"Sie sind unsere Zukunft"

Bürgerdialog: Merkel im Gespräch mit Studierenden "Sie sind unsere Zukunft"

Die Bundeskanzlerin will sich weiterhin mit Nachdruck für die Belange der Studierenden in Deutschland einsetzen. "Wir wollen, dass Sie gestärkt aus dieser Krise hervorgehen. Denn Sie tragen eines Tages dieses Land", betonte Merkel bei ihrem vierten digitalen Bürgerdialog. Bei dem Austausch erkundigte sich die Kanzlerin nach der Lebenssituation der Studierenden inmitten der Corona-Pandemie.        

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Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht per Videoschalte mit einer Studentin.

Das letzte Bürgergespräch führte die Kanzlerin mit Studierenden, die sich in Corona-Zeiten einem neuen Hochschulalltag gegenübersehen.

Foto: Bundesregierung/Steins

Kann ich das Studium trotz fehlender Praxisanteile in der Regelstudienzeit beenden? Kann die Politik junge Studierende noch stärker finanziell unterstützen? Warum werden Online-Prüfungen zum Teil nicht anerkannt? Und was können junge Leute gegen Verschwörungstheorien in ihrem Umfeld tun? Zu diesen und anderen Fragen hat die Bundeskanzlerin in ihrem eineinhalbstündigen digitalen Dialog mit Studierenden, wissenschaftlichen Hilfskräften und Lehrpersonal aus ganz Deutschland Stellung genommen.

Studium "unter ganz neuen Bedingungen"

Zu Beginn betonte Merkel, wie wichtig ihr persönlich das unmittelbare Gespräch über den aktuellen Hochschul-Alltag ist. Ihr Ziel sei es, dass die Studierenden eine möglichst gute Ausbildung hinbekämen - gerade auch in dieser Zeit "unter ganz neuen Bedingungen". Umso mehr liege ihr daran, bei dem Dialog mehr über die derzeitige Lebenswirklichkeit der jungen Leute zu erfahren.

Gleich mehrere Studierende treibt die Sorge um, dass sie aufgrund ausfallender Praxisanteile infolge der Pandemie mit ihrem Studium in deutlichen Zeitverzug geraten. Ceyda Aleyna Arslan beispielsweise studiert im fünften Semester Biotechnologie an einer Berliner Hochschule. Sie habe noch das Glück gehabt, rechtzeitig vor ihren Prüfungen die erforderlichen Praxisanteile durchführen zu können. "Bei vielen anderen fallen aber die praktischen Module aus", erzählt Ceyda.

Und ohne diese Praxiserfahrungen sei möglicherweise die Zulassung zu Prüfungen gefährdet. Ein Problem, das die Kanzlerin direkt an dieser Stelle nicht lösen kann, wie sie selbst erklärt. Aber man müsse sich die Regelungen mit Blick auf die notwendigen Praxisanteile innerhalb eines Studiums einmal genauer anschauen. Bei dieser Gelegenheit verbreitet die Kanzlerin etwas Zuversicht. Weil der Impfstoff nun da sei, hoffe sie, dass die Studierenden im Herbst des kommenden Jahres wieder mehr Normalität haben. Dieser Winter werde allerdings "noch hart".    

Wichtiges Thema: Studienfinanzierung 

Ein Schwerpunktthema beim Dialog: die Geldnöte vieler Studierenden. Nebenjobs sind oft weggebrochen. Sollte sich das Studium Corona bedingt verlängern, fallen mehr Gebühren an als ursprünglich geplant. Zudem müssen einige junge Leute mit weniger finanzieller Unterstützung durch die Eltern klarkommen, weil diese selbst wirtschaftlich von den Folgen der Pandemie betroffen sind.

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Video  Die Bundeskanzlerin im Gespräch mit Studierenden

Vanessa Schuster, Studentin an der Hochschule Trier, spricht die Kanzlerin auf finanzielle Hilfen der Politik an. Manche Unterstützung käme zu spät oder sei zu bürokratisch. Außerdem wäre es doch sinnvoll, wenn Studierende in der aktuellen Situation in Gesundheitsämtern oder in Pflegeheimen aushelfen würden – um sich auch etwas dazuverdienen zu können. Wichtig sei für die Studierenden, auch im Fall einer Absage eine Rückmeldung zu erhalten. Die Bundeskanzlerin bestätigt, dass man Studierende dazu aufgerufen habe, sich bei Gesundheitsämtern um eine Mitarbeit zu bemühen. Zudem könnten beispielsweise Medizinstudenten gut in Pflegeheimen bei den Testungen aushelfen.

Sami Saleh, Student an der Universität Passau, ist der Überzeugung, dass viele Probleme in Deutschland erst durch die Pandemie in den Vordergrund gerückt sind. Als Beispiele nennt er Mängel bei der Digitalisierung, oder ein bislang fehlender Blick auf die Bedeutung psychischer Probleme.

Angst mache ihm vor allem, dass manche Menschen Anhänger von Verschwörungstheorien seien. "Das ist ja im Grunde ein Angriff auf unsere ganze Lebensweise", erklärt Merkel daraufhin. Das übliche Argumentieren helfe da nicht weiter. Es gebe bei Anhängern solcher Denkmuster "eine richtige Diskussionsverweigerung". Diese Bürgerinnen und Bürger wieder in die Welt des gegenseitigen Zuhörens zu führen, werde sehr schwer.

Risikogruppen nicht ausschließen

Persönlich besonders von der Pandemie betroffen ist Kim Lea Väth aus Karlsruhe. Sie studiert das Fach Kulturvermittlung und weist wie viele andere auf das Problem der fehlenden mangelnden Praxiseinsätze hin, weil beispielsweise Kooperationen mit Museen oder anderen Kultureinrichtungen im Moment kaum möglich seien. Mehr Sorgen als um das Studium macht sie sich allerdings um ihre Gesundheit: sie ist Rollstuhlfahrerin und darüber hinaus Risikopatientin.

Die Kanzlerin macht ihr Mut und meint, in Deutschland seien etwa 27 Millionen Menschen besonders gefährdet, wenn man alle Risikogruppen zusammenfasse. Merkel betont: Risikopatienten müssten natürlich besonders geschützt werden. Aber sie dürften keinesfalls aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, "damit wir unseren Einkaufsbummel machen können".

Schub für die Digitalisierung

Viele Fragen und Anmerkungen gab es beim Bürgerdialog auch zur Umstellung der Hochschulen auf die digitale Lehre. Die meisten ziehen hier ein positives Zwischenfazit. Als Problem sehen einige Studierende, dass Online-Prüfungen in manchen Bundesländern noch nicht anerkannt seien. Dabei sei dies in der aktuellen Zeit doch nur folgerichtig. Auch hier sagte die Kanzlerin zu, sich dies noch einmal anzuschauen.

Alle Teilnehmenden des Dialogs, Studierende und Lehrpersonal, hoffen, dass der Digitalisierungsschub in der Bildung nach der Pandemie nicht wieder heruntergefahren wird. Dem stimmt die Bundeskanzlerin zu. Immerhin müsse man festhalten, in welchem Tempo sich die Hochschulen innerhalb nur eines Jahres auf die veränderten Bedingungen eingestellt hätten. Diese Zeit sei bei der langen Tradition der Hochschulen in Deutschland "nur ein Wimpernschlag".

Der Austausch der Kanzlerin mit den Studierenden war der vierte Termin in diesem Format. Zuvor hatte die Kanzlerin mit Auszubildenden und Ausbildern sowie mit Polizistinnen und Polizisten diskutiert. Außerdem gab es einen virtuellen Austausch zur Situation in der Pflege .