Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und dem Präsidenten der Republik der Philippinen, Marcos Jr. am 12. März 2024 in Berlin

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(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)


BK Scholz: Sehr geehrter Herr Staatspräsident! Herzlich willkommen hier in Deutschland! Ich freue mich: Das ist Ihr erster Deutschlandbesuch als Präsident. Deshalb ist es für uns sehr wichtig, dass wir hier eine ausreichend gute Zeit hatten, uns intensiv auszutauschen und alle Fragen zu besprechen, die für die Beziehung zwischen unseren beiden Ländern, aber auch für die Beziehung zwischen Deutschland, Europa und der ganzen indopazifischen Region, wichtig sind.

Deutschland will sein Engagement im Indopazifik breiter aufstellen. Dazu zählt natürlich auch, dass wir unsere Investments in andere Länder, unsere Importe aus anderen Ländern, diversifizieren wollen. Wir wollen dazu beitragen, dass wir viele Partner haben, um nicht in allzu große Abhängigkeiten zu geraten. Die Philippinen sind dafür sehr wichtig. Sie sind ein wichtiger Partner in Südostasien. Das kann natürlich auf Traditionen aufbauen. Wir feiern jetzt ja auch 70 Jahre bilaterale Beziehungen, die wir ausbauen wollen.

Für uns ist wichtig, dass wir auch im Bereich der Wirtschaft weiter vorankommen. Deshalb haben wir zum Beispiel die Möglichkeiten für Investitionsgarantien ausgeweitet. Das soll auch Investitionen aus Deutschland in den Philippinen besser möglich machen und diese ausweiten.

Wir haben eine enge Zusammenarbeit im Bereich der Rohstoffe, die uns auch für die Zukunft wichtig ist. Die Philippinen verfügen über viele derjenigen, die für die europäische und die deutsche Wirtschaft wichtig sind ‑ Nickel zum Beispiel. Wir wollen ermöglichen, dass es Fortschritte bei der Nutzung dieser Ressourcen gibt, aber auch bei der Wertschöpfung, die dann auf den Philippinen stattfindet.

Für uns sind natürlich auch die Rahmenbedingungen wichtig. Dazu gehören Freihandelsabkommen. Wie Sie wissen, ist Deutschland ein großer Unterstützer von Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Ländern der Welt. Wir wollen in diesem Fall mit einer Freihandelspartnerschaft mit den Philippinen vorankommen, aber eben auch mit den ganzen ASEAN-Ländern. Das wäre ein großer Fortschritt. Deshalb war das für unsere Gespräche wichtig, das intensiv zu erörtern.

Die Philippinen haben hervorragende Arbeitskräfte, die auch in Deutschland längst einen sehr guten Ruf haben. Das betrifft den Gesundheitssektor. Ich habe dem Präsidenten berichtet, dass ich als junger Anwalt auch philippinische Seeleute vertreten habe. Deshalb ist mir das auch persönlich ein sehr wichtiges Thema, dort gute Fortschritte für die Zukunft zu ermöglichen.

Insofern wollen wir eine sehr umfassende Weiterentwicklung unserer Migration zu Mobilitätspartnerschaften erreichen, und wir haben auch vor, das jetzt ganz konkret in Texte zu fassen, die wir miteinander vereinbaren. Dazu gehört selbstverständlich, dass auch die Bundesagentur für Arbeit eine Vermittlungsabsprache mit dem Land plant, damit die Rahmenbedingungen für das verbessert werden können, was wir uns an zukünftiger Zusammenarbeit erhoffen.

Meine Damen und Herren, wir haben natürlich auch über den Klimaschutz diskutiert ‑ ein zentrales Thema, gerade für die Philippinen. Es ist eines der Länder, die am meisten von den Folgen des Klimawandels betroffen sein werden. Deshalb ist es die Politik des Landes, alles dafür zu tun, dass sich diese Betroffenheit nicht so ausprägt, wie das manchmal befürchtet werden muss. Darum ist Zusammenarbeit in diesem Fall sehr wichtig, und wir wollen das auch tun mit den Fähigkeiten, die wir haben, etwa wenn es um den Einsatz erneuerbarer Energien geht.

Für uns alle zusammen ist wichtig, dass die Welt, in der wir leben, Regeln folgt. Die wichtigste Regel ist im Übrigen die, dass mit Gewalt keine Grenzen verschoben werden und dass der Frieden zwischen den Ländern im Mittelpunkt dessen steht, was für die Zukunft wichtig ist. Da sind wir beide sehr engagiert, das möglich zu machen. Das gilt natürlich ganz besonders für die Fragen, die uns jetzt in der Welt bewegen. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die ganze Welt berührt. Die ökonomischen Auswirkungen sind dramatisch, aber unsere Position ist auch gemeinsam sehr klar. Wir verurteilen den Angriffskrieg Russlands, und wir sehen in ihm eine furchtbare Verletzung der internationalen Regeln, über die ich eben gesprochen habe. Russland versucht einfach mit Gewalt, sein Land zu erweitern. Das ist etwas, was nicht akzeptabel ist. Es verletzt die territoriale Integrität der Ukraine. Deshalb kann ich für unser Land sagen: Wir werden alles tun, um die Ukraine bei ihrem Verteidigungskampf zu unterstützen. Schon heute sind wir in Europa das Land mit den meisten Unterstützungsmaßnahmen, auch was Waffenhilfe betrifft. Damit sind wir in der Welt nach den USA die Nummer Zwei.

Wir haben uns auch sehr sorgfältig über die Entwicklung im südchinesischen Meer unterhalten. Da geht es eben auch um die Einhaltung des Völkerrechts, die Freiheit der Seewege und das internationale Seerecht. Wir setzen uns dafür ein, dass das UN-Seerechtsübereinkommen von allen beachtet wird. Das setzt verbindliche Regeln für die Abgrenzung von Seegebieten und die friedliche Streitbeilegung auch in dieser Region fest. Und was die Philippinen betrifft, hat es dort schon 2016 eine wichtige Entscheidung gegeben.

Wir wollen im Übrigen alles tun, um Spannung auf friedliche Weise zu lösen. Deshalb sind die ASEAN-Verhandlungen über einen Code of Conduct sehr wichtig. Deeskalation ist das, was immer an erster Stelle stehen muss. ASEAN ist ein wichtiger Akteur in der Region. Wir wissen um den Mehrwert der regionalen Zusammenarbeit in diesem Bereich.

Wir haben uns eine Menge vorgenommen und auch vieles miteinander besprochen. Ganz konkrete Projekte konnten wir heute miteinander bereden, und wir werden an einer Roadmap für die Weiterentwicklung unserer Beziehung arbeiten.

Ich jedenfalls möchte mich noch einmal, Herr Staatspräsident, für Ihren Besuch bedanken. Das ist ein sehr wichtiges Signal für die deutsch-philippinische Freundschaft und für den weiteren Ausbau unserer Partnerschaft.

P Marcos: Vielen Dank, Herr Bundeskanzler, Herr Scholz. Ich möchte an dieser Stelle auch die Mitglieder der deutschen Delegation und die Mitglieder der Delegation, die mich begleitet, herzlich begrüßen. Guten Tag.

Aber zunächst möchte ich damit beginnen, dem Bundeskanzler sehr herzlich dafür zu danken, dass er so freundlich war, mich hier in die Bundesrepublik einzuladen. Ich freue mich sehr; denn Deutschland ist ein sehr wichtiger Partner für die Philippinen.

Es ist mir eine Ehre, dass dieser Besuch zum Zeitpunkt stattfindet, zu dem mein Land mit Deutschland seinen 70. Jahrestag der bilateralen Beziehungen feiert ‑ am 8. Oktober 1954 war das der Fall. Ich freue mich auf die Feierlichkeiten, die zu diesem Zeitpunkt in Deutschland und den Philippinen abgehalten werden.

Mein Treffen mit dem Bundeskanzler war sehr produktiv und hat mir viele neue Einsichten beschert. Wir haben darüber gesprochen, wie wichtig es ist, den Frieden und die Entwicklung auf den Philippinen voranzutreiben. Wir sind Gleichgesinnte und entschlossen, die regelbasierte Ordnung weiter zu stützen und unsere Verpflichtung im Interesse der Welt auch auf eine breitere Grundlage zu stellen.

Im Bereich der Verteidigungszusammenarbeit hat Deutschland die Streitkräfte meines Landes seit 1974 mit Ausbildung geholfen. Deutschland ist der zweitälteste formelle Verteidigungspartner der Philippinen, und ich habe die Offenheit meiner Regierung bekundet, was Diskussionen über eine Zusammenarbeit anbetrifft, die über die Ausbildung hinausgeht und auch Bereiche wie den Cyber- und den maritimen Bereich betrifft. Ich habe gewürdigt, dass Deutschland uns weiterhin zur Seite steht, wenn es um den Aufbau von Kapazitäten und Fähigkeiten für die Küstenwache meines Landes anbetrifft. Bevor ich nach Deutschland gekommen bin, wurde die gemeinsame Absichtserklärung zur Stärkung der Zusammenarbeit im maritimen Sektor unterzeichnet. Mich erfreut, dass Deutschland ein wachsendes Interesse daran zeigt, mit uns auch im maritimen Bereich zusammenzuarbeiten. Ich begrüße weitere Initiativen zur Stärkung unserer Partnerschaft.

Wir haben uns auch darüber unterhalten, wie wir den Handel und die Investitionen vorantreiben können. Deutschland war 2023 der elftwichtigste Handelspartner der Philippinen und eine wichtige Quelle von ausländischen Direktinvestitionen. Wir begrüßen die führenden deutschen Unternehmen, die in unserem Land vertreten sind, und das schon seit einiger Zeit. Ich denke da an Siemens, Lufthansa, die Deutsche Bank, Bayer, Bosch und weitere.

Ich habe heute auch unterstrichen, wie gut die Wirtschaftsaussichten meines Landes sind. Im letzten Jahr hatten wir ein Wachstum von 5,6 Prozent, deutlich mehr als einige Volkswirtschaften in unserer Region. Unsere wirtschaftliche Dynamik wird getrieben von einem starken Inlandsverbrauch und Konsum, unterstützt von einem vielfältigen Arbeitsmarkt, einem wachsenden Dienstleistungssektor und den Überweisungen aus dem Ausland. Investitionen in meinem Land sind jetzt noch attraktiver geworden, und wir ermöglichen es nun auch, dass Unternehmen vollständig in ausländischer Hand sind, auch in Bereichen wie zum Beispiel Eisenbahnen, Flughäfen, Autobahnen, Telekommunikation und erneuerbarer Energie.

Wir werden weitere Wege und Möglichkeiten finden, um unsere bereits starke Zusammenarbeit im wirtschaftlichen Bereich noch auszubauen. Die Philippinen würden mit Ihnen gerne in den Bereichen Fertigung, Bauwirtschaft und Infrastruktur, IT-Geschäftsprozessmanagement und Start-ups zusammenarbeiten, ebenso wie in den Bereichen der erneuerbaren Energien und der Verarbeitung von Mineralien.

Auch der Bereich des Klimawandels ist ein wichtiger Bereich für unsere Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Philippinen, und ich danke Deutschland für die Führungsrolle und das Engagement, das es im Bereich der Klimafinanzierung gezeigt hat, und für die Unterstützung, die es für die Errichtung eines Fonds für Schäden und Verluste beim 28. Klimawandelgipfel der Vereinten Nationen, der COP28 in Dubai im vergangenen Jahr, gezeigt hat. Ich habe deutlich gemacht, dass die Philippinen sich freuen würden, wenn sie der Standort des Fonds für Schäden und Verluste sein dürften.

Wir haben durchaus erkannt, wie wichtig die philippinischen Pflegefachkräfte und andere Fachkräfte aus den Philippinen hier in der deutschen Volkswirtschaft sind. Wir haben auch zur Kenntnis genommen, dass Deutschland ein Interesse daran hat, diese Zusammenarbeit auszuweiten, auch über den Pflegebereich hinaus. Ich habe bekräftigt, dass es mir vor allem darum geht, das Wohlergehen und die Rechte der Philippiner überall in der Welt zu stärken und zu schützen. Mit diesem Interesse haben beide Länder nun eine Erneuerung, eine Neuauflage des Kooperationsprogramms zwischen der TESDA und dem Bundesinstitut für berufliche Bildung unterzeichnet. Beide Seiten arbeiten auch an dem Abschluss eines Memorandum of Agreement über die Vermittlung von Fachkräften im Pflegebereich und in anderen Bereichen. Wir werden weitere Vereinbarungen in anderen Sektoren abschließen, und wir freuen uns sehr darauf, das recht bald tun zu können.

Was regionale und internationale Fragen anbetrifft, so habe ich dem Bundeskanzler heute dafür gedankt, dass er das Völkerrecht mit hochhält. Dazu gehört auch das VN-Seerechtsübereinkommen. Wir sind beide der Stärkung des Völkerrechts verpflichtet und wollen das im Geiste der Partnerschaft tun. Mein Land ist weiterhin dem Prinzip verpflichtet, Schwierigkeiten und unterschiedliche Auffassungen durch Dialog und Konsultation zu bewältigen. Wir werden weiterhin unsere Souveränität, unsere Rechtsprechung im Einklang mit dem Völkerrecht vertreten und durchzusetzen versuchen.

Zur Ukraine habe ich dem Bundeskanzler zugesagt, dass auch wir sie weiterhin unterstützen werden. Wir haben die betroffenen Parteien erneut aufgerufen, eine friedliche diplomatische Lösung für den Konflikt zu finden, und ich habe hier an die Erklärung von Manila aus dem Jahre 1982 über die friedliche Beilegung von internationalen Streitigkeiten erinnert, in der das Prinzip bekräftigt wird, dass alle Staaten ihre Streitigkeiten auf friedlichem Wege beilegen sollten.

Zum Nahen Osten habe ich die Besorgnis meiner Regierung angesichts der Tatsache zum Ausdruck gebracht, dass zwei Millionen Philippinos in der Region leben. Wir drängen weiterhin alle Parteien dazu, Vorsicht an den Tag zu legen, eine Eskalation der Situation zu vermeiden und eine friedliche Lösung des Konflikts zu erzielen.

Es war eine wirklich sehr bereichernde, fruchtbare Begegnung heute, Herr Bundeskanzler. Ich möchte Ihnen noch einmal herzlich dafür danken ‑ und wenn ich Ihnen danke, danke ich auch der Bundesregierung für diesen freundlichen Empfang und die Gastfreundschaft, die Sie mir, meiner Frau und meiner Delegation erwiesen haben.

Ich freue mich auf die Fortführung unserer starken Partnerschaft für die nächsten 70 Jahre oder darüber hinaus. Ich glaube, dass wir in der Lage sind, unsere Beziehungen weiter zu vertiefen und zusammenarbeiten, im Interesse des Wohlstands beider Länder und beider Völker.

Frage: Herr Präsident, Herr Bundeskanzler, die deutsche Außenministerin, Frau Annalena Baerbock, hat gesagt, die Philippinen und Deutschland hätten sich darauf geeinigt, die maritime Zusammenarbeit im südchinesischen Meer zu vertiefen. Was bieten Sie den Philippinen an, wenn es darum geht, sich gegen die aggressiven Vorgehensweise Chinas im südchinesischen Meer zu verteidigen?

BK Scholz: Für uns ist das internationale Recht von allergrößter Bedeutung. Das gilt auch für das Recht, das die Seeschifffahrt und die hohe See betrifft. Wir haben dort internationale Vereinbarungen, einen Vereinten-Nationen-Vertrag, der gilt. Wir haben auch einen Seegerichtshof, der in Deutschland ‑ in Hamburg, meiner Heimatstadt ‑ seinen Sitz hat und in den letzten Jahren sehr viele kluge Entscheidungen getroffen. Deshalb ist es sehr, sehr wichtig, dass alle sich daran halten. Die Zusammenarbeit, über die wir hier gesprochen haben, hat natürlich auch etwas damit zu tun, dass wir die Philippinen dabei unterstützen, ihre Rechte auch sichern zu können.

Frage: Ich habe eine Frage an den philippinischen Präsidenten, auch zum Südchinesischen Meer. China hat neue Vorschläge vorgelegt, wie man einen Konflikt vermeiden könnte. Ihre Regierung hat sich ablehnend und skeptisch gezeigt. Könnten Sie bitte einmal ausführen, was genau die Kritikpunkte sind, die Sie gegenüber diesen chinesischen Vorschlägen vorgebracht haben oder haben?

Herr Bundeskanzler, zum Thema Ukraine: Es gibt aus der EU mittlerweile sehr, sehr unterschiedliche Äußerungen zu dem Konflikt. Bodentruppen will ich gar nicht erwähnen; das war letzte Woche. Aber jetzt hat der ungarische Ministerpräsident nach einem Treffen mit Herrn Trump gesagt, der US-Präsident habe ihm „Kein Penny mehr für die Ukraine!“ versichert. Das sei genau der richtige Weg. Gleichzeitig fordert der polnische Präsident, die Verteidigungsausgaben auf drei Prozent des BIP zu erhöhen. Haben Sie die Hoffnung, dass die EU auch nächste Woche noch zusammenstehen kann, was die Ukraine angeht? Wie beurteilen Sie diese beiden Vorschläge, Drei-Prozent-Ziel und kein Geld mehr für die Ukraine?

P Marcos: Vielleicht beginne ich mit der zweiten Frage. Mir steht es nicht zu, darüber zu sprechen, was das Ergebnis der anstehenden Wahlen in den USA sein könnte und was das bedeutet, ob es dann der frühere Präsident sein wird oder der jetzige, der wiedergewählt werden wird. Aber natürlich verfolgen wir das, was dort geschieht, mit Interesse. Alles, was in der NATO beschlossen wird, hat natürlich auch einen Bezug zu dem, was bei uns oder im Indopazifik geschieht.

Nun zu Ihrer ersten Frage: Wir haben keine Vorschläge abgelehnt, die China unterbreitet hat. Es ist die Arbeitsgrundlage, die wir nicht akzeptieren können, nämlich dass die chinesische Seite ihr Territorium entlang der sogenannten Zehn-Striche-Linie definiert, die von keinem Land, von keinem internationalen Organ und ganz sicherlich nicht von den Philippinen anerkannt wird. Das haben wir schon seit vielen, vielen Jahren deutlich gemacht, und die Lage ist seit vielen Jahren auch so. Wir haben unsere ausschließliche Wirtschaftszone, und China hat sich bereits in diese ausschließliche Wirtschaftszone hinein begeben. Diese Ausgangsgrundlage für die Diskussion, auf der auch dieser Vorschlag beruht, können wir also nicht akzeptieren. Wenn China darauf beharrt, dass das sozusagen die Ausgangsgrundlage ist, dann wird es für uns sehr schwierig sein. Ich erkläre das auch immer. Als ich ins Amt kam, habe ich ja einen Eid abgelegt, nämlich den Eid, die Verfassung der Philippinen zu verteidigen und zu stützen, und der erste Artikel dieser Verfassung ist der Artikel, in dem klar das Territorium definiert wird, zu Land und zur See. Es ist also meine Pflicht, das zu verteidigen; ich kann nicht anders.

BK Scholz: Die Europäische Union hat gerade Entscheidungen getroffen, um die Ukraine intensiv finanziell zu unterstützen. Wir haben eine mehrjährige Finanzplanung beschlossen, die insgesamt 50 Milliarden Euro umfasst, was Haushaltsunterstützung betrifft. Das, aufgeteilt auf die nächsten Jahre, ist ein ganz erheblicher Beitrag zur Stabilisierung der Regierung der Ukraine, der Staatstätigkeit, aber auch der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes.

Darüber hinaus ist für uns alle klar, dass wir die Ukraine auch mit Waffenhilfe unterstützen müssen. Sie wissen, dass Deutschland dieses Jahr mehr als sieben Milliarden Euro in unserem Haushalt vorgesehen hat und dass all die Zusagen, die Deutschland insgesamt gemacht hat ‑ für das seit Beginn des Krieges bisher Gelieferte und für das, was wir für die Zukunft zugesagt haben ‑, 28 Milliarden Euro umfassen, 30 Milliarden Dollar. Meine Haltung ist, dass wir auch dabei bleiben müssen, dass wir die Ukraine unterstützen ‑ nicht nur Deutschland, sondern auch die gesamte Europäische Union ‑, so lange, wie das notwendig ist, damit sich die Ukraine verteidigen kann. Ich bin sicher, dass das die Haltung der Europäischen Union in all den Diskussionen sein wird. Wenn ich unsere Entscheidungen von Ende des letzten Jahres und von Anfang dieses Jahres betrachte, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass uns das miteinander gelingen wird, und zwar einvernehmlich, doch sehr hoch.

Ansonsten bekenne ich mich ausdrücklich zu unserer Verpflichtung, die wir als NATO-Mitgliedstaaten alle übernommen haben, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung auszugeben. Damit wir diese massive Steigerung ermöglichen können, haben wir für Deutschland einen Sonderfonds gebildet, ein Sondervermögen, das jetzt schon fast vollständig belegt ist. Etwa 80 Prozent der in diesem Rahmen vorgesehenen Ausgaben sind festgelegt. Wir werden auch die restlichen wohl weitgehend bis zum Ende des laufenden Jahres definieren. Danach wird es darauf ankommen, dass wir diese Aufgabe auch aus dem Haushalt finanzieren, trotz der Herausforderung, die damit verbunden ist. Ich sehe durchaus gerne, dass sich auch fast alle anderen europäischen Staaten, die Mitglieder der NATO sind, auf diesen Weg gemacht haben und die zwei Prozent der Wirtschaftsleistung früher oder später erreichen werden. Das ist ein sehr großer Fortschritt.

Frage: Guten Tag, Herr Präsident, Herr Bundeskanzler! Die zwei Transportbehörden des jeweiligen Landes haben eine Absichtserklärung unterzeichnet, um die Zusammenarbeit im maritimen Bereich zu verstärken. Welche Form der Zusammenarbeit sollte sich auf der Grundlage dieses Abkommens ergeben? Was erwarten Deutschland und die Philippinen im Hinblick auf die Mobilität im maritimen Sektor und den dortigen Handel?

BK Scholz: Deutschland ist ein Land, das in den letzten Jahren einen großen Teil seines wirtschaftlichen Aufschwungs und wirtschaftlichen Wohlstands dadurch möglich gemacht hat, dass Arbeitskräfte aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Rahmen der dort herrschenden Freizügigkeit von Arbeitskräften, aber auch aus aller Welt in Deutschland mitgemacht, angepackt und dazu beigetragen haben, dass die Aufgaben, die hierzulande anfallen, auch erledigt werden können. Zu den Ländern, aus denen viele kommen, die hier mit angepackt haben, gehören traditionell die Philippinen. Wir wollen mit all dem, was wir jetzt machen, die Bedingungen dafür weiter verbessern.

Das Abkommen dient dazu, dass wir insbesondere in einem Feld eng zusammenarbeiten, das für die deutsche Volkswirtschaft sehr prägend ist. Alle wissen, dass die Berufsausbildung ‑ die Lehre, das „vocational training“ ‑ etwas ist, das gerade in Deutschland für die Berufstätigkeit bzw. Erwerbstätigkeit von allergrößter Bedeutung ist. Ja, wir haben sehr viele, die heute auch an Universitäten ausgebildet werden. Aber Deutschland ist das Land, das über eine überdurchschnittlich hochqualifizierte Arbeitnehmerschaft verfügt - wegen der Berufsausbildung. Deshalb ist es für die weitere gute Zusammenarbeit zwischen den Philippinen und Deutschland sehr wichtig, dass wir genau im Bereich der Zusammenarbeit in diesen Fragen der Berufsausbildung und der qualifizierten Weiterentwicklung eng miteinander kooperieren. Das wird auch die Chancen von Arbeitskräften aus den Philippinen in Deutschland erhöhen, die sich auf den Weg machen wollen, hier anpacken wollen und hier mit ihren Familien auch leben wollen.

Wir haben mit den Gesetzen, die wir gerade beschlossen haben, die Bedingungen für die Arbeitskräftezuwanderung nach Deutschland erheblich verbessert ‑ das ist wahrscheinlich das fortschrittlichste Gesetz, das es in der Welt im Vergleich gibt ‑, weil wir wissen, dass unser Wohlstand davon abhängt, dass uns das auch in der Zukunft gelingt. Das ist natürlich nur dann der Fall, wenn es gut für diejenigen, die kommen, und für die Volkswirtschaft hier ist. Die konkreten Bedingungen dafür festzulegen und die Zusammenarbeit zu verbessern, das haben wir uns vorgenommen. Daran haben wir selbst ein großes Interesse. Das passt also, wie ich finde, in einer Welt, die global zusammenwächst, sehr gut in die Zeit.

P Marcos: Auch ich würde dazu gern etwas sagen, zur maritimen Zusammenarbeit vielleicht etwas detaillierter, als ich es am Anfang getan habe. Wir haben einen intensiven Austausch mit der Bundesrepublik Deutschland auch im Bereich der Ausbildung der Streitkräfte und der Küstenwache meines Landes. Wir haben uns mit dem Bundeskanzler darauf geeinigt, dass wir das ausweiten wollen. Denn wir müssen anerkennen, dass über das Südchinesische Meer etwa 60 Prozent des Welthandels gehen. Es liegt also nicht nur im Interesse meines Landes oder im Interesse von ASEAN oder der Indopazifikregion, sondern es ist ein globales Interesse. Es liegt in unser aller Interesse, dafür zu sorgen, dass es dort die Freiheit der Schifffahrt und dass es sichere Handelswege über das Südchinesische Meer gibt.

Ganz generell möchte ich sagen, dass die Philippinen auch das Ziel haben, ihre Volkswirtschaft weiterzuentwickeln. Das kann nur dann geschehen, wenn unsere Arbeitskräfte die entsprechende Ausbildung haben. „Upskill“, also umschulen mit dem Ziel der Fortbildung, der Verbesserung der Fähigkeiten, das sind jetzt die Schlagworte.

Auch was den digitalen Raum und die Entwicklung von Hochtechnologie betrifft, gibt es natürlich Voraussetzungen für die Arbeitskräfte. Auch da muss eine Ausbildung erfolgen. Darauf müssen wir weiterhin achten, wenn wir wollen, dass es unserer Wirtschaft weiterhin gut geht. In diesem Bereich hoffen wir, wie ich eingangs gesagt habe, mit Deutschland enger zusammenarbeiten zu können. Unsere Behörde, die TESDA-Behörde, und das deutsche Bundesinstitut für Berufsbildung werden dabei zusammenarbeiten. Wir hoffen, dies vertiefen und fortführen zu können. Ich denke, das ist im Interesse und zum Vorteil der Philippinen. Unsere Arbeitskräfte werden besser ausgebildet sein. Auch Deutschland wird davon profitieren. Denn Sie haben dann Arbeitskräfte mit den entsprechenden Fähigkeiten, die auch einen Beitrag zur deutschen Volkswirtschaft leisten können.

Frage: Herr Bundeskanzler, Sie planen für das Frühjahr eine Reise nach China, Ihre zweite Chinareise. Mit welchen Erwartungen und Zielen reisen Sie diesmal nach China? Auf der vorigen Reise stand der Ukrainekonflikt sehr im Mittelpunkt. Haben Sie weiterhin die Hoffnung, dass China Einfluss auf Putin nehmen kann, was die Lösung dieses Konflikts angeht?

Herr Präsident Marcos, welche Erwartungen oder vielleicht auch Wünsche haben Sie an den Bundeskanzler, was diese Chinareise angeht?

Eine Nachfrage zur Kooperation im Verteidigungsbereich: Sie haben die Ausbildung angesprochen. Wurde heute auch über konkrete Rüstungsprojekte gesprochen? Haben Sie konkrete Wünsche an die deutsche Rüstungsindustrie, was sie Ihnen liefern könnte?

P Marcos: Noch einmal beginne ich mit der Antwort auf die zweite Frage. Wir haben über die Ausbildung unserer Streitkräfte gesprochen. Aber wir haben dies nicht im Detail getan, auch nicht, was die Beschaffung angeht. Wir in den Philippinen haben gerade erst unsere Pläne für die nächste Phase unserer Beschaffungsmaßnahmen für die Streitkräfte erstellt. Wenn dies finalisiert worden sein wird, dann wären wir so weit, dass wir über Rüstungszusammenarbeit bzw. Beschaffungsprojekte nachdenken könnten. Dann könnten wir natürlich auch Deutschland Angebote machen, ebenso wie anderen Ländern. Dann gibt es hoffentlich Möglichkeiten, wie man sich gegenseitig helfen kann.

Was den bevorstehenden Besuch des Bundeskanzlers in China betrifft, können wir nur den Wunsch äußern, dass er erfolgreich sein möge. Wir alle hätten gern mehr Frieden in der Region, in der Ukraine, aber auch im Südchinesischen Meer. Obwohl das, was wir im Südchinesischen Meer erleben, ja kein wirklicher Krieg ist, erleben wir durchaus Spannungen in der Region. Wir betrachten das als eine andauernde Herausforderung für die Welt. Hierbei geht es ja um die Verbindungen zwischen den einzelnen Wirtschaften, die Vernetzung, auf die sich solch ein Konflikt auswirkt, auch wenn er relativ weit entfernt ist. Das gilt auch für die Ukraine und die Auswirkungen, die das auf meine Region und die Philippinen hat. Also hoffe ich auf ein gutes Ergebnis des Besuchs des Bundeskanzlers in China.

BK Scholz: Der Besuch wird natürlich einer langen Tradition von Besuchen meiner Vorgängerin und ihrer Vorgänger sowie auch meiner Besuche, die ich in China hatte, folgen. Wir werden über das ganze Feld der bilateralen Beziehungen, aber auch die Situation in der Welt zu sprechen haben. Das betrifft ökonomische Fragen zwischen unseren Ländern und ökonomische Fragen, was den Welthandel betrifft. Das betrifft die Fragen der Resilienz, die auch für uns von großer Bedeutung sind, gerade deshalb, weil Deutschland nun viel dafür tut, in vielen Ländern der Welt aktiv zu sein und die Zahl der Länder, mit denen es ökonomische Beziehungen hat, noch weiter auszuweiten.

Das Gleiche gilt natürlich für die großen, dramatischen Friedens- und Sicherheitsfragen der Welt. Über die Sache der Ukraine haben wir beim vergangenen Mal gesprochen. Wir werden diesen Konflikt sicherlich zu verhandeln haben, auch viele andere, die eine Rolle spielen. Auch wir haben uns heute sehr intensiv über die Situation im Indopazifik, im Südchinesischen Meer und in der „Taiwan Strait“ unterhalten. All diese Themen spielen natürlich auch dort eine Rolle. Alles andere wäre verwunderlich.