunde ein Trümmerfeld. Sie haben die Sicherheit Israels zur deutschen Staatsräson erklärt. Sie haben das Selbstverteidigungsrecht betont. Heißt das, dass Netanjahu praktisch freie Hand hat?

Merkel: Nein, das heißt es natürlich nicht, aber es heißt, dass Israel sich selbst verteidigen kann und muss. Ich kann nur hoffen, dass die Gespräche jetzt auch in Ägypten schrittweise
dazu führen, dass man zu einem Waffenstillstand kommt. Aber wenn man sich die Dinge dort anschaut, dann wird eben oft von palästinensischer Seite, von der Seite der Hamas, ganz einfach
auch mit zivilen Personen so umgegangen, dass sie einfach auch mit den militärischen Aktionen sehr verknüpft werden. Und das ist eine sehr perfide Art und Weise, auch zivile Opfer
immer wieder zu verantworten. Ich wünsche mir, und Deutschland setzt sich dafür ein, dass es Gesprächslösungen gibt. Ich freue mich, dass die ägyptische Regierung hier die Initiative
ergriffen hat, und ich fordere gerade an dieser Stelle, weil wir gerade über Katar gesprochen haben, dass Katar diese Bemühungen auch unterstützt und nicht in eine ganz andere
Richtung arbeitet. Man muss wissen, der Führer der Hamas, Chalid Maschal, ist in Katar, und deshalb hat Katar hier sicherlich auch die Möglichkeit einzuwirken.

ARD: Wir sehen die Bilder ja täglich, Frau Bundeskanzlerin - angesichts der hohen Zahl der zivilen Opfer unter den Palästinensern, fürchten Sie da nicht eine zunehmende Radikalisierung, eine nicht zu stoppende Spirale der Gewalt? Kann Israel diesen Krieg überhaupt gewinnen?

Merkel: Israel muss erst einmal sicherstellen, dass seine eigenen Bürgerinnen und Bürger nicht dauernd Opfer von Raketenangriffen sind, und Israel hat ein Interesse, ich habe gerade
Freitag mit dem israelischen Premierminister telefoniert, zu einem Waffenstillstand jetzt zu kommen. Mehrmals wurde der Waffenstillstand unterbrochen, auch durch die Aktionen aus
Gaza. Es ist eine dramatische Situation in Gaza, überhaupt keine Frage. Deshalb hat Deutschland sich gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien auch erboten, etwas zu tun, wenn es
um die Öffnung von Grenzübergängen geht und vieles andere mehr. Aber für solche Waffenstillstände braucht es zwei Seiten.

ARD: Kommen wir auch noch kurz zur Innenpolitik in diesem Sommerinterview und da zu dem beherrschenden Thema der letzten Monate: Spionage. Sie haben gesagt: "spionieren unter Freunden geht gar nicht". Gleichzeitig befindet sich im Anforderungsprofil der Bundesregierung, dass sowohl der NATO-Partner Türkei jetzt wohl auch noch Albanien beobachtet wird, überwacht wird. Wie passt das alles zusammen?

Merkel: Sie werden erstens verstehen, dass ich aus dem, was die Arbeit des BND ausmacht, jetzt nicht die Details ausbreite. Zweitens ist der Satz "spionieren unter Freunden geht gar
nicht" gefallen im Kontext der Aktivitäten der Vereinigten Staaten von Amerika. Dieser Kontext ist wichtig. Und ansonsten ist der BND aufgefordert, nach außen sicherzustellen, dass wir
alle für unsere Sicherheit relevanten Informationen auch bekommen. Und nach innen ist die Verantwortlichkeit hier beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Und ich glaube, gerade angesichts der wachsenden Bedrohungen wird auch jedem klar, dass man die Tätigkeit der Nachrichtendienste auch weiter brauchen wird.

ARD: Gucken wir mal nach vorne. Kommenden Sonntag wird in Sachsen gewählt. Nach letzten Umfragen sieht es so aus, als müssten Sie sich dort einen neuen Koalitionspartner suchen. Die FDP schafft es wahrscheinlich nicht in den Landtag, dafür aber erstmals die AfD. Ist die AfD für die Union ein Koalitionspartner?

Merkel: Wir haben im Bundesvorstand der CDU und im Präsidium einstimmig beschlossen, dass die AfD für uns als Koalitionspartner nicht in Frage kommt. Ansonsten unterstütze ich
jetzt erst einmal Stanislaw Tillich und die CDU in Sachsen, damit sie ein gutes Ergebnis bekommt. Viele Menschen sind noch unentschieden. Und dann werden wir nach dem Wahlabend
sehen, was das Wahlergebnis ist, und dann entscheiden die Landesverbände, welchen Koalitionspartner sie wählen. Aber in Sachsen gibt es ja durchaus noch viel zu kämpfen. Wir
haben noch eine ganze Woche Zeit.

ARD: Gibt es denn bei der CDU, bei Ihrer Partei, inzwischen eine grundsätzliche Strategie zum Umgang mit der AfD? Ihr Fraktionsvorsitzender hier im Bundestag sagte, er setzt sich
mit denen nicht in eine Talkshow, nicht an einen Tisch. Gibt es da eine grundsätzliche Linie?

Merkel: Die grundsätzliche Linie, die ich immer wieder vertrete und für die ich werbe, ist, dass wir unsere Politik erklären vom Euro bis zu den Asylbewerbern, von Flüchtlingen bis zu
den ökonomischen Fragen und damit die Menschen überzeugen. Das ist das Allerbeste, was man machen kann.

ARD: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben dem Klimaschutz immer höchste Priorität eingeräumt. Warum fahren Sie, jedenfalls war das bislang Stand, nicht zum Klima-Gipfel nach
New York? Obama und Hollande sind doch auch da.

Merkel: Ich werde auch weiter dem Klimawandel und seiner Bekämpfung die allerhöchste Aufmerksamkeit widmen. Ich werde in diesem Jahr nicht in New York dabei sein. Wir haben
aber bereits festgelegt, dass für unsere G7-Präsidentschaft das Thema Klimawandel ein Schwerpunkt sein wird. Wir haben 2015 dann die Klimakonferenz Anfang Dezember in
Frankreich, in Paris. Wir werden unseren G7-Gipfel, den wir im Schloss Elmau in Bayern abhalten werden, dafür nutzen, auch die notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Und dann werde
ich auch international allen Einfluss, den ich nehmen kann, verwenden, um ein gutes Klimaabkommen hinzubekommen.

ARD: Zum Schluss, was viele dann in Deutschland betreffen wird, die Pkw-Maut. Da gibt es Landesverbände Ihrer Partei, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, die wollen das Konzept von Verkehrsminister Dobrindt nicht mittragen. Heißt das am Ende stimmt dann doch Ihr Satz: "Mit mir wird es eine Pkw-Maut in Deutschland nicht geben"?

Merkel: Also, wir sind jetzt am Anfang der Beratungen. Der Verkehrsminister hat sein Konzept vorgestellt. Alle haben zugestimmt im Koalitionsvertrag, dass es eine solche Nutzergebühr
für alle, die in Deutschland fahren, geben wird und dass es keine zusätzlichen Belastungen für deutsche Autofahrer gibt. Es wird zur Zeit in Brüssel und mit der Europäischen Kommission
geprüft, ob das Konzept des Bundesverkehrsministers europakonform ist. Und das ist für mich erst mal der wichtigste Schritt, das hinzubekommen, und dann diskutieren wir in Ruhe
weiter.

ARD: Aber der Minister hat sich festgelegt auf Anfang 2016. Da, sagt er, ist sie da, die Pkw-Maut.

Merkel: Ja, okay. Ist ja auch noch ein bisschen Zeit bis dahin, nicht? Also wir können, müssen noch viele Fragen klären, ist gar keine Frage, und es wird sicherlich auch noch eine muntere
Diskussion geben. Aber wir haben auch den Koalitionsvertrag, und ich denke, zu dem stehen wir.

Das Gespräch führten Sabine Rau und Rainald Becker für "ARD - Bericht aus Berlin ".